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Archiv "Frage der Woche an . . . Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen Lippe" (25.04.2014)

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Objekt wahrzunehmen, sondern stets als eigenständiges Individuum.

Den Perspektivenwechsel trainieren

Selbst empathische Ärzte, die über eine wertschätzende Einstellung zum Patienten verfügen, haben zu- weilen mit dem Problem zu kämp- fen, diese Fähigkeit im hektischen Praxis- und Klinikalltag zu aktuali- sieren. In stressigen Belastungssitua- tionen fällt es schwer, sich die Zeit zum empathischen Zugang zum Pa- tienten zu nehmen. Darum: Welche Möglichkeiten gibt es, den Perspek- tivenwechsel und das einfühlende Verstehen zu trainieren und im Ver- haltensrepertoire fest zu verankern?

Ein Beispiel ist die Beschäfti- gung mit Kunst und Kunstwerken.

Denn diese sind nie eindeutig – ein Gedicht oder Roman, vor allem je- doch ein Gemälde kann angesichts seiner Mehrdimensionalität und Mehrdeutigkeit vom Betrachter auf völlig verschiedene Weise betrach- tet und beschrieben werden. Im Se- minar etwa beschreiben die Teil- nehmer ein und dasselbe Bild – und gelangen zu höchst unterschiedli-

chen Bewertungen. Das schärft das Verständnis für die Mehrdimensio- nalität der Kunstwerke im Besonde- ren und der menschlichen Ansich- ten im Allgemeinen. Heppt erläu- tert: „Indem der Arzt diese Einsicht auf das Patienten-Arzt-Verhältnis überträgt, lernt er es zu akzeptieren, dass der Patient in einer gänzlich anderen Vorstellungswelt lebt.“

Eine vom Arzt rasch umsetzbare Variante besteht darin, sich vorzu- nehmen, auf der nächsten Party al- len Menschen nur Fragen zu stellen und zuzuhören. Das heißt, er äußert bewusst keine eigene Meinung und erzählt nichts von sich selbst. Wahr- scheinlich werden die anderen Gäs- te über ihn sagen, dass man sich mit ihm „so richtig gut unterhalten“

könne. Und es gilt: Patienten lieben nichts mehr als einen Arzt, der ih- nen wahrhaftig zuhört.

Dem Mitarbeiter empathisch begegnen

Die Fähigkeit zur Empathie ist selbstverständlich auch bei der Mit- arbeiterführung hilfreich. Wenn es etwa in einer Konfliktsituation dar - auf ankommt, die Sichtweise eines

Pflegers oder gleich mehrerer Kon- fliktparteien nachzuvollziehen und einzunehmen, kann sich der Arzt mit Hilfe seines empathischen Ein- fühlungsvermögens eher eine eige- ne Meinung bilden.

Hinzu kommt: Die meisten Ärzte arbeiten zugleich mit einer Füh- rungskraft zusammen und sehen sich Tag für Tag mit der Situation konfrontiert, von einem VOR-Ge- setzten Anweisungen entgegenneh- men zu müssen. Wenn der Stations- arzt vom Oberarzt ungerechtfertig- ter Weise zusammengestaucht wird, sollte er nachvollziehen können, wie sich der Assistenzarzt fühlt, wenn er, der Stationsarzt, bei sei- nem „Untergebenen“ ebenso agiert – und diese Vorgehensweise als kontraproduktiv ablehnen.

So fällt dem Arzt der Seiten- oder Perspektivenwechsel im Ver- hältnis zum Patienten leichter:

„Wie würde ich mich fühlen, wenn ich im Patientenbett liegen würde und mich der Arzt wie ein Objekt oder als ,nicht anwesende Person‘

behandeln würde?“

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will die Zahl der Krankenhausbetten in Deutschland reduzieren. Trotz steigender Patien- tenzahlen seien im Jahresdurchschnitt nur 77 Prozent der Kapazitäten in den Kliniken ausgelastet.

Welche Auswirkung hätte die Kürzung der Zahl der Klinikbetten auf die Qualität der Patientenversorgung?

Windhorst: Die Diskussion um die Auslastung der Krankenhausbetten ist komplett fehlgeleitet. Die Qualität der Patientenversorgung in den Kliniken lässt sich nicht über Belegungsstatistiken und Bettenzahlen definieren. Wer so wie der Bundesgesundheitsminister den Statistik- Hammer schwingt, geht den falschen Weg. In Westfalen-Lippe zum Beispiel sind die Krankenhausbetten zu 76,3 Prozent ausgelastet. Dies liegt leicht unter dem statistischen Bundesdurchschnitt. Allerdings nur, wenn man die Wochenenden mit einberechnet. Ohne die Einbeziehung der Samstage und Sonntage sind die Krankenhäuser zu 85 Prozent belegt. Das ist schon eine ganz andere Hausnummer. Bei der Kapazi- tätsplanung der Kliniken muss berücksichtigt werden, dass es in Notfällen, wie etwa Grippewellen oder Epidemien, zu einer unvorher- gesehenen Beanspruchung der Kliniken kommen kann. Dann sind die

Häuser überbelegt, die Betten stehen in den Gängen. Das sind hygienisch unhalt- bare Zustände. Die Krankenhäuser sind bereits jetzt auf Auslastungsspitzen durch Notfalleinweisungen nicht ausreichend vorbereitet.

Das deutsche Gesundheitssystem ba-

siert auf einem dualen System, welches gesetzlich abgesichert die Da- seinsfürsorge auf Länderebene regelt. Dazu gehören Investitionskosten, die aber nur zu 50 Prozent durch die Länder erfolgen. Dies ist die Ur - sache dafür, dass die Krankenhäuser nicht aus eigener Kraft investieren und sich modernisieren können. Die öffentliche Daseinsfürsorge muss ausreichend Vorsorgekapazitäten in den Kliniken umfassen. Zudem wird eine demografische Entwicklung in der Bettendiskussion nicht berück- sichtigt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts steigt die Zahl der Singlehaushalte stetig. Wenn die alleinlebenden Menschen behandelt werden müssen, geschieht dies immer öfter stationär. Maßstab für die politischen Entscheidungen darf nicht die Bettenmenge sein, sondern eine Krankenhausplanung, der Bedarfskriterien zugrunde liegen und keine blinden rasenmäherartigen Kürzungen. Ol

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Dr. med. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen Lippe

Patric P. Kutscher MasterClass Education, Zellertal

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 17 I 25. April 2014

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