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Photoelektronenspektren und Diskussion

5.2 Oxidation von Wolframclustern

5.2.2 Photoelektronenspektren und Diskussion

Von den meisten in den Massenspektren in Abb. 5.1 und Abb. 5.2 gezeig-ten Clustern konngezeig-ten Photoelektronenspektren aufgenommen werden. Die Cluster wurden mit zwei verschiedenen Lasern unterschiedlicher Photonenener-gie spektroskopiert. Der Nd:YAG-Laser mit einer PhotonenenerPhotonenener-gie von E= 4,66 eV wurde dazu gebraucht, energetisch gut aufgelöste Photoelektro-nenspektren aufzunehmen, um darin Details besser zu erkennen, während der ArF-Excimer-Laser mit einer höheren Photonenenergie von E= 6,425 eV zum Ausmessen des HOMO-LUMO-Gaps verwendet wurde. Die Spektren sind in den folgenden Unterkapiteln gezeigt, jeweils geordnet nach Zahl der Wolfram-atome und separat für die beiden Photonenergien.

Bereits an dieser Stelle sei auf das besondere Spektrum des W4O6- hinge-wiesen. Zu Beginn der Messungen wurde erwartet, mit wachsender Zahl von Sauerstoffatomen einen Übergang vom Metall zum Isolator zu beobachten. An den Photoelektronenspektren würde das am Auftreten eines

HOMO-LUMO-66 5 Ergebnisse und Diskussion

Gaps ab einer bestimmten Clustergröße zu sehen sein. Ein solches Gap macht sich durch das Auftreten einer einzelnen Linie bei niedriger Bindungsenergie mit einem gewissen Abstand zu den Linien bei höherer Bindungsenergie be-merkbar. Diese Beobachtung lässt sich in mehreren Spektren machen, wie z.B.

1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 5.5 6.0

Abb. 5.3: Photoelektronenspektren von W4Om- -Clustern aufgenommen mit E= 4,66 eV (m = 0 bis 9, links) und E= 6,425 eV (m = 0 bis 12, rechts). Ab W4O5 und höher oxidierten Clustern ist jeweils ein ausgeprägtes HOMO-LUMO-Gap zu sehen.

Die Cluster scheinen ihren metallischen Charakter zu verlieren. In blau hervorgehoben ist der W4Om--Cluster mit dem größten Gap von EGap = 2,23 eV in

im Spektrum des WO3- oder W2O6-. Besonders deutlich ist es im Fall des W4O6-. Für diesen und auch die übrigen W4Om -Clusteranionen und deren neut-rale Spezies existieren bis m = 6 auch Rechnungen, die mit den experimentellen Daten verglichen werden können. Deshalb beginnt die Diskussion mit dieser Wolframtetramer-Serie.

5.2.2.1 W4Om

-Geht man davon aus, dass sich das reine Tetramer des Wolframs ähnlich dem des Molybdäns [58] verhält, da beide Elemente Übergangsmetalle der Gruppe-VI im Periodensystem sind, sollten die W4 -Cluster eine kompakte Geometrie mit möglichst hoher Koordinationszahl annehmen. Eine oben ge-nannte Strukturrechnung zum neutralen Wolframtetramer sagt eine Tetraeder-struktur voraus [56]. Als erstes soll der Metall-Halbleiter-Übergang für die Serie von W4- bis W4O12- in Abb. 5.3 (links) diskutiert werden. Hier sei noch-mals ins Gedächtnis gerufen, dass bei Geometrieüberlegungen immer die Geo-metrie des Anions betrachtet werden muss. Das ist auf die Tatsache zurückzu-führen, dass die Spektroskopie an negativ-geladenen Clustern durchgeführt wird und dass während der Emission eines Elektrons keine Geometrieänderung möglich ist, weil die Photoemission sehr schnell erfolgt (siehe Kapitel 3.1.3).

Die theoretische Untersuchung wurde motiviert durch die hier beschrie-benen experimentellen Ergebnisse von Qiang Sun, Bijan K. Rao und Purusot-tam Jena von der Virginia Commonwealth University in Richmond (Virginia, USA) durchgeführt [161, 162]. Sie benutzen „ab initio“ Molekülorbital-Berech-nungen15, um die Geometrien der neutralen W4Om -Cluster und deren Anionen bis m = 6 zu bestimmen. Die gefundenen Geometrien entsprechen lokalen Energieminima, die unterschiedlichen Isomeren gleichkommen. Daneben be-rechneten sie für die jeweiligen Clusteranionen die VDE16 und die Energie des zweiten vertikalen Übergangs. In den gemessenen Photoelektronenspektren lassen sich diese beiden Größen anhand der Position des ersten Maximums (VDE) und des zweiten Peaks bestimmen. Die Genauigkeit der experimentell bestimmten Werte beträgt ± 0,1 eV. Darin ist beispielsweise eine gewisse Un-genauigkeit beim Eichen der Spektren berücksichtigt. Eine Übersicht der theo-retischen Ergebnisse ist in Abb. 5.4 zu sehen. Im Folgenden werden die einzel-nen Photoelektroeinzel-nenspektren und Rechnungen, falls vorhanden, bis W4O12

-diskutiert.

15 Genaueres dazu, siehe Kapitel 3.3: „Die Berechnungsmethode von Jena et al.“

16 VDE: Vertical Detachment Energy (siehe Kapitel 3.1.3)

68 5 Ergebnisse und Diskussion

W4

-Das reine W4 -Anion liegt in Tetraedergeometrie vor. Die berechneten Werte für die VDE und den zweiten Peak ergeben sich zu 1,54 eV und 1,63 eV.

das Photoelektronenspektrum zeigt eine intensive Linie bei 1,79 eV, die nicht im Ergebnis der Rechnungen enthalten ist. Es wird deshalb ein weiteres Isomer vermutet, das von der Quelle bevorzugt erzeugt wird. Eine frühere Arbeit an Silizium-Wasserstoff-Clustern hat gezeigt, dass mit der PACIS grundsätzlich Isomere mit höherer EA17 beobachtet werden, obgleich sie teilweise nicht die höchste Stabilität haben [43]. Eine weitere Erklärung für die Diskrepanz wäre, dass das Wolframtetrameranion in einem niedrig liegenden angeregten

17 EA: Elektronenaffinität

2,30

m = 3

m = 2 m = 1 4,40

W O :4 12- W O :4 12

3,74

m = 3

m = 2 m = 1 6,50

W O :4 6 W O :4 6

-W O -Strukturvorschlag:4 7

Abb. 5.4: Theoretisch bestimmte Grundzustandsgeometrien der negativ geladenen und neutra-len W4Om -Cluster (m = 0 bis 7 und m = 12), mit den dazu berechneten elektroni-schen Übergängen aus dem Grundzustand des jeweiligen Anions (Spinmultiplizität M) in den Grundzustand und den ersten angeregeten Zustand des neutralen Clusters (Spinmultiplizität M±1) in der Geometrie des Anions. Für den W4O7 -Cluster wur-den keine Übergänge berechnet. Es besteht lediglich ein Strukturvorschlag für das neutrale Teilchen. [161, 162]

70 5 Ergebnisse und Diskussion nischen Zustand vorkommt, was insbesondere der Fall wäre, wenn dieser eine höhere EA hätte. So wurde bereits ein niedrig liegender Quartettzustand mit einer Anregungsenergie von 0.15eV von der Theorie vorhergesagt. Dies würde in besserer Übereinstimmung mit der experimentellen Beobachtung stehen.

Leider liegen aber noch keine Rechnungen zur Elektronenaffinität in diesem Zustand vor.

W4O

-Anders als beim W4 - stimmen hier die Rechnungen gut mit den Spektren überein. Sie liefern für diesen Cluster zwei Isomere. Dasjenige mit der höheren VDE ist im Photoelektronenspektrum dominierend. Der Unterschied zwischen beiden besteht lediglich in der Spinmultiplizität. Der elektronische Grundzu-stand ist dabei ein Quartett, während der DublettzuGrundzu-stand nur 0,2 eV darüber liegt. Bei beiden Isomeren ist der Sauerstoff an ein einzelnes Wolframatom gebunden. Es befindet sich dabei jeweils auf einem einfach koordinierten „on-top“-Platz. Im neutralen Teilchen sagen die Rechnungen einen zweifach koor-dinierten Brückenplatz des Sauerstoffatoms voraus. Nimmt man die vornehm-lich besetzten dreifach oder vierfach koordinierten Plätze auf der Oberfläche in Betracht, ist dies nicht zu erwarten gewesen. Das Wolframtetramergerüst bleibt sowohl für das Anion als auch für den neutralen Cluster intakt.

W4O2-

Auch mit zwei Sauerstoffatomen reagiert bleibt der W4 -Cluster struktu-rell nahezu unversehrt. Für das Anion nehmen die O-Atome wieder „on-top“-Plätze ein, während es für den neutralen Cluster wiederum zwei zweifach koordinierte Brückenplätze sind. Der Vergleich mit dem Experiment liefert eine tolerierbare Abweichung von ca. 0,1 eV.

W4O3-

Ab diesem Cluster unterscheidet sich die berechnete Geometrie des Ani-ons nicht mehr merklich von der Geometrie des neutralen Teilchens. In beiden Fällen sitzen die Sauerstoffatome auf drei zweifach koordinierten Brückenplät-zen, ohne das Wolframtetraeder deutlich zu stören. Rechnung und experimen-telle Daten stimmen hier exakt überein.

W4O4-

Dieser Cluster hat ebenfalls drei Sauerstoffatome auf drei zweifach koor-dinierten Brückenplätzen gebunden. Das vierte Atom hingegen ist auf einem einfach koordinierten „on-top“-Platz. Auch mit vier Adsorbatatomen ist der W4 -Tetraeder nicht gestört. Die experimentell bestimmten Werte für die VDE und den zweiten Peak weichen für den W4O4- -Cluster lediglich um 0,5 eV von den Theoriewerten ab. Bei den bisher betrachteten Clustern bewegen sich die Elektronenaffinität und die VDE mit der Zunahme der Sauerstoffatome, wie erwartet, in Richtung größere Energien. Die HOMO-LUMO-Gaps sind jedoch nicht größer als 0,3 eV, so dass man immer noch von „metallischen“ Clustern sprechen kann.

W4O5-

Das Wolframtetramer, reagiert mit fünf Sauerstoffatomen, zeigt zum ers-ten Mal einen großen Sprung verglichen mit den bisher betrachteers-ten W4Om – Clustern in der EA, in der VDE und im HOMO-LUMO-Gap, welches nun 1,09 eV beträgt. Die berechnete Struktur dieses Clusters weist ebenfalls eine bedeutende Änderung zu den vorangegangenen auf. Die W4 -Tetraedereinheit

a) b)

W O4 4 W O4 5

Abb. 5.5: HOMO-Orbitale des a) W4O4 - und b) W4O5 -Clusters. Die roten Kugeln entspre-chen den Sauerstoffatomen, die grauen den Wolframatomen. Die dargestellten Or-bitale sind „Iso-Energie-Flächen“ mit unterschiedlichem Vorzeichen: grün (+) und blau (-).

72 5 Ergebnisse und Diskussion wird aufgebrochen, was zu einer neuen offeneren Struktur mit weniger Wolfram-Wolfram-Bindungen führt. Vergleicht man die Elektronenverteilung des höchst besetzten Molekülorbitals (HOMO’s) des W4O4 mit der des W4O5, dargestellt in Abb. 5.5, findet man eine weitere Erklärung für die hier beobach-tete unverhältnismäßige Vergrößerung des HOMO-LUMO-Gaps. Für das W4O4

tragen die Wolframatome hauptsächlich zum HOMO bei. Wie für Me-tallbindungen zu erwarten, ist die Elektronenverteilung dabei delokalisiert. Der Cluster kann als metallisch betrachtet werden. Durch das Aufbrechen einiger Wolfram-Wolfram-Bindungen im W4O5 -Cluster hingegen werden die Elektronen lokalisierter, wie man es von Oxiden her kennt. Das HOMO wird beim W4O5 in erster Linie aus dem Beitrag der Sauerstoffatome und den drei mit ihnen gebundenen Wolframatomen zusammengesetzt. In Hinblick auf die Übereinstimmung von Theorie und Experiment findet man auch für diesen Cluster eine Abweichung von gerade 0,5 eV. Zusammengefasst kann aus den Ergebnissen bisher geschlossen werden, dass ab dem W4O5- -Cluster der Metall-Halbleiter-Übergang einsetzt.

W4O6-

In den Photoelektronenspektren fällt der W4O6- -Cluster sofort durch das größte HOMO-LUMO-Gap in der W4Om--Serie auf. Es hat einen gemessenen Wert von 2,23 eV, der im Rahmen der Mess- und Rechengenauigkeit gut mit dem theoretischen Wert von 2,10 eV übereinstimmt. Auffällig ist weiter die niedrige Elektronenaffinität und VDE. Da das zusätzliche Elektron folglich eine relativ geringe Bindungsenergie hat, dürfte das Clusteranion nicht sehr stabil sein. Das kann die Erklärung dafür sein, weshalb der W4O6- -Cluster in den Massenspektren in Abb. 5.2 nicht heraus sticht. Das neutrale Teilchen hingegen dürfte aufgrund des größten HOMO-LUMO-Gaps und der höchsten Symmetrie sehr stabil sein. Geometrisch ist das Anion nahezu identisch mit dem neutralen Cluster. Die Geometrie knüpft an die Struktur des W4O5- an. Und zwar schließt das zusätzliche Sauerstoffatom des W4O6- den schon beim W4O5- angedeutet Ring. Drei Sauerstoffatome und drei Wolframatome bilden hier abwechselnd miteinander gebunden einen Sechserring. Die übrigen drei Sauerstoffatome sind einfach koordiniert, symmetrisch um die schon mit Sauerstoff reagierten Wolf-ramatome angeordnet, während das vierte Wolframatom mit drei symmetri-schen „metallisymmetri-schen“ Bindungen über dem Ring positioniert ist. Denkt man sich das vierte Wolframatom im W4O6 und die zusätzlichen neun Sauerstoffatome weg, erinnert die Geometrie des W4O6 sehr an die in Abb. 2.2 gezeigte Struktur

des „W3O15 -Clusters“, der als Grundbaustein für das strukturelle Gerüst von WO3 -Filmen verstanden wird (siehe Kapitel 2.4.1).

W4O7

-Vom W4O7- bis zum W4O11- gibt es keine Rechnungen zur Struktur der Cluster. Zum neutralen W4O7 gibt es allerdings einen Strukturvorschlag, der eine Tendenz erkennen lässt, wohin sich die nächst höheren Oxide strukturell entwickeln könnten. Diese Struktur ist ebenfalls in Abb. 5.4 abgebildet, jedoch ohne die Zahlenwerte zur Elektronenaffinität, zur VDE und zum HOMO-LUMO-Gap. Den experimentellen Daten nach vergrößert sich die EA und die VDE um ca. 0,2 eV, während sich die Lücke zwischen dem höchsten besetzten und dem niedrigsten unbesetzten Molekülorbital auf 0,9 eV wieder reduziert.

Der Strukturvorschlag knüpft an die vorausgesagte Geometrie vom W4O6 -Cluster an. Das zusätzliche Sauerstoffatom nimmt einen einfach koordinierten

„on-top“-Platz auf dem vierten, nicht dem Sechserring zugehörigen Wolfram-atom ein. Schon aus Symmetriegründen kann man vergleichend mit der W4O6 -Struktur auf diese ebenfalls hochsymmetrische Geometrie schließen. Es bleibt zu klären, wieso kein entsprechend hohes und deutlich zu sehendes HOMO-LUMO-Gap auftritt.

Für die Interpretation der folgenden W4Om -Clusteranionen von m = 8 bis m = 11 kann man sich wegen fehlender Rechnungen nur auf die experimentell ermittelten Photoelektronenspektren in Abb. 5.3 stützen. Für den W4O12 -Clus-ter als Anion und als neutrales Teilchen existieren aber neue Rechnungen, die im Folgenden noch berücksichtigt werden.

W4O8- bis W4O10

-Vom eben betrachteten W4O7- bis W4O10- werden die Elektronenaffinität und die VDE der einzelnen Cluster mit der Anzahl der Sauerstoffatome größer.

Beim Übergang von W4O7- zu W4O8- schrumpft das HOMO-LUMO-Gap um fast die Hälfte auf ungefähr 0,5 eV. Der nächst größere Cluster, das W4O9-, weist wieder ein Gap von 0,9 eV auf, während beim W4O10- die Energielücke schwer abzulesen ist, weil das Photoelektronensignal für sehr langsame Elekt-ronen nicht mehr vom Spektrometerrauschen getrennt werden kann. Man kann sie auf > 0,9 eV bestimmten. Geometrisch dürfte das W4O8- gegenüber dem W4O7- an Symmetrie verloren haben, was die Verringerung des Gaps bewirkt.

Bezüglich des W4O9 - und W4O10 -Anions, könnte die erneute Vergrößerung des

74 5 Ergebnisse und Diskussion HOMO-LUMO-Gaps auf das weitere Aufbrechen von Metall-Metall-Bindun-gen zurückgeführt werden.

W4O11- und W4O12

-Die beiden höchst oxidierten W4 -Cluster brechen wieder den Trend der steigenden Elektronenaffinität und VDE, wie er bei zunehmendem Sauerstoff-anteil zu erwarten wäre. Die Energien sind beim W4O11- und beim W4O12- um ca. 0,5 eV niedriger als beim vorangegangenen W4O10- -Cluster. Das HOMO-LUMO-Gap des W4O11- -Clusters lässt sich auf etwa 1,2 eV schätzen. Das Gap des W4O12--Clusters scheint noch größer zu sein. Darauf wird im Folgenden ge-nauer eingegangen. Ein wachsendes HOMO-LUMO-Gap deutet, wie beim W4O6- -Cluster auf große Stabilität hin. Erklären lässt sich dies mit dem Auf-brechen der letzten Wolfram-Wolfram-Bindungen und der Bildung eines erneut hoch symmetrischen Clusters. Unterstützt wird dieser Gedanke von den aktu-ellsten theoretischen Arbeiten von Q. Sun, B. K. Rao und P. Jena zur (WO3)n -Serie und insbesondere zum W4O12-Cluster.

Der W4O12 -Cluster nimmt mit seiner Stöchiometrie, die derjenigen des WO3 -Festkörpers entspricht, eine besonderer Stellung ein. Die Rechnungen liefern zudem ein bemerkenswertes Ergebnis: Bisher zeichneten sich Cluster allgemein dadurch aus, vom Festkörper abweichende oder gar vollkommen verschiedene geometrische und elektronische Eigenschaften zu besitzen. So weisen beispielsweise kleine Aluminiumcluster eine Ikosaeder-Geometrie vor, während der Aluminiumfestkörper eine kubisch flächenzentrierte Struktur (fcc: face centered cubic) hat [15]. Quecksilber in flüssigem oder festem Ag-gregatzustand ist ein Metall, kleine Quecksilbercluster haben hingegen halblei-tende Eigenschaften [2]. Der W4O12 -Cluster macht hier sowohl im geometri-schen als auch im elektronigeometri-schen Sinne eine Ausnahme. Abb. 5.6 stellt die be-rechnete geometrische Struktur des W4O12 -Clusters der Struktur einer stöchi-metrisch entsprechenden Festkörpereinheit, „herausgeschnitten“ aus dem mo-noklinen WO3 -Kristallgitter, gegenüber, das schematisch in Abb. 2.1 darge-stellt ist. Die eingetragenen Zahlen entsprechen den Bindungslängen und Bin-dungswinkel in beiden Strukturen. Schon auf den ersten Blick stellt man fest, dass sich beide Geometrien gleichen. Dies wird durch den Vergleich der Bin-dungslängen und -winkel nochmals untermauert. Die innere W-O-Bindungs-länge im W4O12 -Cluster ist 1,92 Å, was sehr nahe am „Bulk“-Wert von 1,89 Å liegt. Da sich im freien Cluster die äußeren Wolfram-Sauerstoff-Bindungen wegen reduzierter Koordination von den inneren Bindungen unterscheiden und im WO3 -Kristall die W-O-Bindungen zickzackförmige Ketten mit variierenden

Bindungslängen bilden, wurde jeweils die durchschnittliche W-O-Bindungs-länge berechnet. Für den freien Cluster ist sie 1,83 Å und für den monoklinen Kristall 1,80 Å. Der geringste Abstand zwischen zwei Wolframatomen im W4O12 -Cluster ist 3,80 Å, während er im WO3 -Festkörper 3,7 Å beträgt. In gleicher Weise stimmen die eingetragenen O-W-O-Bindungswinkel im W4O12 -Cluster mit denjenigen im WO3 -Kristall überein. Insgesamt erscheint die geo-metrische Struktur des W4O12 -Clusters geradeso, als ob er ein Fragment des WO3 -Festkörpers wäre. Zum Vergleich der elektronischen Eigenschaften, wurde das HOMO-LUMO-Gap für den Cluster berechnet und mit der elekt-ronischen Bandlücke des WO3 -Kristalls verglichen. Das theoretisch bestimmte Gap des W4O12 -Clusters von 2,76 eV stimmt sehr gut mit der indirekten Bandlücke des WO3 -Festkörpers überein, die bei 2,62 eV liegt. Die Entspre-chung beider Werte ist deshalb so erstaunlich, weil man allgemein davon aus-geht, dass sich die Energielücke ausgehend von der Bandlücke im Festkörper mit abnehmender Zahl von Atomen im betrachteten Teilchen vergrößert [137].

Den theoretischen Untersuchungen nach hat folglich der W4O12 -Cluster annähernd dieselbe Atomanordnung und elektronische Struktur, dieselben zwi-schenatomaren Bindungslängen und -winkel und dasselbe HOMO-LUMO-Gap wie der WO3 -Festkörper. Dies wäre die kleinste Einheit des WO3 -Festkörpers, deren Eigenschaften sich nicht von den genannten „Bulk“-Eigenschaften unter-scheiden. Man könnte beim W4O12 -Cluster auch von einem „Baby“-Kristall sprechen. Gestützt wird das Ganze von einer relativ zufrieden stellenden

Über-W O -Cluster4 12 WO -Festkörperfragment3

Abb. 5.6: Vergleich zwischen der Gleichgewichtsgeometrie des W4O12 -Clusters und dem entsprechenden WO3 -Festkörperfragment aus der monoklinen Phase. Die Zahlen-angaben stehen für die entsprechenden Bindungswinkel und Bindungslängen.

76 5 Ergebnisse und Diskussion einkunft der experimentell zugänglichen Elektronenaffinität und VDE mit den aus der Struktur theoretisch bestimmten Energien. Die Abweichung beträgt un-gefähr 0,25 eV und liegt noch im Rahmen der Mess- und Rechengenauigkeit.

Lediglich das HOMO-LUMO-Gap von 2,76 eV stimmt mit dem im Experiment beobachteten nicht überein. Der Grund dafür dürfte wieder darin liegen, dass unter den experimentellen Bedingungen zwei Isomere existieren, die beide ih-ren Beitrag zum Photoelektronenspektrum liefern. Dazu kommt noch die oben beschriebene Tatsache hinzu, dass dasjenige Isomer mit der größeren Elektro-nenaffinität im Spektrum dominiert. Dennoch kann man schwach das Signal des mit der Rechnung entsprechenden anderen Isomers im Spektrum erkennen.

Abschließend zur W4Om- -Diskussion sei in Abb. 5.7 ein Überblick über die Entwicklung der Elektronenaffinität und des HOMO-LUMO-Gaps mit der Zunahme von Sauerstoffatomen gegeben. Zusammenfassend lässt sich zu den W4Om- -Daten sagen, dass ein Übergang von einem metallischen zu einem halbleitenden Zustand mit wachsender Zahl von Sauerstoffatomen gefunden wird. Der Übergang setzt bei einer Zahl von fünf Sauerstoffatomen ein, und zwar tritt dabei erstmalig ein ausgeprägtes HOMO-LUMO-Gap auf. Im Ver-gleich mit der Theorie korreliert dieses Gap mit dem ersten Aufbrechen von

Experiment Theorie

HOMO-LUMO-GAP [eV]

Anzahl der Sauerstoffatome

Elektronenaffinität [eV]

Anzahl der Sauerstoffatome

Experiment Theorie

Abb. 5.7: Vergleich der experimentellen Daten mit den entsprechenden theoretisch bestimm-ten Werbestimm-ten. Es sind die a) Elektronenaffinitäbestimm-ten und die b) HOMO-LUMO-Gaps einander gegenübergestellt. Die berechneten HOMO-LUMO-Gaps entsprechen der Energiedifferenz zwischen den beiden Übergängen vom Anion in den neutralen Cluster (siehe Abb. 5.4).

a) b)

Metall-Metall-Bindungen. Eine „magische“ Zahl mit sehr großer Energielücke wird bereits bei sechs Sauerstoffatomen im Cluster erreicht. Hierbei hat das stabilste Isomer eine geometrische Struktur, die man in ähnlicher Form im WO3 -Film als Elementarbaustein wieder findet. Drei Sauerstoffatome und drei Wolframatome bilden abwechselnd angeordnet einen Sechserring. Ein Großteil der Metall-Metall-Bindungen ist damit aufgebrochen. Die Größe des Gaps ist stark mit der geometrischen Struktur des W4Om- -Clusters verknüpft und modu-liert mit wachsender Zahl von Sauerstoffatomen. Das gesättigte Oxid W4O12

besitzt alle relevanten elektrischen und strukturellen Eigenschaften des WO3 -Kristalls, die es zu einem vollwertigen „WO3 -Nanokristall“ machen. [161, 162]

5.2.2.2 WOm

-Im Massenspektrum in Abb. 5.1 ist schon angedeutet, welche Schwierigkeiten bei den Messungen der WOm- -Cluster auftraten. Schon bei den geringsten Sauerstoffverunreinigungen in der Quelle oxidiert das Wolframatom vornehmlich mit zwei, drei oder vier Sauerstoffatomen. Höhere Sauerstoffanla-gerungen wurden nicht beobachtet.

W

-Die Elektronenkonfiguration des neutralen Wolframatoms ist [Xe] 4f14 5d4 6s2, während die des Wolframanions [Xe] 4f14 5d5 6s2 ist. Das zusätzliche Elektron besetzt das 5d-Orbital. Aufgrund der niedrigen Elektronenaffinität von 0,76 eV ist das Wolframanion äußerst reaktiv gegenüber Sauerstoff, was Schwierigkeiten bei der Erzeugung bereitet. Das entsprechende Photoelektro-nenspektrum ist in Abb. 5.8 dargestellt. Durch den Vergleich mit dem Referenzspektrum in Abb. 5.9 a) lassen sich die fünf Linien im Energiebereich zwischen 0,85 eV und 1,62 eV leicht zuordnen. Der mittlere Peak bei 1,24 eV ist etwas verbreitert und entspricht in der Referenz den Linien C und D. In Abb.

5.9 b) ist schematisch dargestellt, um welche Übergänge es sich hier handelt [163]. Für die intensivste Linie bei 1,24 eV ist der Übergang 5d56s2 → 5d56s1 verantwortlich. Die übrigen Linien sind auf die Multiplettaufspaltung des 5d-Orbitals beim Übergang 5d56s2 → 5d46s2 zurückzuführen (siehe auch Kapitel 3.1.4).

WO

-Wie schwierig es ist, das Wolframmonoxid zu erzeugen und zu spektro-skopieren, macht das Photoelektronenspektrum in Abb. 5.8 deutlich. Verglichen