A 1654 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 111|
Heft 39|
26. September 2014 Krankenkasse erstattet bekommen. Hierist das Thema Wertschätzung ganz real in Euro dramatisch diskrepant. Die immate- rielle Wertschätzung, ausgedrückt in der hohen Anerkennung für unseren Beruf, ist in den letzten Jahren kaum verändert hoch. Das hindert die gesetzlichen Kran- kenkassen nicht daran, in knallharten Ver- handlungen Budgets anzubieten, die jeder Wertschätzung Hohn sprechen. Machen wir uns nichts vor: Der niedergelassene Arzt hat im Durchschnitt ein Patienten- klientel, das zu 90 Prozent gesetzlich ver- sichert ist. Mit den Budgets der gesetzli- chen Krankenkassen deckt er vielleicht gerade seine Kosten ab. Sein Verdienst und die Rendite muss aus den Privatpa- tienten und den IGeL-Leistungen generiert werden. Das ist und bleibt ein Skandal.
Die Perfidie des Systems kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Krankenkasse be- wusst den Versicherten im Unklaren darü- ber lässt, mit welch niedrigen Budgets der Kassenarzt abgespeist wird . . .
Dr. med. Helmut Olberding, 49393 Lohne
UNNÖTIGE OPERATIONEN
Seit Einführung des DRG-Systems ab 2003 steht der Verdacht im Raum, in den deutschen Kliniken würde mehr operiert als notwendig (DÄ 29-30/2014: „Den Druck mindern“ von Jens Flintrop).
Falsche politische Grundentscheidungen
Mittlerweile wird landauf, landab darüber geklagt, dass sich Krankenhäuser so ver- halten, wie es aufgrund politischer Ent- scheidungen gewollt ist (oder wurde?).
Seit 1992 dürfen Krankenhäuser Gewinne
machen, das später eingeführte DRG-Sys- tem bildet medizinische Leistungen für die Abrechnung ab. Es war also politisch gewollt, dass Krankenhäuser sich wie Wirtschaftsunternehmen verhalten, und mittlerweile sind circa ein Drittel aller Krankenhäuser gewinnorientierte Unter- nehmen, deren erklärtes Ziel es ist, für das eingesetzte Kapital eine möglichst hohe Rendite zu erzielen . . . Auch die kommu- nalen und kirchlichen Krankenhäuser ver- halten sich unter wirtschaftlichem Druck zunehmend so, wie es die wirtschaftlich erfolgreichen privaten Krankenhäuser vor- machen: möglichst viele medizinische
Leistungen zu möglichst geringen Kosten
„verkaufen“. Dafür muss man leitenden Angestellten (Chefärzten) Prämien für viele verkaufte Leistungen und geringe Kosten zahlen . . . Wenn wir Ärzte nicht Verkäufer medizinischer Leistungen sein wollen, dann müssen wir uns dagegen wenden, dass mit dem Verkauf medizini- scher Leistungen Gewinne erwirtschaftet werden sollen, und von den Politikern for- dern, dass die Krankenhäuser als Teil der Daseinsvorsorge nur von kommunalen und frei gemeinnützigen Trägern betrieben werden dürfen. Korrekturen am Vergü- tungssystem mit Sonderzuschlägen für be- stimmte Krankenhäuser zum Beispiel in dünn besiedelten Regionen würden am Gewinn orientierte Unternehmen zur Er- höhung der Rendite nutzen.
Reiner Klick, 44869 Bochum
aus dem EU-Raum oder den USA impor- tiert werden, um die Patientenversorgung in Deutschland sicherzustellen . . . Aus unserer Sicht wäre das Problem des Spendermangels lösbar, wenn bei Todes- fällen der leichenschauende Haus- oder Klinikarzt die Hinterblieben regelhaft nach einem Organ- und Gewebespenderausweis, also einen Spenderwunsch des Verstorbe- nen fragen und im Fall eines positiven Vo- tums die nächstzuständige Gewebeeinrich- tung informieren würde, die dann im Kon- takt mit den Hinterbliebenen eine mögliche Spende regelt. Bei ungeklärt/unnatürlich Verstorbenen im Rechtsmedizinischen In- stitut in Hamburg und den Todesfällen im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ist ein solches Vorgehen mittlerweile etabliert, sofern die Umstände des Todes- falles und die Situation der Hinterbliebe- nen dies zulassen. Eine solche Frage ist nach unserer Erfahrung nicht belastend und wird häufig sogar erwartet, denn An- gehörige wissen zumeist, wie wichtig eine Willensäußerung des Verstorbenen im Hin- blick auf eine mögliche postmortale Spen- de – bei Vorrang der Organspende – ist . . . Im Todesfall ist es nach unserer Beobach- tung aber derzeit Realität in Deutschland, dass der Spenderausweis unbeachtet bleibt, sofern nicht eine Organspende in Betracht kommt, was ja nur bei einem Bruchteil der derzeit rund 800 000 jährli- chen Todesfälle der Fall ist . . .
Die Realisierung von Corneaspenden ist bis zu 72 Stunden nach dem Tod möglich.
Importe wären dann nicht mehr erforder- lich.
Dr. med. Birgit Wulff, Prof. Dr. med. Klaus Püschel,
Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 22529 Hamburg
SPENDERHORNHAUT
Tausende von Patienten benötigen jährlich in Deutschland eine neue Cornea (DÄ 31–32/
2014: „Gewinnung von Spenderhornhäuten und Führen einer Gewebebank: Neue Richtlinie ver- abschiedet“ von Nicola Siegmund-Schultze).
Im Todesfall immer nach Spenderausweis fragen
Der Mangel an Spenderhornhäuten in Deutschland führt dazu, dass es für Cor- neatransplantationen Wartelisten an den Augenkliniken gibt und Spenderhornhäute
PATIENTENVERSORGUNG
Telefonische Patientenbegleitung spart Kosten, und die Zufriedenheit der Patienten steigt (DÄ 26/2014: „Betreuung spart Geld“ von Falk Osterloh).
Falsche Anreize
Eine reine „Betreuung“ psychischer Stö- rungen ist therapeutisch und gesundheits- politisch fatal. Dies führt psychotherapeu- tisch gesehen zur Fixierung von An- spruchs- und Versorgungshaltungen psy- chisch Kranker, untergräbt die Eigenver- antwortungsübernahme und chronifiziert die Störungen.
Für die Krankenkassen bedeutet das aller- dings einen wirtschaftlichen Vorteil:
Solange zum Beispiel die Diagnose De- pression oder Persönlichkeitsstörung „er- halten bleibt“, gibt es Zuwendungen (Geld) aus dem Gesundheitsfonds.
Deswegen investieren die Krankenkassen lieber in Betreuungskonzepte, bei denen die fachpsychotherapeutische Behandlung keine Rolle spielt, als in den Ausbau der heilungsorientierten Psychotherapie . . . Gesundheitspolitisch und wirtschaftlich ist das langfristig fatal. Hier sind im Gesund- heitsversorgungssystem durch den Ge- sundheitsfonds falsche Anreize gesetzt.
Gerhard Leinz, 24103 Kiel
Leserbriefe per E-Mail richten Sie bitte an leserbriefe
@aerzteblatt.de, Briefe an das Deutsche Ärzteblatt, Ottostraße 12, 50859 Köln. Die Redaktion wählt Briefe zur Veröffentlichung aus und behält sich Kürzungen vor.