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3.1 Photoelektronenspektroskopie

3.1.1 Grundlagen

Die Photoelektronenspektroskopie (PES) ist eines der bedeutendsten Werkzeuge zur Untersuchung von Atomen, Molekülen, Clustern, Festkörpern und deren Oberflächen. Der zugrunde liegende Effekt, der hier ausgenutzt wird, ist der Photoeffekt. Albert Einstein stellte für dessen Deutung eine Hypothese auf, die allgemein unter dem Namen „Lichtquantenhypothese“ bekannt wurde [118]. Dafür bekam er 1921 den Nobelpreis für Physik. Der Photoeffekt be-schreibt das Phänomen des Herauslösens von Elektronen durch Bestrahlung mit Licht, genauer mit Lichtquanten. Untersucht man die freigesetzten Elektronen genauer, bekommt man so einen Zugang zu den elektronischen Zuständen des

„bestrahlten“ Materials. Daraus ergaben sich bis heute eine Fülle von Techni-ken, deren Entwicklung von den zu untersuchenden Materialien und den dafür verwendeten Photonenenergien beeinflusst war.

In der heutigen Festkörper- und Oberflächenphysik, die sich unter ande-rem intensiv mit Nanostrukturen auf Oberflächen befasst, sind besonders zwei Analysemethoden nicht mehr wegzudenken: die so genannte

Röntgenphoto-28 3 Methoden und Modelle elektronenspektroskopie (XPS: X-Ray Photoelectron Spectroscopy) und UV-Photoelektronenspektroskopie (UPS: Ultraviolett Photoelectron Spectroscopy).

Mit der XPS werden kernnahe Elektronenzustände (core levels) analy-siert. Aufgrund der hohen Bindungsenergien dieser Elektronen müssen Photo-nenenergien im Röntgenbereich verwendet werden. Sie werden erzeugt, indem ein Elektronenstrahl mit einigen keV kinetischer Energie auf eine Anode trifft und so neben einem Bremsstrahlungshintergrund eine charakteristische Strah-lung mit konstanter Photonenenergie liefert. Die am häufigsten verwendete Strahlung ist dabei die Al-Kα mit 1486,6 eV oder die Mg-Kα mit 1253,6 eV. Zur genaueren Untersuchung von Valenzelektronen ist die XPS jedoch nicht gut geeignet.

Für diesen Zweck verwendet man die UPS. Als Lichtquelle benutzt man in der Regel Gasentladungslampen. Je nach verwendetem Edelgas – es kommen Helium, Neon oder Argon in Frage – liefert eine solche Quelle Photonen mit diskreten Energien zwischen 13 eV und 41 eV. Am häufigsten wird die Heli-umgasentladungslampe verwendet. Sie liefert Photonenenergien von 21,21 eV (He I) und 40,82 eV (He II). Alternativ zur Gasentladungslampe kann auch ein Synchrotron als Photonenquelle dienen. Der Vorteil der UPS gegenüber der XPS beim Untersuchen von Valenzzuständen liegt zum einen an dem viel höhe-ren Anregungsquerschnitt der Valenzelektronen im Photonenenergiebereich der UV-Strahlung und zum anderen in der bedeutend geringeren Linienbreite der Lichtquelle. Anders als bei der XPS ist die Energieauflösung bei der UPS nur noch vom verwendeten Elektronenspektrometer abhängig.

Sowohl bei der UV- als auch bei der Röntgenphotoelektronenspektrosko-pie werden zur Untersuchung der freigesetzten Elektronen dispersive Spektro-meter, bestehend aus Zylinder- oder Halbkugelanalysatoren, verwendet. Hierbei bestimmt der Analysator über einen eingestellten weiten Energiebereich die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen und deren Intensität, indem er der Reihe nach in kleinen Energiefenstern die Zählrate der detektierten Pho-toelektronen aufnimmt. Der Vorteil eines solchen Elektronenspektrometers liegt eindeutig in seiner hohen Energieauflösung von < 5 meV. Da aber ein solches Spektrometer nur jeweils die Photoelektronen im momentan gemessenen Ener-giefenster berücksichtigt, während die anderen verloren gehen, muss über den gesamten Energiebereich gescannt werden. Um ein aussagekräftiges Spektrum aufnehmen zu können, muss die Elektronenzählrate hinreichend hoch bzw. die Messzeit genügend lange sein. Bei Standardexperimenten an Festkörperober-flächen beispielsweise spielt dies aufgrund der hohen Targetdichte keine Rolle.

Es ist genügend „Material“ da, das Photonen absorbieren kann, so dass entspre-chend viele Elektronen freigesetzt werden können. Im Prinzip gilt das auch für die Spektroskopie von neutralen Molekülen oder Clustern im Molekularstrahl.

Während man bei der Molekülspektroskopie meistens von einer be-stimmten stabilen Molekülart und -größe ausgeht, als Beispiel sei die Spektro-skopie von CO [119] oder C6H6 [120] genannt, sind die Cluster im Molekular-strahl erzeugungsbedingt keineswegs monodispers. Je nach Clusterquellenpa-rametern findet man eine relative Breite der Clustergrößenverteilung von 10%

bis 50%. Spektroskopie am neutralen Clusterstrahl ohne Massenseparation macht demnach keinen Sinn, weil das Ergebnis immer eine Überlagerung un-terschiedlichster Photoelektronenspektren der vorkommenden Clustergrößen ist. Die Massenseparation erfolgt üblicherweise an Clusterionen, da sie, vergli-chen mit derjenigen neutraler Cluster [121], bedeutend einfacher zu realisieren ist. Als Folge daraus muss bei der Verwendung eines Flugzeitmassenspektro-meters das Experiment gepulst durchgeführt werden (siehe Kapitel 4.3.1).

Betrachtet man die Teilchendichte im Ionenstrahl, so ist sie um ca. sechs Größenordnungen kleiner als im neutrale Molekularstrahl. Im Ionenstrahl ent-spricht sie ungefähr der Dichte von Restgasmolekülen im UHV (Ultrahochva-kuum) bei 10-10 mbar. Wenn man bedenkt, dass ein XPS- oder UPS-Standard-oberflächenexperiment unter UHV-Bedingungen bei genau diesem Druck durchgeführt wird und das herrschende Restgas so gut wie keine Rolle dabei spielt, so ist es offensichtlich, dass für die Clusterionenspektroskopie Modifi-kationen am experimentellen Aufbau notwendig sind, um die Messungen durchführen zu können.

Es wird an zwei Punkten angesetzt, um eine ausreichende Photoelektro-nenintensität zu erreichen. Man benutzt eine intensivere Lichtquelle und ver-wendet ein anderes Photoelektronenspektrometer.

Als Lichtquelle kann sowohl ein kontinuierlicher als auch ein gepulster Laser verwendet werden. Sie liefern problemlos die geforderte hohe Photonen-intensität, haben aber den Nachteil, dass sie Licht mit einer relativ kleinen Photonenenergie erzeugen, verglichen mit der oben genannten Gasentladungs-lampe. Stellt man einem gepulst arbeitenden Laser einen kontinuierlich arbei-tenden gegenüber, so ist es mit einem kontinuierlich arbeiarbei-tenden Laser generell erheblich schwieriger, die Photonenenergien eines gepulsten Lasers zu errei-chen. Als Beispiel für einen gepulst arbeitenden Laser seien hier der Nd:YAG-Laser mit einer Photonenenergie von 4,66 eV und der ArF-Excimer-Nd:YAG-Laser mit

30 3 Methoden und Modelle 6,425 eV Photonenenergie genannt. Ein kontinuierlicher Argon-Ionen-Laser hingegen erzeugt lediglich Photonen mit 3,35 eV. Neben dem Argument der Massenseparation liefert die Photonenenergie des verwendeten gepulsten La-sersystems den zweiten Grund dafür, die Photoelektronenspektroskopie an Clusterionen, genauer gesagt an Clusteranionen durchzuführen. Für das Clus-teranion ist die Energie zum Herauslösen eines Elektrons, die so genannte Elektronen-Detachment-Energie, geringer als die erste und erst recht als die zweite Ionisationsenergie. Man versteht unter der ersten bzw. zweiten Ionisati-onsenergie diejenige Energie, die aufgebracht werden muss, um dem neutralen Cluster bzw. dem Clusterkation ein Elektron zu entreißen. Die Elektronen-De-tachment-Energie ist in der Regel so niedrig, dass man mit den oben angegebe-nen gepulsten Lasersystemen in der Lage ist, die obersten besetzen Elektroangegebe-nen- Elektronen-zustände des Valenzbandes zu untersuchen. Das Ergebnis in Form eines Photo-elektronenspektrums unterscheidet sich prinzipiell nicht von dem eines neutra-len Clusters, solange ihre geometrische Struktur nicht stark voneinander ab-weicht.

Der Ansatz, das Anionen-Photoelektronenspektroskopie-Experiment ge-pulst durchzuführen, birgt noch einen weiteren Vorteil. Es ist möglich, anstelle eines dispersiven, mit elektrischen Feldern arbeitenden Elektronenanalysators [122, 123], ein Elektronenspektrometer zu verwenden, das alle kinetischen Energien der im Laserpuls erzeugten Elektronen gleichzeitig misst. Erreicht wird das mit einem Flugzeitelektronenspektrometer vom Typ „magnetische Flasche“ [124, 125, 126], das, wie schon der Name impliziert, zum „Sammeln“

und „Führen“ der Elektronen Magnetfelder benutzt (siehe Kapitel 4.3.2).

Im Folgenden werden zwei Modelle vorgestellt, mit denen man die ge-wonnenen Photoelektronenspektren interpretieren kann.