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Soziale Dienstleistungen im Spannungsfeld der Bedürfnisse älterer Menschen

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Academic year: 2022

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Lisa Theres WALTER, BA

Soziale Dienstleistungen im Spannungsfeld der Bedürfnisse älterer Menschen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts

der Studienrichtung Soziologie an der Karl-Franzens-Universität Graz

Betreuerin: Univ.-Prof. MMag. Dr. Johanna Muckenhuber Institut: Soziologie

Graz, Mai 2016

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2 Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Datum: Unterschrift:

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3 Vorwort

Für die Unterstützung bei der Durchführung meines Forschungsvorhabens möchte ich besonders danken…

…meiner Betreuerin Frau Univ.-Prof. MMag. Dr. Johanna Muckenhuber, die sich immer Zeit genommen hat, wenn ich Fragen bezüglich meiner Masterarbeit hatte. Für die vielen innovativen Inputs und das umfangreiche Fachwissen, womit sie mich nach jeder Besprechung mit neuen Perspektiven und neuer Motivation an die Arbeit ließ.

…meiner Familie, die mir mein Studium überhaupt ermöglicht hat. Ein großer Dank gilt meiner Mama, die jede einzelne Seminararbeit, Bachelorarbeit und auch diese Masterarbeit Korrektur gelesen hat. Meiner Schwester, die mich nicht selten daran erinnerte, dass die Uni nicht immer im Mittelpunkt stehen muss. Mein spezieller Dank gilt meinem Papa, der mich manchmal mit sehr kritischen Fragen herausfordert, aber mich dadurch auch bestärkt und dazu beiträgt, gedanklich sowie persönlich zu wachsen.

…meinen FreundInnen dafür, dass sie mich daran erinnerten, dass auch Pausen wichtig sind, und diese mit mir verbrachten. Ihr habt mich immer motiviert und hattet während des ganzen Studiums ein offenes Ohr für persönliche Anliegen sowie für nicht enden wollende Diskussionen über gesellschaftliche Themen.

…meiner ehemaligen Schulkollegin und mittlerweile baldigen Deutsch-Professorin Conny für das finale Korrigieren der Masterarbeit.

…meinen InterviewpartnerInnen, ohne die die Masterarbeit gar nicht möglich gewesen wäre.

Danke für die Zeit, die ihr euch genommen habt, das Interesse und die vielen Einblicke in ein Forschungsfeld, welches ich noch lange in Erinnerung behalten werde.

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4 Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ... 7

2. Problemaufriss ... 10

2.1. Demographische Entwicklungen ... 10

2.2. Bedürfnisse älterer Menschen und deren Angehörigen ... 11

2.3. Sozialarbeit mit älteren Menschen ... 12

2.3.1. Case- und Caremanagement ... 14

2.4. Die österreichische Sozialpolitik für ältere Menschen ... 16

2.4.1. Das Konzept der Sozialraumorientierung ... 17

3. Forschungsfrage ... 20

4. Theoretischer Zugang – die „Soziologie der Sozialen Arbeit“ ... 21

4.1. Definition „Soziale Arbeit“ aus der soziologischen Perspektive ... 21

4.2. Warum dient die Systemtheorie als Grundlage „Sozialer Arbeit“? ... 22

4.3. Luhmann’s Systemtheorie als Grundlage für eine „Soziologie der Sozialen Arbeit“ ... 25

4.3.1. Die Rolle der Kommunikation bei Luhmann ... 26

4.3.2. Soziale Systeme ... 27

4.3.3. „Soziale Arbeit“ als ein eigenständiges Funktionssystem? ... 28

4.4. Der Begriff der Inklusion und Exklusion ... 30

4.5. Theoretische Ergänzung durch exploratives ExpertInneninterview ... 31

4.5.1. Interviewleitfaden ... 31

4.5.2. Resümee und Schlussfolgerungen ... 32

5. Erhebung – Forschungsdesign ... 36

5.1. Qualitative Erhebung ... 36

5.1.1. Fragestellungen und Erkenntnisinteresse der qualitativen Befragungen ... 37

5.1.2. ExpertInneninterviews ... 40

5.1.3. Ergebnisse der ExpertInneninterviews ... 44

5.1.4. Problemzentrierte Interviews mit älteren Menschen ... 66

(5)

5

5.1.5. Ergebnisse der problemzentrierten Interviews ... 71

5.2. Quantitative Erhebung ... 78

5.2.1. Hypothesen ... 79

5.2.2. Deskriptive Analyse im SPSS ... 79

5.2.3. Ergebnisse der quantitativen Analyse ... 80

6. Diskussion der Ergebnisse ... 87

7. Fazit und Ausblick ... 93

8. Literaturverzeichnis ... 96

9. Anhang ... 100

9.1. Codeschema ... 100

9.2. Interviewleitfaden ExpertInneninterviews ... 101

9.3. Interviewleitfaden „problemzentrierte Interviews“ ... 103

9.4. Quantitative Analyse (Syntax und Output) ... 105

(6)

6 10. Abbildungsverzeichnis

10.1. Abbildung 1: Aufteilung qualitative Interviews (in %).………37

10.2. Abbildung 2: Typenbildung – ExpertInnen………...…45

10.3. Abbildung 3: Präsentation der InterviewpartnerInnen………...…69

10.4. Abbildung 4: Typenbildung – ältere Menschen……….…72

10.5. Abbildung 5: Tätigkeitsbereich der „Sozialen Arbeit“………..……80

10.6. Abbildung 6: Aufsuchen professioneller Hilfe (in %)………..…….82

10.7. Abbildung 7: Tätigkeitsinhalt der „Sozialen Arbeit“……….…………83

10.8. Abbildung 8: Problemlagen der Kontaktpersonen (in %)………..…………85

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7 1. Einleitung

Die Bevölkerungsentwicklung in Österreich hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Dies lässt sich vor allem an der Bevölkerungsstruktur nach Alter und Geschlecht festhalten. Es wird immer deutlicher, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen in der Gesamtbevölkerung sinkt. Gleichzeitig steigt der Anteil derjenigen, die sich im „nicht-mehr- erwerbstätigen Alter“, 65 Jahre und älter, befinden. Vor allem im ländlichen Raum lässt sich ein Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter verzeichnen.1

Ausgehend davon wird das Angebot verschiedener sozialer Dienstleistungen für ältere Menschen, aber auch für deren Angehörige immer größer und notwendiger. In Folge dessen werden diese auch immer unübersichtlicher bzw. gibt es bürokratische Hürden im Zugang.

Vor allem die Zusammenarbeit und Strukturentwicklungen zwischen den verschiedenen Institutionen und DienstleistungsanbieterInnen im Gesundheits- und Sozialbereich sind in vielen Fällen noch in der Aufbauphase bzw. in geringer Form vorhanden. Unter Institutionen und DienstleistungsanbieterInnen versteht man in diesem Sinne beispielsweise Ärzte und Ärztinnen, Krankenhäuser, Altenheime, mobile Dienste, Gemeinden wie auch Bezirkshauptmannschaften.2

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Steiermark und im Besonderen auf dem Bezirk Weiz.

Diese Entscheidung wurde deshalb getroffen, da es dort bereits eine regionale Anlaufstelle in Weiz und mobile Sozialarbeit vor Ort gibt. Durch die Anlaufstelle werden Informationen, Beratungen und Orientierungshilfen für Wege im Sozial- und Gesundheitswesen für die Zielgruppe angeboten. In der mobilen Sozialarbeit werden unter anderem Assistenzleistungen, Sozialberatung und Hilfeleistungen im Sinne des Casemanagements abgedeckt. 3

Der Schwerpunkt des Forschungsprojekts ist darauf gelegt, die Lebensqualität und die inklusiven Lebensbedingungen der Zielgruppe zu durchleuchten. Im Vordergrund stehen dabei vor allem die Bedürfnisse der älteren Menschen hinsichtlich ihrer Betreuung durch verschiedene Sozialberufe und Dienstleistungen. In einem weiteren Schritt wird die Erforderlichkeit von Struktur- und Netzwerkarbeit diesbezüglich untersucht.

1Vgl.:http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_alter_g eschlecht/index.html.

2 Vgl.: Kittl-Satran, Helga & Simon, Gertrud (2010): Soziale Arbeit für ältere Menschen in Österreich, In: Aner, Kirsten & Karl, Ute (Hrsg.) (2010): Handbuch Soziale Arbeit und Alter, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 228.

3 Vgl.: Kreimer, Ernst Peter (2014): Arbeitskonzept 2015 der „Servicestelle für Gesundheit und Soziales im Bezirk Weiz/SGS Weiz“. Ein Modellprojekt für Erwachsene, ältere Menschen und deren Angehörigen, S. 10.

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Die Hauptfragestellung setzt sich damit auseinander, inwieweit Netzwerk- und Strukturarbeit zwischen Betroffenen und Institutionen in der Altenarbeit erforderlich sind, um den Bedürfnissen der älteren Menschen gerecht zu werden.

Dabei wird der Fokus auf die zuvor skizzierte Problemstellung gelegt, inwieweit sich die Kooperationen zwischen den verschiedenen DienstleistungsanbieterInnen für ältere Menschen und Menschen mit komplexen Problemlagen auf die Zielgruppe, aber auch auf die ExpertInnen und deren institutionelle Arbeit auswirken. Diesbezüglich soll die Notwendigkeit der Planbarkeit und Steuerung von Strukturentwicklung erforscht werden.

Um den Bezug zur „SGS Weiz“ aufrechtzuerhalten, zielt ein Teil der Untersuchung darauf ab, herauszufinden wie betroffene ältere Menschen und deren Angehörige sowie die ExpertInnen sich eine regionale Anlaufstelle vorstellen bzw. was sie sich diesbezüglich wünschen und erwarten.

Die theoretische Basis des empirischen Forschungsprojekts stellt die „Soziologie der Sozialen Arbeit“ bzw. die kritische „Soziale Arbeit“ dar. Diese geht unter anderem der Frage nach, wie

„Soziale Arbeit“ gesellschaftlich ermöglicht wird. 4

„Soziale Arbeit“ „[…] stellt […] eine Form des Helfens dar, die auf die Lebensführung von Individuen, Familien und sozialen Gruppen in der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft bezogen ist, eine Form des Helfens, die historisch und systematisch in einem engen Zusammenhang mit der staatlich-politischen Regulierung von Lebensbedingungen, insbesondere mit der Moderierung von Inklusions-/Exklusionsverhältnissen in Wohlfahrtsstaaten steht.“5

Individuen sind in vielen Bereichen ihres Lebens davon abhängig, an den Leistungen der jeweiligen Systeme und Organisationen teilnehmen bzw. diese beanspruchen zu können. Es lässt sich feststellen, dass bestimmte Personengruppen zu manchen Leistungen nur begrenzten oder sogar keinen Zugang haben. Dies ist ein Grund, weshalb „Soziale Arbeit“ entstehen kann und auch notwendig ist.6

4 Vgl.: Bommes, Michael & Scherr, Albert (2012): Soziologie der sozialen Arbeit. Eine Einführung in Formen und Funktionen organisierter Hilfe, 2. überarbeitete Auflage, Weinheim und Basel: Beltz Juventa Verlag, S. 12.

5 Bommes & Scherr (2012), S. 14.

6 Vgl.: Mayrhofer, Hemma (2012): Niederschwelligkeit in der Sozialen Arbeit. Funktionen und Formen aus soziologischer Perspektive, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 38-41.

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Die „Soziologie der Sozialen Arbeit“ stellt sich unter anderem die Frage, was im sozialen Geschehen dafür sorgt, dass sich „Soziale Arbeit“ in der Gesellschaft etablieren und sichtbar gemacht werden kann bzw. wie sich diese selbst repräsentiert.7

7 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 46.

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10 2. Problemaufriss

2.1. Demographische Entwicklungen

An Hand der Daten von Statistik Austria lässt sich die Entwicklung der Altersverteilung in Österreich sehr gut festhalten. So betrug 2007 der Anteil der über 60-Jährigen 22,3%. Dies umfasst 1, 85 Millionen Menschen. Folgt man der Vorhersage für das Jahr 2030, so wird der Anteil auf 31,4 % bzw. 2,82 Millionen Personen, ansteigen.8

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) unterscheidet zwischen vier verschiedenen Altersgruppen, für welche verschiedene Entwicklungen zu erwarten sind. Dies wären die jungen Alten (60 bis 74-Jährige), die alten Menschen (75 bis 89-Jährige), die Hochbetagten (90 bis 100-Jährige) und die sogenannten Langlebigen (über 100-Jährige). Der Anteil der jungen Alten wird sich bis 2030 um fast die Hälfte verdoppeln. Diese Altersgruppe ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie über genügend ökonomische, soziale und gesundheitliche Ressourcen verfügt, um ein autonomes Leben führen zu können. Der stärkste Zuwachs wird jedoch bei den Hochbetagten und Langlebigen, also bei den 90-Jährigen und Älteren, zu verzeichnen sein. Die Anzahl wird sich bis 2030 fast verdreifachen. Diese beiden Altersgruppen sind gekennzeichnet durch erhöhte gesundheitliche, ökonomische und soziale Altersrisiken.9

Mit zunehmendem Alter wird der Betreuungsbedarf durch verschiedene Pflegedienstleistungen immer größer. Bemerkenswert für Österreich ist, dass fast 80% der Hilfe und Pflege privat, insbesondere durch weibliche Angehörige, geleistet wird.10

Gesellschaftlich gesehen birgt die Entwicklung von einer jüngeren zu einer älteren Bevölkerung verschiedene Konsequenzen, die in der Zukunft nicht unwesentlich sein werden.

Nach Max Haller sind demzufolge sechs Faktoren zu berücksichtigen:11

- Zum einen ist es die Veränderung des Konsummusters, bei der eine erhöhte Nachfrage nach Freizeit- und Wellnesseinrichtungen zu verzeichnen ist.

- Der Bedarf an Bildungs- und Sozialeinrichtungen für junge Menschen verschiebt sich in Richtung Krankenhäuser, Pflegeheime, Altersheime etc.

8 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 223.

9 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 223.

10 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 223.

11 Vgl.: Haller, Max (2008): Die österreichische Gesellschaft. Sozialstruktur und sozialer Wandel, Frankfurt/New York: Campus Verlag, S. 104.

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- Im Weiteren verändert sich die Nachfrage nach Berufen, wobei der Bedarf an LehrerInnen sinkt, während er an Gesundheits- und Sozialberufen wächst.

- Auch die Wichtigkeit von Pensionsreformen und neuen Modellen der Altersvorsorge und Altersversicherung wird immer größer.

- Kulturell gesehen werden auch hier Einbußen zu verzeichnen sein, da Innovationen meist von der jüngeren Generation geprägt sind, dies jedoch mit dem Rückgang des Anteils an jungen Menschen an Kraft und Fortschritt verlieren wird. Wobei das versteckte Potential der älteren Menschen, vor allem in Österreich, noch bei weitem nicht ausgeschöpft wurde.

- In der Politik wird die ältere Generation und deren Interessen aufgrund ihres größeren Anteils als WählerInnen mehr Aufmerksamkeit als Kinder und Jugendliche erlangen.12

2.2. Bedürfnisse älterer Menschen und deren Angehörigen

Im Rahmen eines Masterprojekts der FH St. Pölten im Fachbereich „Soziales“ setzten sich Studierende intensiv mit der Rolle der „Sozialen Arbeit“ in Bezug auf die Betreuung älterer Menschen auseinander. 13

Dabei wurden unter anderem sowohl die Bedürfnisse der älteren Menschen als auch die der Angehörigen erfasst. Auf der Seite der Angehörigen konnte festgestellt werden, dass diesen pflegerelevante Informationen bzw. Zugang zu Pflegeunterstützung, finanzielle Unterstützung im Sinne von Pflegegeld und die Wertschätzung ihrer Pflegedienste von größter Bedeutung sind. Dabei ist jedoch auch hinzuzufügen, dass Angehörige meist erst dann zusätzliche Unterstützung von außen annehmen, wenn sie bereits an ihre persönlichen Grenzen stoßen.14 Die älteren Menschen selbst beschreiben die Gelegenheit, so lange wie möglich zu Hause leben zu können, um im gewohnten Umfeld zu sein als eines ihrer Hauptbedürfnisse. Dabei ist es ihnen von großer Bedeutung, insofern dies möglich ist, vom eigenen Partner gepflegt zu werden. Im Weiteren sind die finanzielle Absicherung sowie die Autonomie zur Gestaltung des eigenen Lebens von essentieller Wichtigkeit. Wenn ältere Menschen auf zusätzliche Hilfe angewiesen sind, wird dies oft als Belastung und Einschränkung der Eigenständigkeit

12 Vgl.: Haller (2008), S. 104-105.

13 Vgl.: Pflegerl, Johannes (2014): Soziale Arbeit im Kontext von Wohnen, Pflege und Betreuung älterer Menschen, soziales_kapital. wissenschaftliches journal österreichischer fachhochschul-studiengänge soziale arbeit, Nr. 11, S. 1.

14 Vgl.: Pflegerl (2014), S. 3.

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gesehen. Als weitere Bedürfnisse können somit auch die Wahrung der Privatsphäre und die damit verbundene Schwierigkeit externe Dienste anzunehmen gesehen werden.15

2.3. Sozialarbeit mit älteren Menschen

Die soziale Altenhilfe hat sich aus der Armenfürsorge heraus entwickelt. Es geht vor allem darum, einzelnen Personen, aber auch Gruppen, welche bestimmte Bedürfnisse haben, Inklusionen zu vermitteln und Exklusionen zu vermeiden. Die soziale Altenhilfe ist bis heute durch eine sehr schwache rechtliche Regulierung abgesichert. Ihr Anwendungsfeld konzentriert sich vor allem auf präventive und offene Angebote und bietet somit ein großes Betätigungsfeld. 16

Ältere Menschen sowie deren Angehörige brauchen vor allem dann Hilfe, Beratung und Unterstützung, wenn beispielsweise der Übergang von der Arbeitswelt in die Pension stattfindet, bei Hilfs- und Pflegebedürftigkeit, bei Entlassung aus einer stationären Einrichtung oder beim Umzug in eine Pflegeeinrichtung. Solche Situationen können für alle Beteiligten eine starke Veränderung bedeuten, die nicht immer problemlos angenommen werden kann. Mit Hilfe von Informationsvermittlung durch sozialarbeiterisches Fachpersonal können Probleme bewältigt werden, indem annehmbare Lösungswege geschaffen werden. 17

„Neben dem Wunsch nach finanzieller Sicherheit gehören zu den erfahrungsgemäß häufig geäußerten Wünschen älterer Menschen, möglichst selbstbestimmt leben und in der eigenen Wohnung verbleiben zu können, bei Bedarf ausreichend versorgt und gepflegt zu werden und Kontakte zu Familienmitgliedern und Freunden und Freundinnen aufrecht erhalten zu können. Die immer wieder geäußerte Sorge ist, durch Abhängigkeit von anderen in der Autonomie eingeschränkt zu sein. Autonomie bedeutet hier nicht unbedingt Selbstständigkeit, sondern auch in Situationen, in denen Hilfe in Anspruch genommen werden muss, eigene Entscheidungen treffen zu können.“18

Für die Bewältigung der Lebenssituation ist es wichtig, dass ältere Menschen und deren Angehörige sowohl politische, gesellschaftliche als auch individuelle Hilfen bekommen.

Meist ist an erster Stelle die Frage nach medizinischer Versorgung und Pflege zu klären. Doch

15 Vgl.: Pflegerl (2014), S. 3-4.

16 Vgl.: Aner, Kirsten (2010): Soziale Altenhilfe als Aufgabe Sozialer Arbeit, In: Aner, Kirsten & Karl, Ute (Hrsg.) (2010): Handbuch Soziale Arbeit und Alter, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 33.

17 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 227.

18 Kittl-Satran & Simon (2010), S. 227.

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es sind vor allem auch die sozialen Bedürfnisse, die in der „sozialen Arbeit“ gedeckt werden sollen und müssen. Die Gefahr der Vereinsamung älterer Menschen sowie andere soziale Risikofaktoren stehen hierbei im Mittelpunkt. Diesbezüglich sind, nach Meinung von Kittl- Satran und Simon (2010), verschiedene Aufgaben innerhalb der sozialen Altenarbeit abzudecken:19

- Es ist wichtig, niederschwellige Angebote für ältere Menschen anzubieten, da diese vor allem als Prävention dienen und dazu beitragen, soziale Netzwerke zu entwickeln und aufrecht zu erhalten. Zu solchen Angeboten zählen unter anderem Stammtische für SeniorInnen, Sport- und Reiseaktivitäten und vieles mehr.

- Des Weiteren spielt die Informationsvermittlung und Beratung innerhalb der sozialen Altenarbeit eine große Rolle. Ausgewählte Studien in Österreich haben gezeigt, dass es ein beachtliches Informationsdefizit bei älteren Menschen und deren Angehörigen in Bezug auf Angebote verschiedener sozialer Dienstleistungen gibt. Nichtsdestotrotz konnte 1998 ein Pflegetelefon in Österreich installiert werden, um zumindest Informationen über Pflegeangebote erlangen zu können.

- Durch die unübersichtliche Zuständigkeit von verschiedenen Leistungsangeboten und den vielen Schnittstellen zwischen den Organisationen ist es erforderlich, sowohl Kooperations- als auch Koordinationsarbeit zu leisten, um einen angemessenen Betreuungsablauf für ältere Menschen gewährleisten zu können. Vor allem für die Pflege zu Hause mangelt es an Koordinationsarbeit, auch wenn dies teilweise von mobilen Diensten übernommen wird.

- Soziale Altenarbeit ist auch dann erforderlich, wenn es darum geht, Rechte für ältere Menschen durchzusetzen. Fakt ist, dass in Österreich vor allem SeniorInnen mit besonderen Problemlagen, wie beispielsweise Wohnungslose oder MigrantInnen, die ihre Angehörigen verloren haben und somit institutioneller Hilfe benötigen, auf die

„soziale Arbeit“ angewiesen sind. Für die „Soziale Arbeit“ ist es jedoch schwierig, ältere Menschen, die nicht durch das Gesundheits- und Sozialhilfesystem erfasst werden, zu erreichen und entsprechende Hilfe zu leisten.20

19 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 227.

20 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 227-229.

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„Überall dort, wo es keine Marktinteressen gibt, muss der alte Mensch selbst darauf achten, seine Rechte auf wohlfahrtsstaatliche Leistungen durchzusetzen und muss dabei ggf.

professionell begleitet werden.“21

2.3.1. Case- und Caremanagement

Die Bedürfnisse älterer Menschen sind meist sehr komplex, da neben der sozialen Bedürftigkeit auch gesundheitliche sowie geistige Veränderungen eine große Rolle spielen.

Diese Faktoren stellen eine beachtliche Schwierigkeit in der Bewältigung des Alltags dar.

Unter anderem auch deshalb, weil die bisher erlebte Arbeitswelt nicht mehr präsent ist und dies eine große Umstellung für viele ältere Menschen darstellt. Auf Grund dessen werden verschiedene Formen des Helfens innerhalb der „sozialen Arbeit“ immer wichtiger, um die Selbstständigkeit im Alter zu erhalten bzw. Maßnahmen zu treffen, um bei völliger Abhängigkeit fremdversorgt zu werden.22

„Für die Erschließung von Dienstleistungen und anderen Hilfen und für Arrangements, die in der einen oder anderen Situation zu treffen sind, ist auf fachlicher Seite das Case Management zuständig. […] Mit dem Handlungskonzept Case Management wird ein in vielen Bereichen des Sozialwesens und des Gesundheitswesens, in der Pflege, bei Versicherungen und in der Beschäftigungsförderung eingesetztes Verfahren zu einer effektiven und effizienten Steuerung einer einfallbezogenen Leistungserbringung bezeichnet.“23

Das Casemanagement

Das Casemanagement nimmt sich den komplexen Problemlagen von Personen an und versucht eine Lösung darauf zu finden, indem verschiedene soziale Dienstleistungen dafür herangezogen werden.24

„Das Case Management fasst als Arbeitsweise, wie sie zunächst in der professionellen Sozialen Arbeit rezipiert worden ist, das nutzer- und ressourcenorientierte Vorgehen bei der

21 Kittl-Satran & Simon (2010), S. 229.

22 Vgl.: Wendt, Wolf Rainer (2010): Care- und Casemanagement, In: Aner, Kirsten & Karl, Ute (Hrsg.) (2010):

Handbuch Soziale Arbeit und Alter, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 215.

23 Wendt (2010), S. 215.

24 Vgl.: Wendt (2010), S. 217.

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Unterstützung im Einzelfall ins Auge und organisiert es systematisch in den einzelnen Dimensionen oder Schritten bzw. Stadien, die zum Verfahren gehören.“25

Im Mittelpunkt soll dabei stehen, ein Versorgungssystem zu schaffen bzw. auszubauen, welches den Bedürfnissen und Wünschen eines älteren Menschen entspricht. Dafür sind jedoch auf der systemischen Ebene Veränderungen notwendig, damit das Casemanagement zukünftig bestehen bleiben kann:26

„Eine systematische Implementierung erfordert unter anderem einen politischen Auftrag, finanzierende Institutionen, den Aufbau von regionalen, klientInnenorientierten Dienstleistungsnetzwerken sowie Organisations- und Personalentwicklung. Wird diesen Aspekten keine bzw. zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, stößt die Methode Case Management auf Infrastruktur-, Organisations- und Fallebene rasch an ihre Grenzen.“27

Das Caremanagement

Das Caremanagement ist für eine einwandfreie Versorgung zuständig. Das heißt, es betrifft die betrieblichen Abläufe und das Versorgungshandeln auf der Ebene von Einrichtungen, wie beispielsweise Krankenhäuser oder Altenheime. 28

„Gegenstand von Care Management sind allgemein die Strategien, die Aufbauorganisation (Strukturen), die Arrangements (care arrangements) und die Ablauforganisation in der humandienstlichen Versorgung. Dabei sind die informellen Weisen sozialer und gesundheitlicher (Selbst-) Versorgung zu berücksichtigen.“29

Dabei geht es vor allem um die Verknüpfung von professionellen Hilfeleistungen mit den Eigenleistungen von bestimmten Personen und deren Angehörigen, Nachbarn oder freiwilligen Helfern, um den wirtschaftlichen Forderungen von Diensten gerecht zu werden.

Am häufigsten verbinden sich die ambulanten pflegerischen Versorgungsdienste mit familiären oder persönlichen Strukturen. 30

Im Gegensatz zum Casemanagement, bei welchem es darum geht, für die Betroffenen selbst eine Versorgungskette zu organisieren, steht beim Caremanagement die Koordination von

25 Wendt (2010), S. 217.

26 Vgl.: Pflegerl (2014), S. 8.

27 Pflegerl (2014), S. 8.

28 Vgl.: Wendt, Wolf Rainer (2011): Care und Case Management, In: Otto, Hans-Uwe & Thiersch, Hans (Hg.) (2011): Handbuch Soziale Arbeit, 4. völlig neu bearbeitete Auflage, München: Ernst Reinhardt Verlag, S. 214.

29 Wendt (2011), S. 214.

30 Vgl.: Wendt (2011), S. 214.

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Netzwerken und Hilfsangeboten zwischen den verschiedenen sozialen DienstleistungsanbieterInnen innerhalb eines Sozialraumes im Vordergrund.31

2.4. Die österreichische Sozialpolitik für ältere Menschen

In der österreichischen Sozialpolitik für ältere Menschen geht es vor allem darum, die Teilhabechancen der benachteiligten SeniorInnen zu verbessern. Die Sozialhilfe kommt denjenigen zu Gute, die nicht selbst bzw. durch familiäre Hilfe ihren Lebensunterhalt sichern können. In Österreich wird die Sozialhilfe in allen neun Bundesländern durch unterschiedliche Sozialhilfegesetze geregelt. Dies betrifft unter anderem Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs und Hilfen bei verschiedenen Problemlagen im Alter und diesbezüglichen sozialen Diensten.32

Rund 4% der österreichischen Gesamtbevölkerung bezieht Pflegegeld. Das Pflegegeld wird je nach erforderlicher Hilfs- und Pflegebedürftigkeit in sieben Stufen aufgeteilt. Ein ärztliches Gutachten entscheidet über die individuelle Einstufung. Eine klare Definition zwischen den verschiedenen Leistungsansprüchen gibt es jedoch nicht. Des Weiteren gibt es in Österreich keine staatliche Pflegeversicherung. Obwohl der Bedarf an Pflegegeldleistungen merklich ansteigt, wurde eine Pflichtversicherung bis heute nicht eingeführt, aber dennoch seit Jahren diskutiert. 33

„Auch wenn das österreichische Sozialsystem eine Reihe von finanziellen Leistungen (Pflegegeld, Familienbeihilfen, Sozialhilfe, Wohnbeihilfe usw.) vorsieht, um monetäre Problemlagen aufzufangen, geht die Entwicklung vom absichernden, versorgenden hin zum aktivierenden Sozialstaat, in dem die Eigenverantwortlichkeit der Bürger/-innen eingefordert wird. Ein Gesetz, das ähnlich dem deutschen sog. ‚Altenhilfeparagrafen‘ (§ 71 SGB XII) diese Entwicklung mit Blick auf die ältere Bevölkerung rahmen könnte, gibt es nicht.“34

31 Vgl.: Leichsenring, Kai (2004): Developing integrated health and social care services for older persons in Europe, International Journal of Integrated Care – Vol. 4, S. 7.

32 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 224.

33 Vgl.: Kittl-Satran & Simon (2010), S. 224.

34 Kittl-Satran & Simon (2010), S. 224.

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17 2.4.1. Das Konzept der Sozialraumorientierung

Im Jahr 2009 wurde in Graz erstmals ein neues Konzept bezüglich der Jugendwohlfahrt und der dafür zur Verfügung stehenden Hilfesysteme erarbeitet. Dieses Konzept bezieht sich auf die Idee einer Sozialraumorientierung, die sich auch auf die Arbeit mit älteren Menschen umsetzen lässt. Dabei geht es vor allem darum, dass sich die Hilfesysteme an den Bedürfnissen der KlientInnen orientieren sollen und nicht die KlientInnen am Angebot der vorhandenen Dienstleistungsangebote.35

Bisher wurde der Bedarf und die Bereitstellung von Hilfeleistungen dadurch geregelt, dass dieser von ExpertInnen festgestellt wurde und an Hand dieser Einschätzung die Finanzierung durch die öffentliche Hand erfolgte.36 Daraus ergibt sich folgende Problemstellung: „Es kommt zu regelmäßigen Kostensteigerungen und einem wachsenden Markt an Leistungserbringern, die von ‚Fällen‘ leben.“37

Die Idee des neuen Konzepts der Sozialraumorientierung basiert darauf, dass die verschiedenen DienstleistungsanbieterInnen jährlich ein festgelegtes Budget erhalten, mit welchem sie innerhalb eines Gebiets (Sozialraums) die auftretenden Aufgaben zu bearbeiten haben. Das Ziel dabei ist, Personen mit komplexen Problem- bzw. Lebenslagen mittels individueller und sozialräumlicher Ressourcen schneller helfen zu können. Den SozialarbeiterInnen soll dadurch ermöglicht werden, sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren zu können und dabei den Willen zur Selbsthilfe zu fördern. Des Weiteren ist der Fokus darauf gelegt, Netzwerkarbeit mit anderen DienstleistungsanbieterInnen innerhalb eines Sozialraumes zu tätigen und zu fördern. 38

Unter „lebensweltnahen Ressourcen“ der Betroffenen versteht man neben den verschiedenen DienstleistungsanbieterInnen auch Nachbarn, Verwandte oder Freunde, die professionelle Hilfen unterstützen oder sogar verhindern können. Aufgabe der SozialarbeiterInnen ist es, diese Ressourcen zu erkennen und bedürfnisadäquat einzusetzen. 39

Beim Grazer Fachkonzept zur Sozialraumorientierung sollen vor allem vier Ziele im Vordergrund stehen: 1. Integrierende und wohnortnahe Hilfeleistungen sollen

35 Vgl.: Stadt Graz (2009): Sozialraumorientierung in der Stadt Graz im Bereich Jugendwohlfahrt – Einführung eines Sozialraumbudgets. Fachlich-konzeptionelle, organisatorisch-strukturelle und budgetäre Grundlagen (Grundlagenkonzept), S. 3.

36 Vgl.: Stadt Graz (2009), S. 3.

37 Stadt Graz (2009), S. 3.

38 Vgl.: Stadt Graz (2009), S. 3-4.

39 Vgl.: Stadt Graz (2009), S. 5.

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weiterentwickelt werden, 2. Vermehrte Kooperation und Koordination aller DienstleistungsanbieterInnen im Sozialraum, 3. Administrative Abläufe sollen einfacher gestaltet werden und 4. statt betreuender Arbeit soll mehr die aktivierende Arbeit im Vordergrund stehen.40

Bezüglich der praktischen Umsetzung des Konzepts der Sozialraumorientierung hat sich bislang gezeigt, dass es schwierig ist, einen Sozialraum an Hand von messbaren und territorialen Abgrenzungen zu definieren und festzulegen. Im Weiteren besteht die Gefahr, bestimmte Gebiete, die bereits als „Brennpunkte“ etikettiert sind, verstärkt Problemlagen zuzuschreiben. Vor allem aus stadtsoziologischer Perspektive wird kritisiert, dass sich die sozialraumorientierten Hilfen an bereits vorhandenen definierten Territorien orientieren und somit einer gewissen Stadtlogik unterworfen sind. Die Tendenz entwickelt sich jedoch dahingehend, dass versucht wird, die Hilfsprogramme auf einem „differenzierten Sozialraumverständnis“ aufzubauen. 41

Als ein Beispiel für sozialraumorientierte Altenarbeit konnte sich bereits im Bezirk Weiz das Pilotprojekt „Servicestelle für Gesundheit und Soziales“ etablieren.

„Servicestelle für Gesundheit und Soziales im Bezirk Weiz“

Die „Servicestelle für Gesundheit und Soziales im Bezirk Weiz“, kurz „SGS Weiz“, ist ein Modellprojekt im Bezirk Weiz, welches im Jahr 2013 vom Sozialhilfeverband Weiz installiert wurde. Somit erfolgt erstmalig eine professionelle Erwachsenensozialarbeit bzw.

Altensozialarbeit im Bezirk, welche vom Verein „Weiz Sozial“ umgesetzt wird.42

Die „SGS Weiz“ richtet sich an benachteiligte bzw. hilfsbedürftige Menschen, um ihnen eine angemessene Lebensführung sowie eine Integration in soziale Systeme und die damit verbundene Teilnahmemöglichkeit am gesellschaftlichen Geschehen zu ermöglichen. Zu den konkreten Zielen der Erwachsenen- und Altensozialarbeit zählen unter anderem Existenzsicherung, wie beispielsweise Wohnraum schaffen, Gesundheits- und soziale Integrationsförderung, Unterstützung der Selbsthilfe und Eigeninitiative und das Organisieren von professionellen Dienstleistungen.43

40 Vgl.: Stadt Graz (2009), S. 5-6.

41 Vgl.: http://www.sozialraum.de/reutlinger-vom-sozialraum-als-ding.php

42 Vgl.: Kreimer (2014), S. 5.

43 Vgl.: Kreimer (2014), S. 7-8.

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Die „SGS Weiz“ beinhaltet einerseits Direkthilfe, die sich untergliedert in eine regionale Anlaufstelle in der Bezirkshauptstadt Weiz und eine mobile Sozialarbeit vor Ort. Andererseits stellt die Öffentlichkeitsarbeit ein Hauptaufgabengebiet dar. Die regionale Anlaufstelle beinhaltet Information, Beratung und unter anderem Orientierungshilfen im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die mobile Sozialarbeit deckt den Bereich des Casemanagements, der Assistenzleistung sowie die Begleitung bei komplexen Problemlagen ab. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit geht es vor allem um Strukturarbeit und Vernetzung zwischen Institutionen, Organisationen und involvierten EinzelakteurInnen. Die Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet auch die Aufgabe der Projekt- sowie Medienarbeit.44

44 Vgl.: Kreimer (2014), S. 10.

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20 3. Forschungsfrage

Ausgehend von diesem Problemaufriss stehen folgende Hauptfragestellungen im Mittelpunkt der Forschungsarbeit:

 Inwieweit ist Struktur- und Netzwerkarbeit zwischen Institutionen und Betroffenen in der Altenarbeit erforderlich, um den Bedürfnissen der älteren Menschen gerecht zu werden?

 Wie wirken sich Kooperationen zwischen den verschiedenen sozialen DienstleistunganbieterInnen auf die älteren Menschen, aber auch auf die ExpertInnen aus?

 Was sorgt in der Gesellschaft dafür, dass sich die „Soziale Arbeit“ überhaupt etablieren kann? Was macht die „Soziale Arbeit“ heute unentbehrlich?

Diese Fragestellungen dienen als forschungsleitende Orientierungen. Auf die konkreten Fragekonstellationen wird in den jeweiligen Kapiteln der empirischen Erhebung eingegangen.

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4. Theoretischer Zugang – die „Soziologie der Sozialen Arbeit“

Für den theoretischen Zugang zur Forschungsthematik wurde die „Soziologie der Sozialen Arbeit“ als Grundlage gewählt. Diese gilt innerhalb der Soziologie noch nicht als etablierte Theorie, aber als neuer Ansatz, weshalb diese als besonders interessant für die Masterarbeit erachtet wird.

In diesem theoretischen Zugang geht es darum, die „soziale Arbeit“ als ein gesellschaftliches Phänomen zu untersuchen. Die Soziologie stellt sich die Frage, was in der Gesellschaft passieren muss, damit „Soziale Arbeit“ entstehen und bestehen kann. 45

4.1. Definition „Soziale Arbeit“ aus der soziologischen Perspektive

Für das weitere theoretische Verständnis ist es wichtig, festzuhalten, von welcher Definition der „Sozialen Arbeit“ die Soziologie ausgeht und auf welche sie aufbaut. Die „Soziale Arbeit“

ist darauf ausgerichtet, Interventionsmethoden anzuwenden, wenn komplexe Probleme bei Individuen, Familien oder sozialen Gruppen vorliegen. Die Hilfe basiert auf rechtlichen Festlegungen und wird innerhalb von Organisationen erbracht. Dabei hängt der Umfang der Leistungen vor allem von gesellschaftlichen Dynamiken ab.46

Im Mittelpunkt steht dabei, „[…] Individuen zu einer eigenständigen, von künftigen Hilfeleistungen möglichst unabhängigen Lebensführung zu befähigen bzw. ihnen problematische Lebenssituationen erträglicher zu machen.“47

Die „Soziale Arbeit“ hat immer wieder mit kritischen Konfrontationen zu tun. Beispielsweise wird dieser vorgeworfen, eine Form von Kontrolle für abweichendes Verhalten darzustellen, da allenfalls staatlich-politische Interessen in Bezug auf soziale Problemlagen eine Rolle spielen.48

Aufgabe der Soziologie ist es jedoch, zu untersuchen, auf welche Form von Hilfsbedürftigkeit die „Soziale Arbeit“ überhaupt reagiert und in welcher Form sie dies tut. Dabei wird die

„Soziale Arbeit“ als ein Bestandteil der funktional differenzierten Gesellschaft gesehen. 49

45 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 12.

46 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 24.

47 Bommes & Scherr (2012), S. 26.

48 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 27.

49 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 28-29.

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„[…] Die Aufgabe einer Soziologie der Sozialen Arbeit wird hier darin gesehen, als externes Theorieangebot, das im Unterschied zu den Selbstbeschreibungen sozialer Arbeit von den Anforderungen der Begründung und Rechtfertigung sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Praxis entlastet ist, zu einer Klärung der Frage nach der Differenz und Einheit sowie der Stellung Sozialer Arbeit in der modernen Gesellschaft beizutragen.“50 Dabei betrachtet die Soziologie die „Soziale Arbeit“ wie ein soziales Phänomen und fragt deshalb danach, wie sie bestehen, sich darstellen, erkennbar und identifizierbar machen kann.

Diesbezüglich können gegenwärtige Strukturen innerhalb der modernen Gesellschaft sichtbar gemacht und Zusammenhänge dargestellt werden. Damit „Soziale Arbeit“ als organisierte Hilfe auf Bedürftigkeit bestehen kann, müssen vorerst gesellschaftliche Konflikte, Ungleichheiten, Diskriminierungen und Benachteiligungen überhaupt akzeptiert und diese als Ursache für gegenwärtige Problemstellungen erkannt werden. 51

„Soziale Arbeit wird als eine potentiell theoretisch reflektierte und begründete Reaktion auf soziale Probleme konzipiert, die aus dem angenommenen Widerstreit bzw. Konflikt zwischen Gesellschaft und Individuum resultieren. Das führt aber zu einer merkwürdigen Unbestimmtheit des Ortes Sozialer Arbeit.“52

4.2. Warum dient die Systemtheorie als Grundlage „Sozialer Arbeit“?

In vielen Fachbüchern innerhalb der „Sozialen Arbeit“ dient die Systemtheorie von Niklas Luhmann als Grundlage bzw. wird diese vorausgesetzt. Dabei wird jedoch nicht argumentiert, weshalb gerade diese Theorie als Fundament angemessen ist. Auch Bommes und Scherr gehen in ihrer „Soziologie der Sozialen Arbeit“ von der Systemtheorie Luhmanns aus. Diese begründen jedoch, weshalb dieser soziologische Zugang sich am besten dafür anbietet. Damit der Argumentationsverlauf nachvollziehbar ist, wird dieser hier kurz erläutert.

Geht man von der „Soziologie der Armut“ bei Georg Simmel aus, so kann die Funktion der

„Sozialen Arbeit“ darin gesehen werden, dass sie dazu beiträgt, soziale Ungleichheit und Herrschaftsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Dabei untersucht er, wie Armut in der Gesellschaft überhaupt wahrgenommen wird und wie diese darauf reagiert. Als eine Reaktionsform sieht er die „Armenpflege als öffentliche Einrichtung“. Diesbezüglich stellt

50 Bommes & Scherr (2012), S. 42-43.

51 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 46-47.

52 Bommes & Scherr (2012), S. 47.

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Simmel fest, dass die Armenpflege nicht allen Personen zu Gute kommt, sondern sich nur an Personen richtet, die von Armut betroffen sind. Dabei wird zwar die allgemeine Notlage des Betroffenen vermindert, aber dies sollte seiner Meinung nach nicht der endgültige Zweck der Armenhilfe sein.53

Bezüglich der Armenunterstützung zieht Georg Simmel folgende Erkenntnis: „Sie erfolgt, freiwillig oder gesetzlich erzwungen, um den Armen nicht zu einem aktiven, schädigenden Feinde der Gesellschaft werden zu lassen […]. Der Arme als Person, der Reflex seiner Lage in seinem Gefühl, ist hierbei ebenso gleichgültig, wie für den, der um des Heiles der eigenen Seele willen Almosen gibt; der subjektive Egoismus des letzteren ist zwar aufgehoben, aber nicht um des Armen willen, sondern um der Gesellschaft willen […].“54

Des Weiteren beschreibt Simmel, dass es die Armenpflege selbst ist, die den Armen und deren damit verbundene Hilfsbedürftigkeit als ein soziales Phänomen erzeugt. Dabei fügt er auch hinzu, dass nicht jeder, der von Armut betroffen ist, auch Unterstützung erhält bzw. es kein allgemeines Kriterium für Hilfsbedürftigkeit gibt.55

„Der Arme als soziologische Kategorie entsteht nicht durch ein bestimmtes Maß von Mangel und Entbehrung, sondern dadurch, daß [sic!] er Unterstützung erhält oder sie nach sozialen Normen erhalten sollte. So ist nach dieser Richtung die Armut nicht an und für sich, als ein quantitativ festzulegender Zustand zu bestimmen, sondern nur nach der sozialen Reaktion, die auf einen gewissen Zustand hin eintritt […].“56

Auch marxistisch orientierte Ansätze knüpfen an diesen thematischen Zugang an, indem sie die „soziale Arbeit“ als eine Strukturreproduktion beschreiben, die dazu dient, politische Aufstände zu verhindern, die das Kapital oder politische Herrschaftssicherungen gefährden könnten:57

„In diesem Sinne wirkt die Sozialarbeit […], als Sozialisationsagentur, die die gültigen Normen und Werte der Gesellschaft reproduziert, als Kompensationsagentur, die strukturell begründete Mängel individuell auszugleichen versucht, als Opressionsagentur, die systemgefährdenden Auswirkungen abweichenden Verhaltens entgegenwirkt, als Agentur zur

53 Vgl.: Simmel, Georg (1968): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, 2. Band, 5.

Auflage, Berlin: Duncker & Humblot Verlag, S. 348-349.

54 Simmel (1968), S. 348.

55 Vgl.: Simmel (1968), S. 369.

56 Simmel (1968), S. 371-372.

57 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 62.

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Disziplinierung Devianter durch Diskriminierung und Kasernierung, schließlich und vor allem eben als Agentur zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft.“58

Im Weiteren stellt die „Soziale Arbeit“ eine sanfte Kontrolle im Gegensatz zu harten Sanktionen dar. Dies trifft dann zu, wenn es um normativ abweichendes Verhalten geht. Die Konsequenz ist, dass die „Soziale Arbeit“ durch die Konfliktvermeidung an Hand von Individualisierung „Prozesse der Etikettierung und Stigmatisierung“ an deren KlientInnen ausübt.59

Beziehend darauf wird aus dieser theoretischen Perspektive festgestellt: „daß [sic!]

Einrichtungen, deren Zweck die Verhinderung, Beseitigung oder Reduzierung von Abweichung ist, […] einen entscheidenden Anteil an der Produktion und Reproduktion abweichenden Verhaltens haben, indem sie an einem Prozeß [sic!] sozialer Stigmatisierung mitwirken, Grundprobleme verschärfen, Möglichkeiten und Handlungsspielräume einengen bis hin zu einer schließlich unausweichlichen Festlegung auf eine delinquente Außenseiter- Rolle.“60

Marxistisch beeinflusste Ansätze schreiben der „Sozialen Arbeit“ zusammenfassend drei zentrale Aufgaben zu. Zum einen dient sie dazu, Reproduktionsrisiken der lohnabhängigen Bevölkerung zu behandeln. Zum anderen liegt ihre Aufgabe darin, abweichendes Verhalten zu kontrollieren sowie Konflikte zu vermeiden. Zuletzt dient die „Soziale Arbeit“ dazu, Sozialisationsaufgaben innerhalb der Gesellschaft zu übernehmen.61

Innerhalb der Kritischen Theorie wird die „Soziale Arbeit“ ebenfalls aufgegriffen. In der Perspektive der Theorie des kommunikativen Handelns bei Habermas wird „Soziale Arbeit“

als die Entstehung einer „Therapeutokratie“ gesehen.62

Habermas stellt vor allem die Kritik auf, dass durch die Behandlung durch ExpertInnen die eigentlichen Ziele, wie beispielsweise die Selbständigkeit von KlientInnen, einen Widerspruch in sich bilden. „Soziale Arbeit“ sieht er als Instanz zwischen System und Lebenswelt:63

58 Cremer-Schäfer, Helga & Peters, Helge (1975): Die sanften Kontrolleure. Wie Sozialarbeiter mit Devianten umgehen, Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag, S. 6-7.

59 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 66-67.

60 Cremer-Schäfer & Peters (1975), S. 2.

61 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 74.

62 Vgl.: Habermas, Jürgen (1981): Theorie des kommunikativen Handelns. Band 2: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft, 2. Auflage (1982), Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 533-534.

63 Vgl.: Habermas (1981), S. 533.

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„Denken wir an Beispiele wie den Eintritt der Altersgrenze oder den Verlust des Arbeitsplatzes; die mit solchen Ereignissen typischerweise veränderten Lebenslagen und Probleme vertragen in der Regel keine konsumistischen Umdefinitionen. Zum Ausgleich für diese Unangemessenheit systemkonformer Entschädigungen sind soziale Dienste eingerichtet worden, die therapeutische Hilfestellungen geben. Damit reproduzieren sich aber die Widersprüche der sozialstaatlichen Intervention nur auf höherer Stufe. Die Form der administrativ verordneten Behandlung durch einen Experten widerspricht meistens dem Ziel der Therapie, die Selbsttätigkeit und Selbständigkeit des Klienten zu fördern […].“64

Dieser theoretische Ansatz von Habermas wird bereits teilweise innerhalb der „Sozialen Arbeit“ als Reflexionsmöglichkeit übernommen, doch für eine „Soziologie der Sozialen Arbeit“ trägt dieser eher weniger dazu bei, wenn es um „die Einheit und Differenz“ der

„Sozialen Arbeit“ geht.65

4.3. Luhmann’s Systemtheorie als Grundlage für eine „Soziologie der Sozialen Arbeit“

Nach Bommes & Scherr gibt es drei zentrale Gründe, die für die Systemtheorie von Luhmann sprechen, und aufgrund welcher sich diese besser als die zuvor vorgestellten Theorien für eine

„Soziologie der Sozialen Arbeit“ eignet. Das wäre zum einen der Faktor, dass Luhmann das Soziale als Kommunikation auffasst und die diesbezüglichen theoretischen Ausführungen eine gute Basis für eine „Soziologie Sozialer Arbeit“ bilden. Zum anderen wird die „Soziale Arbeit“ als ein Folgeproblem der funktional differenzierten Gesellschaft betrachtet, indem beispielsweise das Recht, die Politik, die Erziehung oder die Ökonomie für die Entstehung von Hilfsbedürftigkeit herangezogen werden. Des Weiteren lässt sich durch die Systemtheorie erfassen, für welche strukturellen Probleme sich „Soziale Arbeit“ zuständig fühlt bzw. sich um diese annimmt. 66

Trotz mancher Kritik am systemtheoretischen Zugang einer „Soziologie der Sozialen Arbeit“, die im Kapitel „Theoretische Ergänzung durch exploratives ExpertInneninterview“ näher betrachtet wird, bin auch ich der Meinung, dass sich die Systemtheorie am besten für die Analyse „Sozialer Arbeit“ eignet. Dies liegt vor allem daran, dass diese die „soziale Arbeit“

als Einheit gut veranschaulicht und sich deren Funktion in der heutigen modernen Gesellschaft dadurch bestimmen lässt.

64 Habermas (1981), S. 533.

65 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 83-85.

66 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 97-98.

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Für das weitere Verständnis des theoretischen Zugangs werden nun die grundlegenden Überlegungen der Systemtheorie von Niklas Luhmann nachskizziert, um dadurch auf eine

„Soziologie der Sozialen Arbeit“ schließen zu können.

4.3.1. Die Rolle der Kommunikation bei Luhmann

Grundlegend ist, dass die soziologische Systemtheorie alles Soziale als „einen fortlaufenden Prozess von Kommunikationen“ versteht. Soziale Systeme werden diesbezüglich in Handlungen zerlegt, wodurch für Niklas Luhmann ein Anschluss für weitere Kommunikationsprozesse überhaupt ermöglicht wird. Dadurch ist die Kommunikation eines der wichtigsten Bestandteile sozialer Systeme.67

„Sprache, technische Massenmedien und die symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien erhöhen nicht nur die […] Konstitution und Fortsetzung von Kommunikation überhaupt. Sondern sie etablieren zunehmend einen Strukturzusammenhang und garantieren damit gesellschaftsgeschichtliche Systemzustände, an die künftige Operationen gebunden sind.“68

Soziale Systeme definieren sich durch Kommunikation und sind dadurch selbstreferentiell, da für Luhmann Kommunikation nur als „selbstreferentieller Prozess“ möglich ist. 69

Alles, was ein Individuum empfindet, wird erst dann im Sozialen relevant, wenn es in einer bestimmten Weise in der Gesellschaft kommuniziert wird. Diesbezüglilch bildet der Begriff der Kommunikation die Differenz zwischen System und Umwelt:70

„Kommunikation setzt auf diese Weise Systembildung in Gang. Wenn immer sie in Gang gehalten wird, bilden sich thematische Strukturen und redundant verfügbare Sinngehalte. Es entsteht eine selbstkritische Masse, die Angebote mit Annahme/Ablehnungsmöglichkeiten hervorbringt. All das differenziert sich als Prozeß [sic!] aus einer Umwelt aus, die in Themen paratgehalten, in Kommunikationen intendiert werden kann und Ereignisse produziert, die im System als Information weiterbehandelt werden können.“71

67 Vgl.: Luhmann, Niklas (1991): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, 4. Auflage, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, S. 193.

68 Ziemann, Andreas (2009): Systemtheorie, In: Kneer, Georg/Schroer, Markus (Hrsg.) (2009): Handbuch Soziologische Theorien, Wiesbaden: Springer VS Verlag, S. 480.

69 Vgl.: Luhmann (1991), S. 198.

70 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 100-103.

71 Luhmann (1991), S, 238-239.

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Für eine „Soziologie der Sozialen Arbeit“ im Sinne von Bommes und Scherr ist für die Analyse „Sozialer Arbeit“ wichtig, zu erfassen, was „Soziale Arbeit“ als „helfende Kommunikation“ von anderen Kommunikationsformen unterscheidet und worin ihre Besonderheit bzw. Eigenständigkeit liegt. Für die Betrachtung „sozialer Arbeit“ ist es zusätzlich notwendig, Unterschiede zwischen dem Motiv, der Zielsetzung sowie dem

„sozialen Sinn“ dieser „helfenden Kommunikation“ darzulegen.72

Neben der essentiellen Wichtigkeit von Kommunikationsprozessen für die Entstehung sozialer Systeme ist es für die weitere Betrachtung „Sozialer Arbeit“ notwendig, Niklas Luhmanns allgemeines Verständnis dieser Systeme kurz festzuhalten.

4.3.2. Soziale Systeme

Bei systemtheoretischen Analysen liegt stets die Differenz zwischen System und Umfeld zu Grunde:73

„Systeme sind nicht nur gelegentlich und nicht nur adaptiv, sie sind strukturell an ihrer Umwelt orientiert und könnten ohne Umwelt nicht bestehen. Sie konstituieren und sie erhalten sich durch Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt, und sie benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differenz. Ohne Differenz zur Umwelt gäbe es nicht einmal Selbstreferenz, denn Differenz ist Funktionsprämisse selbstreferentieller Operationen.“74 Die Selbstreferenz sozialer Systeme ist dann gegeben, wenn die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst produziert und reproduziert werden. Selbstreferentielle Systeme bezeichnet Luhmann als geschlossene Systeme, da sie nur in einer bestimmten Art und Weise bestehen und durch keinen anderen Prozess ersetzt werden können.75

Diesbezüglich führt Luhmann das „Konzept der Autopoiesis“ ein. Demzufolge entstehen Systeme selbstständig und nach eigenen Gesetzmäßigkeiten. Dabei laufen die internen Prozesse und Strukturen autopoietisch ab. Systeme mit autopoietischen Charakter sind geschlossen und autonom aber nicht autark, da ihre Reproduktion nicht unabhängig von bestimmten Umweltbedingungen vollzogen werden kann.76

72 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 105.

73 Vgl.: Luhmann (1991), S. 35.

74 Luhmann (1991), S. 35.

75 Vgl.: Luhmann (1991), S. 59-60.

76 Vgl.: Ziemann (2009), S. 476-477.

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Inwieweit es sich bei der „sozialen Arbeit“ um ein eigenständiges System handelt und welche Funktion ihr zugeschrieben werden kann, gilt es an Hand der „Soziologie der Sozialen Arbeit“ zu betrachten und zu analysieren.77

4.3.3. „Soziale Arbeit“ als ein eigenständiges Funktionssystem?

Von Funktionssystemen spricht man dann, wenn bezüglich einer Problemstellung innerhalb der Gesellschaft ein entsprechendes System entwickelt wurde, welches universelle Zuständigkeit dafür erlangt hat. Unentbehrlich ist ein Funktionssystem dann, wenn es durch kein anderes ersetzbar ist und auch keine anderen Lösungsansätze für eine bestimmte Problemstellung umgesetzt werden können.78

„Eine Gesellschaft kann als funktional differenziert bezeichnet werden, wenn sie ihre wichtigsten Teilsysteme im Hinblick auf spezifische Probleme bildet, die dann in dem jeweils zuständigen Funktionssystem gelöst werden müssen.“79

Durch die Anwendung von binären Codes, die auf bestimmte Problemstellung angewendet werden, können Funktionssysteme ausdifferenziert werden.80

Beispiele für eine Codierung wäre für das wissenschaftliche System das Entscheiden zwischen wahr/unwahr. Das Recht verwendet den Code Recht/Unrecht oder politische Systeme differenzieren sich durch Macht und Opposition.81

Die heutige Bevölkerung ist von den Teilnahmemöglichkeiten und den Leistungen von Organisationen abhängig, um einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Damit man an Organisationen teilnehmen kann, müssen jedoch bestimmte Kriterien erfüllt werden, die nicht immer erreicht werden können.82

„Der Begriff der Inklusion meint die Einbeziehung der Gesamtbevölkerung in die Leistungen der einzelnen gesellschaftlichen Funktionssysteme. Er betrifft einerseits Zugang zu diesen Leistungen, andererseits Abhängigkeit der individuellen Lebensführung von ihnen. In dem

77 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S, 42-43.

78 Vgl.: Luhmann, Niklas (1987): Soziologische Aufklärung 4. Beiträge zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft, Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, S. 34-35.

79 Luhmann (1987), S. 34.

80 Vgl.: Luhmann (1987), S. 16.

81 Vgl.: Krause, Detlef (1999): Luhmann - Lexikon. Eine Einführung in das Gesamtwerk von Niklas Luhmann mit 27 Abbildungen und über 500 Stichwörtern, 2. vollständig überarbeitete, erweiterte und aktualisierte Auflage, Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag, 35-38.

82 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 114.

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Maße, als Inklusion verwirklicht wird, verschwinden Gruppen, die am gesellschaftlichen Leben nicht oder nur marginal teilhaben.“83

In Bezug darauf erwähnt Luhmann, dass Bevölkerungsgruppen, die gesellschaftliche Leistungen nicht beanspruchen können, von Exklusion betroffen sind.84

Die Funktion der „Sozialen Arbeit“ kann darin gesehen werden, dass sie zwischen Inklusionsvermittlung und Exklusionsvermeidung entscheidet. Ob nun diese Art von Hilfeleistung als ein eigenes Funktionssystem ausdifferenziert werden kann, ist umstritten.

Bommes und Scherr vertreten die Ansicht, dass es sich um kein eigenständiges Funktionssystem handelt.85

Bommes und Scherr argumentieren damit, dass es schwierig ist, festzulegen, wann Hilfsbedürftigkeit überhaupt vorliegt. Dies wäre allein empirisch kaum untersuchbar. Im Weiteren ist die „Soziale Arbeit“ sehr stark davon abhängig, wie die sozialpolitische Ressourcenverteilung erfolgt. Dadurch wird die Autonomie der „Sozialen Arbeit“ sehr stark eingegrenzt. Inwieweit „Soziale Arbeit“ als angemessen und sinnvoll erachtet wird, hängt ebenso stark von politischen Programmen ab und ist dadurch stark variabel.86

Dadurch kann für deren „Soziologie der sozialen Arbeit“ folgende Schlussfolgerung festgemacht werden: „Vor diesem Hintergrund ist es u.E. für eine gesellschaftstheoretisch fundierte Betrachtung der Bedingungen, Formen und Folgen Sozialer Arbeit nicht angemessen, Soziale Arbeit als ein eigenständiges Funktionssystem zu betrachten.

Erforderlich ist es hierfür vielmehr zu analysieren, wie sich Soziale Arbeit als organisierte Hilfe im Zusammenhang mit der Herausbildung moderner Wohlfahrtsstaaten etabliert.“87 Inwieweit die „Soziale Arbeit“ kein eigenständiges Funktionssystem darstellt und ob sich der Argumentationsverlauf von Bommes und Scherr bestätigen lässt oder nicht, wird am Ende dieser Masterarbeit nochmals diskutiert. In weiterer Folge ist es jedoch wichtig, die Begrifflichkeiten von Inklusion und Exklusion in Bezug auf die „Soziale Arbeit“ näher zu betrachten bzw. darzustellen.

83 Luhmann, Niklas (1981): Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, München/Wien: Günter Olzog Verlag GmbH, S. 25.

84 Vgl.: Luhmann (1981), S. 25.

85 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 144-145.

86 Vgl.. Bommes & Scherr (2012), S. 147.

87 Bommes & Scherr (2012), S. 151.

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30 4.4. Der Begriff der Inklusion und Exklusion

Bei Bommes und Scherr stellt die „Soziale Arbeit“ kein eigenständiges Funktionssystem dar, auch wenn man diese an Hand der Hilfeleistung von Inklusionsvermittlung und Exklusionsvermeidung betrachten würde. Dennoch ist es für die weitere Analyse notwendig, diese Art von Hilfestellung näher zu betrachten:88

Nach Hemma Mayrhofer lassen sich durch die Begrifflichkeiten Inklusion und Exklusion Teilnahmechancen und Teilnahmebegrenzungen für Individuen innerhalb einer Gesellschaft festhalten. Dabei ist es wichtig, dieses Begriffspaar vor allem wieder unter einem systemtheoretischen Aspekt zu beobachten.89

Als Merkmal in der gegenwärtigen Gesellschaft kann man feststellen, dass Personen an ausgewählten Funktionssystemen teilnehmen müssen. Ein Beispiel hierfür wäre das Gesundheitssystem. Charakteristisch für solche Funktionssysteme ist es, dass diese immer von der Inklusion aller Individuen ausgehen und darauf aufbauen. Somit entscheiden Organisationen über den Inklusions- oder Exklusionsstatus von Personen.90

„Zu betonen ist, dass Exklusionsindividualität ein gesellschaftliches Strukturmerkmal bildet, welches das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in der Moderne charakterisiert.“91 Hinsichtlich der Inklusion ist es wichtig, zu beachten, dass es auch Inklusionen geben kann, die Personen so einnehmen, dass diese in weiteren Inklusionsmöglichkeiten in anderen Systemen beeinträchtigt werden. Mayrhofer bezeichnet dies als „totalitäre Inklusionsverhältnisse“, wie zum Beispiel Gefängnisse, problematische Familiensysteme oder aber auch eine stationäre heimförmige Unterbringung. Solche Situationen können die Teilhabemöglichkeiten an anderen Funktionssystemen erheblich blockieren.92

„Nicht Exklusionen an sich bilden die gesellschaftliche Bezugsproblematik der Sozialen Arbeit, sondern Exklusionsverdichtungen und andauernde Inklusionsschwierigkeiten, aber auch spezifische Inklusionsverhältnisse, die umfassendere Probleme der Lebensführung für Individuen oder auch Gruppen bzw. Kollektive verursachen. Und sie geraten auch nur dann in den Zuständigkeitsbereich der Sozialen Arbeit, wenn die jeweiligen Funktionssysteme

88 Vgl.: Bommes & Scherr (2012), S. 144-145.

89 Vgl.: Mayrhofer (2012), S. 24.

90 Vgl.: Mayrhofer (2012), S. 25.

91 Mayrhofer (2012), S. 26.

92 Vgl.: Mayrhofer (2012), S. 27.

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selbst und die dort teilweise ausgebildeten helfenden Professionen die Problembearbeitung nicht leisten und die politische Ebene allein dazu nicht in der Lage ist.“93

4.5. Theoretische Ergänzung durch exploratives ExpertInneninterview

Da es zur „Soziologie der Sozialen Arbeit“ sehr wenige Publikationen gibt bzw. es sich dabei um einen innovativen Theorieansatz innerhalb der Soziologie handelt, wurde ein exploratives ExpertInneninterview durchgeführt, um den theoretischen Zugang abzurunden. Ausgewählt wurde dafür eine Person, welche sich seit Jahren sowohl in der Praxis als SozialarbeiterIn als auch im universitären lehrenden Bereich befindet und somit eine angemessene Expertise in diesem Bereich aufweist.

Im explorativen Interview ging es einerseits darum, offene Fragen, die an Hand der Literaturrecherche nicht beantwortet werden konnten, zu stellen und andererseits noch neue Sichtweisen und eventuell übersehene Zugänge zu erfassen. Bei einem explorativen Zugang geht es vor allem darum, Sachverhalte besser zu strukturieren und präzisieren zu können. 94

4.5.1. Interviewleitfaden

Es wurde versucht, mit Hilfe des Interviews auf folgende fünf Fragestellungen eine Antwort zu erschließen: 1.) In der Literaturrecherche wurden immer wieder von strukturellen Faktoren geschrieben, die für die Entstehung „Sozialer Arbeit“ ausschlaggebend sind. Diese wurden jedoch nie beim Namen genannt, weshalb es wichtig war, zu erfassen, welche strukturellen Faktoren nun beispielsweise in der Steiermark eine essentielle Rolle spielen und gespielt haben. 2.) Im Weiteren schreiben Bommes und Scherr von der Ersetzbarkeit von Hilfe. Es stellt sich diesbezüglich jedoch die Frage, wie sich „Soziale Arbeit“ somit von anderen Formen des Helfens unterscheidet? Basierend auf Luhmann stellt sich der Diskussionspunkt, ob man „Soziale Arbeit“ überhaupt als eigenes Funktionssystem sehen kann? 3.) Es ging auch darum, was für den/die Interviewte/n die „Soziale Arbeit“ unentbehrlich macht, wie sie erkennbar und identifizierbar ist? Wie würde der/die Interviewte nach jahrelanger Erfahrung

„Soziale Arbeit“ definieren? 4.) Immer wieder liest man die Kritik, dass sich die Selbsthilfefähigkeit durch die Etablierung der „Sozialen Arbeit“ minimiert. Welche anderen Folgen hat „Soziale Arbeit“ für die/den Interviewte/n? 5.) Bommes und Scherr beziehen sich

93 Mayrhofer (2012), S. 41.

94 Vgl.: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/explorative-verfahren.html#definition.

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