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Netzwerkarbeit und Schnittstellenproblematik

Aufteilung qualitative Interviews

Fragestellung 5: Netzwerkarbeit und Schnittstellenproblematik

Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit den Sichtweisen der unterschiedlichen ExpertInnengruppen in Bezug auf Netzwerk- und Strukturarbeit innerhalb des Bezirks Weiz.

Dabei war es wichtig, in den Interviews Informationen darüber zu bekommen, ob es bereits bestehende Netzwerke im Sinne von regelmäßigem Austausch zwischen den verschiedenen DienstleistungsanbieterInnen gibt. Im Weiteren wurde auch darauf eingegangen, ob sichtbare Schnittstellen vorhanden sind und inwieweit sich einzelne Verknüpfungen zwischen Institutionen entwickelt haben.

- Schnittstellenproblematik

Schnittstellen gibt es nach Angaben der „distanzlosen Engagierten“ unter anderem auf Grund verschiedener Richtlinien in den unterschiedlichen Institutionen. Sehr gut veranschaulicht konnte dies an Hand des Entlassungsmanagements in Krankenhäusern werden: Beispielsweise können AkutpatientInnen bis zu einer Woche im Krankenhaus bleiben. Wenn es darum geht, nach der Entlassung die weiteren Schritte zu planen, ist es für den/die SozialarbeiterIn oft schwierig, in dieser kurzen Zeit das soziale Umfeld des älteren Menschen abzuklären.167 Die Entlassung aus dem Krankenhaus ist auch für die mobilen Dienste, die den

„distanzwahrenden PragmatikerInnen“ zugehören, eine Herausforderung. Vor allem dann, wenn PatientInnen kurz vor dem Wochenende aus dem stationären Aufenthalt entlassen werden. Da die mobile Hauskrankenpflege über das Wochenende nicht besetzt ist, ist es schwierig, an diesen Tagen einen Arzt oder Medikamente zu organisieren. Hier wären bessere Absprachen mit den mobilen Diensten vor Ort sehr wünschenswert.168

166 Interview 7, Zeile 12.

167 Vgl.: Interview 2, Zeile 160-170.

168 Vgl.: Interview 4, Zeile 204 und 211.

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Von den „politischen AbstandshalterInnen“ wird das Installieren eines Case- und Caremanagements zur Lösung der Schnittstellenproblematik sehr kritisch betrachtet, da man der Meinung ist, dass dadurch wiederum zusätzliche Schnittstellen geschaffen werden. 169

„Die Schnittstellenproblematik wird da immer sozusagen bejammert und man muss da irgendwas machen, um dieses Schnittstellenmanagement zu beheben. Ich glaube, das Schlechteste was du machen kannst, ist sozusagen eine zusätzliche Schnittstelle durch eine Person einführen […].“170

- (fehlende) Informationsvermittlung und Informationsdefizite

Problematisch ist, dass die verschiedenen DienstleistungsanbeiterInnen nicht wissen, welche Dienstleistungen andere LeistungsanbieterInnen abdecken. Diesbezüglich wurde von den

„distanzlosen Engagierten“ und den „reflektierten Distanzwahrenden“ der Wunsch geäußert, regelmäßige Treffen zu veranstalten, bei denen sich die verschiedenen Organisationen vorstellen und aufzeigen, für welche Problemlagen sie Hilfen anbieten. Durch regelmäßigen Informationsaustausch, der derzeit kaum stattfindet, könnte das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den verschiedenen DienstleistungsanbieterInnen gestärkt werden, was auf jeden Fall als profitabel angesehen wird. Diesbezüglich benötigt es jedoch, nach Meinungen dieser beiden ExpertInnengruppen, jemanden, der für die Organisation der Treffen verantwortlich ist.171

- Verknüpfung von professionellen Hilfeleistungen

Der Kontakt mit anderen HilfeleistungsanbieterInnen ist unter anderem bei der Entlassung aus einem Krankenhaus von großer Wichtigkeit. So ist der enge Kontakt unter anderen mit den mobilen Diensten, mit Krankenkassen, anderen Krankenhäusern, „Essen auf Rädern“ und HausärztInnen unausweichlich, um den/die PatientIn gut versorgt entlassen zu können. Diese Erforderlichkeit sieht vor allem der Krankenpfleger/die Krankenschwester (die „distanzlosen Engagierten“).172

169 Vgl.: Interview 3, Zeile 146.

170 Interview 2, Zeile 146.

171 Vgl.: Interview 2, Zeile 116 und 140; Interview 7, Zeile 43; Interview 8, Zeile 311.

172 Vgl.: Interview 2, Zeile 14 und 16, Zeile 104-114.

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„[…] das ist auch recht gut geregelt worden, die ich so erlebt hab, also die nach Hause wieder gekommen sind, wo wir dann im Krankenhaus direkt schon ...den mobilen Dienst verständigt haben, dass sie das miteinplanen, dass der jetzt zu betreuen wäre. Wir haben die Leute informiert, dass eben das Essen auf Rädern gibt, wenn sie es nicht schon in Anspruch genommen haben, dass des a Option wär. Und...des wär halt der Vorrang und gerade von den mobilen Diensten, die wissen dann wiederum auch wieder, wenn sie dann noch kontaktieren können. Das heißt, dass ist einmal das Wichtigste […]173

Die „reflektierten Distanzwahrenden“ sowie der/die BürgermeisterIn, der/die den „politischen AbstandshalterInnen zuzuordnen ist, sind stets mit den mobilen Diensten (den

„distanzwahrenden PragmatikerInnen“) in Kontakt, wenn es darum geht, für ältere Menschen weitere Schritte zur Unterstützung zu organisieren. Auch aus der Sicht der SozialarbeiterInnen, den „distanzlosen Engagierten“, funktioniert das Verknüpfen von Hilfeleistungen in der Einzelfallarbeit sehr gut.174

- Vorhandene Netzwerkarrangements

ExpertInnen der „distanzlosen Engagierten“ und der „distanzwahrenden PragmatikerInnen“

sind der Meinung, dass vorhandene Netzwerkarrangements im Sinne von regelmäßigen Treffen der unterschiedlichen DienstleistungsanbieterInnen im Bezirk Weiz nur gering vorhanden sind. Innerhalb der Organisationen gibt es Netzwerke unter den MitarbeiterInnen und ansonsten sind in manchen Regionen des Bezirks auch Pflegestammtische vorhanden, die für einen Informationsaustausch gedacht sind.175

Mitglieder der „reflektierten Distanzwahrenden“ äußerten, dass HeimleiterInnen, Mitglieder des Sozialhilfeverbandes und Persönlichkeiten des Landesverbandes jeweils eigene Treffen für einen gegenseitigen Austausch haben. Des Weiteren gibt es in Weiz auch die Initiative

„Sozial- und Gesundheitsmanagement“, wodurch regelmäßige Netzwerktreffen ausgeschrieben werden. 176

173 Interview 10, Zeile 32.

174 Vgl.: Interview 5, Zeile 38; Interview 6, Zeile 60; Interview 7, Zeile 35.

175 Vgl.: Interview 2, Zeile 136; Interview 4, Zeile 176-180.

176 Vgl.: Interview 9, Zeile 160 und 178.

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„[…]man sieht einfach, wenn es irgendwo hart auf hart geht und wenn wirklich wer ein großes Problem hat, dann sind die Anderen da und dann ist das Netz da.177

Bei den VertreterInnen der „politischen AbstandshalterInnen“ geht es unter anderem auch darum, mit den Stakeholdern stets in Kontakt zu bleiben, um einen regelmäßigen Austausch zu haben bzw. bei Problemen schnell reagieren zu können. Des Weiteren finden Pflegekongresse, Pflegetagungen, Treffen der Beamten auf Landesebene und einmal im Jahr eine Sozialreferentenkonferenz statt, um untereinander in Kontakt zu bleiben. 178

- Erfordernis der Verbesserung von Netzwerkarbeit

Nichtsdestotrotz gibt es einen großen Aufholbedarf in Bezug von Netzwerk- und Strukturarbeit. Dies betrifft nicht nur Organisationen, die an der Basis angesiedelt bzw. tätig sind, sondern auch Verantwortliche auf politischer Ebene.

Auffällig an den ExpertInneninterviews ist es, dass vor allem ÄrztInnen, die der Gruppe der

„reflektierten Distanzwahrenden“ zuzuordnen sind, in Bezug auf Netzwerkarbeit sehr selten involviert werden. Dabei wird der/die österreichische Arzt/Ärztin von dem/der interviewten Arzt/Ärztin selbst als EinzelkämpferIn bezeichnet, weshalb Netzwerkarbeit im medizinischen Bereich kaum möglich ist. Dafür wird vor allem die vorherrschende hierarchische Struktur im medizinischen Bereich verantwortlich gemacht.179

„[…] Typisch österreichische Arzt ist ein Einzelkämpfer, ist auch sehr egoistisch bis egomanisch, egozentrisch auf jeden Fall. Und ist sicher kein Netzwerker, weder im Spital, noch außerhalb.“180

Der Wunsch geht dahin, hierarchische Strukturen abzuschaffen und dass jeder, der das Gleiche gelernt hat, auch gleich eingestuft wird und dieselben Befugnisse in jeglichen Belangen hat. Auch finanzielle Transparenz und eine offene Gesprächskultur wird auf der Seite des/der Arztes/Ärztin gewünscht, um ein gemeinsames Miteinander im Bezirk Weiz überhaupt entstehen lassen zu können.181

177 Interview 8, Zeile 321.

178 Vgl.: Interview 3, Zeile 154 und 170.

179 Vgl.: Interview 5, Zeile 96 und 100.

180 Interview 5, Zeile 96.

181 Vgl.: Interview 5, Zeile 100 und 102.

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VertreterInnen der „distanzwahrenden PragmatikerInnen“ nehmen innerhalb des Bezirks an keinen Treffen mit anderen DienstleistungsanbieterInnen teil, um sich über gewisse Themengebiete austauschen zu können. Dadurch werden diese auch weniger in Entwicklungen eingebunden bzw. darüber informiert.182

„[…] Es braucht einen Steuerungsplan, es muss viele Spielräume geben und wie weit es, also im Bezirk Weiz sehe ich das eben so, dass durch Netzwerkarbeit von Sachwalterverein bis zur BH und mit Ärzte bis eben mobile Dienste und so weiter, sehr viel noch möglich werden könnte und vor allem mit Ehrenamt, Nachbarschaftshilfe und so weiter ist viel möglich.

[…]“183

Von dem/der SozialarbeiterIn (den „distanzlosen Engagierten“) wurde geäußert, dass vor allem Netzwerktreffen innerhalb eines jeden Bezirks sinnvoll wären und die Protokolle dieser Treffen im Internet für jeden zugänglich gemacht werden sollen. So könnten die Bezirke voneinander profitieren, indem Erfahrungen von gewissen Problemlagen ausgetauscht werden.184

Diesbezüglich konnte von einem/einer HeimleiterIn, der/die den „reflektierten Distanzwahrenden“ zugeordnet wird, ein klassisches Beispiel für die Erforderlichkeit von Netzwerkarbeit wiedergegeben werden, um dadurch multiprofessionell agieren zu können:

„[…] also wir haben zum Beispiel, wie ich gesagt habe, einen Bewohner, der überhaupt keine Angehörigen hat und das war für uns ein schwieriger Fall und er hat dann noch, er hat eine Wohnung gehabt, die zum Auflösen war, er hat noch Geld gehabt, wo eigentlich ich als Heimleiter überhaupt nichts verloren habe dabei und dann haben wir eben gesagt, wie kann man das machen. Brauchen wir da einen Sachwalter? Geistig war er eigentlich noch so weit in der Lage, zum Sagen, was er will, nachdem er noch Geld gehabt hat, war es klar, dass er eine Zeit lang noch Selbstzahler sein wird, das wär eigentlich auch damit geregelt. In Wirklichkeit bräuchte er keinen, aber ich kann auch nicht jetzt für ihn das regeln. Das geht einfach nicht.“185

182 Vgl.: Interview 6, Zeile 88; Interview 4, Zeile 186.

183 Interview 7, Zeile 29.

184 Vgl.: Interview 7, Zeile 37.

185 Interview 8, Zeile 230.

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In solchen Fällen, bei denen man nicht richtig weiß, was zu tun ist bzw. was die beste Lösung für die Problemlage ist, wünschen sich sowohl die „reflektierten Distanzwahrenden“ als auch die „politischen AbstandshalterInnen“ einen Art Notfallplan. Das heißt, im Notfall sollte jeder wissen, wen er kontaktieren kann, um die richtige Lösung zu finden. Ein sogenanntes

„Netzwerk auf Abruf“. Im Weiteren sind sich beide ExpertInnengruppen einig, dass es eine Person geben muss, die dahinter steht, wenn es darum geht, Netzwerke und Strukturen überhaupt aufbauen zu können. Dafür sehen diese den/die SozialarbeiterInnen als die treibende Kraft bzw. den/die Akteurin zwischen den Organisationen.186

„[…] Also ich glaube, das ist sowieso ein Wesen der Sozialen Arbeit, quasi, dass man sozusagen arbeitsteilig vorgeht. Ich mein‘, es gibt sozusagen immer den amtssachverständigen Zuhörer, SozialarbeiterInnen und so gibt' schon manchmal so den Wunsch nach dem großen starken Mann, der eierlegenden Wollmilchsau, die alles kann quasi, der Case- und Caremanager ist gerade so eine Sau, die durch die Gassen getrieben wird, quasi, die Person kommt, dann sind die Probleme gelöst. Das gibt's immer wieder, das gibt's schon in der politischen Debatte auch immer sozusagen so diese personalisierten oder entpersonalisierten Wünsche nach dem starken Mann. Nein, aber in der Sozialen Arbeit ist glaub ich Zusammenarbeit, arbeitsteilige, das oberste Gebot.[…]“187

Von den „politischen AbstandshalterInnen“ wird die Situation der Netzwerkarbeit an der Basis als sehr positiv empfunden. Beispielsweise sind sie der Meinung, dass Krankenhäuser, mobile Dienste und Altenheime regelmäßig in Kontakt sind und Abläufe meist gut funktionieren. Im Weiteren wird der/die Bürgermeister/in als der/die SozialarbeiterIn gesehen, der/die sich bei komplexen Problemlagen an die jeweilige Institution wenden kann. Hier gehen politische und praktische Sichtweisen sehr stark auseinander.188

186 Vgl.: Interview 8, Zeile 303, 347-351; Interview 3, Zeile 144.

187 Interview 3, Zeile 144.

188 Vgl.: Interview 3, Zeile 154.

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Fragestellung 6: Notwendigkeit „Sozialer Arbeit“ und Vorstellungen einer Anlaufstelle