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Dabei wurde auch versucht, die Worte für „Katze&#34

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(1)

Von Herbert Franke, Gauting

In Memoriam Ksenia Borisovna Kepping (1937-2002)

Der Anlaß für eine Beschäftigung mit tangutischen Bezeichnungen für Feh¬

den ergab sich, als ich Material zur Geschichte der Hauskatze im vormoder¬

nen China sammelte. Dabei wurde auch versucht, die Worte für „Katze" in

geographisch benachbarten Sprachen einzubeziehen. Für die altaischen Spra¬

chen (Tungusisch, Mongolisch und Türkisch) kann jetzt auf eine gründliche

Studie von Gerhard Doerfer verwiesen werden, die nicht nur nachweist,

daß manjurisch kesike wohl ein Lehnwort aus russisch koska ist, sondern

auch die Namen der Katze in den mongolischen und türkischen Sprachen

verzeichnet. 1 Wenn im folgenden versucht wird, einige Bemerkungen zu den

tangutischen Worten für Katze, Tiger, Leopard und Löwe zu formulieren, so

bin ich mir darüber klar, daß ich als Nicht-Tangutologe mich auf dünnes Eis

begeben habe. In den vergangenen Jahren habe ich jedoch mit Dr. K. B. Kep¬

ping (St. Petersburg) viel über Probleme des Tangutischen korrespondiert

und bin ihr als meiner Mentorin und Freundin zu größtem Dank verpflich¬

tet. Daß es nun nicht mehr möglich ist, ihr meine bescheidenen Bemerkun¬

gen zu kritischer Durchsicht vorzulegen, bedauere ich aufs tiefste.

Vorbemerkungen

Die komplizierten Schriftzeichen des Tangutischen können hier im Text

nicht im Original wiedergegeben werden. Statt dessen wird jeweils verwie¬

sen auf die Nummern in dem Glossar bei M.V. Sofronov, Grammatika

1 „Manjurische Tierbezeichnungen, kesike ,Katze'." In: Lutz Bieg et al. (Hrsg.): Ad Seres et Tungusos. Festschrift für Martin Gimm. Wiesbaden 2000, 97-104. Hierzu kann nachgetragen werden, daß es im Spät-Djurdjen des frühen 17. Jahrhunderts ein bei Doer¬

fer nicht verzeichnetes Wort für Katze gibt, nämlich hacu oder kacu. Siehe dazu Daniel

Kane: The Sino-Jurchen Vocabulary of the Bureau of Interpreters. Bloomington 1989,

S. 217 (nr. 415).

(2)

tangutskogo jazyka (Bd. 2, Moskau 1968), was eine eindeutige Identifizierung ermöglicht.

Schon im Anfang des 20. Jahrhunderts ist erkannt worden, daß die Spra¬

che von Hsi-hsia, also das Tangutische, klare Beziehungen zu einigen tibe-

toburmanischen Sprachen aufweist, namentlich zu den Sprachen der Lolo

(Yi), Moso (Nakhi), Jyarung und Ch'iang. 2 Ein modernes insgesamt 52

verschiedene Sprachen und Dialekte berücksichtigendes Vokabular dieser

Minderheitssprachen (Hsü Chü-fang 1991) verzeichnet deshalb neben den

entsprechenden Worten im Chinesischen, Tibetischen und Burmesischen

auch die Parallelformen des ausgestorbenen Tangutischen (Hsi-hsia). 3 Die

tangutische Form erscheint dabei in chinesischer phonetischer Wiedergabe

und zwar nach dem 1190 gedruckten tangutisch-chinesischen Sprachführer

Fan-Han yü ho-shih Chang-chung chu („Zeitgemäße Perle in der Hand¬

fläche für die tangutische und chinesische Sprache", im folgenden abgekürzt

als CCC). Dieses unschätzbare Werk in Taschenbuchformat wurde durch

die Expedition von P. K. Kozlov 1908 in Karakhoto entdeckt. Es enthält

in systematischer Anordnung nach Sachkategorien sowohl die tangutische

Schreibung und deren Lautung in phonetischer chinesischer Wiedergabe als

auch eine tangutische phonetische Wiedergabe der chinesischen Wortform.

Bekannt gemacht wurde das Werk erstmals durch A.I. Ivanov, 4 auf dessen

Arbeit auch die Pionierarbeit Laufer 1916 beruht. In unserer Studie wird

in erster Linie die Edition von Nishida Tatsuo (Nishida 1964, 186-223)

benutzt, die den bilinguen Originaltext nebst rekonstruierter Lautung des

Tangutischen und englischer Ubersetzung enthält. 5

2 Siehe dazu etwa Laufer 1916, 7-9, Wolfenden 1936, 167-168 und Wen Yu 1950b,

sowie neuerdings Sedlacek 1964, 185. Auch das Standardwerk von N. A. Nevskij: Tan-

gutskaja filologija (Moskau 1960) verzeichnet des öfteren Parallelen aus dem Lolo und Moso zu tangutischen Worten.

3 Ich danke Herrn Professor Roland Bielmeier (Bern) herzlich dafür, daß er mir

von diesem Vokabular sowie dem von Huang Pu-fan 1992 die Seiten, welche Tiernamen enthalten, in Kopie zugänglich gemacht hat.

4 „Zur Kenntnis der Hsi-hsia Sprache." In: Izvestija Imperatorskoi Akademii Nauk VI, Bd. 3 (St. Petersburg 1909), 1221-1233.

5 1974 habe ich in Shanghai einen Faksimilenachdruck (o.O. und o.J.) ausgewählter

Abschnitte des CCC erworben. Die Seite, auf der die Bezeichnungen von Löwe, Tiger,

Leopard und Katze erscheinen, ist in Abbildung 1 reproduziert.

(3)

Katze

Im Tangutischen gab es zwei völlig verschiedene Worte für „Katze". Das

erste findet sich bereits in CCC (Nishida 1964, 203) und ist des öfteren

diskutiert worden. Der Text bringt für chinesisches mao-erh fw Ä die tan¬

gutische Entprechung S 2167 (mbiou) und S 0052 (zie). Hierbei ist S 2167

der Sinnträger des Wortes, während S 0052 die chinesische Nominalparti¬

kel erb wiedergibt. Daß das tangutische Wort ein Lehnwort aus chinesisch

mao ist, scheint sicher (vgl. u.a. TF 2, 213). Kung 1981 behandelt insge¬

samt 184 chinesische Lehnworte im Tangutischen und führt das Wort für

Katze als Nr. 16 auf S. 692; im Nachdruck Kung 2002 auf S. 349). Kung

zitiert auch das unter dem chinesischen Namen Wen-hai X. & bekannte

tangutisch-tangutische Glossar, in dem die betreffenden Zeichen jeweils

erklärt werden. Dort heißt es zu dem Zeichen S 2167 „Katze ist etwas, das

Abb. 1:

Fan-Han yü ho-shih Chang-chung chu (1190).

Seite 16a

(4)

Mäuse fängt". Die russische Edition und Übersetzung des Wen-hai in MP

1, 277 (nr. 1634) sagt, daß die Katze Ratten (russisch krys) fängt. Ähnlich

auch die chinesische Übersetzung des Wen-hai in Shih 1983, 482/1. Das

chinesische Wort shu Uk. kann sowohl Maus wie Ratte bedeuten. Zur Lau¬

tung des tangutischen Worts kann noch nachgetragen werden, daß in TY

7A45 (S. 228) der Laut als hidu rekonstruiert wird, also nicht mit mb- an¬

lautend wie bei Sofronov.

Wir wüßten mehr über die Rolle der Katze in der tangutischen Kultur,

wenn eine Enzyklopädie von 1183 als ganzes und nicht nur in Teilen erhal¬

ten wäre. Es handelt sich um das nach Sachkategorien angeordnete Werk

„Von den Heiligen zusammengestelltes Meer der Bedeutungen" (Sie ngu

wo ngön). Bereits Nevskij hat in TF 1, 87-88 auf dieses Werk hingewiesen.

Die erhaltenen Teile der Enzyklopädie sind neuerdings von E.I. Kycanov

1997 ausgezeichnet ediert und bearbeitet worden. Der Verfasser bietet

außer Faksimilia der in St. Petersburg aufbewahrten Bruchstücke des

Textes auch eine russische Übersetzung mit ausführlichen Erläuterungen.

Den Inhalt des verlorenen Kapitels 9 kennen wir aber aus dem erhaltenen

Inhaltsverzeichnis. In diesem Kapitel wurden abgehandelt Kamele, Pferde,

Rinder, Schafe, sonstige Haustiere, Hunde, Katzen, Schweine, wilde Tiere,

Wasservögel und Hühner. Die Katze erscheint in der russischen Über¬

setzung auf S. 101 und im tangutischen Originaltext S. 325 Zeile 5. Das

Schriftzeichen ist S 2167, also das gleiche Wort wie oben. Es ist zu bedau¬

ern, daß auch der Abschnitt über wilde Tiere nicht erhalten ist, denn dort

wären sicher auch Angaben über Tiger und Leoparden und ihre Bezeich¬

nungen zu finden gewesen.

Die Deutung des zweiten tangutischen Worts für Katze wirft eine Frage

auf, die im folgenden versucht wird zu beantworten. Das Schriftzeichen

selbst bietet keine Probleme und ist in der tangutischen Lexikographie in

seiner graphischen Gestalt und seiner Lautung durchaus bekannt. Es ist

das Zeichen S 5515, Aussprache dort .a. Schlägt man bei Nevskij nach, so

findet man es in seinem handschriftlichen Lexikon (TF 1, 354) verzeichnet.

Als Bedeutung ist „Katze" (russisch koska) angegeben. Daneben steht in

Lateinschrift „glot". Das ist sicher eine abgekürzte Schreibung für den lin¬

guistischen Ausdruck „glottal stop", den Kehlkopfverschlußlaut, und gibt

also den Anlaut an, wie er auch in Sofronovs phonetischer Rekonstruktion

zum Ausdruck kommt, nämlich durch den Punkt vor a. Auch TY S. 427

(45B22) läßt das Wort mit glottal stop anlauten und schreibt 'a.

Soweit ist also alles klar und unproblematisch. Eine große Überraschung

ergibt sich jedoch, wenn man die Erklärung des Zeichens S 5515 in dem

tangutischen Reimlexikon Wen-hai nachschlägt. Das Zeichen findet sich im

(5)

Faksimilenachdruck des Originaltexts in MP 1, 524 Zeile 2 von rechts. 6 In

der russischen Übersetzung (MP 1, 142, nr. 751) heißt es nun in der Erklä¬

rung des Wortes: „Affe (obez'jana). Katze (koska). Das was Mäuse fängt".

Ähnlich ist die Worterklärung auch in der chinesischen Übersetzung des

Wen-hai bei Shih 1983, 436/11: „Dies ist Affe (chin, yüan yu 2£ tk) und

Katze (mao-erh &). Bezeichnung für das, was Mäuse fängt". In Shihs

chinesischem Text stehen also zwei verschiedene Worte für „Affe". Das

erste Wort yüan ist gleich yüan 1%. „Gibbon" (vgl. dazu das moderne Le¬

xikon Tz'u-yüan Bd. 3, 2008/a). Das zweite chinesische Wort yu bedeutet

nach Tz'u-yüan Bd. 4, 2943/a einen langschwänzigen Affen. Auch die tan¬

gutische Erklärung des Zeichens S 5515 im Wen-hai enthält zwei Worte für

Affen, nämlich S 4607 (kha, MP 2, 70, nr. 3775) und S 5317 (swen, MP 1, 105,

nr. 492). In beiden Fällen wird in der russischen Übersetzung in MP als Be¬

deutung „Affe" (obez'jana) angegeben.

Nun sind wohl mäusefangende Affen nicht gut vorstellbar. Unsere oben

gestellte Frage kann also dahingehend formuliert werden, wie es möglich

war, daß die Worte Affe und Katze durch das ein und dasselbe tangutische

Schriftzeichen wiedergegeben wurden. Es muß also irgendwie und irgend¬

wann eine Verwechslung stattgefunden haben, die zu einem Fehler im

Wen-hai geführt hat. Ich glaube, im folgenden zeigen zu können, wie dieser

Fehler entstanden ist.

Das Reimlexikon Wen-hai ist in der gleichen Weise angeordnet wie die

chinesischen nach Reimen und Tönen gegliederten Wörterverzeichnisse

der T'ang- und Sungzeit. Als unmittelbares Vorbild des Wen-hai gilt das im

Jahre 1011 veröffentlichte Reimlexikon Kuang-yün $ II von Ch'en P'eng-

nien f£ Sj (901-1017), wie bereits von Nevskij bemerkt wurde (TF 1,

95). Es liegt also nahe, zu fragen, ob der Fehler bzw. die Verwechslung von

„Affe" und „Katze" nicht schon in der chinesischen Lexikographie nachge¬

wiesen werden kann. Für die Bedeutung „Affe" von yüan $c und yu tfc gibt

es einen klaren frühen Beleg in der „Ode auf die westliche Hauptstadt" Hsi-

tufu^^f^, von Pan Ku ® (32-92 n.Chr.). In der Ode wird eine Jagd

beschrieben. Dort heißt es in der englischen Übersetzung des Hsi-tufu bei

Knechtges 1982, 136 (Z. 357 und 358): „Gibbons (yüan) and monkeys (yu)

fall from the trees / Jackals and wolves skulk in terror." 7

6 In der Edition des "Wen-hai durch Shih 1983 ist der gelegentlich etwas verwischte

Originaldruck durch eine Reinschrift des tangutischen Textes ergänzt worden. Das

Schriftzeichen S 5515 steht dort auf S. 186 in Zeile 2.

7 Zum chinesischen Text siehe die Anthologie Wen-hsüan X. iE, ed. Ssu-pu ts'ung- k'an, ch. 1, 21a.

(6)

Nun gibt es aber im Chinesischen neben yu „Affe" ein weiteres gleich¬

lautendes und ähnlich geschriebenes Wort yu |k, also mit Radikal Nr. 153

(Reptil) statt Radikal Nr. 94 (Hund). Hierfür verzeichnet das Kuang-yün (ed.

Ssu-pu ts'ung-k'an, ch. 4, 61a) die Bedeutung „Name eines dem Gibbon ähn¬

lichen Tieres" und deutet dieses yu mit Radikal 153 als Schreibvariante von

yu mit Radikal 94. Auch das moderne Wörterbuch Tz'u-yüan (Bd. 4, 2943/a)

hat diese Angabe übernommen. Sie ist aber irrig. Das hat bereits im 18. Jahr¬

hundert der große Philologe Wang Nien-sun (1744-1832) erkannt. Er hat

aufgrund einer genauen Durchsicht älterer chinesischer Glossare gezeigt, daß

yu mit Radikal 153 eine Art Wildkatze (Ii $$.) bezeichnet, ein katzenähnliches

Tier, welches unter der Bezeichnung shih |£ in den üblichen Lexika erscheint

(Wang 1796, ch. 10B, 35a). 8 Zusammenfassend können wir also feststellen,

daß die Erwähnung des Affen neben der Katze im tangutischen Wen-hai auf

einem Fehler im chinesischen Reimlexikon Kuang-yün beruht.

Schließlich soll noch kurz auf die Worte für Katze in anderen geogra¬

phisch dem früheren Tangutenreich benachbarten Regionen eingegangen

werden. Dabei zeigt sich, daß anscheinend das Tangutische die einzige

Sprache war, die das chinesische mao als Lehnwort übernommen hat. Im

Schrifttibetischen ist „Katze" zi mi (Jaeschke 1934, 475/a). In einem ti¬

betischen Text aus dem Jahre 1368 findet sich der ähnliche Ausdruck zim

hu „kleine Katze". 9 In den tibetischen Dialekten gibt es jedoch noch andere

ganz abweichende Formen. Für Sikkim wird als vulgäre Bezeichnung a Ii

und a liu (geschrieben a lus) angegeben (Desgodins 1899, 1081/b), worauf

auch Laufer 1915, 762 verweist. Nach freundlicher Mitteilung von Roland

Bielmeier (Brief vom 4. Juni 2003) kann hierfür ein zugrunde liegendes

Etymon Hu angenommen werden. Demnach wäre also das anlautende a-

nicht Träger des Sinns. Das würde auch ausschließen, das tangutische .a für

Katze als Parallele heranziehen zu können.

Auch in denjenigen Eingeborenensprachen, die nach allgemeiner Ansicht

Beziehungen zum Tangutischen aufweisen, fanden sich keine Ähnlichkei¬

ten. Im Ch'iang ist „Katze" ma yu (Wen 1950a, 24/b), nach Huang 1992,

97 allerdings pu nu. Im Jyarung heißt die Katze to ru (Hsü 1991, 490 und

Huang 1992, 97). Im Moso (Nakhi) ist „Katze" nach Huang 1992, 97 xua

le, und hwa le nach Li 1953, 59 (nr. 853). Die Hieroglyphe für dieses Wort

(Li loc. cit.) zeigt ganz unverkennbar einen Katzenkopf. Auch schon die zu

8 Das um die Mitte des 19. Jahrhunderts verfaßte Katzenhandbuch Mao-yüan <fö J£ von Huang Han £ (ed. Pi-chi hsiao-shuo ta-kuan, Shanghai o.J., ch. shang, 2a-b) erklärt das Worty« mit Radikal 153 richtig als Katze, ohne jedoch auf Wang Nien-sun zu verweisen.

9 So nach freundlicher Mitteilung von Dr. Helga Uebach (Bayerische Akademie der

Wissenschaften).

(7)

Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgten linguistischen Bestandsaufnahmen

des Moso notieren h'oa le und ha le (Bacot 1913, 35). Ob die zweite Silbe

/le/ im Moso mit dem von Bielmeier postulierten tibetischen Etymon Hu

zusammenhängt, ist fraglich. Was das Lolo (Yi) angeht, wurde für „Katze"

damals die Bezeichnung mi angegeben (d'Ollone 1912, Tafel b, nr. 93). Die

rezenten Vokabulare (Hsü 1991, 490 und Huang 1992, 97) bieten dagegen

in allen Dialekten Worte vom Typ a ni oder a ne, also Formen, die mit dem

älteren mi nichts zu tun haben.

Tiger

Während die Urahnin unserer Hauskatze bekanntlich die nordafrikanische

Falbkatze (Felis silvestris lybica) war, deren Nachfahren sich dann durch

den Menschen über die ganze Welt verbreitet haben, ist der Tiger von jeher

in Süd- und Ostasien als Wildtier heimisch gewesen. 10 Wir dürfen daher

auch annehmen, daß es in den bewaldeten Regionen des Tangutenreichs

Hsi-hsia Tiger gegeben hat. Im Tangutischen gab es zwei verschiedene Wör¬

ter für den Tiger. Eines davon findet sich in CCC (Nishida 1964,203). Dort

wird für den Tiger das tangutische Zeichen S 4802 (Ide) und die Lautung als

chinesisch le angegeben. Nevskij rekonstruiert phonetisch le (TF 2, 586),

ähnlich auch TY 465/b (52B33): lt. Das zweite Wort wird mit dem Zeichen

S 3082 (rje) geschrieben. Nevskij rekonstruiert den Laut ähnlich, nämlich

als Vi (TF 2, 440). TY 349/a (30B28) hat na Was das erste tangutische Wort

für Tiger (Ide), betrifft, so finden wir außer der Schreibung mit dem Zeichen

S 4802 eine weitere Orthographie in TY 465/b (52B34), nämlich das homo¬

phone Zeichen S 4800 (Ide), nach TY gleichfalls Ii lautend. Für dieses Zei¬

chen gibt MP 2, 30 (nr. 3297) die russische Bedeutung vostok „Osten" mit

Fragezeichen an. Das dürfte unwahrscheinlich sein - es handelt sich sicher

um eine abweichende Orthographie des Wortes für Tiger.

Es ist nicht ersichtlich, wodurch sich die zwei mit 1- bzw. r- anlauten¬

den tangutischen Worte semantisch unterscheiden. Da die betreffenden

Schriftzeichen im Wen-hai nicht erklärt werden, könnte diese Frage allen¬

falls durch Untersuchung ihres Vorkommens in der Literatur anhand des

Kontextes beantwortet werden. Das aber kann nur von tangutologischen

Fachgelehrten geleistet werden.

10 Zu China findet sich eine nützliche Übersicht über Spezialwerke über Tiger bei

Werner Eichhorn: „Das Kapitel Tiger' im T'ai-P'ing Kuang-Chi." In: ZDMG 104

(1954), 142 Anm. 1.

(8)

Was die Form Ide bzw. h angeht, so hat bereits Nevskij erkannt, daß sie

eng mit mit den Worten für Tiger in den Eingeborenensprachen Lolo und

Moso zusammenhängt. Im Moso ist „Tiger" la, so schon Bacot 1913, 51

und 108. Auch die rezenten Vokabulare wie Li 1953, 52 (nr. 761) sowie Hsü

1991, 494 und Huang 1992, 102 haben la. Im Lolo (Yi) ist „Tiger" nach

d'Ollone 1912, Tafel 8 (nr. 29) auch la. Die neueren Glossare Hsü 1991,494

und Huang 1992, 102 verzeichnen Dialektformen wie la und lo. Einen ganz

anderen Worttypus finden wir im Ch'iang, nämlich pei hda (Wen 1950a,

22/a) bzw. pji da und pei hda (Chang 1967, 428). So sicher demnach die

Verwandtschaft des tangutischen Wortes mit Moso und Lolo ist, so sicher

ist andererseits, daß das tibetische stag „Tiger" (Jaeschke 1934, 220/a) nicht

mit den tangutischen Worten verbunden werden kann.

Leopard (Panther)

Anders steht es mit dem tangutischen Wort für Leopard (Panther). Es kann

gezeigt werden, daß es mit dem Tibetischen und einigen damit verwandten

Eingeborenensprachen zusammenhängt. In CCC steht für Leopard das

tangutische Schriftzeichen S 2384 (zeu), dessen Lautung durch chinesisches

i-tse °% f!'J wiedergegeben wird (Nishida 1964, 203). Nevskij in TF 2, 299

gibt dafür den Laut ze an, ähnlich auch TY 468/a (53A32): zia. In MP 2,176

(nr. 5003) wird die Bedeutung mit Leopard und Panther angegeben. Auf der

gleichen Seite findet sich auch als nr. 5005 das Schriftzeichen S 3455 (dort

ohne Lautangabe), wofür die Autoren von MP die Bedeutung vostok (Osten)

mit Fragezeichen ansetzen. Ich vermute aber, daß das ein Fehler ist. Es gibt

nämlich ein mit S 2384 homophones Zeichen S 2385 (zeu), das sich von S 2384

nur durch einen etwas anderen rechten Bestandteil unterscheidet. Dies dürfte

also eine graphische Variante sein, so daß in MP 2, 176 für das Zeichen

nr. 5005 statt des irrigen vostok die Bedeutung Leopard einzusetzen ist.

Auf den Zusammenhang des tangutischen Wortes mit dem tibetischen

gzig (Jaeschke 1934, 493/b) ist bereits von Nevskij hingewiesen worden

(TF 2, 299), desgleichen auf die Parallelen im Lolo und Moso. Diese wer¬

den auch in den neueren Vokabularen bestätigt, ebenso solche in weiteren

tibetoburmanischen Sprachen. Im Jyarung ist der Leopard nach Wolfen¬

den 1936, 175 ke scik, wobei die zweite Silbe sinntragend ist. Hsü 1991, 495

und Huang 1992, 104 notieren das Wort als kd ftfak. Soweit zu sehen, ist

Jyarung die einzige Sprache, die den auslautenden Guttural des tibetischen

gzig bewahrt hat. Sämtlich anderen Parallelen enden auf einen Vokal. Im

Lolo finden wir für Panther ze (d'Ollone 1912, Tafel 1 nr. 66). In den

(9)

neueren Vokabularen erscheint das Wort als ze oder zi (Hsü 1991, 496 und

Huang 1992, 104). Für das Moso verzeichnet Bacot 1913, 46 und 98 meh¬

rere Varianten, nämlich dje, ze, nje und njeu. Li 1953, 53 (nr. 765) schreibt

nd&i ähnlich Huang 1992, 104 (dji), während Hsü 1991, 496 die im Voka¬

lismus abweichende Form 3a bietet. Im Ch'iang finden wir nach Wen 1950a,

26a si, und nach Chang 1967, 429 si und si.

Es scheint jedoch im Tangutischen außer dem bisher besprochenen Wort

ein weiteres Wort für Leopard bzw. Panther gegeben zu haben, welches mit

dem Zeichen S 5155 (mbo) geschrieben wurde. Für dieses Zeichen notierte

Nevskij in TF 2, 455 nur in Lateinschrift „Labial", ohne eine Bedeutung

anzugeben. Auch in MP 2, 152 (nr. 4726) wird für das Schriftzeichen keine

Bedeutung mitgeteilt. TY 218/a (5A46) gibt für das Zeichen jedoch die Aus¬

sprache buo und als Bedeutung „Leopard" an. Falls diese Deutung richtig

ist, liegt es nahe, in mbo bzw. buo ein chinesisches Lehnwort zu sehen, ab¬

geleitet von pao f-j.

Löwe

Löwen gab es im Altertum im Nahen Osten und Südasien in freier Wild¬

bahn. In Zentral- und Ostasien waren sie aber nicht heimisch und sind des¬

halb ein exotischer Kulturimport. In der T'angzeit gelangten gelegentlich

lebende Löwen als Tributgabe nach China (Schafer 1967, 84-85). Wich¬

tiger ist jedoch der Einfluß des Buddhismus gewesen, in dessen religiöser

Symbolik der Löwe eine große Rolle spielte. In der ganzen buddhistischen

Ökumene finden wir ihn deshalb in der einschlägigen religiösen Literatur

oft erwähnt und in der bildenden Kunst dargestellt. Das gilt auch für den

tangutischen Staat Hsi-hsia und seine buddhistisch geprägte Kultur. Da

der Löwe dort nicht heimisch war, konnte es auch kein indigenes Wort für

ihn geben. Das Tangutische hat anscheinend auch nicht ein Fremdwort für

„Löwe" übernommen wie das Tibetische, wo der Löwe sen ge heißt, abge¬

leitet vom sanskritischen simba (Jaeschke 1934, 575/b-576/a). Auch ist das

chinesische Wort für Löwe shih-tzu frj> (auch <fff geschrieben) nicht in das

Tangutische entlehnt worden. Das tangutische Wort für Löwe muß deshalb

eine Neuschöpfung gewesen sein. Freilich ist, wie sich zeigen wird, die Ety¬

mologie des Wortes durchaus problematisch.

Im CCC erscheint der tangutische Ausdruck zweimal (Nishida 1964, 194

und 202). Als Aussprache für die Zeichen S 4819 (ka) und S 1092 (tsjei) ist dort

jeweils die chinesische Umschrift ko cheng % angegeben. Laufer 1916,

81-82 führt das in CCC mit ko cheng umschriebene tangutische Wort unter

(10)

den iranischen Lehnworten auf, kann jedoch keine überzeugende Lösung vor¬

schlagen. Was das Iranische angeht, verweist E.H. Schafer auf Tocharisch

A s'äsäk und Tocharisch B secake (Schafer 1967, 84 und 301 note 62). Von

diesen Formen führt aber kein Weg zu der in CCC angegebenen Lautung.

Nevskij behandelt die Zeichen S 4819 und S 1092 in TF 2, 281 bzw. TF 1,

245. Er gibt für den ganzen Ausdruck die rekonstruierten Laute dka cob an.

Zudem zitiert er zwei Fälle, wo das tangutische Wort für Löwe in buddhi¬

stischem Kontext erscheint. Das erste Beispiel ist der Name einer Nonne in

Kapitel 7 des Lotussütra, der aus „Löwe" und „Mond" (tangutisch S 3313

ndziu) zusammengesetzt ist und sanskritisches Simhacandrä wiedergibt. 11

Das zweite Beispiel ist gleichfalls ein Personenname und zwar derjenige des

indischen Autors Haribhadra, tangutisch „Löwe" und „weise" (S 5759 me).

Haribhadra hat einen Traktat verfaßt, der aus dem Sanskrit ins Tibetische

und von dort ins Tangutische übersetzt worden ist. Von der tangutischen

Fassung sind mehrere Handschriftenfragmente sowie ein Druck aus dem

Jahre 1216 erhalten. 12 Die tibetische Ubersetzung des Namens Haribhadra

ist Seh ge bzah po (vgl. dazu auch TF 1, 114).

Bezüglich der lautlichen Rekonstruktion der Zeichen S 4819 und S 1092

kann noch nachgetragen werden, daß das erste Zeichen in TY 297/a wie bei S

mit ka umschrieben wird, das zweite mit tsis, wobei das auslautende -e mit

Tilde ~ geschrieben ist. Das zeigt, daß der Verfasser von TY einen nasalier¬

ten Auslaut (-n oder -ng) postuliert. Ferner ist zu bemerken, daß der tangu¬

tische Ausdruck für Löwe stets zweisilbig erscheint, während die Worte für

Tiger und Leopard im Tangutischen einsilbig sind. Auch im Wort für Katze

ist, wie oben gezeigt, nur die erste Silbe mbiou sinntragend.

Wie das tangutische Wort ka tsjei für Löwe etymologisch erklärt werden

könnte, bleibt, wie oben angedeutet, überaus fraglich, insbesondere weil die

beiden Schriftzeichen des Worts in dem Reimkompendium Wen-hai nicht

aufgeführt sind. Was die zweite Silbe ts'jei angeht, so findet sich im CCC

(Nishida 1964, 203) für „kleiner Hund", chinesisch hsi kou &s\ fä, als zwei¬

ter Bestandteil tangutisches S 5366, gleichlautend mit der zweiten Silbe von

Löwe, jedoch graphisch ganz anders. Für S 5366 gibt MP 2, 85 (nr. 3957) die

Bedeutung „Hund" an. Die erste Silbe für den „kleinen Hund" des CCC ist

S 5353 (khwi), chinesisch in CCC mit ch'U Mx, alte Aussprache etwa kü, um-

11 Siehe dazu die Übersetzung von Leon Hurvitz (Scripture of the Lotus Blossom

of the Fine Dharma. New York 1976, 282): „five hundred nuns headed by Lion Moon

(simhacandrä, .glowing like a lioness')".

12 Siehe dazu die genaue Beschreibung in E.I. Kycanov: Katalog tangutskich hud-

dijskich pamjatnikov Instituta Vostokovedenija Rossijskoi Akademii Nauk. Kyoto 1999, 490-493 (nr. 393-399). Auf S. 784 ist der Kolophon des Werkes reproduziert.

(11)

schrieben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieses khwi mit dem tibetischen

Wort für Hund k'yi (Jaeschke 1934, 46/a-46/b) verwandt ist. Man könnte

jedenfalls vermuten, daß die zweite Silbe im Wort für Löwe irgendwie mit

einem Wort für Hund zusammenhängt und demnach das ganze zweisilbige

Wort als etwa /e^-Hund erklärt werden kann.

Aber was ist mit ka} Vielleicht kann hier die Beobachtung helfen, daß, wie

Dr. Kepping mir des öfteren brieflich mitgeteilt hat, gerade in rituellem Kon¬

text Homophone substituiert worden sind. Akzeptiert man die Möglichkeit

einer solchen Substitution, so könnte man denken an S 3317 (ka), was „stark,

kräftig" bedeutet. Allerdings gehört dieses ka zu einer Gruppe mit anderem

Wortton, wie sich aus TY 296/a (20B31) ergibt. Es könnte demnach das Wort

für Löwe als „starker Hund" gedeutet werden, obgleich das der normalen

tangutischen Wortfolge Nomen-Adjektiv widersprechen würde.

Es gibt jedoch eine weitere Möglichkeit, den zweiten Bestandteil ts'iei

im Wort für Löwe als phonetische Substitution aufzufassen. Ein genau

gleichlautendes Wort ist S 0321. Dies bedeutet nach TF 2, 526 und MP 1,220

(nr. 1267) „Tibet, Tibeter, tibetisch". Ob das zutrifft, kann nur vermutet

werden. Die im obigen mitgeteilten Erklärungsversuche sind also höchst

unsicher, so daß die Etymologie des tangutischen Worts für Löwe nach wie

vor fraglich bleiben muß.

Die Parallelen in den Eingeborenensprachen können hier außer Betracht

bleiben. Das Wort für Löwe ist dort stets Fremdwort, entweder abzuleiten

aus dem tibetischen sen ge oder dem chinesischen shih-tzu. In das Ch'iang,

Lolo und Moso (Nakhi) ist das chinesische Wort übernommen, in Jyarung

das tibetische.

Anhang: Tangutisch und die Sprache von Ho-hsi

Ho-hsi ;°T äj „westlich des (Gelben) Flusses" war unter der Mongolenherr¬

schaft im 13. und 14. Jahrhundert die übliche Bezeichnung für die Region

des früheren Tangutenreiches Hsi-hsia. Es muß jedoch in der frühen Ming-

zeit nach 1370 auch ein Staatswesen dieses Namens gegeben haben, mit dem

das Mingreich in diplomatischem Verkehr bzw. Tributbeziehungen stand.

Für die Sprachen dieser Tributarstaaten wurden in der für auswärtige Be¬

ziehungen zuständigen Behörde Hui-t'ung kuan ^ l°] # Vokabulare (i-yü

if t!r) zur Verwendung durch die chinesischen Dolmetscher kompiliert. In

dem Verwaltungshandbuch der Mingdynastie Ta Ming hui-tien Bft ^ $k

(Nachdruck Taipei 1964), Bd. 3, ch. 109, 3a-4a (S. 1628) werden insgesamt

18 Sprachen genannt, für die es Dolmetscher (t'ung-shih il ^) gab. Unter

(12)

diesen wird auch eine Planstelle für einen Dolmetscher für Ho-hsi aufge¬

führt. Im Jahre 1484 wurde die Zahl der Stellen auf zwei angehoben. Das

läßt darauf schließen, daß mindestens bis zum späten 15. Jahrhundert Bedarf

an Fachleuten für den Verkehr mit Ho-hsi bestand. Wo genau dieses Ho-hsi

geographisch zu lokalisieren sei, kann ich nur vermuten. Möglicherweise

könnte ein Zusammenhang bestehen mit der Stammesgruppe Chuang-lang $t

Diese ist für das 12. Jahrhundert im Raum südlich von T'ao-chou äffe Jfl,

dem heutigen Lin-t'an }$■ im äußersten Süden der Provinz Kansu bezeugt

(CS, ch. 91, 2016-2018). Diese Gegend ist heute ein Teil des tibetischen

autonomen Distrikts von Kansu. Unter den Yüan gab es eine Präfektur

Chuang-lang (YS, ch. 60, 1428). Dort war auch bis 1312 eine tangutische

Tausendschaft stationiert (YS, ch. 24, 550). Falls meine Vermutung zutrifft,

besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß die Sprache des mingzeitlichen

Ho-hsi tibetoburmanisch war. Im Ta Ming hui-tien wird übrigens Ho-hsi

aufgeführt zwischen Tibet und Burma, was gleichfalls auf die Region von

Südkansu deuten könnte.

Die fremdsprachlich-chinesischen Vokabulare der Mingzeit haben schon

früh das Interesse der europäischen Sinologen gefunden. Bereits 1912 wurde

darauf hingewiesen, daß es 18 dieser Vokabulare gab, darunter auch eines

für Ho-hsi, nämlich das Ho-hsi i-yü (Maspero 1912, 7, note 2). Eine wie

bei dem Verfasser gewohnte überaus akribische Darstellung des Hui-t'ung

kuan und seiner Wörterbücher gab Paul Pelliot einige Jahrzehnte später

(Pelliot 1948, 207-290). Dort ist auch S. 285 note 368 das Ho-hsi i-yü er¬

wähnt. Weder Maspero noch Pelliot haben jedoch ein Exemplar dieses

Werks zu Gesicht bekommen. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist in

China eine Handschrift des Ho-hsi i-yü entdeckt und durch Feng Cheng

bekannt gemacht worden. Feng gibt einen überaus instruktiven Überblick

über die von ihm neu entdeckten fremdsprachlichen Vokabulare der frühen

Mingzeit, unter denen nicht weniger als neun tibetische Dialekte betreffen.

Feng erwähnt in seiner Studie das nur in einem einzigen Exemplar vorlie¬

gende Ho-hsi i-yü und hält die Sprache von Ho-hsi für das Tangutische der

frühen Mingzeit (Feng 1981, 64-65).

Feng Cheng hat einige Jahre nach seinem erstmaligen Hinweis auf das

in der Peking Library entdeckte Unicum des Ho-hsi i-yü den Text genauer

beschrieben und analysiert (Feng 1986, 165-198). Er ist Teil eines Konvo-

luts von 80 Folio, welches insgesamt noch fünf weitere Vokabulare umfaßt

(darunter auch für Mongolisch und Uigurisch) und ist enthalten auf den

Folio 64-68. Auf Tafel 14 bei Feng ist reproduziert die erste Seite des Ho-

hsi i-yü sowie eine Seite des Konvoluts, aus der als Jahr der Abfassung 1370

hervorgeht. Dabei ist überraschend, daß als Datum das erste Jahr der Devise

(13)

Hsüan-kuang s. ttL angegeben ist. Hsüan-kuang ist nämlich nicht, wie zu

erwarten gewesen wäre, eine Devise der Ming, sondern die von Ayursiridara

(1338-1378), dem Sohn des letzten Yüankaisers Shun-ti, welcher nach dem

Tode seines Vaters als Kaiser der sogenannten „nördlichen Yüan" von 1370

bis 1378 unter der Devise Hsüan-kuang regierte. 13 Hieraus kann geschlos¬

sen werden, daß diese sechs Vokabulare einschließich des Ho-hsi i-yü in

einer Region aufgezeichnet worden sind, die noch nicht zum Mingreich

gehörte, sondern den Mongolen loyal geblieben war.

Im folgenden beziehen sich Zahlen in Klammern jeweils auf die Seiten

von Feng 1986. Zunächst einige Angaben über die Struktur des Ho-hsi i-

yü. Insgesamt enthält es 255 Wörter der Sprache von Ho-hsi in chinesischer

Bedeutung und lautlicher chinesischer Umschrift, angeordnet in 17 Sach¬

kategorien (169). Von besonderer Bedeutung ist das Wort für „Staat von Ho-

hsi". Es lautete nämlich t'ang wu ti -fö TL 6-J (169 und 193). Das ist nämlich

eine getreue Wiedergabe des Wortes Tangut. Nun ist dies die mongolische

Bezeichnung für die Tanguten, die auch von den Chinesen in der Form T'ang-

wu "% TL übernommen worden ist. Die Selbstbezeichnung der Tanguten war

jedoch ganz anders und zwar Mi-nia (tibetisch Mi nag). 14 Auf alle Fälle aber

könnte der Name Tangut für Ho-hsi eine Verbindung zu den Tanguten des

alten Staates Hsi-hsia möglich erscheinen zu lassen und zu vermuten, daß

auch die Sprache von Ho-hsi mit dem Tangutischen verwandt ist.

Feng Cheng hat versucht, für die Worte des Vokabulars Parallelen zu

finden und zwar zu den chinesischen Umschriften des alten Tangutisch in

CCC, im Schrifttibetischen und einem rezenten Dialekt des Yi (Lolo), der

im südlichen Ssuch'uan gesprochen wird. Er hat die von ihm vermuteten

Parallelen in acht Tabellen angeordnet: 1) Hsi-hsia, Tibetisch und Yi (11

Worte); 2) Hsi-hsia und Yi (3 Worte); 3) Hsi-hsia und Tibetisch (4 Worte);

4) Tibetisch und Yi (2 Worte); 5) Hsi-hsia (16 Worte); 6) Tibetisch (8 Worte)

und 7) Yi (5 Worte) (181-184). Ohne Beziehungen zu anderen Sprachen

werden nicht weniger als 139 Worte auf gelistet, also der überwiegende Teil

der von Feng behandelten 188 Worte (184-192). Da aber das Ho-hsi i-yü

insgesamt 255 Worte umfaßt, bleibt also ein großer Teil des Wortschatzes

unberücksichtigt. Auf Fengs Listen kann hier nicht umfassend eingegangen

werden, doch scheinen manche der von ihm angenommenen Beziehungen

recht fraglich. So hatte „groß" im Ho-hsi die Aussprache hu CCC gibt

13 Siehe dazu Edward L. Dreyer und Hok-lam Chan in L.C. Goodrich und

Chaoying Fang (Hrsg.): Dictionary of Ming Biography. New York 1970, Bd. 1, 15-17.

14 Dazu siehe jetzt K.B. Kepping: „Self-Appelation and Self-Portraiture in Khara Khoto Material." In: Manuscripta Orientalia. International Journal for Oriental Manu¬

script Research vol. 7 no. 4 (St. Petersburg 2001), 37-47.

(14)

dagegen als Lautung chin, k'uei %t an (183). Die Formen sind also lautlich

recht verschieden. „Osten" lautete im Ho-hsi mao während CCC den

Laut wu in angibt (183). Auch in diesem Falle ist keine lautliche Nähe zwi¬

schen Alttangutisch und Ho-hsi erkennbar.

Richtig erkannt hat Feng jedoch, daß das Ho-hsi auch mongolische

Elemente enthält. Auf S. 177 zählt er 17 Parallelen auf und verweist dabei

auf die gegenwärtige Aussprache des Mongolischen. Das ist meiner Ansicht

nach methodisch unzulässig, denn es wäre besser gewesen, die mongolische

Lautung des 14. Jahrhunderts zugrunde zu legen bzw. die bekanntlich histo¬

risierende Orthographie des Schriftmongolischen heranzuziehen. Manche

der a. a. O. vermuteten Parallelen scheinen mir falsch zu sein. Für „Pfeil" hat

das Ho-hsi nu mu ix ;♦>. Ich sehe darin eher mong. numu(n) „Bogen". Dies

kann freilich schon auf eine Verwechslung im Ho-hsi i-yü zurückgehen. Das

Wort für „Tiger" p'ai iit bringt Feng mit mong. bars zusammen (177). Ich

selbst werde weiter unten eine andere Erklärung vorschlagen. Sicher ist da¬

gegen das Wort für Messer mongolisch. Im Ho-hsi ist Messer ch'i (alt: ki) tu a

£j%$ffl. Das Wort ist also als ''kidu'a zu rekonstruieren, was recht genau das

schriftmongolische kituya wiedergibt (Lessing 1960, 474/a).

Was die Felidennamen im Ho-hsi angeht, so fehlen leider die Katze und

der Leopard bei Feng. Dafür wissen wir, daß der Tiger p'ai hieß (s.o.). Ich

vermute, daß dieses Wort mit dem Wort für Tiger im Ch'iang zusammen¬

hängt. Nach Wen 1950a, 22a ist Tiger pei hda, und nach Hsü 1991,124 sowie

Huang 1992, 102 bo da. Ganz ungewöhnlich ist das Wort für Löwe im Ho-

hsi, nämlich nu erb ix St (187). Diese chinesische Orthographie erlaubt eine

Rekonstruktion als *nür. Aber wie das Wort zu deuten sei, ist überaus fraglich.

Man könnte vielleicht an das mongolische Adjektiv noursu(n) oder noyursu(n)

denken, was „flaumig" heißt („down, fluffy" nach Lessing 1960, 588/b und

591/b). -su(n) ist hier ein Nominalbildungssuffix, so daß das nicht belegte

Nomen Simplex *nour bzw. *noyur sein müßte. Soll damit auf die Mähne des

Löwen angespielt werden? Dies alles bleibt jedenfalls eine reine Vermutung.

Das Ho-hsi i-yü läßt also insgesamt noch viele Fragen offen. Es wäre zu

wünschen, daß der gesamte Text des Vokabulars publiziert würde, mög¬

lichst in Faksimile. Die genauere Erforschung der Sprache von Ho-hsi muß

den Linguisten bzw. den Spezialisten für die tibetoburmanischen Sprachen

überlassen werden. Jetzt schon kann vorläufig gesagt werden, daß das Ho-

hsi eine sinotibetische Sprache ist, die Elemente aus dem Mongolischen und

anderen noch nicht identifizierten Sprachen übernommen hat.

(15)

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(17)

Von Manfred W. Frühauf, Bochum

Vorbemerkung

Um 280 u. Z. entdeckte man in einem alten Grab im Landkreis Ji & $| in der

heutigen chinesischen Provinz He'nan den auf Bambusstäbchen geschriebe¬

nen antiken Reisebericht Mu Tianzi Zhuan, zu Deutsch etwa: „Legenden

über [König] Mu, den Sohn des Himmels". 1 Diese „Legenden" schildern an¬

gebliche oder tatsächliche Erlebnisse des fünften Zhou-Königs Mu im zehn¬

ten Jahrhundert v.u.Z. Das Mu Tianzi Zhuan ist die älteste längere Reise¬

beschreibung Chinas, doch ist die Echtheit des Textes heftig umstritten.

Bei kritischer Lektüre ist das Mu Tianzi Zhuan als literarisches Dokument

angesichts seiner vermutlichen Abfassungszeit (Zhanguo-Ära) 2 trotz aller

offenen Fragen eine wertvolle Ergänzung zu den spärlichen frühen epigra¬

phischen Originalquellen, aus denen wir Erkenntnisse über die geistige, aber

auch materielle Kultur des vorklassischen China ableiten können. Schrift¬

liche Belege und archäologische Funde erhellen sich gegenseitig, doch bieten

die schriftlichen Quellen durch die sich in ihnen widerspiegelnde Eigensicht

jener Zeiten zusätzliche Hinweise auf die Motive und Intentionen der Men¬

schen, die sich allein aus den materiellen Fundstücken nur in den wenigsten

Fällen rekonstruieren lassen.

Dieser Aufsatz soll deshalb zum einen eine bislang wenig genutzte litera¬

rische Quelle zur materiellen Kultur der frühen Zhou-Zeit leichter zugäng¬

lich machen und zum anderen einen Diskussionsbeitrag zu der Frage leisten,

was uns solch ein antiker Reisebericht über die Kontakte zwischen der chi¬

nesischen Führungsschicht und lokalen Volksgruppen an der Peripherie des

Reiches und die chinesische Eigensicht dieser Kontakte sagen kann.

1 D.C. Lau (Liu Dianjue) jS?i|K jfl / Chen Fong Ching (Chen Fangzheng) W JjiE

(Hrsg.): , Shanhaijing' zhuzi suoyin ~ , Mu Tianzi Zhuan' zhuzi suoyin ~ , Yan Danzi' zhuzi

suoyin PÜ'Äg^^^^l ~ Ö^T-AI^^Ü? 31 ~ M Ft =f- 3\- Taibei: Taiwan

Shangwu Yinshuguan 1994 (The ICS Ancient Chinese Text Concordance Series), abge¬

kürzt: MTZZ-Concordance 1994.

2 Vgl. meinen Aufsatz „Einige Überlegungen zur Frage der Datierung und Authenti¬

zität des Mu tianzi zhuan." In: Oriens Extremus 41, Heft 1/2 (1998/1999), S. 45-71.

Referenzen

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