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Sauerstoff- und Stickstoff-Chemisorption an Metallclustern

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Academic year: 2022

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Chemisorption an Metallclustern

Dissertation von Davor Stolčić

Universität Konstanz

Fachbereich Physik

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Sauerstoff- und Stickstoff- Chemisorption an Metallclustern

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Naturwissenschaften

(Dr. rer. nat.)

an der Universität Konstanz Fachbereich Physik

vorgelegt von Davor Stolčić

Tag der mündlichen Prüfung: 13. Februar 2003 Referent: Prof. Dr. Gerd Ganteför

Referent: Prof. Dr. Elke Scheer

Abbildung auf dem Deckblatt: Geometrische Struktur des W4O6- -Clusters (siehe Kapitel 5.2)

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1

1 Motivation...3

2 Stand der Forschung...9

2.1 Deponierte Cluster...11

2.2 Freie Cluster in der Gasphase ...13

2.2.1 Photoelektronenspektroskopie an massenselektierten negativ geladenen Clustern ...13

2.2.2 Ionenmobilitätsmessungen an massenselektierten Clusterionen ...16

2.2.3 Messung der chemischen Reaktivität von freien massenselektierten Clusterionen...17

2.3 Theoretische Vorhersagen zur Struktur der Cluster ...19

2.4 Chemisorption an Metalloberflächen ...21

2.4.1 Wolfram-Sauerstoff-System ...21

2.4.2 Wolfram-Stickstoff-System ...24

2.4.3 Gold-Sauerstoff-System...25

3 Methoden und Modelle...27

3.1 Photoelektronenspektroskopie ...27

3.1.1 Grundlagen...27

3.1.2 Einteilchenmodell ...30

3.1.3 Quantenmechanisches Modell ...34

3.1.4 Beispiel...43

3.2 Katalyse und Chemisorption...47

3.2.1 Katalyse am Beispiel der CO-Oxidation...47

3.2.2 Molekulare und dissoziative Chemisorption an Oberflächen ...48

3.2.3 Molekulare und dissoziative Chemisorption an Clustern ...50

3.3 Die Berechnungsmethode von Jena et al. ...51

4 Experimentelle Technik...53

4.1 Übersicht...53

4.2 Clusterquelle ...55

(4)

2

4.3 Spektrometer ... 57

4.3.1 Flugzeitmassenspektrometer... 57

4.3.2 Flugzeitelektronenspektrometer ... 59

5 Ergebnisse und Diskussion... 61

5.1 Einführung ... 61

5.2 Oxidation von Wolframclustern... 63

5.2.1 Massenspektren... 63

5.2.2 Photoelektronenspektren und Diskussion... 65

5.3 N2 -Chemisorption an Wolframcluster... 90

5.3.1 Massenspektren... 90

5.3.2 Photoelektronenspektren... 92

5.3.3 Diskussion... 93

5.4 O2 -Chemisorption an Goldclustern ... 96

5.4.1 Massenspektren... 96

5.4.2 Photoelektronenspektren... 98

5.4.3 Diskussion... 99

6 Zusammenfassung ... 103

7 Ausblick ... 106

A Abbildungsverzeichnis ... 109

B Tabellenverzeichnis ... 111

C Publikationen ... 112

D Literaturverzeichnis ... 114

(5)

3

Motivation

Die Nanotechnologie ist eine der wohl elementarsten Schlüsseltechnolo- gien, die unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Die Jagd nach im- mer schnelleren Computern beispielsweise, erfordert stetig wachsende Integra- tionsdichten der Mikrochips, was zwangsläufig zu immer kleineren Strukturen auf den Chips führt. So werden heute schon industriell Strukturen von

≤ 0,18 µm auf Siliziumwafern lithografisch aufgebracht, um Prozessoren oder Speicherbauelemente herzustellen. Da man tiefer und tiefer in die Nanowelt vorstößt, werden bei Fortführung dieser Entwicklung bald physikalische Gren- zen erreicht sein. Denn die Welt im Nanobereich unterscheidet sich essenziell von der uns bekannten makroskopischen Welt in ihren Eigenschaften und Ge- setzen, ganz nach dem Leitgedanken „small is different“ (engl.: „klein ist an- ders“) [1]. So sind Metallteilchen mit einer Größe von wenigen Nanometern durchaus nicht mehr metallisch, sondern können Halbleiter- oder gar Isolatorei- genschaften haben [2, 3]. Aber auch die chemischen Eigenschaften können stark von der Größe der Teilchen abhängen. Beispielsweise hängt die Reaktivi- tät von kleinsten Eisenteilchen mit H2 empfindlich von der Zahl der Eisenatome im Teilchen ab. Die Änderung kann mehrere Größenordnungen betragen [4].

Diese vom Festkörper abweichenden Eigenschaften könnten insbesondere in der Katalyse ausgenutzt werden. Obgleich man Nanoteilchen bereits in vielen Bereichen der Technik findet, sind ihre physikalischen und chemischen Eigen-

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4 1 Motivation schaften bei Weitem noch nicht bekannt. Hierauf zielt die Clusterforschung1.

Um fundamentale Aussagen über die physikalischen und chemischen Eigen- schaften von Nanoteilchen treffen zu können, ist es notwendig, Zugang zu Clustern einer genau definierten Größe n zu haben. Die Erzeugung solcher mo- nodisperser Teilchen erweist sich als schwierig, so dass sie nur in kleinsten Mengen generiert werden können. Die Untersuchung von monodispersen Teil- chen erfordert daher ganz spezielle, hochempfindliche Methoden, wie bei- spielsweise die in der vorliegenden Arbeit angewandte Photoelektronenspektro- skopie. Mit diesem Verfahren ist es möglich, die elektronische Struktur der zu untersuchenden Teilchen zu bestimmen (siehe Kapitel 3.1). Darüber hinaus kann daraus die geometrische Struktur vorhergesagt werden, indem die gemes- senen Photoelektronenspektren mit in Simulationen berechneten Spektren ver- glichen werden.

Eine vornehmliche Fragestellung aus dem breiten Themengebiet, das sich mit der Struktur, sowie den physikalischen und chemischen Eigenschaften von Clustern befasst, ist die Strukturänderung der Teilchen, welche durch die Che- misorption von Atomen oder Molekülen wie Sauerstoff, Stickstoff oder Koh- lenmonoxid induziert wird. Die Reaktivität von massenselektierten Clustern wird schon seit zwanzig Jahren untersucht. Die Methodik beschränkte sich je- doch größtenteils auf die Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeit bestimm- ter Cluster mit verschiedenen Reaktanden. Im Prinzip werden dabei Massen- spektren der Reaktionsprodukte aufgenommen, denen man entnehmen kann, ob beispielsweise ein bestimmter Metallcluster mit einem Sauerstoffmolekül rea- giert hat oder nicht. Im Massenspektrum ergibt eine Reaktion dieses Clusters mit einem Sauerstoffmolekül eine neue Massenlinie, die einer Massenerhöhung um 32 u entspricht. Auf diese Weise wurden bestimmte Cluster gefunden, die chemisch besonders inert sind. Dies ist auf eine besondere Stabilität dieser so genannten „magischen“ Cluster zurückzuführen. Derartige Messungen geben aber keinen Aufschluss über die Struktur der reagierten Cluster, welche bis heute weitestgehend unbekannt ist. So kann durch die Bindung mit einem Sauerstoffmolekül die geometrische Struktur des reagierten Metallclusters eine gänzlich andere sein, als vor der Reaktion. Dieser Vorgang ist mit der aus der Oberflächenphysik bekannten adsorbatinduzierten Rekonstruktion vergleichbar.

Der Sauerstoff könnte aber auch „in“ den Cluster hineindiffundieren, ohne an der Oberfläche eine Bindung einzugehen, etwa wie man es vom „Rosten“ von Eisenoberflächen her kennt. Die zentrale noch nicht beantwortete Frage bezüg-

1 Cluster: Homogenes oder heterogenes Agglomerat von Atomen definierter Anzahl n.

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lich reagierter Metallcluster ist demzufolge diejenige nach den Adsorbatplätzen der Reaktanden. In der Oberflächenphysik geht man analogen Fragen unter sehr genau definierten Bedingungen im Ultrahochvakuum schon länger nach. Erst durch die Kenntnis der Adsorbatplätze konnte ein tieferes Verständnis für die chemischen Eigenschaften von Oberflächen erlangt werden.

Über die Massenspektroskopiemethode lässt sich des Weiteren keine In- formation darüber gewinnen, ob ein Molekül am Cluster dissoziativ oder mole- kular gebunden ist, was in Bezug auf die Katalyse von essenzieller Bedeutung ist. Im katalytischen Zyklus der Kohlenmonoxidoxidation an Platinpartikeln beispielsweise müssen Sauerstoffmoleküle dissoziiert werden, während die Kohlenmonoxidmoleküle molekular an den Platinpartikeln gebunden und „akti- viert“ werden. Das bedeutet, dass durch die Bindung zum Metallpartikel ihre Molekülbindung nur geschwächt und nicht dissoziiert wird. Ein solch „ge- schwächtes“ Molekül reagiert im Folgenden dann mit den dissoziierten Sau- erstoffmolekülen. Würde das CO-Molekül am Platinteilchen jedoch dissoziiert und nicht „aktiviert“, könnte der katalytische Zyklus nicht fortgesetzt werden:

Der Zyklus wäre unterbrochen und die Katalyse träte nicht ein. Eine interes- sante Frage, die hierzu verfolgt werden muss, ist die Frage nach der Abhängig- keit der Reaktionsart bestimmter Moleküle wie Stickstoff von der Clustergröße des Reaktionspartners. Wären die Moleküle je nach Größe der Cluster moleku- lar oder dissoziativ gebunden, würde das für die Katalyse nahe legen, dass nur ganz bestimmte Teilchengrößen katalytisch aktiv sind. Aufgrund der breiten Größenverteilung der Partikel in kommerzielle Katalysatoren trägt eventuell nur ein kleiner Teil der Partikel zur katalytischen Wirkung bei.

Bisher existieren wenige anerkannte Studien zur Größenabhängigkeit ka- talytischer Eigenschaften massenseparierter Teilchen. Die beachtenswertesten Beiträge kommen aus der Gruppe von Ueli Heiz und Wolf-Dieter Schneider aus Lausanne [5, 6]. Eines ihrer Ergebnisse ist in Abb. 1.1 gezeigt. Hier ist die unterschiedliche katalytische Wirkung auf die Kohlenmonoxid-Oxidation von Goldclustern verschiedenster Größe, deponierten auf Mg(100)-Filmen, darge- stellt [7].

Jeweils 0.17% einer Monolage monodisperser Goldcluster wurden unter UHV-Bedingungen2 auf „in situ“ erzeugten defektreichen MgO(100)-Filmen

„weich“ gelandet [8, 9]. Danach wurden die Cluster bei 100 K 18O2 -Molekülen ausgesetzt, ungefähr zwanzig Moleküle pro deponiertes Goldatom. Im nächsten

2 UHV: Ultrahochvakuum

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6 1 Motivation

Schritt gab man die gleiche Dosis an 13CO- oder 12CO-Molekülen hinzu. Im darauf folgenden TPR-Experiment3 werden die in der chemischen Reaktion entstandenen Produkte bei stetiger Erhöhung der Temperatur von einem Mas- senspektrometer aufgenommen. Das Ergebnis ist das in Abb. 1.1 gezeigte TPR-Spektrum, in welchem die produzierte Menge an CO2 -Molekülen nor- miert auf die Zahl der deponierten Goldcluster über die Temperatur aufgetragen ist. Wie zu erwarten ist, zeigt das oberste Spektrum keine katalytische Wirkung des Goldfilmes. Ebenso verhält es sich mit den kleineren Goldclustern bis n = 7. Die Au8 -Cluster hingegen scheinen in dem Temperaturbereich von 140 K bis 240 K die CO-Oxidation am effektivsten voranzutreiben, während sie

3 TPR: Temperature Programmed Reaction

13 C16 O18 O+ -Signal [a.u.]

0,17% ML AuFilm

Au20

Au12

Au9

Au8

Au6

Au7

Au2

100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 0

Abb. 1.1: CO-Oxidation an Aun - Clustern deponiert auf MgO(100)-Filmen [7].

(9)

für die Au9 -Cluster bedeutend abnimmt. Erst für die Goldcluster mit 18 und 20 Atomen ist wieder eine größere katalytische Wirkung zu sehen, jedoch in einem anderen Temperaturbereich als für die Au8 -Cluster.

Bemerkenswert an diesem Ergebnis ist einerseits, dass kleinste Goldparti- kel als Katalysator für die CO-Oxidation dienen können, obwohl Gold als Fest- körper bekannt dafür ist, äußerst unreaktiv zu sein, was auch dem Verhalten des Goldfilmes im Experiment entspricht. Andererseits wird offensichtlich, dass die Reaktivität dieser Cluster besonders empfindlich von der Zahl der Atome im Cluster abhängt. Ein Atom mehr oder weniger entscheidet darüber, ob ein Cluster reaktiv ist oder nicht. Die TPR-Spektren für n = 7 bis 9 zeigen das sehr deutlich.

Möchte man nun solchen katalytischen oder chemischen Eigenschaften von kleinen massenselektierten Teilchen auf den Grund gehen, muss man zu- nächst, die Struktur reagierter Metallteilchen der Form Metall-O2 oder Metall- N2 zu untersuchen. Mithilfe der oben genannten Photoelektronenspektroskopie an Anionen soll dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit an drei Beispielsys- temen durchgeführt werden: Wolfram-Sauerstoff, Wolfram-Stickstoff und Gold-Sauerstoff.

Das Wolfram-Sauerstoff-System ist in der Oberflächenphysik schon seit längerem ein gern verwendetes Modellsystem. Beispielsweise war die Erfor- schung von Sauerstoffadsorbatplätzen auf unterschiedlichen Wolframoberflä- chen im Fokus zahlreicher Experimente [10, 11, 12]. Der Sauerstoff ist in allen Fällen atomar und daher dissoziativ gebunden. Der bevorzugte Bindungsplatz an der Oberfläche ist die „hollow site“. Das ist ein dreifach koordinierter Ad- sorbatplatz in einem Loch zwischen drei Oberflächenatomen. Darauf zielt der erste Schwerpunkt dieser Arbeit. Es soll festgestellt werden, ob Sauerstoff- atome in gleicher Weise an Wolframclustern gebunden sind oder lieber andere Bindungsplätze einnehmen. Des Weiteren wird gezeigt, wie sich die elektroni- sche Struktur des Wolframclusters mit wachsender Anzahl von Sauerstoffato- men von einer metallischen zu einer oxidischen Struktur umwandelt. Für einen wachsenden Sauerstoffanteil in einem Wolframcluster wird man einen Me- tall-Halbleiter-Übergang erwarten, da der Wolframoxidfestkörper WO3 in die- ser Stöchiometrie ein Halbleiter mit einer indirekten Bandlücke von EGap,i =2,62 eV und einer direkten Bandlücke von EGap,d =3,52 eV ist (siehe Kapitel 2.4.1).

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8 1 Motivation Die Entscheidung, das Wolfram-Stickstoff-System zu untersuchen, wurde

durch zwei vorhandene Arbeiten motiviert. Die eine stammt aus der Gruppe von P. A. Hackett [13], die andere aus der Gruppe von A. Rosén [14]. Diese Arbeiten befassen sich einerseits mit der chemischen Reaktivität, andererseits auch mit der thermischen Desorption von mit Stickstoffmolekülen reagierten Wolframclustern der Größe 4 ≤ n ≤ 26 [13] bzw. 10 ≤ n ≤ 60 [14]. Sie fanden heraus, dass die N2 -Moleküle sowohl dissoziativ als auch molekular mit den Clustern reagieren können. Die Art der Adsorption hängt dabei stark von der Clustergröße ab. Für Cluster der Größe n ≤ 15 scheinen nach ihren Messungen die Stickstoffmoleküle molekular zu chemisorbieren, während sie für n > 15 vornehmlich dissoziieren. Beide Experimente erlaubten es jedoch nicht, sich auf Metallcluster mit nur einem gebundenen N2 -Molekül zu konzentrieren, ohne dass die Wechselwirkung mit weiteren Stickstoffmolekülen berücksichtigt wird. Denn in diesen Gasphasenexperimenten driften die erzeugten Wolfram- cluster durch eine mit Stickstoff gefüllte Reaktionszelle, worauf die Reaktions- produkte mit einem Massenspektrometer nachgewiesen werden. Durch den Aufenthalt in der Stickstoffatmosphäre der Reaktionszelle ist jedoch eine Ad- sorbat-Adsorbat-Wechselwirkung nicht ausgeschlossen. Die Methode der Pho- toelektronenspektroskopie an massenseparierten Clusteranionen hingegen er- laubt es, über die Bestimmung der elektronischen Struktur der einzelnen Wolf- ram-N2-Cluster, Aussagen über ihre im energetischen Grundzustand vorlie- gende geometrische Struktur und letztendlich über die Chemisorptionsart des Stickstoffs zu machen. Wegen der Massenseparation geschieht dies ohne Einflussnahme der übrigen Stickstoffadsorbatmoleküle. Die Bestimmung des Überganges von molekularer zu dissoziativer Chemisorption für das System von N2 auf Wolframclustern mit dieser Methode ist der zweite Schwerpunkt in vorliegender Arbeit. Über einen solchen clustergrößenabhängigen Übergang könnte man letztendlich auf eine allgemeine Eigenschaft von Metallclustern schließen. Dementsprechend könnte man allen Metallclustern katalytische Eigenschaft zusprechen, solange sie nur eine kritische Größe nicht überschreiten.

Abschließend werden in vorliegender Arbeit erste Ergebnisse zur Struk- turbestimmung von Gold-O2 -Clustern präsentiert, die zu einem tieferen Ver- ständnis für die oben beschriebene katalytische Wirkung bestimmter, auf MgO(100)-Filme deponierter Goldcluster auf die CO-Oxidation beitragen sol- len.

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9

Stand der Forschung

Vorliegende Arbeit ist die konsequente Fortsetzung von Forschungen an Metall-Adsorbat-Systemen, die schon seit einiger Zeit in unserer Arbeitsgruppe durchgeführt werden. Stefan Burkart präsentiert in seiner Arbeit einen größen- abhängigen Übergang von molekularer zu dissoziativer Chemisorption für Ti- tanwasserstoff-Clusteranionen [15, 16]. Er beobachtete sowohl in Massen-, als auch in Photoelektronenspektren von TinHm- -Clustern eine grundlegende Form- änderung der Spektren. In den Massenspektren sieht man für Cluster mit n ≤ 4 nur eine gerade Anzahl m an Wasserstoffatomen, was auf eine molekulare H2 - Adsorption deutet, während für größere Cluster gerade und ungerade Werte mit vergleichbaren Intensitäten auftreten. Die entsprechenden Photoelektronen- spektren weisen des Weiteren auf eine Änderung der elektronischen Struktur zwischen n = 4 und n = 5 hin. Werden beide Ergebnisse in Betracht gezogen, führen sie zu dem Schluss, dass für kleine Ti-Cluster der Wasserstoff molekular gebunden zu sein scheint, während für Ti-Cluster mit mehr als vier Atomen der Wasserstoff dissoziativ gebunden ist. Die molekulare Chemisorption für die kleinen Titancluster kann durch einen reduzierten Ladungstransfer von den 3d-Orbitalen des Metalls in das antibindende σ*-Orbital des Wasserstoffmole- küls erklärt werden. Dieser Effekt ist analog zum so genannten „Backdona- tion“-Effekt bei der CO-Chemisorption [17]. Je kleiner der Metallcluster, desto höher ist die Bindungsenergie seiner 3d-Orbitale, was sich auf die Reduzierung des beschriebenen Ladungstransfers auswirkt. Diese Folgerungen liefern zum ersten Mal Anstoß zu dem Gedanken, dass es womöglich einen generellen

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10 2 Stand der Forschung Übergang der Bindungsarten bei der Chemisorption gibt. Das würde für die Katalyse bedeuten, dass nicht nur die Atomsorte, aus der die Partikel bestehen, deren katalytische Eigenschaften bestimmt, sondern auch die Partikelgröße.

Ein Kritikpunkt an der Arbeit am Titanwasserstoff war, dass die Messun- gen nicht an einzelnen, mit Ti-Clustern reagierten H2 -Molekülen durchgeführt werden konnten, sondern nur an nahezu mit Wasserstoffmolekülen gesättigten Clustern. Des Weiteren war den Kritikern der Schluss zu wage, es handele sich um einen generellen Effekt, der, gemäß dem Modell, noch bei anderen Clustern auftreten sollte. Die in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen an WnN2 -Clustern sollen diese Beanstandungen entkräften. Die Arbeiten zu den WnOm und zu den AunO2 -Clustern stellen in Hinblick auf diese Fragestel- lung Extremfälle dar. Im Falle des Goldes sind die Reaktivität und der zu erwartende Ladungstransfer so gering, dass unabhängig von der Clustergröße nur molekulare Chemisorption auftreten sollte. Im Gegensatz dazu ist Wolfram gegenüber Sauerstoffmolekülen so reaktiv und damit die Tendenz atomaren Sauerstoff zu binden so groß, dass selbst am Wolframatom der Sauerstoff dis- soziativ gebunden ist. Für WnN2 -Cluster dagegen sollte ein größenabhängiger Übergang von molekularer zu dissoziativer Chemisorption auftreten.

Es gibt bisher wenige Arbeiten zur Struktur reagierter Metallcluster. Ins- besondere zu den hier behandelten Fragestellungen findet man nicht viele aus- sagekräftige Publikationen in der Literatur. Es geht konkret um die noch offe- nen Fragen des Bindungsplatzes eines Adsorbatatoms oder -moleküls und der Bindungsgeometrie bei der Chemisorption eines Moleküls, die Aufschluss über dissoziative oder molekulare Chemisorption gibt, sowie letztendlich um die Frage der adsorbatinduzierten Rekonstruktion. Untersuchungen aus diesem For- schungsbereich lassen sich allgemein in vier Kategorien unterteilen: Experi- mente an deponierten Clustern (siehe Kapitel 2.1), Experimente an freien Clus- tern (siehe Kapitel 2.2), Theoretische Vorhersagen zur Struktur der Cluster und kombinierte Arbeiten aus Theorie und Experiment (siehe Kapitel 2.3) sowie Experimente aus der Oberflächenphysik, die sich mit den hier vorliegenden Ergebnissen der Chemisorption an Metallcluster-„Oberflächen“ vergleichen lassen (siehe Kapitel 2.4). Zur dritten oben genannten „theoretischen“ Katego- rie ist noch zu sagen, dass in den meisten Fällen nur die Kombination von The- orie und Experiment eine ausreichend zuverlässige Strukturbestimmung erlaubt, da die Ergebnisse rein theoretischer Arbeiten stark von den jeweiligen Rechen- und Näherungsmethoden abhängen. Das gilt besonders für den Fall reagierter

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Metallcluster. Solch kombinierte Arbeiten werden jeweils am Schluss der fol- genden Besprechungen der experimentellen Arbeiten gesondert diskutiert.

2.1 Deponierte Cluster

Es ist grundsätzlich schwierig, mithilfe deponierter Cluster etwas über die Eigenschaften von Clustern allgemein zu lernen, da die Wechselwirkung der Teilchen mit dem Substrat eine zusätzliche Komplikation darstellt. Bisher exis- tieren nur wenige experimentelle Arbeiten an deponierten Clustern, die sich in fast in allen Fällen mit der elektronischen oder geometrischen Struktur reiner Metall- und Halbleitercluster beschäftigen. Besonders zu erwähnen sind hier die Veröffentlichungen von W. Eberhardt et al., der Gruppe von R. E. Palmer und auch unserer Arbeitsgruppe. Mithilfe oberflächensensitiver Methoden, wie XPS4 und UPS5, untersuchten W. Eberhardt et al. die elektronischen Eigen- schaften von deponierten Platin- [18, 19] und Goldclustern [19, 20] der Größe n ≤ 7 auf Siliziumoxidsubstraten. Sie fanden dabei heraus, dass sowohl die Ptn -, als auch die Aun -Cluster im genannten Größenbereich auf diesem Substrat noch keine metallischen Eigenschaften haben. R. E. Palmer et al. zeigten mit HREELS6-Messungen, dass ein Film von auf Graphit deponierten Ag3 -Clus- tern, verglichen mit der Silberfestkörperoberfläche, ein zu höheren Energien hin verschobenes Oberflächenplasmon vorweist, was auf eine verminderte Kopp- lung der s- und p-Valenzelektronen hindeutet [21]. Die Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe an deponierten Si4 -Clustern auf Graphit haben gezeigt, dass der Si4 -Cluster für eine neue Form von Silizium in Frage kommen könnte, ähnlich wie es das C60 für den Kohlenstoff ist [22]. Sowohl mit Rechnungen, als auch experimentell mit XPS- und UPS-Messungen wurde nachgewiesen, dass die Siliziumcluster nach der Deposition auf der inerten Graphitoberfläche nicht koagulieren [23, 24]. Diese genannten Arbeiten sollen nur als grober Überblick über bestehende Forschung an deponierten Clustern verstanden werden. Sie sind für vorliegende Arbeit von untergeordneter Relevanz, weil sie sich auf die physikalischen bzw. chemischen Eigenschaften der Cluster selbst konzentrie- ren, ohne auf die Wechselwirkung mit Adsorbatmolekülen einzugehen. Hinge- gen sind die Untersuchungen der chemischen Eigenschaften von massenselek-

4 XPS: X-Ray Photoelectron Spectroscopy (siehe Kapitel 3.1.1)

5 UPS: Ultraviolet Photoelectron Spectroscopy (siehe Kapitel 3.1.1)

6 HREELS: High Resolution Electron Energy Loss Spectroscopy (engl.: Hochaufgelöste Elek- tronenenergieverlust-Spektroskopie)

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12 2 Stand der Forschung tierten Clustern auf Metalloxid-Oberflächen, die erfolgreich in der Lausanner Gruppe von U. Heiz und W.-D. Schneider verfolgt wurden, hier von größerer Bedeutung. Einer ihrer Schwerpunkte galt dabei der Erforschung der katalyti- schen Wirkung verschiedenster, auf MgO(100)-Filmen monodispers deponier- ter Metallcluster auf bestimmte chemische Reaktionen.

So zeigten sie für Pdn -Cluster (1 ≤ n ≤ 30) einen größenabhängigen ka- talytischen Effekt bei der Acetylen-Zyklomerisation [25, 26]. Hier unterstützen Palladiumcluster mit Acetylen (C2H2) als Ausgangsmolekül die Synthese von Benzol-Molekülen (C6H6). Für niedrige Temperaturen (300 K) sind sowohl Pal- ladiumatome, als auch -cluster aktiv. Für die Aktivität der Palladiumatome ist dabei ihr Adsorbatplatz entscheidend [27]. Bei Erhöhung der Temperatur auf 430 K setzt für Palladiumcluster der Größen n ≥ 7 eine erhebliche Verstärkung der Umsetzung der Acetylen-Moleküle in Benzol-Moleküle ein.

Die CO-Oxidation ist eine weitere chemische Reaktion, die zur Untersu- chung katalytischer Eigenschaften deponierter Cluster herangezogen werden kann. Die Lausanner Gruppe hat für diesen Reaktionstyp deponierte Platin-, Palladium-, Rhodium- und Goldcluster genauer analysiert. Sie fanden für alle genannten Cluster einen ausgeprägten Größeneffekt bei der Katalyse der CO- Oxidation. In einer vergleichenden Messung, in der diese Cluster mit n = 8, 13, 20 gegenübergestellt wurden, stellten sich die Rh20 -Cluster als am aktivsten für die Katalyse heraus. Ihre Wirkung erhöht sich mit der Clustergrö- ße, während sie für die Palladiumcluster für alle drei Größen annähernd kon- stant bleibt. Bei Untersuchungen an Ptn -Clustern (5 ≤ n ≤ 30) fanden sie ab einer Clustergröße von n = 8 eine stetig steigende katalytische Wirkung, die sich sogar von n = 14 nach n = 15 mehr als verdoppelt. Bis n = 20 bleibt sie dann nahezu konstant [28]. Die Ergebnisse zu den deponierten Goldclustern wurden schon in Kapitel 1 beschrieben. Sie lieferten die Motivation zu den hier vorgestellten ersten Arbeiten an freien Goldclusteranionen.

Eine weitere hier relevante Untersuchung von Ueli Heiz et al. befasste sich mit der Frage nach dissoziativer oder molekularer Chemisorption von CO- Molekülen an massenselektierten auf MgO(100)-Filmen deponierten Nin -Clus- tern mit n = 11, 20 und 30. Dabei verglichen sie die Zahl der auf den jeweiligen Nickelclustern molekular chemisorbierten CO-Moleküle mit der Zahl der disso- ziativ chemisorbierten. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Kohlenmono- xid-Moleküle fast ausschließlich molekular an den Ni11 und Ni20 -Clustern ge- bunden sind, während sie mit den Ni30 -Cluster größtenteils dissoziativ reagie- ren [29, 30].

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Alle in den letzten drei Absätzen genannten Untersuchungen von U. Heiz et al. haben gezeigt, dass die Reaktivität der betrachteten Metallcluster stark größenabhängig ist. Dies soll in vorliegender Arbeit ebenfalls an freien Wolf- ram- und Goldclusteranionen gezeigt werden (siehe Kapitel 5.3 und Kapitel 5.4).

Neben den experimentellen Ergebnissen der Lausanner Gruppe existieren auch darauf basierende theoretische Arbeiten, die versuchen, eine Erklärung der gefundenen Größenabhängigkeit über Strukturrechnungen zu finden [5, 26, 31].

Für das oben beschriebene System der Goldcluster auf MgO(100)-Filmen ist der Hauptansatz des Erklärungsmodells das Eintreten eines Ladungstransfers von der Metalloxid-Schicht in die Goldcluster, so dass diese effektiv negativ geladen sind. Damit werden die Bindungsenergien des LUMO’s7 und des HOMO’s8 im Metallclusters von großer Bedeutung für die betrachtete katalyti- sche Reaktion, hier die CO-Oxidation. Die Position dieser Orbitale hängt von der genauen Geometrie des Clusters und damit explizit vom Bindungsplatz auf dem Substrat ab. An diesem Beispiel wird deutlich, wie stark der Einfluss des Substrats ist. Infolgedessen ist es notwendig, Messungen an freien Clustern vor- zunehmen, um Substrateffekte eindeutig ausklammern zu können.

7 LUMO: Lowest Unoccupied Molecular Orbital (siehe Kapitel 3.1.2)

8 HOMO: Highest Occupied Molecular Orbital (siehe Kapitel 3.1.2)

2.2 Freie Cluster in der Gasphase

An freien Cluster existieren drei Typen von Experimenten, die im Fol- genden kommentiert werden sollen.

2.2.1 Photoelektronenspektroskopie an massenselektierten negativ geladenen Clustern

Mit der Photoelektronenspektroskopie an massenseparierten Clusteranio- nen erhält man einen direkten Zugang zur elektronischen Struktur der unter- suchten Cluster, wie in Kapitel 3.1 näher beschrieben wird. Auch lässt sich die Clustergeometrie indirekt mit dieser Spektroskopieart bestimmen. Da die elekt- ronische Struktur und die Clustergeometrie unmittelbar voneinander abhängen, liefert ein Vergleich simulierter Spektren, gewonnen aus Rechnungen zur geo-

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14 2 Stand der Forschung metrischen Struktur der Cluster, mit den gemessenen Photoelektronenspektren eine Aussage über die Clustergeometrie. Mit dieser Spektroskopiemethode wurde von G. Ganteför et al. schon eine Vielzahl elementarer Cluster unter- sucht. Dazu gehören eine Reihe von Messungen zu einfachen Metallen wie Nat- rium [32], Kupfer [32, 33], Silber [32, 34] und Au [32, 35], aber auch zu Über- gangsmetallen, wie Niob [36, 37], und Wolfram [38, 39].

In jüngster Zeit richtete sich der Fokus verstärkt auf die Erforschung rea- gierter Metallcluster. Insbesondere wurden Metall-Wasserstoff-Systeme, wie Aluminium- [40, 41], Gold- [42] und Silizium-Wasserstoff [43], aber auch Me- tall-Kohlenmonoxid-Systeme, wie Nickel- [44, 45], Platin- [44, 45] und Palla- dium-Kohlenmonoxid [45] intensiv untersucht. Durch Vergleiche der experi- mentell gewonnenen Photoelektronenspektren mit entsprechenden, aus Rech- nungen abgeleiteten Spektren gelang es, Informationen über die geometrische Struktur der untersuchten Cluster zu erhalten. Beispielsweise weiß man aus früheren Arbeiten vom neutralen Al13 -Cluster, dass dieser geometrisch ein na- hezu perfektes Ikosaeder ist. Aufgrund der hohen Symmetrie eines Ikosaeders, kann man hier auch von einem geometrischen Schalenabschluss sprechen. Die- ser ist jedoch äußerst reaktiv. Der Grund dafür ist in der elektronischen Struktur des neutralen Al13 -Clusters zu suchen. Nach dem Jellium-Modell erfolgt ein elektronischer Schalenabschluss unter anderem auch bei 40 Valenzelektronen [46]. Da davon ausgegangen wird, dass der Al13 -Clusters trivalent ist, also drei nahezu frei bewegliche Elektronen pro Aluminiumatom gezählt werden, kommt man bei 13 Atomen im Cluster auf insgesamt 39 Elektronen [47]. Es fehlt ihm folglich ein Elektron zum Schalenabschluss. Analog zu den Halogenen erklärt dies die hohe Reaktivität des neutralen Al13 -Clusters. Die Chemisorption eines einzelnen Wasserstoffatoms führt zu einer dramatischen Änderung der gesam- ten elektronischen Struktur. Der Al13H-Cluster ist nun nicht mehr metallisch, sondern weist eine relativ große Bandlücke von EGap = 1,8 eV auf. Man erwartet einen dreifach koordinierten Bindungsplatz des Wasserstoffatoms auf der Clusteroberfläche, wie der Vergleich mit Rechnungen dazu zeigt [40]. Weitere vergleichende Untersuchungen wurden analog auch mit Gold- und Silizium- Wasserstoff gemacht. In Verbindung mit theoretischen Arbeiten zur elektroni- schen Struktur ließen sich so Rückschlüsse über die geometrische Struktur und damit über die adsorbat-induzierte Rekonstruktion der Cluster mit der Angabe des Bindungsplatzes eines einzelnen Wasserstoffatoms machen [42, 43].

Zu Untersuchungen an Metall-Sauerstoff-Systemen mittels Photoelektro- nenspektroskopie an massenselektierten Clusteranionen ist die Gruppe um Lai-

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Sheng Wang besonders zu erwähnen. Wegen ihrer Bedeutung für vorliegende Arbeit sind die Arbeiten an Vanadium- [48], Mangan- [49, 50], Chrom- [51]

und Eisenoxidclusteranionen [52, 53] hier von Interesse. Die Gruppe bestimmte mit begleitenden Rechnungen die geometrische und elektronische Struktur von VOm- -, MnOm- - und CrOm- -Clustern und zeigte, dass bis zu einer Zahl von m = 4 Atomen, der Sauerstoff dissoziativ an den Metallatomen gebunden ist.

Für alle drei Metalldioxide sagten sie dabei eine gewinkelt Struktur voraus. Da das Wolframdioxid mit dem Chromdioxid elektronisch vergleichbar ist, wurde bei der Ableitung dessen geometrischer Struktur in Kapitel 5.2 ebenfalls eine gewinkelte Struktur angenommen. Für die FenO - -Cluster, die L.-S. Wang et al.

bis zu einer Größe von n = 16 untersuchten, fanden sie im Vergleich zu den reinen Eisenclusteranionen stets eine höhere Elektronenaffinität9, was sich mit den hier vorgestellten Ergebnissen in Kapitel 5.2 deckt. Denn auch die WnO - - Cluster im untersuchten Bereich bis n = 6 zeigen eine größere Elektronenaffi- nität gegenüber dem reinen Wn- -Cluster.

Die in der vorliegenden Arbeit vorgestellten Untersuchungen zum Wolf- ram-Sauerstoff-, Wolfram-Stickstoff- und Gold-Sauerstoff-System stellen eine Fortführung der oben genannten Studien von G. Ganteför et al. dar. Photoelekt- ronenspektren zu reinen Wolfram- [38, 39, 54] und Gold-Clustern [32, 35] wur- den bereits veröffentlicht. Im Fall des Goldes existieren daneben auch Rech- nungen, die einen Einblick in die geometrische Struktur der Clusteranionen geben [55]. Dagegen findet man sehr wenige theoretische Arbeiten zur Struk- turbestimmung der Wolframcluster. Hier sei lediglich auf eine Strukturrechung zu neutralen Wolframcluster hingewiesen [56], die nicht direkt mit den Photo- elektronenspektroskopiedaten der Anionen aus dieser Arbeit verglichen werden kann. Nimmt man Strukturrechnungen von Clustern weiterer Gruppe-VI- Ele- mente, wie Chrom [57] und Molybdän [58], in Betracht, kann man dennoch zusammenfassend daraus schließen, dass Wolframcluster mit einer Größe von n ≥ 4 eine dreidimensionale, kompakte geometrische Struktur bevorzugen müssten. Die Gold-Clusteranionen hingegen favorisieren nach neuesten Er- kenntnissen eine planare Struktur bis zu Clustergrößen von n ≤ 13 [55, 68].

9 Elektronenaffinität: Energie, die beim Anlagern eines Elektrons an ein neutrales Teilchen frei wird. (siehe Kapitel 3.1.2)

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16 2 Stand der Forschung 2.2.2 Ionenmobilitätsmessungen an massenselektierten

Clusterionen

Die Ionenmobilitätsmessung ist eine weitere Methode, die hilfreich zur Bestimmung geometrischer Strukturen kleinster Teilchen sein kann. Mit ihr ist es möglich, isomeraufgelöste Informationen zu erhalten. Zu Arbeiten an Clus- terionen gibt es zahlreiche Publikationen aus der Gruppe von M. F. Jarrold und J. E. Bower, vornehmlich von Elementen aus der vierten Hauptgruppe, wie Kohlenstoff [59], Silizium [60, 61], Germanium [61, 62], Zinn [63] und Blei [64]. Da sich mit dieser Methode einzelne Isomere einer Clustergröße in der Gasphase voneinander trennen lassen, ist es in unserer Arbeitsgruppe auf diese Weise erfolgreich gelungen, isomeraufgelöste Photoelektronenspektroskopie an Kohlenstoffclusteranionen durchzuführen [65, 66].

Anhand dieser Methode kann man leider keinen genaueren Einblick in die atomare Anordnung der untersuchten Teilchen bekommen. Sie liefert lediglich eine ungefähre Erkenntnis darüber, ob die untersuchten Cluster eher eine offene Struktur haben, wie es etwa für eine lineare Kette der Fall ist, oder kompakter sind, wie beispielsweise ein Tetraeder. Vor kurzem hat die Gruppe von Man- fred M. Kappes zwei Arbeiten publiziert, die sich mit Rechnungen und Ionen- mobilitätsmessungen an positiv und negativ geladenen Goldclustern befassen [67, 68]. Für positiv geladene Cluster fanden sie bis zur Clustergröße n = 7 pla- nare Strukturen. Ab n = 8 nehmen die Aun+-Cluster dreidimensionale Formen an. Das Ergebnis der Untersuchungen an negativ geladenen Gold-Clustern lie- ferte hingegen ein abweichendes Strukturverhalten. Sie haben selbst bis zu ei- ner Clustergröße von n = 13 planare Strukturen festgestellt, was in sehr guter Übereinstimmung mit den neusten Rechnungen von U. Landman et al. steht [55]. Zu reagierten Metallclustern, wie sie in der hier vorliegenden Arbeit mit- tels Photoelektronenspektroskopie untersucht werden, liegen bislang keine Io- nenmobilitätsdaten vor. Man muss sich dabei aber auch fragen, ob die Ionen- mobilitätsmessung das geeignete Werkzeug dafür ist, Bindungsplätze von Ad- sorbaten auf einem Cluster und damit auch die adsorbatinduzierten Rekon- struktion zu charakterisieren. Die Information über die Teilchengeometrien, die man aus Ionenmobilitätsmessungen bekommt, ist zu ungenau, um darüber ein- deutige und aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können.

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2.2.3 Messung der chemischen Reaktivität von freien massenselektierten Clusterionen

In der Clusterphysik existiert noch eine weitere Technik zur Untersu- chung reagierter Cluster, die von einer Reihe von Forschern erfolgreich ange- wandt wird. Das Versuchsprinzip ist mit dem der Ionenmobilitätsmessung ver- wandt. Nachdem die Cluster in der Gasphase erzeugt werden, durchquert der so gewonnene Clusterionenstrahl eine Zelle mit Gasatmosphäre. Während das Gas bei der Ionenmobilitätsmethode in der Regel ein Edelgas ist, verwendet man hier stattdessen ein Reaktionsgas. Anschließend, nach verlassen dieser Zelle, werden die Reaktionsprodukte massenspektroskopisch analysiert. [69, 70]

Die Motivation zu vorliegenden Messungen am Wolfram-N2 -System ist, wie in Kapitel 1 angeführt, auf zwei Arbeiten zurückzuführen, die mit dieser Methode die Reaktivität von Wolframclustern mit Stickstoffmolekülen analy- sieren. Die eine Arbeit stammt aus der Gruppe von P.A. Hackett [13], die ande- re aus der Gruppe von A. Rosén [14]. Neben Hacketts Publikation zum Wolf- ram sollte an dieser Stelle auch seine vorausgegangene Messung an Molyb- dän-Clustern genannt werden, die ein vergleichbares Ergebnis lieferte. Er zeigte für Mon -Cluster der Größe 3 ≤ n ≤ 35 einen Größeneffekt bezüglich deren Re- aktivität mit Stickstoffmolekülen [71], analog zu seinen späteren Erkenntnissen zu Wn -Clustern. Dabei fand er heraus, dass die N2 -Moleküle sowohl dissozia- tiv als auch molekular mit den Clustern reagieren können, was stark von der Clustergröße abhängt. Für Cluster der Größe n ≤ 24 scheint das N2 molekular zu chemisorbieren, während es für n > 24, wie auf der Festkörperoberfläche, vornehmlich dissoziieren.

Zur Wechselwirkung von Clustern aus der Gruppe von Gold mit ver- schiedenen Adsorbaten gibt es bereits mehrere Arbeiten, basierend auf dieser Methode [72]. Die Veröffentlichungen zweier Forschergruppen zu Goldclustern sollen näher betrachtet werden. So hat die Gruppe um D. M. Cox in einer frü- hen Publikation versucht, die Frage nach der Reaktivität verschiedener Adsor- batmoleküle, wie Wasserstoff, Methan und Sauerstoff, an massenselektierten Aun -Clustern (2 ≤ n ≤ 26) zu beantworten [73]. Insbesondere präsentierten sie hier für die Reaktion von Sauerstoff mit Goldclusteranionen eine interessante Beobachtung. Lediglich Anionen mit gerader Zahl von Atomen waren reaktiv, während die ungeradzahligen Anionen keine Reaktion mit den Sauerstoffmole- külen zeigten. Die aktuellsten mit dieser Methode durchgeführten Messungen am Gold-O2 -System kommen aus der Gruppe von R. L. Whetten [74, 75].

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18 2 Stand der Forschung Auch er fand für Goldclusteranionen die Even/Odd-Alternierung, auf die Cox in seiner Arbeit hinwies. Die untersuchten Aun- -Cluster hatten eine Größe von n = 2 bis 22. Dabei ließen nur die geradzahligen Cluster von n = 2 bis 20 den Sauerstoff molekular chemisorbieren, während die übrigen unreaktiv waren.

Die einzige Ausnahme bildet der Au16- -Cluster, der ebenfalls nicht mit dem Sauerstoff reagiert. Auffallend an dieser Messung war außerdem, dass keine Se- kundäradsorption stattfand und demzufolge nicht mehr als ein Sauerstoffmole- küle am jeweiligen Goldclusteranion gebunden war. Sie erklären das mit der Annahme, dass O2 als ein Ein-Elektron-Akzeptor fungiert, mit dem Ziel ein adsorbiertes Hyperoxid O2- zu bilden, während die Goldcluster nach gepaarten Elektronen beziehungsweise geschlossenen Elektronenschalen streben. Insbe- sondere die Arbeiten von R. L. Whetten sind für vorliegende Ergebnisse in Ka- pitel 5.4 von besonderem Interesse, weil die hier beschriebene Even/Odd-Alter- nierung ebenfalls bestätigt werden konnte. Selbst die Ausnahme in der Reakti- vität des Au16- -Clusters kann beobachtet werden.

Obgleich für die vorliegende Arbeit von geringerer Relevanz, sollten der Vollständigkeit halber noch zwei weitere Gruppen nicht außer Acht gelassen werden, die mithilfe dieser Experimentiertechnik die chemische Reaktivität von massenselektierten Metallclustern untersuchen. Da ist zunächst das Forscher- team um S. J. Riley zu nennen, das Wesentliches zum Verständnis der Reakti- vität von Nickel-Clustern mit unterschiedlichen Adsorbaten, wie Kohlenmono- xid-, Stickstoff- und Wasserstoffmolekülen, beigetragen hat [76]. In ihrer jüngs- ten Veröffentlichung zur CO-Adsorption auf Nin -Clustern wiesen sie auf eine mögliche, durch die Adsorption induzierte Strukturänderung kleiner Nickel- cluster (n ≤ 13) hin, während die Anordnung der Nickelatome der untersuchten größeren Cluster dadurch unbeeindruckt bleibt. Die letzte in diesem Zusam- menhang zu nennende Gruppe ist die von A. W. Castleman Jr.. Sie hat sich in letzter Zeit besonders durch ihre Untersuchungen an Gruppe-V-Metalloxiden hervorgetan [77]. Mittlerweile existieren darüber hinaus erste Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur katalytischen Wirkung von VnOm+-, NbnOm+- und TanOm+-Clustern auf die Oxidation von Kohlenwasserstoffen zu organischen Oxiden, wie Aldehyden [78, 79].

All diese Ergebnisse haben gemeinsam, dass die chemischen Reaktionen in einer vordefinierten Reaktions- bzw. Adsorbatgasatmosphäre erfolgten. Aus diesem Grund darf bei der Analyse der beobachteten Phänomene die Adsor- bat-Adsorbat-Wechselwirkung nicht vernachlässigt werden. So ist es fraglich, ob die oben gezeigten Ergebnisse zu Wolfram- und Goldclusteranionen mit den

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vorliegenden Resultaten verglichen werden dürfen, da in den durchgeführten Experimenten diese Wechselwirkung ausgeschlossen werden kann. Für die Goldclusteranionen scheinen die Ergebnisse übereinzustimmen, vergleicht man die genannten Publikationen von R. L. Whetten [74, 75] mit den Resultaten in Kapitel 5.4.

2.3 Theoretische Vorhersagen zur Struktur der Cluster

In der Literatur findet man viele theoretische Arbeiten, die sich mit der geometrischen und elektronischen Struktur von Clustern befassen. Aus der Sicht des Experimentators sind hier vor allem diejenigen Publikationen von Interesse, die neben der geometrischen Struktur und der elektronischen Zu- standsdichte die daraus abgeleiteten experimentell zugänglichen Größen, wie das Ionisationspotential, das Photoelektronenspektrum oder die Ionenmobilität, liefern. Besonders von Interesse sind kombinierte Veröffentlichungen, die rech- nerisch erhaltene Ergebnisse mit den entsprechenden experimentell bestimmten Daten zur Untermauerung vergleichen. Solche Arbeiten wurden bereits oben bei der Besprechung der einzelnen experimentellen Techniken erwähnt. Im Fol- genden werden die relevantesten nochmals hervorgehoben. Aus dem Bereich der deponierten Cluster in Kapitel 2.1 handelt es sich um die kombinierte Ver- öffentlichung der beiden Forschergruppen um U. Heiz und U. Landman über die Untersuchung der katalytischen Eigenschaften deponierter Aun -Cluster auf Magnesiumoxidfilmen [5]. Von den in Kapitel 2.2.1 genannten kombinierten Arbeiten aus dem Bereich der Photoelektronenspektroskopie an massenselek- tierten Clusteranionen sollten insbesondere diejenigen genannt werden, an de- nen P. Jena und B. K. Rao mit Strukturrechnungen beteiligt waren, da von ih- nen der theoretische Beitrag zu den in Kapitel 5.2 präsentierten Ergebnissen stammt. Da ist zum einen die Arbeit am Aluminium-Wasserstoff-System zu nennen [41], die zusammen mit unserer Arbeitsgruppe veröffentlicht wurde, zum anderen die in Kooperation mit L.-S. Wang et al. entstandenen Untersu- chungen an MnOm- - [49, 50] und CrOm- -Clustern [51]. Die Rechnungen in der letztgenannten Veröffentlichung zu Chromoxidclustern wurden von P. Jena alleine durchgeführt.

Die für diese Arbeit relevanten rein theoretischen Arbeiten zu Gruppe-VI- Metallclustern wurden für Chrom von H. Cheng und L.-S. Wang [57], für Mo- lybdän von N. Neshev und E. Sicilia [58] und für Wolfram von N. Rösch [56]

veröffentlicht. Zu Wolframoxidclustern gibt es bisher keine Arbeiten. Zu reinen

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20 2 Stand der Forschung Goldclustern existieren vergleichsweise viele Publikationen. Insbesondere sind dabei die beiden sich in einigen Punkten widersprechenden Publikation aus den Jahren 2000 [80] und 2002 [55] von Uzi Landman et al. zu nennen. Der Wider- spruch besteht darin, dass sie in der Veröffentlichung aus dem Jahre 2000 er- klärten, Goldclusteranionen mit einer Größe von n ≥ 8 seien dreidimensional, während sie zwei Jahre später, ohne Berücksichtigung der alten Ergebnisse, für dieselben Goldclusteranionen bis zu einer Größe von n = 13 planare Strukturen vorhersagten.

Eine aktuelle, rein theoretische Arbeit, die sich mit der Struktur von neut- ralen und negativ geladenen, mit Sauerstoffmolekülen reagierten Goldclustern beschäftigt, muss noch erwähnt werden [81]: Metiu et al. fanden rechnerisch heraus, dass die Bindung zwischen einem Sauerstoffmolekül und einem Gold- cluster stark ist, wenn der Cluster eine ungerade Zahl von Elektronen hat und dagegen schwächer ist bei einer geraden Elektronenzahl. Dies ist im Einklang mit der oben beschriebenen Whetten’schen Interpretation. Weiter vergleichen sie die Bindungsstärke des O2 zum Clusteranion mit der zum neutralen Cluster und weisen dabei auf eine stärkere Bindung zum Anion hin. Dies ist jedoch nicht weiter verwunderlich, da bei einem Anion das zur Bindung notwendige Elektron viel leichter zum Sauerstoffmolekül transferiert als beim neutralen Cluster. Denn allgemein wird zum Herauslösen eines Elektrons beim Cluster- anion weniger Energie benötigt als bei der entsprechenden neutralen Spezies.

Abschließend behaupten sie abweichend zu den Beobachtungen von Whetten et al., dass alle in den Rechnungen betrachteten Goldcluster sogar zwei Sauer- stoffmoleküle binden können. Das zweite ist dabei im Vergleich zum ersten viel schwächer gebunden. Whetten et al. schlossen dagegen die Chemisorption eines zweiten O2 -Moleküls aus. Auch die in vorliegender Arbeit gewonnenen Ergeb- nisse in Kapitel 5.4 deuten nicht auf eine Chemisorption weiterer Sauerstoffmo- leküle an die schon reagierten Goldclusteranionen hin, wie man am Massen- spektrum in Abb. 5.19 erkennen kann.

Zusammenfassend lässt sich bisher zum Stand der Forschung sagen, dass die Frage nach dem Adsorbatplatz eines Moleküls an einem Metallcluster und die damit verbundene mögliche adsorbatinduzierte Rekonstruktion experimen- tell nahezu unbeantwortet ist. Die am besten geeignete Methode, geometrische und elektronische Strukturen beliebiger reiner, wie reagierter Cluster zu bestimmen, ist bislang der Vergleich von Photoelektronenspektren mit den ent- sprechenden Simulationen, wie sie in der Arbeitsgruppe bereits an Silizium-

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[82], Gold-Wasserstoff- [42], Silizium-Wasserstoff- [43] und Aluminium-Was- serstoff-Clusteranionen [40, 41] durchgeführt wurde.

2.4 Chemisorption an Metalloberflächen

2.4.1 Wolfram-Sauerstoff-System

Der erste Schwerpunkt dieser Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der geometrischen und elektronischen Struktur von Wolframoxidclustern in Ab- hängigkeit vom Sauerstoffanteil im Cluster. Da ein Cluster in erster Näherung ein Bruchstück eines Festkörpers darstellt, sollen zunächst einmal die bekann- ten Eigenschaften des WO3-Festkörper zusammengefasst werden und in einem zweiten Unterkapitel die Reaktion von Sauerstoff auf Wolframfestkörperober- flächen beleuchtet werden.

a) Wolframoxid (WO3)

Wolframoxid (WO3) ist ein Halbleiter mit einer indirekten Bandlücke von EGap,i =2,62 eV und einer direkten Bandlücke von EGap,d =3,52 eV [83]. Es war das erste elektrochrome Material, das entdeckt wurde. Es ändert seine optischen Eigenschaften in Abhängigkeit von der Zuführung oder Extraktion von Ionen,

Abb. 2.1: Schematische Darstellung des WO6 -Oktaeders (links) und des idealen kubischen perowskittypischen WO3 -Einkristalls (rechts)

blau: Wolfram rot: Sauerstoff

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22 2 Stand der Forschung wie Natrium oder Lithium. Auf diese Weise ist es möglich, die Lichtabsorption von Wolframoxid zu schalten [84]. WO3 weist als Festkörper ein kubisches pe- rowskitähnliches Kristallgitter auf. Es unterscheidet sich von der echten Perow- skit-Struktur, der Zusammensetzung ZMeO3, durch das Fehlen des Zentral- atoms Z in der Einheitszelle des Perowskit-Gitters. Me steht für das jeweilige Metall, hier Wolfram. Damit reduziert sich das Wolframoxid-Kristallgitter auf WO6 -Oktaeder mit gemeinsamen Ecken. Jedes Wolframatom ist dabei von sechs equidistanten Sauerstoffatomen umgeben [85].

In der Regel weicht die wahre Kristallstruktur von diesem Idealbild ab.

Die Kristallverzerrungen sind auf antiferromagnetische Versetzungen der Wolf- ramatome und wechselseitige Rotationen der Sauerstoffoktaeder zurückzufüh- ren. Wie bei den meisten Perowskit-Substanzen ist das Maß der Verzerrung von der Temperatur abhängig. Von -180°C bis 900°C durchläuft der reine WO3 -Einkristall fünf Phasen. Angefangen bei -180°C wechselt das Kristallgit- ter bei steigender Temperatur von monoklin zu triklin, zu monoklin, zu ortho- rhombisch und bei 900°C zu tetragonal [86, 87]. Bei Raumtemperatur ist so- wohl eine monokline, als auch eine trikline Modifikation stabil. Wolframoxid hat daneben noch die Neigung, unterstöchiometrische Phasen zu bilden, in de- nen die Oktaeder gemeinsame Kanten haben und sich ausgedehnte Tunnels mit penta- oder hexagonalen Querschnitten ausbilden. Bei Verminderung des Sau- erstoffanteils vollzieht das Wolframoxid einen Halbleiter-Metall-Übergang [88], was mithilfe von UPS- [89, 90] und XPS-Messungen [91] gezeigt wurde.

Beispielsweise zeigen die XPS-Untersuchungen des Valenzbandbereiches eine steigende Leitungsbandbesetzung von WO3 über WO2,96, WO2,90 und WO2,72

nach WO2. Weiter ist bekannt, dass der stöchiometrische Grenzfall WO2 me- tallisch ist [92].

Strukturuntersuchungen mittels Röntgenstreuung weisen bei Wolfram- oxid-Filmen auf eine Abweichung von der oben beschriebenen Kristallstruktur hin [93]. Es existiert keine langreichweitige Ordnung. Anders als beim Einkris- tall sind die WO6 -Oktaeder hier nicht linear angeordnet. Jeweils drei davon bilden einen „W3O15 -Cluster“, der als Grundbaustein für die Struktur des Fil- mes dient. Diese „W3O15 -Cluster“ können sich zu einem Sechserring verbinden (siehe Abb. 2.2 rechts). Abhängig von der Temperatur können sich mehrere solcher Sechserringe zu übergeordneten hexagonalen Strukturen zusammen- schließen. Der WO3 -Film sollte daher nicht als amorph betrachtet werden. Er ist vielmehr ein „Nanocomposit“ [84]. Zur Erzeugung dieser Filme wird Wolf- ramoxid verdampft. Bei diesem Prozess werden einzelne Moleküle bzw. Clus-

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ter von der erhitzten WO3 -Oberfläche freigesetzt. Bei Massenspektroskopi- schen Untersuchungen dieses „Dampfes“ findet man, dass W3O9 -Cluster am häufigsten vorkommen [94]. Wie in Abb. 2.2 dargestellt ist, dürften diese Clus- ter strukturell nahe bei den oben beschriebenen Grundbausteinen sein. Damit liegt der Schluss nahe, dass diese in der Gasphase stabilen Cluster verantwort- lich für den Aufbau von WO3 -Filmen sind. Neben dieser sehr alten Arbeit aus dem Jahr 1957 gibt es keine weiteren zu Wolframoxidclustern.

Abb. 2.2: Schematische Darstellung des W3O15 - und W3O9 -Clusters (links). W3O15 -Cluster verbinden sich zu einem „Sechserring“(rechts) in WO3 –Filmen.

b) Wolframoberfläche mit Sauerstoffbedeckung

Die Chemisorption von Sauerstoff auf verschiedenen Wolframoberflä- chen ist seit längerem intensiv untersucht worden. Für die vorliegende Arbeit interessieren besonders die Adsorptionsplätze des Sauerstoffs, die mit den Clus- tern der Wolfram-Sauerstoff-Systeme verglichen werden können.

Sauerstoff chemisorbiert stets dissoziativ auf allen Wolframoberflächen.

Die Adsorptionsplätze sind dabei immer mehrfach koordiniert. Einfach koordi- nierter Sauerstoff kommt demnach so gut wie nie vor. Vielmehr findet man die Sauerstoffatome auf fast allen Oberflächen unterschiedlichster Orientierung in dreifach koordinierten Adsorbatplätzen, den so genannten „hollow sites“. Das gilt für Wolframoberflächen der Orientierung (110) [11, 12, 95] und (211) [96].

Dabei liegt der chemisorbierte Sauerstoff innerhalb der ersten Monolage in der

W3O9: W3O15:

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24 2 Stand der Forschung p(1×1)-, p(2×1)- und p(2×2)-Struktur vor. LEED10-Messungen an Wolfram- (100)-Oberflächen weisen den Sauerstoffatomen sogar vierfach koordinierte

„hollow sites“ zu [10].

Für höhere Sauerstoffbedeckungen, wie sie beispielsweise auf W(112)- Oberflächen untersucht wurden [97], zeigen die Ergebnisse ab 1½ Monolagen einen Wechsel der chemisorbierten Sauerstoffstruktur von p(1×1) nach p(1×2).

Hier treten neben der bekannten dreifachen Koordination auch zweifach koordi- nierte Adsorbatplätze auf.

2.4.2 Wolfram-Stickstoff-System

Im zweiten Schwerpunkt wird untersucht, auf welche Art adsorbierter Stickstoff an Wolframclusteranionen verschiedener Größe gebunden ist. Ver- gleichend dazu soll zunächst geklärt werden, wie Stickstoffmoleküle mit unter- schiedlichen Wolframfestkörperoberflächen reagieren.

Bei 300 K oder höheren Temperaturen chemisorbiert Stickstoff dissozia- tiv auf nahezu allen Wolframoberflächen. Entsprechende Arbeiten zu (100)- [98, 99], (110)- [100, 101] und (211)-Oberflächen [102] sind in der Literatur gut dokumentiert. Die Dissoziation der N2 -Moleküle ist auf einen Ladungs- transfer von der Metalloberfläche in die adsorbierten Moleküle zurückzuführen.

Durch diesen so genannten „Charge“-Transfer wird ein antibindendes Molekül- orbital besetzt, was zur erwähnten Dissoziation führt. Je höher die Temperatur, desto wahrscheinlicher ist dieser Ladungstransfer. Wird der Stickstoff bei nied- rigen Temperaturen um 100 K adsorbiert, kann die Barriere zur Aufspaltung der N2 -Moleküle nicht überschritten werden. Die Stickstoffmoleküle chemisorbie- ren molekular [103]. Dieser Zustand ist jedoch metastabil [104]. Dieses Verhal- ten lässt sich sehr gut mit Hilfe der „Thermal Desorption“-Spektroskopie unter- suchen [105]. Die zu beantwortende Frage in vorliegender Arbeit ist, ob sich entsprechend dem obigen Modell eine molekulare Chemisorption nachweisen lässt, wenn man den stark verringerten „Charge“-Transfer in kleinsten Wolf- ramclustern berücksichtigt.

10 LEED: Low-Energy Electron Diffraction (engl.: Niederenergetische Elektronenbeugung)

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2.4.3 Gold-Sauerstoff-System

Der letzte Schwerpunkt dieser Arbeit befasst sich mit der Chemisorption von Sauerstoff an Goldclusteranionen. Auch hier soll zuvor das Goldoxid als Festkörper bzw. Film besprochen werden und danach die Reaktionsarten von Sauerstoff auf Goldfestkörperoberflächen erläutert werden.

a) Goldoxid (Au2O3)

Unter den Edelmetallen ist Gold das unreaktivste Element in Bezug auf Oxidation an Luft oder in reiner O2 -Atmosphäre, auch bei höheren Temperatu- ren. Die Herstellung von Goldoxid (Au2O3), genauer gesagt Goldoxid-Filmen, stellt sich daher als nicht trivial heraus. Neben elektrochemischen Methoden [106, 107], die den Nachteil haben, eine recht breite Stöchiometrie zu liefern, kann man besonders reine Au2O3 -Filme in chemisch hoch reaktiver Atmosphä- re, bestehend aus Ozon [108], atomarem Sauerstoff [109] oder hoch angeregten O2 -Molekülen [110], oder auch durch Sputtern in Sauerstoffplasma herstellen [111, 112]. Die erzeugten Filme haben keine bezeichnende Kristallordnung und sind thermodynamisch instabil. Erhitzt man einen solchen Film auf 350°C zer- setzt er sich in seine beiden Einzelteile, so dass nur noch reines Gold als Sub- strat übrig bleibt. Der spezifische Widerstand von Goldoxid ist in der Größen- ordnung von 104Ωcm [111].

b) Goldoberfläche mit Sauerstoffbedeckung

Die Frage nach molekularer Chemisorption von Sauerstoffmolekülen auf Goldoberflächen wurde bis vor einiger Zeit kontrovers diskutiert. Es gab Publi- kationen, in denen behaupteten wurde, dass für hohe Substrattemperaturen Sau- erstoff molekular auf Gold chemisorbieren kann. Mithilfe sensibler Messmethoden, wie „Thermal Desorption“-Spektroskopie, XPS, UPS, LEED und AES11 und sorgfältigster Präparation der Goldoberflächen wurden diese Behauptungen teilweise widerlegt [113, 114]. In dem diskutierten Temperatur- bereich von über 600 K, ja selbst bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff chemisorbiert Sauerstoff keinesfalls molekular. Den früheren Hinweisen auf molekulare Chemisorption waren Verunreinigungen wie Kalzium und Silizium zuzuschreiben [108, 115]. Eine sehr aktuelle Veröffentlichung greift diese Frage noch einmal auf und weist tatsächlich molekular chemisorbierten Sauer- stoff auf Au(110)-Oberflächen nach, allerdings bei Temperaturen unterhalb

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26 2 Stand der Forschung 50 K [116]. Anders als die Sauerstoffmoleküle reagiert atomarer Sauerstoff auch in dem Bereich zwischen Raumtemperatur und 600 K mit den Oberflä- chenatomen des Goldsubstrates [117]. LEED-Messungen decken dabei auf, dass dadurch die langreichweitige Ordnung der Goldsubstratoberfläche zerstört wird. Bei kontrollierter Durchführung dieses Chemisorptionsvorganges kann somit, wie oben angegeben, ein Au2O3 -Film hergestellt werden.

11 AES: Auger Electron Spectroscopy (engl.: Auger-Elektronenspektroskopie)

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Kapitel 3

Methoden und Modelle

3.1 Photoelektronenspektroskopie

3.1.1 Grundlagen

Die Photoelektronenspektroskopie (PES) ist eines der bedeutendsten Werkzeuge zur Untersuchung von Atomen, Molekülen, Clustern, Festkörpern und deren Oberflächen. Der zugrunde liegende Effekt, der hier ausgenutzt wird, ist der Photoeffekt. Albert Einstein stellte für dessen Deutung eine Hypothese auf, die allgemein unter dem Namen „Lichtquantenhypothese“ bekannt wurde [118]. Dafür bekam er 1921 den Nobelpreis für Physik. Der Photoeffekt be- schreibt das Phänomen des Herauslösens von Elektronen durch Bestrahlung mit Licht, genauer mit Lichtquanten. Untersucht man die freigesetzten Elektronen genauer, bekommt man so einen Zugang zu den elektronischen Zuständen des

„bestrahlten“ Materials. Daraus ergaben sich bis heute eine Fülle von Techni- ken, deren Entwicklung von den zu untersuchenden Materialien und den dafür verwendeten Photonenenergien beeinflusst war.

In der heutigen Festkörper- und Oberflächenphysik, die sich unter ande- rem intensiv mit Nanostrukturen auf Oberflächen befasst, sind besonders zwei Analysemethoden nicht mehr wegzudenken: die so genannte Röntgenphoto-

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28 3 Methoden und Modelle elektronenspektroskopie (XPS: X-Ray Photoelectron Spectroscopy) und UV- Photoelektronenspektroskopie (UPS: Ultraviolett Photoelectron Spectroscopy).

Mit der XPS werden kernnahe Elektronenzustände (core levels) analy- siert. Aufgrund der hohen Bindungsenergien dieser Elektronen müssen Photo- nenenergien im Röntgenbereich verwendet werden. Sie werden erzeugt, indem ein Elektronenstrahl mit einigen keV kinetischer Energie auf eine Anode trifft und so neben einem Bremsstrahlungshintergrund eine charakteristische Strah- lung mit konstanter Photonenenergie liefert. Die am häufigsten verwendete Strahlung ist dabei die Al-Kα mit 1486,6 eV oder die Mg-Kα mit 1253,6 eV. Zur genaueren Untersuchung von Valenzelektronen ist die XPS jedoch nicht gut geeignet.

Für diesen Zweck verwendet man die UPS. Als Lichtquelle benutzt man in der Regel Gasentladungslampen. Je nach verwendetem Edelgas – es kommen Helium, Neon oder Argon in Frage – liefert eine solche Quelle Photonen mit diskreten Energien zwischen 13 eV und 41 eV. Am häufigsten wird die Heli- umgasentladungslampe verwendet. Sie liefert Photonenenergien von 21,21 eV (He I) und 40,82 eV (He II). Alternativ zur Gasentladungslampe kann auch ein Synchrotron als Photonenquelle dienen. Der Vorteil der UPS gegenüber der XPS beim Untersuchen von Valenzzuständen liegt zum einen an dem viel höhe- ren Anregungsquerschnitt der Valenzelektronen im Photonenenergiebereich der UV-Strahlung und zum anderen in der bedeutend geringeren Linienbreite der Lichtquelle. Anders als bei der XPS ist die Energieauflösung bei der UPS nur noch vom verwendeten Elektronenspektrometer abhängig.

Sowohl bei der UV- als auch bei der Röntgenphotoelektronenspektrosko- pie werden zur Untersuchung der freigesetzten Elektronen dispersive Spektro- meter, bestehend aus Zylinder- oder Halbkugelanalysatoren, verwendet. Hierbei bestimmt der Analysator über einen eingestellten weiten Energiebereich die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen und deren Intensität, indem er der Reihe nach in kleinen Energiefenstern die Zählrate der detektierten Pho- toelektronen aufnimmt. Der Vorteil eines solchen Elektronenspektrometers liegt eindeutig in seiner hohen Energieauflösung von < 5 meV. Da aber ein solches Spektrometer nur jeweils die Photoelektronen im momentan gemessenen Ener- giefenster berücksichtigt, während die anderen verloren gehen, muss über den gesamten Energiebereich gescannt werden. Um ein aussagekräftiges Spektrum aufnehmen zu können, muss die Elektronenzählrate hinreichend hoch bzw. die Messzeit genügend lange sein. Bei Standardexperimenten an Festkörperober- flächen beispielsweise spielt dies aufgrund der hohen Targetdichte keine Rolle.

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Es ist genügend „Material“ da, das Photonen absorbieren kann, so dass entspre- chend viele Elektronen freigesetzt werden können. Im Prinzip gilt das auch für die Spektroskopie von neutralen Molekülen oder Clustern im Molekularstrahl.

Während man bei der Molekülspektroskopie meistens von einer be- stimmten stabilen Molekülart und -größe ausgeht, als Beispiel sei die Spektro- skopie von CO [119] oder C6H6 [120] genannt, sind die Cluster im Molekular- strahl erzeugungsbedingt keineswegs monodispers. Je nach Clusterquellenpa- rametern findet man eine relative Breite der Clustergrößenverteilung von 10%

bis 50%. Spektroskopie am neutralen Clusterstrahl ohne Massenseparation macht demnach keinen Sinn, weil das Ergebnis immer eine Überlagerung un- terschiedlichster Photoelektronenspektren der vorkommenden Clustergrößen ist. Die Massenseparation erfolgt üblicherweise an Clusterionen, da sie, vergli- chen mit derjenigen neutraler Cluster [121], bedeutend einfacher zu realisieren ist. Als Folge daraus muss bei der Verwendung eines Flugzeitmassenspektro- meters das Experiment gepulst durchgeführt werden (siehe Kapitel 4.3.1).

Betrachtet man die Teilchendichte im Ionenstrahl, so ist sie um ca. sechs Größenordnungen kleiner als im neutrale Molekularstrahl. Im Ionenstrahl ent- spricht sie ungefähr der Dichte von Restgasmolekülen im UHV (Ultrahochva- kuum) bei 10-10 mbar. Wenn man bedenkt, dass ein XPS- oder UPS-Standard- oberflächenexperiment unter UHV-Bedingungen bei genau diesem Druck durchgeführt wird und das herrschende Restgas so gut wie keine Rolle dabei spielt, so ist es offensichtlich, dass für die Clusterionenspektroskopie Modifi- kationen am experimentellen Aufbau notwendig sind, um die Messungen durchführen zu können.

Es wird an zwei Punkten angesetzt, um eine ausreichende Photoelektro- nenintensität zu erreichen. Man benutzt eine intensivere Lichtquelle und ver- wendet ein anderes Photoelektronenspektrometer.

Als Lichtquelle kann sowohl ein kontinuierlicher als auch ein gepulster Laser verwendet werden. Sie liefern problemlos die geforderte hohe Photonen- intensität, haben aber den Nachteil, dass sie Licht mit einer relativ kleinen Photonenenergie erzeugen, verglichen mit der oben genannten Gasentladungs- lampe. Stellt man einem gepulst arbeitenden Laser einen kontinuierlich arbei- tenden gegenüber, so ist es mit einem kontinuierlich arbeitenden Laser generell erheblich schwieriger, die Photonenenergien eines gepulsten Lasers zu errei- chen. Als Beispiel für einen gepulst arbeitenden Laser seien hier der Nd:YAG- Laser mit einer Photonenenergie von 4,66 eV und der ArF-Excimer-Laser mit

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30 3 Methoden und Modelle 6,425 eV Photonenenergie genannt. Ein kontinuierlicher Argon-Ionen-Laser hingegen erzeugt lediglich Photonen mit 3,35 eV. Neben dem Argument der Massenseparation liefert die Photonenenergie des verwendeten gepulsten La- sersystems den zweiten Grund dafür, die Photoelektronenspektroskopie an Clusterionen, genauer gesagt an Clusteranionen durchzuführen. Für das Clus- teranion ist die Energie zum Herauslösen eines Elektrons, die so genannte Elektronen-Detachment-Energie, geringer als die erste und erst recht als die zweite Ionisationsenergie. Man versteht unter der ersten bzw. zweiten Ionisati- onsenergie diejenige Energie, die aufgebracht werden muss, um dem neutralen Cluster bzw. dem Clusterkation ein Elektron zu entreißen. Die Elektronen-De- tachment-Energie ist in der Regel so niedrig, dass man mit den oben angegebe- nen gepulsten Lasersystemen in der Lage ist, die obersten besetzen Elektronen- zustände des Valenzbandes zu untersuchen. Das Ergebnis in Form eines Photo- elektronenspektrums unterscheidet sich prinzipiell nicht von dem eines neutra- len Clusters, solange ihre geometrische Struktur nicht stark voneinander ab- weicht.

Der Ansatz, das Anionen-Photoelektronenspektroskopie-Experiment ge- pulst durchzuführen, birgt noch einen weiteren Vorteil. Es ist möglich, anstelle eines dispersiven, mit elektrischen Feldern arbeitenden Elektronenanalysators [122, 123], ein Elektronenspektrometer zu verwenden, das alle kinetischen Energien der im Laserpuls erzeugten Elektronen gleichzeitig misst. Erreicht wird das mit einem Flugzeitelektronenspektrometer vom Typ „magnetische Flasche“ [124, 125, 126], das, wie schon der Name impliziert, zum „Sammeln“

und „Führen“ der Elektronen Magnetfelder benutzt (siehe Kapitel 4.3.2).

Im Folgenden werden zwei Modelle vorgestellt, mit denen man die ge- wonnenen Photoelektronenspektren interpretieren kann.

3.1.2 Einteilchenmodell

Das Einteilchenmodell zur Deutung der Photoelektronenspektren wird als grobe Näherung verstanden. Trotzdem reicht es für das prinzipielle Verständnis der Photoelektronenspektren aus. Beim Einteilchenmodell geht man von der Wechselwirkung jeweils eines Photons mit genau einem Elektron im Anion aus. Dabei übergibt das Photon dem Elektron seine gesamte Energie E. Einen Teil der Energie, welcher der Bindungsenergie EBind des Elektrons im Anion entspricht, verwendet das Elektron, um die Bindung zum Anion zu lösen. Der Rest ist dann die kinetische Energie Ekin des Elektrons. Dabei wird angenom-

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men, dass das mit dem Photon wechselwirkende Elektron für sich alleine be- trachtet wird. Das heißt, es wechselwirkt weder gebunden im Anion, noch wäh- rend des Auslaufens mit seinen Nachbarn im Valenzband des Clusters. Dieser hier beschriebene Vorgang wird an Anionen auch Photodetachment genannt.

Die Energiebilanz aufgelöst nach der Bindungsenergie ergibt die folgende ein- fache Beziehung:

EBind = E - Ekin (3.1)

Weiter wird vorausgesetzt, dass jedes Anionenorbital Elektronen emittie- ren kann, solange die Bindungsenergie EBind kleiner ist als die Photonenenergie E. Im Photoelektronenspektrum spiegelt sich das in den Intensitätslinien wi- der, welche in diesem Fall den einzelnen Orbitalen entsprechen. In Abb. 3.1 ist dieser Zusammenhang schematisch dargestellt. Demzufolge liefert ein Photo- elektronenspektrum das direkte Abbild der elektronischen Struktur der unter- suchten Anionen. Die angedeutete Linienverbreiterung in Abb. 3.1 kann mit dem Einteilchenmodell nicht erklärt werden. Dies wird im darauf folgenden Unterkapitel nachgeholt.

Abb. 3.1 zeigt noch eine weitere Besonderheit der Anionenphotoelektro- nenspektroskopie (PES-). In der Molekülphysik nennt man das höchstliegende besetzte Molekülorbital HOMO (Highest Occupied Molecular Orbital). In die- sem Orbital sind die Elektronen am schwächsten gebundenen. Das nächst höher liegende Orbital ist frei von Elektronen. Es ist das niedrigste unbesetzte Mo- lekülorbital und wird daher auch LUMO (Lowest Unoccupied Molecular Orbi- tal) genannt. Wenn das HOMO beim neutralen Molekül komplett mit Elektro- nen gefüllt ist, muss folglich beim Anion das zusätzliche Elektron das LUMO besetzen. Das voll besetzte HOMO des neutralen Moleküls kann man mit einem Schalenabschluss in der Atom- und Molekülphysik vergleichen. Ein Schalenab- schluss deutet in der Regel auf ein stabiles Teilchen hin. Im Photoelektronen- spektrum des Anions entspricht der Peak bei höchster kinetischer Energie dem zusätzlichen Elektron im LUMO. Der Abstand zum nächsten Peak im Spekt- rum, der den Elektronen aus dem HOMO zugeordnet wird, entspricht dem Energieunterschied zwischen den Bindungsenergien im HOMO und LUMO und wird HOMO-LUMO-Gap genannt. Da die niedrigste Anregungsenergie des neutralen Moleküls genau dem HOMO-LUMO-Gap entspricht, kann diese Energielücke exakt mit der Bandlücke im Halbleiter assoziiert werden. Für die neutralen Teilchen ist die Größe dieser Energielücke maßgebend für deren Sta- bilität und chemische Reaktivität. Je größer die Energielücke ist, desto stabiler und weniger reaktiv sind sie [127]. Ein weiteres Kriterium, das ein stabiles Teil-

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