Die Kosten des Diploms
Studierende, die Ende 1994 an einer Universität Examen machten, haben für die Lebenshaltung während ihres Studiums im Durchschnitt 90.900 DM ausgegeben.
❑ Studiendauer in Jahren
Evangelische Theologie Psychologie
Architektur Germanistik
Erziehungswissenschaften Humanmedizin
Bauingenieurwesen Mathematik Informatik Maschinenbau Physik Elektrotechnik Chemie
Rechtswissenschaften Wirtschaftswissenschaften
Aufwendungen je Student in 1.000 DM
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Examen: nur Diplom- und Magister-Prüfungen, ohne Lehramtsprüfungen; Durchschnittsausgaben eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern lebt, für Ernährung, Miete, Heizung, Kleider, Bücher, Fahrgeld und Sonstiges.
Ursprungsdaten: BMBT, Deutsches Studentenwerk Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Ein Student, der Ende 1994 sein Examen ablegte, hat für die im Durchschnitt knapp sieben Jahre dauernde wissenschaftliche Ausbildung rund 91 000 DM ausgegeben. Dieser Betrag ergibt sich aus der Fortschreibung der vom Deutschen Studentenwerk 1991 ermittelten Daten über studentische Lebenshaltungskosten. iw
THEMEN DER ZEIT
Jeden Tag kann man sich durch die Lektüre von Tageszeitungen über- zeugen, daß marktwirtschaftliches Verhalten als Allheilmittel der vielfäl- tigen Probleme gesehen wird. Aktuel- les Beispiel: Freigabe der Ladenöff- nungszeiten — zuviel staatliche Regle- mentierung behindere den Konsum- willen. Die existentielle Bedrohung des Einzelhandels könne trotz schwindender Realeinkommen abge- wendet werden, wenn sich die Kauf- kraft rund um die Uhr Bahn bricht.
Die gesetzlichen Vorgaben, die den Wettbewerb der Krankenkassen bisher einschränkten, sind ab 1. Janu- ar 1996 (mit Wirkung zum 1. Januar 1997 für „Altfälle") weitgehend auf- gehoben. Insbesondere den Kranken- kassen, die ihre Mitglieder vorwie- gend aus Pflichtversicherten ohne Wahlmöglichkeit rekrutierten, droht der Exodus. Mitgliedsverluste schwä- chen die Leistungskraft der Kranken- kassen (und schmälern das Gehalt der Geschäftsführer . . . ).
Auf der Suche nach marktge- rechten Angeboten boomen Gesund- heitsförderungskurse. Das Spektrum der Informationsbroschüren liest sich wie der Anzeigenteil der einschlägi- gen Stadtmagazine.
Schrittweise verändern sich die Dimensionen: Der Wettbewerb wen- det sich der Heilbehandlung zu. An- geregt durch Budgetierung, ermun- tert durch ganzheitliches Unbehagen („Paradigmenwechsel") und steigen- de Nachfrage („nichts ist unmög- lich"), öffnen sich Vertragsärzte lu- krativen Ressourcen. Durch Instituts- gründungen werden Werbeverbote umgangen, Medien (Anzeigen, lan- cierte Zeitungsartikel, Talkshows in Funk und Fernsehen) greifen ein.
Auch die Krankenkassen erkennen neue Felder zur Imagepflege.
Der Deutsche Ärztetag hat im Mai 1995 eine Resolution gefaßt, wo- nach nur qualitätsgesicherte Maßnah- men von den Krankenkassen erstattet werden sollten. Dieser Forderung trägt zum Beispiel der NUB-Aus- schuß Rechnung: Nur nach eingehen- der Prüfung bei Vorlage aussagekräf- tiger Unterlagen werden „neue" Be- handlungsmethoden anerkannt. Die-
DIE GLOSSE/BERICHTE
sem Verfahren entziehen sich viele Anbieter; aber auch abschlägige Ent- scheidungen des NUB -Ausschusses wirken sich unter Berufung auf die Therapiefreiheit kaum auf die An- tragspraxis aus.
Dem medizinischen Gutachter kommt in dieser Situation eine Schlüsselrolle zu. Durch das SGB V gestützt, kann sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) der Wahrnehmung seiner me- dizinischen Aufgaben unabhängig widmen — er ist nur seinem „ärztlichen Gewissen" unterworfen. Daher ist der Medizinische Dienst begrenzt in- strumentalisierbar; die gutachterli- chen Stellungnahmen sind nicht steu- erbar im Sinne einer aktiven Marke- tingpolitik der verschiedenen Kran- kenkassen.
Dies führt zu alternativen Strate- gien der leistungsbereiten Kassen — unter Ausschaltung des Medizinischen Dienstes und unter Mißachtung der
Entscheidungen des NUB-Ausschus- ses werden Sonderaktionen mit Wer- becharakter inszeniert. Beispiele: am- bulante hyperbare Sauerstofftherapie bei Tinnitus, Krebsmehrschrittthera- pie nach von Ardenne oder ähnliche.
Unverblümt wird in Kassenvorstands- etagen an einen hausinternen ärztli- chen Dienst, dessen Unabhängigkeit fraglich erscheint, gedacht. Die Abseg- nung kassenpolitischer Entscheidun- gen (zur Abwendung der Geschäfts- führerhaftung) durch „geeignete" me- dizinische Gutachter wird erwünschtes Ziel dieser Bestrebungen sein.
Es ist zu hoffen, daß die Trend- wende durch Erhaltung der Vorschrif- ten des SGB V gestoppt werden kann
— zum Nutzen insbesondere der Versi- cherten und ihres Anspruchs auf qua- litätsgesicherte Heilmaßnahmen und verantwortungsvollen Umgang mit ihren Mitgliedsbeiträgen. Sonst wird in Zukunft selbst eine „Behandlung"
finanziert werden, wie sie der Zaube- rer Merlin einer hysterischen Plötze angedeihen ließ.
Dr. med. Beate Struth-Weißbach
Gewissenhafte Gutachter
A-2626 (40) Deutsches Ärzteblatt 92. Heft 40. 6. Oktober 1995