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5.3 N 2 -Chemisorption an Wolframcluster

5.3.3 Diskussion

5.3.3.1 WN2

-Abb. 5.18 unten zeigt das Photoelektronenspektrum von WN2-. Man kann zwei Ansätze von Vibrationsprogressionen erkennen. Die Abstände zwischen den Linien A und B beziehungsweise B und C entsprechen einer Energie von 222 meV. Diese Vibrationsenergie stimmt mit der Schwingungsenergie des N2 -Anions überein. Der Abstand zwischen der Linien C und D beträgt zu 300 meV

0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 WN2

-W N2 2 -W N3 2 -W N4 2

-A B C

D B

A

?

Abb. 5.18: Photoelektronenspektren von WnN2- -Clustern aufgenommen mit E= 4,66 eV (n = 1 bis 4). Die beiden Spektren des WN2- - und W4N2- -Clusters deuten auf Schwingungsprogressionen hin, die durch die senkrechten Striche jeweils hervorge-hoben sind.

94 5 Ergebnisse und Diskussion und ist damit gleich der Vibrationsenergie des neutralen Stickstoffdimers. Diese Progression entspricht nicht der normalen Form eines Franck-Condon-Profils (siehe Abb. 3.2), sondern endet abrupt. Es fehlen die Übergänge in höhere Vibrationsanregungen des neutralen N2 -Moleküls im Endzustand, die so ge-nannten „Cold Bands“. Ein solches Profil erscheint, wenn Prädissoziation beim Detachmentprozess eintritt, wie in Kapitel 3.1.3 ausführlich beschrieben wurde.

Für den vorliegenden Fall würde das bedeuten, dass höher angeregte Vibra-tionszustände des neutralen Stickstoffmoleküls nicht mehr gebunden sind und folglich das N2 vom Wolframatom dissoziiert. Damit sind die entsprechenden Schwingungsübergänge stark lebensdauerverbreitert und fast nicht beobachtbar.

Dass Wolfram-N2-Anionen mit einem vibronisch angeregten Stickstoff-molekül, also „Hot Bands“, beobachtet werden, ist erstaunlich. Diese Schwin-gungsanregung entspricht einer Vibrationstemperatur von 2000 K. Sie ist somit viel höher als die durchschnittlich beobachtete Temperatur von Clustern, die unter den gleichen Bedingungen mit der hier verwendeten Quelle erzeugt wer-den. Man kann das damit begründen, dass im Heliumbad das ausgesprochen große Vibrationsquant nicht effektiv genug „gekühlt“ werden kann. Denn um eine solch hohe Energie von ungefähr 0,2 eV abtransportieren zu können, ist ein Stoß von vielen Heliumatomen gleichzeitig notwendig. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Prozess ist gering. Derartig metastabile Vibrationsanregungen wurden schon zuvor bei reinen N2 -Clustern beobachtet [166]. Damit unterscheidet sich die Bindung eines Stickstoffmoleküls an ein Wolframatom entscheidend von der Bindung eines Stickstoffmoleküls an eine Metalloberflä-che. Bei einer Metalloberfläche dissipiert die Vibrationsenergie des Adsorbat-moleküls unmittelbar in das Metall. Im Fall eines einzelnen Metallatoms ist dies nicht möglich, wie an dem vorliegenden Beispiel gezeigt wurde. Aus den Vib-rationsdaten lässt sich abschätzen, dass die Bindungsenergie des Stickstoffmo-leküls am neutralen Atom mindestens zwei Vibrationsquanten groß ist. Sie ist damit größer als an einer 100 K kalten Wolframoberfläche, wo sie etwa 260 meV beträgt [103].

5.3.3.2 W2N2- und W3N2

-Die Photoelektronenspektren der W2N2- - und W3N2- -Cluster sind in Abb.

5.18 in schwarz abgebildet. Anhand der Spektren ist schwer zu sagen, ob der Stickstoff dissoziativ oder molekular chemisorbiert ist. Der Grundzustands-übergang ist für beide Nitride jeweils durch eine schmale Linie dargestellt. Ver-gleicht man diese Linie mit den Vibrationslinien im rot hervorgehobenen Spek-trum des WN2-, könnte man aus der Form ebenfalls auf einen

Schwingungs-übergang schließen. Jedoch fehlt in beiden Spektren die charakteristische Schwingungsprogression. Man könnte dies mit einer sehr viel geringeren Bin-dungsenergie des Stickstoffmoleküls an das Dimer und Trimer als an das Wolf-ramatom erklären. Wäre die Bindung derart geschwächt, dass alle höheren Vib-rationszustände des N2 -Moleküls ungebunden wären, könnte man weder „Hot Bands“, noch „Cold Bands“ im Photoelektronenspektrum beobachten. Dass dies aber für beide Spektren gilt, ist eher unwahrscheinlich. Hier könnten unter-stützenden Rechnungen Klarheit verschaffen. Neue Messungen weisen zudem darauf hin, dass die beiden hier gezeigten Spektren wahrscheinlich auf dissozi-ativ chemisorbierten Stickstoff zurückzuführen sind [167, 168].

5.3.3.3 W4N2

-Abb. 5.18 oben zeigt in grün hervorgehoben das Photoelektronenspekt-rum von W4N2-. Eine eindeutige Interpretation dieses Spektrums ist ohne be-gleitende Rechnungen ebenfalls sehr spekulativ. Andeutungsweise ist auf dem breiten Peak B bei einer Bindungsenergie von 2 eV eine Überstruktur zu erken-nen, die auf eine Vibrationsfeinstruktur mit einer Vibrationsenergie von ca.

80 meV zurückgeführt werden könnte. Diese Energie liegt im Bereich der beo-bachteten Vibrationsenergien einzelner Stickstoffatome, gebunden an einer Wolframoberfläche, der von 60 meV bis 90 meV reicht [98]. Wenn es sich wirklich um eine Vibrationsfeinstruktur handelt, würde das auf eine dissoziative Chemisorption hindeutete. Das Ganze könnte mit einer erneuten Messung bei niedrigerer Photonenenergie überprüft werden, indem man mit höherer Ener-gieauflösung den Grundzustandübergang, repräsentiert durch den Peak A bei 1,5 eV, vibrationsaufgelöst erneut abbildet. Neue Messungen bestätigen für dieses Spektrum die hier zugrunde liegende dissoziative Chemisorption des Stickstoffs. Darüber hinaus wurden aber auch molekulare N2 -Chemisorption am Wolframtetrameranion beobachtet [167, 168].

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die hier präsentierten Er-gebnisse keine eindeutige Aussage über die N2 -Chemisorption an Wn--Clustern machen. Während man beim Wolframatom durch die auftretende Schwin-gungsprogression im Photoelektronenspektrum mit Sicherheit von molekularer Chemisorption ausgehen kann, ist es für das Dimer und Trimer völlig offen, wie der Stickstoff chemisorbiert. Für das Tetramer wurde anhand des in Abb. 5.18 gezeigten Spektrums dissoziative Chemisorption nachgewiesen. Neue Messun-gen hingeMessun-gen finden für das W4N2- sowohl dissoziative, als auch molekulare Chemisorption. Welche Chemisorptionsart beobachtet wird, hängt nach neusten Erkenntnissen stark von den Quelleneinstellungen ab [167]. Wird der Stickstoff

96 5 Ergebnisse und Diskussion in der Quelle größtenteils schon im Lichtbogen dissoziiert, erhält man dasselbe Photoelektronenspektrum für das W4N2 -Anion, wie in Abb. 5.18 gezeigt.

Wählt man indessen die Quellenparameter so, dass der molekulare Stickstoff bei der Wechselwirkung mit dem W4--Cluster vorwiegend intakt ist, chemisor-biert dieser molekular an das Wolframtetrameranion. Diese neuen Messungen zeigen, dass im Prinzip beide Chemisorptionsarten möglich sind. Man kann das System sowohl in den einen, als auch in den anderen Zustand präparieren, gleichgültig welcher energetisch günstiger ist. Beide Zustände werden von einer Energiebarriere getrennt, so dass der energetisch ungünstigere metastabil beste-hen bleibt und nicht in den anderen übergeht. Bei den in Abb. 5.18 gezeigten Photoelektronenspektren der WnN2- -Cluster (n = 2, 3 und 4) wurde wahr-scheinlich dieser metastabile, hier dissoziative Chemisorptionszustand mit den oben beschriebener Quelleneinstellung präpariert und durch eine rasche Ab-kühlung im Trägergas in diesem Zustand „eingefroren“. Der energetisch güns-tigste Zustand scheint für die hier untersuchten Cluster nach den neusten Er-kenntnissen aber der molekular chemisorbierte. Dies wäre auch im Einklang mit den Veröffentlichungen von P. A. Hackett und A. Rosén und würde mit dem in Kapitel 3.2.3 vorgestellten Modell übereinstimmen, nach welchem für kleine Metallcluster, wegen der geringeren mittleren Koordinationszahl und dem daraus folgernden höheren Ionisationspotentials, stärker gebundene Mole-küle wie CO oder N2 molekular chemisorbieren. Für vorliegende Arbeit lagen diese neusten Ergebnisse nicht endgültig vor, so dass sie nur erwähnt wurden.