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3.1 Photoelektronenspektroskopie

3.1.4 Beispiel

Abb. 3.7 zeigt als Beispiel vier Photoelektronenspektren, die im Folgen-den unter Berücksichtigung der in Kapitel 3.1.2 und Kapitel 3.1.3 beschriebe-nen Prozesse interpretiert werden. Dabei geht es speziell um den „Shake-up“

Prozess und die Multiplettaufspaltung.

Zum grundlegenden Verständnis von Photoelektronenspektren kann das Einteilchenbild heran genommen werden. Wie in Kapitel 3.1.2 angeführt, gibt es jedoch einige Vorgänge während des Detachmentprozesses, die eine Erklä-rung der Spektren mit dem vereinfachten Einteilchenbild nicht möglich ma-chen. Dazu gehören unter anderem der „Shake-up“ Prozess und die Multiplett-aufspaltung. Wie sich diese beiden Prozesse auf das Photoelektronenspektrum auswirken, soll anhand der vier Beispielspektren von Natrium-, Kupfer-, Silber- und Goldanionen in Abb. 3.7 präsentiert werden. Alle vier Spektren wurden mit einer Photonenenergie von E = 6,425 eV aufgenommen [132].

Die Elektronenkonfiguration aller vier Elemente ist vergleichbar. Sie ha-ben jeweils ein Elektron in der äußersten besetzten Unterschale, welche bei allen vier Elementen eine s-Unterschale ist. Tabelle 3.1 gibt einen Überblick über die genaue Elektronenkonfiguration der einzelnen Atome:

44 3 Methoden und Modelle

Tabelle 3.1: Elektronenkonfiguration von Natrium (Na), Kupfer (Cu), Silber (Ag) und Gold (Au) im Grundzustand. In eckigen Klammern ist die Edelgaskonfiguration der abgeschlossenen Schalen angegeben.

Natrium Kupfer Silber Gold

Elektronen-konfiguration [Ne] 3s [Ar] 3d104s [Kr] 4d105s [Xe] 4f145d106s

Abb. 3.7: Photoelektronenspektren von Na1-, Cu1-, Ag1- und Au1-. Am Peak A kann jeweils die EA abgelesen werden. Peak B ist zurückzuführen auf den „Shake-up“ Prozess und Peaks C1und C2 auf die Multiplettaufspaltung [132].

Bindungsenergie [eV]

Ag1

-Au1

-Cu1

-Na1

-Das Elektron, das die Anionen zusätzlich haben, besetzt im elektroni-schen Grundzustand ebenfalls dieses s-Orbital und schließt es ab. So gilt dann für das Natriumanion [Ne] 3s2, das Kupferanion [Ar] 3d104s2, das Silberanion [Kr] 4d105s2 und das Goldanion [Xe] 4f145d106s2. Die Intensitätslinie A, der Peak bei der größten kinetischen Energie, beziehungsweise bei der niedrigsten Bindungsenergie, entspricht in allen vier Photoelektronenspektren dem elektro-nischen Übergang aus dem Grundzustand des jeweiligen Anions in den Grund-zustand des neutralen Atoms. An dieser Linie kann direkt die jeweilige Elektro-nenaffinität EA abgelesen werden. Dieser Peak ist noch mit dem Einteilchen-bild zu verstehen.

Tabelle 3.2: Elektronenkonfiguration vom Anfangs- und Endzustand beim Photodetachment von Na1-, Cu1-, Ag1- und Au1- unter Berücksichtigung des „Shake-up“ Prozesses.

∆ES,J=½ und ∆ES,J=1½ geben den Energieunterschied zwischen dem jeweiligen s-Orbital und dem zum Dublett aufgespalteten p-Orbital in eV an [133].

Die Intensitätslinie B, die in den Spektren von Na-, Cu- und Ag- erscheint, kann nicht mit dieser Näherung beschrieben werden. Sie ist auf den „Shake-up“

Prozess zurückzuführen, an dem zwei Elektronen beteiligt sind. Es sind die beiden Elektronen im äußersten s-Orbital. Beim Detachmentprozess wird ein Teil der Photonenenergie dazu verwendet, ein s-Elektron in die nächst höhere, unbesetzte Unterschale zu heben. Für alle vier Atome ist es das nächst höhere p-Orbital. Die restliche Energie nimmt das auslaufende s-Elektron in Form von kinetischer Energie mit. Sie ist demnach um den Energieunterschied zwischen s- und p-Orbital kleiner, was im Spektrum am Abstand zwischen Linie A und B abzulesen ist. Im Natriumanionenspektrum misst man einen Abstand von

∆ES = 2,1 eV, dieser Energieunterschied entspricht exakt der Anregungsenergie für die Natrium-D-Linie, die der Natriumlampe ihre gelbe Farbe der Wellen-länge von 589 nm verleiht. In Tabelle 3.2 sind die einzelnen Elektronenkonfi-gurationen des Anfangs- und Endzustandes beim „Shake up“ Prozess

angege-Natrium Kupfer Silber Gold

46 3 Methoden und Modelle ben. Mit ∆ES,J sind die Energieunterschiede zwischen den jeweiligen s- und p-Orbitalen aufgeführt [133]. Da für die vier untersuchten Elemente die Ener-gieterme der p-Zustände aufgrund der Feinstrukturaufspaltung jeweils in zwei Unterzustände aufspalten, sind in Tabelle 3.2 die beiden Werte ∆ES,J=½ und

∆ES,J=1½ eingetragen. Für Natrium, Kupfer und Silber liegen diese so nah bei-einander, dass im entsprechenden Photoelektronenspektrum in Abb. 3.7 nur eine Linie zu sehen ist. Der Energieunterschied zwischen dem 6 2S1/2 -Term und dem 6 2P1/2 - beziehungsweise 6 2P3/2 -Term des Goldatoms ist hingegen so groß, dass im Spektrum die Linie B, wegen der zu niedrigen Photonenenergie nicht mehr auftaucht.

Tabelle 3.3: Elektronenkonfiguration vom Anfangs- und Endzustand beim Photodetachment von Cu1-, Ag1- und Au1- unter Berücksichtigung der Multiplettaufspaltung.

∆ES,J=1½ und ∆ES,J=2½ geben den Energieunterschied zwischen dem jeweiligen s-Orbital und dem zum Dublett aufgespalteten d-Orbital an. In der letzten Zeile ist die entsprechende Feinstrukturaufspaltung in eV angegeben [133].

Die Photoelektronenspektren von Cu-, Ag- und Au- in Abb. 3.7 zeigen zwei weitere Peaks, die wiederum nicht direkt aus dem Einteilchenbild ableit-bar sind. Sie sind auf eine Multiplettaufspaltung zurückzuführen, aus der sich für die drei genannten Anionen jeweils ein Liniendublett (C1, C2) ergibt. In die-sem Fall wird beim Detachmentprozess ein Elektron nicht aus dem s-Orbital, sondern aus dem nächst tiefer liegenden d-Orbital herausgelöst. Im Endzustand des Prozesses bleibt ein ungepaartes d-Elektron zurück. Dieses Elektron hat den Spin S = ½ und addiert sich gemäß der Russel-Saunders-Kopplung mit dem entsprechenden Bahndrehimpuls L zu zwei unterschiedlichen Gesamtdrehim-pulsen J = L ± S, was zu einer Feinstrukturaufspaltung des einfach besetzten Energieniveaus führt. Die kinetische Energie des auslaufenden Elektrons kann

Kupfer Silber Gold

folglich zwei verschiedene Werte annehmen, deren Unterschied eben dieser Aufspaltung entspricht. Sie ist in Abb. 3.7 am jeweiligen Abstand der beiden Dublett-Peaks abzulesen. Aus der Atomphysik ist bekannt, dass die Spin/Bahn-Aufspaltung mit der Kernladungszahl wächst. Dieser grundlegende Effekt kann in den drei Photoelektronenspektren sehr anschaulich beobachtet werden. Von Kupfer über Silber nach Gold wird der Abstand beider Dublett-Peaks immer größer. In Tabelle 3.3 sind die entsprechenden Elektronenkonfigurationen des Anfangs- und Endzustandes für diesen Prozess angegeben. Des Weiteren sind die Energieunterschiede ∆EM,J zwischen dem jeweiligen s- und dem aufgespal-teten d-Orbital angeführt, während in der letzten Zeile die Werte für die Fein-strukturaufspaltung stehen [133].