bezeichnete Prof. Dr. med. Detlev Ganten, ebenfalls Mitglied der Arbeits- gruppe „Biobanken“ des Nationalen Ethikrates derlei Überlegungen. „Wir dürfen nicht zu weit in die Zukunft den- ken. Die Probleme werden sonst immer unübersichtlicher“, sagte der Stiftungs- vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin. Das Problem der Kommerzialisierung gebe es bei Zell- oder Blutbanken heute schon. Obwohl es „immer wieder mal zu Missbrauch“ komme, würden diese Einrichtungen in der Regel ärztlich sinnvoll genutzt.
Missbrauch verhindern
Dass hinter Biobanken, vor allem bei privaten Betreibern, mitunter handfe- ste kommerzielle Interessen stecken, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Su- che nach einem neuen Namen für diese Einrichtungen zielt deshalb am eigentli- chen Problem vorbei. Es geht nicht dar- um, einen passenden Euphemismus zu finden, sondern Missbrauch zu verhin- dern. Insbesondere für den Bereich öf- fentlicher und privater Genbanken gilt es, umfassende Qualitätskontrollen zu gewährleisten. Dazu gehört auch die regelmäßige Überprüfung des respek- tablen Umgangs mit menschlichen Sub- stanzen. Man denke hier an mensch- liches Gewebe aus abortierten Föten.
Auch die Frage nach dem Verwen- dungszweck muss in diesem Zusam- menhang geklärt werden. Geht es um medizinische Forschung oder um die Herstellung von Kosmetika? Was ge- schieht, wenn eine wirtschaftlich betrie- bene Biobank pleite geht? Wie kann verhindert werden, dass menschliches Gewebe oder gar Geninformationen in die falschen Hände geraten?
Es ist gut, dass sich der Nationale Ethikrat diesen Fragen widmet. Sollte es tatsächlich zu einer gemeinsamen deutsch-französischen Stellungnahme kommen, würde dies zweifellos das Gewicht der Entscheidung des Natio- nalen Ethikrats vor dem Gesetzgeber erhöhen. Eine europäische Regelung wäre denkbar. Dies ist allerdings Zukunftsmusik und ähnlich wie die gesamte Debatte ein „prospektives“
Thema. Samir Rabbata
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A1864 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002
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it 1 452 Anträgen zur Überprü- fung ärztlicher Behandlungen auf etwaige Fehler verzeichnete die Gutachterkommission der Ärzte- kammer Westfalen-Lippe im Jahr 2001 einen Andrang wie nie zuvor (Grafik).Johannes Pfeiffer, Vorsitzender der Kommission, führte diese Entwicklung unter anderem auf die steigende Ar- beitsbelastung in den Krankenhäusern zurück: „Wenn die Ärztinnen und Ärz- te weniger Zeit für ein klärendes Ge- spräch am Krankenbett haben, steigt der Misstrauenspegel bei den Patien- ten.“ Missverständnisse könnten dann nicht geklärt werden, verdeutlichte Ärztekammerpräsident Dr. med. Ingo Flenker im Vorfeld der Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen der Gutach- terkommission am 26. Juni in Münster.
Häufungen als Lackmus-Test
Im Jahr 2001 fertigte die Kommission 1 131 gutachterliche Bescheide an, in denen 268 ärztliche Behandlungsfehler festgestellt wurden. Das entspricht ei- ner Quote von 23,7 Prozent. Markante Veränderungen dieser Quote waren in den letzten Jahren nicht zu beobachten.
Vergleiche zu anderen Ärztekammern seien wegen der unterschiedlichen Ver- fahren schwierig, sagte Pfeiffer. Von Behandlungsvorwürfen betroffen seien insbesondere jene ärztlichen Fachrich- tungen, die in Diagnostik und Therapie am stärksten in den menschlichen Kör- per eingreifen. Rund 60 Prozent aller gutachterlichen Bescheide bezögen sich auf die Fachrichtungen Chirurgie, Gynäkologie und Orthopädie. Beson- ders gefordert werde die Kommission,
wenn sich in bestimmten Bereichen Beanstandungen der Patienten häuf- ten, betonte Pfeiffer. Als Beispiele nannte er Schwierigkeiten bei mini- malinvasiven Eingriffen – unbeabsich- tigte Durchtrennungen des Hauptgal- lengangs oder der Harnleiter –, Mängel im geburtshilflichen Management und postoperative Infektionen. Es sei dann Aufgabe der Kommission, die Proble- me, die über den Einzelfall hinausge- hen, bei der Ärztekammer zu melden.
Die Auswertung der Gutachten zeige, in welchen Bereichen die ärztliche Fort- bildung intensiviert werden müsse, un- terstrich Flenker: „Die Gutachten sind ein wichtiger Lackmus-Test für uns.“
Der Präsident wertete die Arbeit der Gutachter (derzeit 635) als „sehr erfolg- reich“. In mehr als 80 Prozent der Fälle könne eine außergerichtliche Klärung erreicht werden. Zwar bleibe das Recht der Parteien, eine gerichtliche Klage an- zustreben, von der Entscheidung un- berührt, aber nur in 15 Prozent der Fälle eines negativen Bescheids würden die Ansprüche weiter verfolgt. Jens Flintrop
Grafik
Anträge bei der Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen (1998–2001)
1 600–
1 400–
1 200–
1 000–
800–
600–
400–
200–
0– 1998 1999 2000 2001
1 257 1 280
1 452 1 309
685 689 698 776
IAnträgeIPatienten vertreten durch Rechtsanwälte
Quelle: Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen