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72*

Bibliographische Anzeigen.

Münk. Gebirol imd Maimonides.

1. D"")! Iipa IDD }13 0-«C5ip!5. Melanges de philosophie Juive ei

Arabe par S. Münk. Premidre livraison renfermant des Extraits

methodiques de In Sourcede vie de Salomon ib u- G ebiro l (di t

Avic/eb r on] , traduits de I'arahe en hebrcu par Schem-Tob ib,a-

Falaquera; la Traduction de ces Extraits, accompagnee denotes

critiques et explicatives ; une notiee sur la vie et les ecrits d'ibn-Geiirol

et une analyse de sa Source de vie. Paris 1857. Hebr. 36 Dop¬

pels., franz. 232 S. 8, dazu Titel «. Vorr. unpaginirl.

2- ^^lil- iJ'i'O, blNbit iibtt. Le guide des egares, traile de theologie

et de philosophie par Mo'ise ben Mqimoun dit Maimonide, publie

pour la premiire fois dans l'original arabe^ et accompagne d'une tra¬

duction fran^aise et de notes critiques , litteraires et explicatives par

S. Münk, Tome premier. Paris 1856. hebr. nrab, 128 Doppels.,

frnnz. XVI u. 464 S. gr. 8 nebst utipagiuirter Widmung, v, Note sur le litre de cet ouvrnge.

Durch Plalou und Arisloteles werden die zwei verschiedenen Melhoden des Philosophirens repräsentirt, welche dann in allen philosophischen Systemen wiederkehren, nämlich die synthetische und die analytische. Die erslere geht von dem L'rgrunde aller Dinge, der Idee, dem umru.ssenden , schöpferi¬

schen Geiste aus, den sie mit Nothwendigkeit voraussetzt, dessen Erkennt¬

niss sie unmittelbar durch sich selbst ergreift; durch Versenkung dieses Gei¬

sles entweder in einen gleichfalls ewig vorhandenen, an sicb leblosen Sloff, oder durch Ausstrahlungen dieses Geisles, die immer schwächer, entgeisleter, slofnicb dichler werden, enistehl ihr die Welt nach ihren verschiedenen Ab¬

stufungen. Umgekehrt geht die analytische Melhode von dem sinnlich

Wahrnehmbaren aus, das sie durch Zerlegung in seine Bestandtbeile Immer höher hinauf zu Abstraclionen verfolgt, um so zur erslen höchsten Ursache zu gelangen. Diese Methoden sind nicbt blos verschiedene Wege, die voraus- setzungslos zu einem unbekannten Ziele binfUhren sollen, sie sind nicbt gleichgültig gegen das Ziel, das sie von der Nöthigung des fortschreitenden Gedankens mit Rube hinnehmen : sie tragen vielmehr schon vou vorn herein die ahweichende Anschauung in sich, die Verschiedenheit der Zielpunkte liegt hereits in der Ergreifung der einen oder andern Methode ausgesprochen.

Die eine Melhode ist sicb des geisligen Lebens, als des einzig wahrhaft Seienden, bewusst, alles Andre isl ihr hlos eine verschwindende Modalität desselhen, die höhere Geisligkeit ragt ihr in Alles hinein, prägt sich in Allem aus , bald durchsichtiger bald mehr getrübt ; der andern ist das sinnliche

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Bibliographische Anzetgen. 723

Leben gewiss, die Wesen, wenn auch nicht in ihren Individuen, so doch in Ihren Gattungen dauernd vorhanden, sie erhebt sich von ihnen, um zu immer höheren Gatinngsbegrift'en , um endlich zu einem 'allumfassenden, durch

gar keine Merkmale beschränkten Begrilfe zu gelangen. Die Gefabr des

nacklen Materialismus droht den tiefen Denkern dieser Schule, welchen

sich die Herrschaft des Gedankens so mächtig in ihnen selbst bekun¬

det, weniger als die, stalt lebendiger Geisler blos dürftige Abstraclionen zu entwickeln; der andern Schule widerfährt es seltener, im Uebermaasse der Selbstversenkung in dss bocbste geistige Leben die irdische Welt ganz za ignoriren, da sie sicb doch zu sehr dem Menscben in ihrer Wirklichkeit aufdrängt, hingegen geschieht es nur zu leicht, dass sie in allen sinnlichen Erscheinungen zu unmittelbar das Eingreifen des reinen Geisles erblickt, sie als zu lebendige Abbilder der Idee, zu sehr von dem mächtigsten geistigen Fluidum durchströmt betrachtet.

Als die griechische Philosophie mit dem OGTenharungsglauben in Berüh¬

rung trat, musste sich naturgemäss eine grössere Hinneigung zu platonischen Anschauungen und platonischer Methode zeigen als zu aristotelisrhen. Der einzige, alles Leben in sicb fasseude Gott war die Voraussetzung des jüdi¬

schen Glauhens, die über allen Reweis erhabene Idee, und daher natürlicher von ihm auszugehn, als zu ihm zurückzukehren, die Gehote aber, indem sie philosophisch in Symbole verwandelt werden mussten, erlangten erst ihre rechle Weihe, wenn sie platonisch als wirklicbe Gefässe des Geistes, unmit¬

telbar von diesem getränkt aufgefasst werden konnten, als wenn sie aristote¬

lisch blos frostige Andeutungen hätten bleiben müssen. Wenn daher anch zu jener Zeit die berrschenJe Philosophie, ein blos überkommenes Erbe ehe¬

mals schöpferischer Geisteslhalen , bereils in eklektischer Verschmelzung vou Piaton und Arisloteles bestand, so musste duch in den Alexandrinen, als de¬

ren Höhepunkt Philo erscheint, Plalon mächlig vorwiegen.*) Bei der Ent¬

stehung des Cbristenthums maChte sich alsbald der Einfluss des Neuplalonis- mus auf dessen philosophische Geslallung und Ausdrucksweise gellend ; der Logos als schöpferische Idee und zugleicb persönlich gewordene göttliche Ausstrahlung ward mit Grundlage des neuen Glaubens. Aucb die griecbiscben Väler sind in ihrer enlschiedenen Hinneigung zur Symbolik durchaus Neu¬

platoniker.

Dieser in die Theologie tief eingreifende Einfluss Platen's verringerte sich zwar, als die griechische Sprache die allgemeiuo Herrschaft einbüsste.

Der ganze Gedankengang Platen's und der von ihm ausgehenden Schulen isl zu innig an den Ausdruck geknüpft, als dass er nicht bei einer Ueberselzung in Spracben, die nicht ganz von derselben Anschauung getragen werden, dunkel und unverständlich werden müsste ; der in den Vordergrund tretende nüchterne römische Geist iu der Kirche entbehrte des poetischen Triebes, welcher eine nothwendiger Voraussetzung ist zur Erfassung und Aufnahme

*) Gelegentlich sei hier auf die neueste kleine Schrifl über ihn hinge¬

wiesen : Die pbiloniscbe Philusophie. In ibren Hauptniomeuten dargestellt

voo Dr. M. Wolff. Zweite Ausgahe. Gothenburg 1858. X. u. 61 S. 8.

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724 Bibliographische Anzeigen,

platoiriscber und aus Platan abgeleiteter Philosophumena. Man knüpfte daher überhaupt weniger an philosophische Systeme an; dennoch bleiben die Sy¬

steme selbst unter römischer und dann auch unter arabischer Herrschaft zuerst nocb platonisch. Der Kampf des untergehenden Heidenthums gegen das Cbristenthum suchte krampfhaft einen Halt in dem vergeistigenden Neuplato- nismns, und sn mussten auch dje Offenbarungsgläubigen, die Anhänger des Judenthums uud des Chrislenlhums wie des Tslam , wenn sie philosophirten, immer wieder zu diesem Systeme hingerübrt werden und es zu ihrem Zwecke ausbilden. Die erste pbilosopbirende Schrift unler den Juden, welche der

arabischen Zeit angebürt, das Buch Jezirah, dus etwa am Anfange des

6. Jahrb. enlslanden sein mag, ist ganz in diesem Geiste der F.manations- lehre geschrieben; Zahlen und Bnchstaben sind ihm selhstständige Wesen, vermiUelst deren der Gottesgeist die Schöpfung vollbringt und sich in Alles einprägt. Die Hypostasirung des Khelam hei den allen arabischen philog.

Theologen gehörl nichl minder dieser Richtung an. Die Scbriflen dieser Schule fanden früh Eingang bei den Arabern ; Proclus, Porphyrins u. A. wer¬

den häufig bei ihnen genannt, und wenn Plotin's keine ausdrückliche Erwäh¬

nung geschiebt, so ist es nicht wegen der Unbekanntschaft mit seiner Lehre, sondern weil sie ihn vielmehr geradezu mit Platnn identificirt und daher seine Worte unter diesem bekannleren Namen angerührt hahen fvgl. Münk in N 1. S. 72 A. 4. 87 A. 1, 101 A. 2, N. 2 S. 68 A. 4.). Doch begnügte man sich bald nichl mehr mit diesen Systemen, die so viele phanlnslische Bestandtbeile aufgenommen halten, und wandte sich zu Aristoteles und seinen Seholiasten. der in seiner logischen Schärfe den Verstand mehr befriedigte und auch in der Uehersetzung verständlich genug blieb.

Die Dilferenz zwischen Piatonikern und Aristotelikern ging das ganze Mittelaller hindurch, wenn auch diese allmälig immer mehr an Gebiel ge¬

wannen. Zu den wichligsten Vertretern und einflussrefchsten Lebrern, die nicht blos auf Juden, sondern auch auf Araber und christliche Scholastiker mächtig einwirken, gehören Gebirol als Platoniker und Maimonides (nehen Averrboes) als Aristoteliker. Der Name des letzteren als Philosophen ist eine weitverbreitete Autorität geworden, sein Werk bat sich im arabischen Originale erhalten, und sein erster Theil liegt uns nun unter Nr. 2 arabisch vor ; noch bei Lebzeiten des Vfrs. ward es ins Hebräische ühersetzt und blieb seitdem ein Ferment für alle philosophischen Bestrehungen unter

den Juden. Gebirol's Werk isl im Originale bis auf den IVamen verlo¬

ren, die auszüglicbe Uebersetzung in's Hebräische verhältnissmässig spät an¬

gefertigt und ganz unbekannt gehliehen , das Werk zwar früber schon in's Lateinische ühersetzt und auch von einigen Scholastikern nach seiner Bedeu¬

tung gewürdigt, dennoch bald verdrängt, und der Verfasser, der eines bedeu¬

tenden Rufes als Dichter sieh erfreut, als Philosoph ganz vergessen, da sein Name von den Scholaatikern etwas entstellt und daher nicht als Gebirol er¬

kannt wurde. Dies isl freilich nicht zufällig, beeinträchtigt jedoeh nicht die Bedentnng Gebirols. Das Uebergewicht, welches der Aristotelismus erlangte, liess alle Philosophie, die andern Bahnen folgte, als eine „veraltete" (wie' sieh Maimonides ausdrückt) erseheinen , die man der Beachlung oicht werth hielt. Maimooides war ebensowohl durch leioe Verbiodongen am Hofe Sala-

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Bibliographische Anxeigen. 725 (Jin's als Arzt wie durch die hohe Anerkennung, welche er als Thalmudist erlangt hatte, und durch seine systemutischen Werke auf diesem Gebiete so berühmt, dass auch seine philosophischen ScbriTten alsbald die allgemeinste Aufmerksamkeit auf sicb zogen. Zu seiner Zeit war das philosophische Ele¬

meot bereits üher den Kreis, in welchem der Islam herrschend war, hinaus¬

gedrungen ; die Provence suchte sich rasch aller Studien, welche in arabischer Sprache gepflegt wurden, zu bemächtigen, und zwei l'eberselzer, Charisi und Samuel Thibbon, fanden sicb, welche sein Hauptwerk wie kleinere philos.

Abhandlungen in's Hebräische Ubersetzten , ihm so eine Verbreitung uoler alle Juden verscbalften , und der Kampf, der sich darao entzündete, erhöhte

nun noch seinen Werth. Auch isl die Anlage des Hauptwerkes ganz dazu

geeignet, die Theilnabme aller Geister dafür zu erwecken; es konnle nichl ignorirt werden, man musste dafür oder dawider Partei nehmen, üie liefe¬

ren rein metaphysischen Bestandtheile bilden zwar den mittleren Stamm des Werke.-i, aber sie erscheinen docb nur als Mittel, um die positiven Kragen des Olfenbarungsglauhens : Dasein Gottes, Schöpfung aus Nicht«, Prophezeiung, Vorsehung u. s. w. zu beantworten, die sinnlichen Ausdrücke in der Bibel wie deren positive Gebote mit der Philosophie in Einklang zu hringen. So

war dus Werk mebr religionspbilosophiscb und dogmatisch als metaphysisch.

Das volle Gegentheil bieten uns Gebirol und sein Werk. Er selbst ein mit der Well zerfallener, keine eigentliche Lebensstellung einnehmender .Mann, zwar als religiöser Dicbter bald Anerkennung findend, aber der positiv- theologischen Lehre ganz fern stehend ; seine Zeil hlos in Spanien pbilo¬

sopbiscb bewegt, ansserhalb dieses Kreises war uoter den Juden nicbl der geringste Anknüpfungspunkt für philosophische Bestrebungen , und so blieh sein Werk unübersetzt bis gegen 1280, wo überbaupt der philos. Aufschwung unler den Juden schon wieder erlahmt war, für Gebirols platonisirende An¬

schauung, als eine veraltete, gar kein Raum mebr war, und nur ein einsamer Denker, der weniger selbstscbafl'end als literarhistorisch sich zur Philosophie verhielt, nichl um einem ZeithedUrfnisse zu genügen, sondern um seinen schriftstellerischen Drang zu befriedigen, die L'ebersetzung unternahm, Das Werk selbst aber ist obne alle theologische Bestandtheile, ohne alle Rück¬

sicht auf positive Religion, rein metaphysisch und konnte so zu einer allge¬

meinen Verbreitung und Theilnabme nicht gelangen.

Dies schmälert nicht das Verdiensl Gebirol's, erhöbt aber das des Man¬

nes, der uns Gebirol als Philosophen nebst seinem Werke wieder neu ent¬

deckt. Albertus magnus und Tbomas de Aquino führen zuweilen ein Buch

fons vilae des Avicehron an, das durch die Kühnheit und Tiefe seiner philo¬

sophischen Deduction sicb ihnen bemerklich machte und uacb diesen Aol'üh- rungen aucb die Aufmerksamkeit der Historiker auf dem Gehiete der Philo¬

sophie auf sich zog. Wer jedoch Avicehron sei, ob das Buch nocb exislire, davon wusste man Nichts, man vermuthete nur, der Archidiaconus Domioicus Gundusuivi hahe die lalcinisehe L'ebersetzung angefertigt. An eine Identifici¬

rung Avicebron's mit Gebirol dachte Niemand ; kannte man ja diesen Uber¬

haupt nicht uls philosophischen Syslematiker ! Seine liturgischen Gesänge, namentlicb seine „Königskroue", zeugten allerdings von einem hochgebildeten

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726 Bibliographische Anieigen.

Geiste , sein ^jf^^J>'i\ ^^^asI v^iLä^' , das in bebr. Uebersetzung als ppn lüDin nna einige Male gedruckt war, liess ibu als populären Scbriftsteller im

Gebiete der Moraipbitosopbie erscheinen, ebenso sein ^.Xi^ ^ das als

CJ^IOn "inaa verbreitet ist, der lange Zeit irrtbümlicb dem Jedajeh Be- darschi beigelegt wurde. Aber von einem tief eingreifenden philosophischen VVerke Gebirols war keine Spur. Da theilte endlich im J. 1837 Dukes in seinen „Ebreosäulen" einige Stellen aus dem damals nocb handschriftlichen Moreh Ha-Moreb des Schemtob Faiaquera mit, Anführungen aus ,, .Mekor Chajim des Salomo aben Gehirol" ; bald darauf ward auch derMoreb Ha-.Moreb selbsl gedruckl. Diese einzelnen Slellen geben zwar die bestimmte Naebricht über Existenz und Tilel eines bis dabin unbekannten pbilos. Werkes Gebirols;

allein Genaueres liess sicb aus den spärlichen Citaten nichl erkennen, eben¬

sowenig ob eine bebr. Uebersetzung des Buches vorhanden sei oder ob der des Arabiscben kundige Faiaquera das Origioal zu seinen Mittheilungen be¬

nutzt habe. Man blieb daher lediglich bei einer lilerarhistoriscben Notiz slehn, die zu einer an sich zwar naheliegenden Identificirung des Mekor Chajim mit dem fons vitae umsoweniger veranlassen konnte, als die bei Schemtob angeführten Slellen andre waren als die bei Albertus und Tbomas, die Numen Gebirol und Avicehron weil auseinander zu liegen scbeinen, im Allgemeinen aber die Kenntniss der mittelalterlichen judischen Literatur und die der Scholastiker sich in wenigen vereinigt findet. Auch die ferneren Hiuweisungen von Dukes im J. 1842 (Zion II S. 121 A. 3 u. 4), dass der von Moses ben Esra genannte „Philosoph" oder „einer der letzten Pbilosopben" Salomon ben Gebirol sei , dass M, b. E.'s Anführungen ,,in den unler seinen Händen befindlichen Auszügen aus dessen Mekor Chajim" sich vorfinden und er „diese Auszüge nächstens veiöCTentlichen werde," sowie dessen fernere Millheilung (Orient 1843, Lbl. S. 802 f. Anm.) zweier Stellen aus dem damals nocb ungedruckten TXa'^^ nainN ^ü.söyt ü^XaAxJI^ des Abraham ben David Ha- Levi 1) rührten nicbt weiter; ja das im Zion gegebene Versprechen wurde

durch die Bemerkung im Orient, es seien bedauerlicher VVeise von dem

wahrscheinlich sehr bedeutenden Werke nur noch einige Bruchslücke vorhan¬

den , merklich geschwächt.

Diese Bruchstücke sind aber nicbts Anderes, als die von Münk in der Pariser Bibliolhek aufgefundene auszügliche, dennoch vollsländige Ueber¬

selzung durcb denselben Schemlob Faiaquera, und es blieb diesem gründ¬

lichen Kenner der mittelalterlichen ebenso jüdischen und arabischen wie philosophischen Lileralur vorbehalten, auf Veranlassung einiger Bemerkungen Ritters in seiner Geschichle der Philosophie die Ideiitilät des Mekor Chajim mit dem fons vitae aufs Unwiderleglichste — wie es auch Ritter dann ohne Bedenken zugestand — nachzuweisen und demnach auch Gebirol's mit Avice¬

hron (Orient 1846 Lbl. N. 4(5). Dass „aben Gebirol" von den Scholastikern in Avicehron verunstaltet wurde, konnte nach den bekannten Nameu Avicenna,

1) Aucb dieses Bucb ist später, und zwar zugleich mit dentseber Ueber¬

seUung, durcb Simson Weil berausgegeben worden, Fraokfurt a. M. I8ä2.

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Bibliographische Ameigen. 727 Averrhoes, Avendatt u. s. w. nicbt auffallen; die Scbreibung „Avencebrol", weicbe sicb in dem Exemplar der von Seyerlen aufgefundenen L'ebersetzung vorfindet — worüber später —, spricbt für diese Identität nocb entschiedener und zeigt den allmäligen L'ebergang zu Avicehron >). Bald daraufgab Münk noch einige weitere Kunde üher das Buch und die Richtung Gebirol's in dem Artikel Juifs, welcher zuersl in dem ,3. Th. des Dictionnaire des Sciences phi¬

losophiques erscbien, dann aber mit geschichtlichen und hibliograpbiscbeo Anmerkungen vermebrt u. d. T. : de la pbilosophie chez les Juifs in den Archives Israelites de France, Muy, Juni und August 1848 (wovon auch Son¬

derabzüge erschienen, 40 S. 8). Seitdem war die Aufmerksamkeit auf diesen eigentbümlicben Philosupfaen gerichtet , doch war das gedruckte , und somit allgemein zugängliche Material noch viel zu spärlicb, Münk selbst aber wurde tbeils durch andere Arbeiten und den leider sich immer mehr verschlimmern¬

den Zustand seiner Augen, tbeils auch durch manches uicht hinlänglich Ge¬

sicherte in der bebr. l'ebersetzung nocb immer von der Verölfentlichung des Buches zurückgehalten. Nun aber fand er auch die vollständige lateinische L'eberselznng, das fons vitae, und diese warf ein helles Licht auf die behr.

l'ebersetzung, wie sie, ein schwer lesbares und fehlerhaftes Manuscript, auch wieder ihrerseits solches von dieser empfing. So war denn Münk zur Aus¬

gabe, wie sie uns oun vorliegt, vollkonimen in den Sland gesetzt, und nur äussere Verhältnisse hinderten die Veröfi'entlichupg ; die förderliche Theil¬

nahme des Hrn. Gustav von Eichlbal beseitigte die materiellen Hindernisse, die Hingebung und die Geisteskraft M.'s selbst das nocb grössere, das durch seine seit 1851 erfolgte gänzliche Erblindurtt; eulstand. l'nd so liegt dieses treffliche Werk nun vor, das den hebr. Text enthält., der aufs Sorgfaltigste gereinigt ist, dem jeduch die falschen Lesarten des Manuscripts in Nolen untergesetzt sind, die franz. Lebersetzung mit trefflichen erklärenden Anmer¬

kungen und mit sleler Bezugnahme auf die lat. L'ebersetzung (— S. 148), eioe Abhandlung über Lebeu und Schriften Gebirol's (— S. 173), eioe Ana-

.') Dass man in Spanien das ^1 als Aben oder Aveo, nicbt Ibn aus¬

sprach, zeigen ebi^n diese Namen bei den Scholastikern, aber auch die Juden

lasen olfenbar und gebrauchten in ihreo metriscben Gedichten diesea

Wort als Jathed {^i) Pflock, d. h. Schwa mobile und Vocal. Dies hahe

ich bereils in meinem Moses ben Maimon (1850) A. 9 S. 46 aus einem Ge¬

dicblchen Aben Esra's nacbgewiesen ; weitere Belege liefern die von Luzzallo in 'JI'nST ^33« herausgegebenen Epilnpbien. Su ist auf dem Grabsteine des

Moses hcn Josef aben Daud üm 1260 (Nr. 49 S. 50) die LA. des Mspts.

], d. h. ]3N , ganz richtig und nicht mit Luzz. in 133 zu corrigiren, so richtig auf de'm Grabsteine des Isaak ben Josepb Aben Krisp (N. 68 S. 64) V. 3: -'^k £;'ß''">.p l^N (wiederum das ] des Ms.) uod nicbt mit Luzz. zu ändern in nöi» tsb Jl^'lp p "l^S^ (wo laiü ofl'enbar von Luzz. hinzugefügt isl). So findet sich auch N^^n^ in Sulomo Almoli's Gedicht (V. 3a) zu Leschon Limmudim des David Jachia ed. 2 Const. 1542

, (( _

(auch bei Carmoly io N^^lt^ ^333 m S, 21, der jedoch gleichfalls falscb punclirt).

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728 Bibliographische Anxeigen.

lyge des vorliegeoden Werkes (— S. 226) und eine kdl-ze Sthlussbetrach- tong (— S. 232).

Diese Betrachtung schliesst M. mit den Worten: „Man erkennt in diesem Systeme den Eiofluss der Lehre der Alexandriner, und die Philosophie Ihu- (iebirol's würde fast identisch sein mit der des Plotin uud des Proclus weon er nicht, beherrscht durch das religiöse Dogma, versucht hätte, die Consequeuzeo dieser pantheislisehen Lebren zu vermeiden, indem er seine Zuflucht nahm zur Hypothese vom „Willen". Indem er diesen an die Stelle der ,,Einhi.it" der Alexandriner setzt'', zeigt er, dass er sicb in derselben Verlegenheit befindet wie diese, sobald es sicb darum handelt, sich zu dieser erslen wirkenden Ursache zu erheheo, und wie sib krönt er sein System iuit der Exstase. Es isl augenscheinlich, dass die Speculation unsern Autor zum Pantheismus hinzieht, und die logische Consequenz seines Systems wäre den Sloif oder die eine Substanz als von Ewigkeit her zu betrachten.

Aodrerseila verpflichtet ibo das Dogma, eioen Gott-Schöpfer zuzugehen, und wirklich sehn wir ihn an mehren Stellen ofi'en die Schöpfung aus Nichts be¬

kennen; uher er ist olfenbar in Verlegenheit, wenn er sich über die Schöpfung erklären uod sie definiren soll, und wir sehn, dass er seine Zuflucht zu Bildern nimmt, aus denen klar hervorgebt, dass Pur ihn die Schöpfung nichts Anderea ist, als die Eioprägung der Form in deo Stolf, eiue Einprägang, die von dem Willeo emaoirt ist. Jedenfalls beschränkt sich das , was Gehirol Schöpfung neont, auf den allgemeinen SloS uod die allgemeine Form; was daun folgt, die geistige wie die körperliche Welt, erfolgt im Process der allmäligen Emanation, denn, wie unser Philosoph es sagt, „die erste Aus¬

strömung, welche alle Substanzen umfasst, macht die Ausströmung der einen iü die andera nolhwendig". Es folgt daraus, dass die Schöpfung, wie sie Ibn-Gebirol zulässt, oichl in die Zell falleo kann; denn Nichts in der obern Welt, d. b. io der der einfachen Substanzen, fällt in die Zeit. Kurz, man kann oicht sageu, dass sich Ibn-Gebirol ofi'en zum Pantheismus bekenne, aher ebensowenig dass er die Schöpfung so annehme, wie sie gemeinbin die jüd.

Theologen verstehn, er schwankt vielmehr umber zwiscben beiden Systemen.

Wir werden in der Folge sehn, welchem Einflüsse er nachgegeheR, indem er sich von den überlieferten Aosichteo entfernte, wie sein System vou seinen

Glanbensgenossen aufgenommen worden , und welche Spuren es io ihren

Schriften zurückgelasseo hat."

Der Leser erhält in diesen Worten ein kurzes, aber klares Sehlussurtheil üher Gehirol und errährt zugleicb, was wir von Hrn. M. in einer zweiten Lieferung nocb über diesen ausgezeichneten Mann zn erwarten haben. Un¬

terdessen ist jedocb auch von anderer Seite üher Gebirol Mebres geleistet und vorbereitet worden. Hr. Dr. Seyee-len in Ulm hat, ohne alle Kennt¬

niss voo Munk's Arbeiten auf diesem Gebiete — selbst die Identität von Avicehron und Gebirol isl ihm erst in Mitten seiner schriftlichen Darstellung durch Haureau's de la Pbilosophie scolastique bekannt geworden —, ein zweitea Mapt. des fons vilae in der Bibliotbek St. Genevieve zu Paris auf¬

gefanden uod danach eine ausführliche Abhandlang in den von v. Baur heraus¬

gegebenen Tübinger Theologischen Jahrbüchern 1856 und 57 veröffentlicht,

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Bibliographisehe Anzeigen. 729 und beabsichtigt er einen volUtändigen Abdrucli der lat. Uebersetzung mit einer beurlheilenden Eioleitung. Hr. Dr. Joel hat in einer Abhandlung, welche überschrieben ist: Ihn-Gebirol's (Avicebron's) Bedeutung Tür die Ge- gchichte der Pbilosophie, den Nachweis unternommen, dass der „Mekor Cbajim nichts als ein Lehrbuch der neuplalonischen Philosophie sei, von Originalität bei Gebirol keine Rede sein könne, da er Plotin bis in's Einzelne binein folge , sehr häufig bis in Wort und Bild, seine Ahweichungen von den Aus¬

sprüchen desselben seien lange nicbt so bedeutend als z. B. die des Proklos, der ührigens für diese Abweichungen , weno anch oicht die Quelle, docb das Muster des Gebirol sei." Nur schade, dass diese fleissige Arheit uns so abgerissen in langen Zwischenräumen dargeboten wird ! ') leb selbst beschäf¬

tige mich seit längerer Zeit mit einer Darstellung Gebirol's als Dicbter, nach Art meines Divans Juda Ha-Levi's, wozu mir nicht bloss die 1851 in den Treasures of Oxford (TiCOpN ^t3J) von ihm veröGTeotlicbteo Gedichte vor¬

liegen , sondern auch weitere zahlreiche Abschriften aus Oxford , aueh Ein¬

zelnes von Luzzatto aus einem de Rossi'schen Codex in Parma, Anderes

aus einem Curmoly'schen Codex, und indem-die dichterischen Nachbildungen gleichfalls schon längst beendigt sind, haben micb bisher bloss andere Arbei¬

ten an der vollen Beendigung dieser hoffentlich den Freunden dieses grossen Geistes oicht unwillkommenen Gabe verbindert. Die drei von Luzzatto mir abgeschriebenen Gedichte sind im Originale in dem zweiten — doch noch anbeendigten und daber nicht veröffentlichten — Hefte der Thechiah von S. Sachs, der sich überhaupt nicbt ohne Fruchl mit Gebirol viel beschäftigt, schon am Anfange des vorigeo Jahres gedruckt worden. Doch sind G.'s Ge¬

dichte bei ihrer Tiefe , Gedrungenheit und Gluth so schwierig , dass sie, selbst wenn sie in zugänglichen Werken bereits verbreitet wären , nur den Wenigen, welche sich aufs Eingehendste mit ibm beschäftigen, einen Genuss gewähren könnten; andrerseits zeichnet ibo das eine Gedicht nach seinem philosophischen Feuereifer wie nacb seinem Ueberdrusse an der wirklicben Welt so prägnant, dass icb es zum Schiasse dieser Anzeige nicht zurück¬

balten zu dürfeo glaube, uod so folge es deoo nach der von mir versuchlen dichterischen Nachbildnaog: ')

1) Der Aufsatz ward begonoen io Frankel's Monatsschrift f. Gesch. ood Wisseoschaft des Judenlhums 1857 Oct. mit sechs Seiten von S. 386 an, fort¬

gesetzt im Nov. auf 15 S., oämlich von S. 420 an , dano unterbrochen hl*

Febr. 1858, wo von S. 59 an wieder auf 13 Seiten eine Fortsetzung erschien, aod seitdem scheini er ins Stocken gerathen !

2) Denen, welche das Original vergleichen, wird das Bestreben nach möglicher Treue einleuchten, wohei die Treue des lohalts und dicbterischeo Gehalts der Wortlreue allerdings voraogebl. In Beziehoog auf die Form bahe ich den bei arab. Dicbtern und deren jüd. Nachahmern darchgehendeo

einen Reim, welcber der deatschen Sprache eioeo uoaatürlicheo Zwang

auflegen würde, mit dem gleicben Reime'Hir längere Strophen vertauscht, während sl h diese Stropbeneintheilung dnrch den Sinn von seihst ergab, und habe icb in jeder Strophe die im Originale bloss bei dem ersteo Halh¬

verse feststehende Verdoppelung des Reimes wiederholt.

Bd. XIV. 47

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730 Bibliographische Anzeigen.

1. Stürmst, meioe Seele, und es schwanken l'mher unruhig die Gedanken,

Gleichwie wenn sich die Flamm' erhebet Rauchwolken bocb empor sich ranken.

Bist wobl ein Rad, die Erd' umkreisend.

Ein Meer, in dem die Wogen zanken?

Ein Meeresschtund , in dessen Strudel Der Erde Schwellen tief versanken'?

Du achtest nicbt der Welt, sie weiss es Mit Mühsal reichlicb Dir zu danken.

Verlass der Weisheit Pfad, sie reicht Dir Die Prachtgewänder dann, die blanken.

2. Das ist das Leid, das micb errüllt;

Wer bändigt mir den Schmerz, so wild?

Ich dürst' nach einem Mann' des Geisles, - Umsonst, meio Durst bleibt ungestillt!

Ja, bietet mir die Welt nur Täuschung, Dann spei' ich an ihr trüg'risch Bild;

Ich mag sie nicbt, wenn für mein Licht ihr Das Aug' umdüstert ist, verhüllt, — l'nd doch wie wollte ich sie liehen.

Zeigt sie sich freundlich mir und mild.

3. 's ist nun des Frevels g'nng geschehen.

Darfst, Welt, Dein Rad nun einmal dreben.

Hast lang' genug die Weisen, Biedern Zum Sciavendienste auserseben, Ist lang genug, dass edle Cedern

Gestrüpp' gleicb werden angesehen.

Acb , scbaCft mir weg die scblecbten Wichte, Die, docb so hohl, sich trotzig blähen, Die Kecken, die Vernonftverächter, Die mich um meines Geistes schmähen.

Wenn nach Gerechtigkeit Du richtest, Sie dürften nicht die Freuden mähen, Nicht, um die 'Tborheit zu erzengen, Der Sonne Töchter sich erspähen 4. Was baoert ihr, ihr uorngewinde,

Dass ich hinabsteig' in die Gründe Der Weisheit, ihre Schätze grabe l'nd ibre Herrlichkeit verkünde?

Weil ihr's nicht schaut, darum verlangt ihr, Dass icb Tür ibren Glanz erblinde,

Mein Bündniss, von Gott selbst geschlossen Mit ihr, gelöset werde, schwinde?

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Bibliographische Anzeigen.

Dich solll' ich lassen, holde MuUer, Die so voll Huld sich neigt zum Kinde ? Soll mir den Seeleuschmuck entreissen, Vun meinem Haupt' die Ruhmesbinde?

VVenn ibres Eden's Ströme berziebn.

So mächtig, doch so klar, so linde, 0 süsse Wollust, Herzenslabung,

Die ich, am LTer weilend, linde!

Drum steig' empor. Du ew'ge Seele, An ihrer Sonne Dich entzünde

L'nd schwör' es laut und fest: icb forsche, leb forsche, bis icb Gutt ergrüode !

Es prägt sich in diesen Worlen der ganze Character Gebirol's aus, jener überwältigende Drang nach der Wabrbeit, der ibn ebensowohl die schlechte

Wirklicbkeit und Endlichkeit — wie er sich beute ausdrücken würde —

ignoriren lehrt, wie er ihm den Muth verleibt, gunz voraussetzungslos, obne alle Rücksichtsnabme auf feststehende, religiös - sanctionirte Anschauungen philosopbirend vorzuschreilen. INicht ein einziges Mal fübrt er in diesem Ruche die Bibel an, nicht eine Belegstelle ibr entnehmend, nicbt seine Be¬

hauptungen mit ihren Aussprüchen ausgleichend ; nocb umsoweniger gedenkt er des Thalmud und der Midrascbim, und nur ein Mal deutet er obne directe Anführung auf die, seinem Staodpunkte entsprechenden, Angaben des Bu¬

cbes Jezirah bin, dass die Welt durcb Einschreiben der Zabl und der

Buchstaben in die Luft entstanden sei (II § 27, Münk S. 34 und Anm. 2).

INur der Gedanke der Schöpfung uus Nichts, der ibm als Gluube tief wurzelt, bält ibu vou den letzten Consequenzen seines Systemes ab , andere Schran¬

ken kenut er uicht. Diese Kühnheit ist es auch, die ibm bei den Wenigen, die ibn beachteten, zum steten Vorwurfe gereichte, und die ihn dann bald ganz in Vergessenheit brachte ').

Ein Geist anderer Art war Moses Maimonides. Mit gleichem glü¬

henden Forschereifer , mit gleicher grosser Begabung verband er eine nüch¬

ternere Lebensanschauuog , die, wie sie ihn zum Aristotelismus hindrängte, auch eine weit grössere Rücksicht auf die bestehenden Verbältnisse aufer¬

legte. Er ist bei seinem strengen systematischen Denken daher dennoch immer

1) Ahraham ben David ha-Levi, der Einzige, welcher neben Faiaquera das Buch nennt — die Spätern scheinen bei ibren Anführungen mehr secun¬

däre Quellen vor Augen gebabt zu baben — sagt in der Eioleituog zu sei¬

nem Emunub ramah (S. 2, vergl. L'ehers. S. 3): ,,lch habe auch das Buch Salomo's aben Gebirol untersucht; er will darin einen philosophischen Ziel¬

punkt hesonders pflegen, beschränkt sich nicht auf das, was das Judenthum angebt, sondern spricbt über (allgemein metaphysische Fragen, woran) alle Menschen ein gemeinsames Interesse haben", und nachdem er an diesem, Mekor Chajim geoannten Buche, Vieles auszusetzen findet, schliesst er: „ich würde seine Worte oicbt geladelt hahen, wenn er nichl Dinge gesagt

hätte, die unserer Religion böchstverwerflich erscheinen

müssen; wer seiu Bucb studirt, wird Dies erkennen."

(11)

732 Bibliographische Anzeigen.

in vollstem Sinne ein Mann der Vermittelung. Bibel, rabbiniscbes

Judentbum und Aristoteles sind die Autoritüten, die er mit einander in Einklang zu bringen suchl und die ibm niemals aus den Augen schwinden' wenn er die Mischnah erklärt und wenn er die Discussionen des Thalmud zu einem systematischen Lehr- und Geselzbuche umschalft, vergisst er nie¬

mals die metaphysischen und ethischen Grundsätze der peripatetischen Philo¬

sophie als Grundlage zu seinem Gebäude unterzulegen, und wenn er die

philosophischen BegriiTe entwickeln und popularisiren will, so gedenkt er immer d^ Aussprüche der Schrift und der Rabbinen, die ihm bald als Be¬

lege rür seine Denkresultate dienen, bald sich ibnen anschmiegen müssen.

Daher tritt überall das Slreben in den Vordergrund, die Anforderungen dieser Autoritäten einander zu accommodiren. Die im Leben feststehenden Salzun¬

gen machen sich freilich mit solcher Unverrückbarkeit geltend , dass sie sich nicht wegdemonstriren lassen, wobl aber weiss er die Schärfe thalmud, An¬

forderungen bei Lebensconfliclen abzubiegen, wie er z. B. das Verfahren der damaligen spanischen und nordafrikanischen Gemeinden, sicb äusserlich dem Bekennlnisse des Islam zu fügen, auch thalm. zu rechtfertigen, die verbotene Niederlassung lo Aegypten als zeitweiligen Aufenthalt zu vertheidigen suchl').

Weit entschiedener verfährt er mit thalm. Begründungen, wenn sie seinen philos, Ansichten widerstreben ; behält er auch dann die praktiscben Resultale bei, so schiebt er doch dieseo andere Begründungen unter als die im Thalmud angegebenen, sobald diese in Aoscbauungen wurzeln , die ibm widerstreben, wie Dämoneuglaube , Furcbt vor dem „bösen Blicke", kurz in dem, was er als Aberglauben betrachtet Einer solchen Vermittelung dient ancb sein philosophisches Hauptwerk. Schon dessen Name „Führer der Verirrten"^) weist den Zweck auf, deo er selbst in der Einleit. noch genauer bestimmt mit deo Worten, die wir nacb Munk's Uehersetzung geben wollen (S. 7 f.):

, , . le traite tout entier ... a pour but de donner l'eveil ä rbomme re¬

ligieux cbez lequel Ia verite de notre Loi est etablie dans l'äme et devenue

1) Vgl. über Ersteres mein „Moses ben Maimon" S. 13 ff. und A. 17 S. 50, ferner io seinem Mischoeh 'l'borah, Deotb. 2, 4. 5. 6, 1. Theschubah 3, 9. Issure Biah 13, 2. Sanhedrin 20, 2. Sefer ha-Mizwoth Verb. 294, vgl!

dazu Nachmanides u. deos. zum achten der vorangeschickten 14 Grundsätze' über Letzteres M. h. M. S. 22 f. u. A. 21 ff. S. 51 ff.

2) Dieses Verfahren des Maim. verdient nocb eine genaue ins Detail eingebende Untersuchung, vorläufig vgl. Krocbmal in be-Chaluz III S. 31 u. A.

Plungian in Ben-Poratb (Wilna 1858; S. 44 ff., vgl. ferner Makkhoth 6, 6 mit Maim. Mischn. Th. Sanhedr. 12, 2 u. Karo das., Maim. Comm. zu Sa- bim 2, 2 mit Raschi zu Nasir 9, 4. Ueher die Wiederkunft des Elias vgl.

Melakbim 12, 2, bes. Nasirutb 4, 11 mit Erubin f. 43.

3) Den Titel, über den .Münk eine besondere Note hat, habe ich, soviel ich weiss, zuerst in deutscher Sprache so wiedergegebeo, u. verirrt bedeulel hier eigentlich soviel als : in Unruhe befindlich, in Zwiespalt geratben, in sei¬

nem sichern Vertrauen irre geworden. Raymund Martini nennl das Werk

io pugio fidei, wie auch M. angiebl, unter dem, wie er sagt, bei den Latei- oero üblicbeo Titel : direclor (o. vielmehr direclio) neutroruni, möcbte es aher lieber direclio nutantium nennen (II, 12) u. duclor n. (II, 17), direclio nut.

III, 2, 3, ehenso das. 5, hingegen das. 3, 2: dir, perplexorum, das. 4 wieder:

doctor nut, u. das. 12: director nut.

(12)

Bibliographische Anzeigen. 733

un objet de croyance , qui est parfait dans sa religion et dans ses moeurs, qui a eludie les sciences des philosopbes et en eonnait les divers sujels, et que la raison bumaine a atlire et guide pour le faire entrer sur son domaine. mais qni est embarrasse par le sens e.\lerieur (litteral) de la Loi et par ce qu'il a toujours compris ou qu'on lui'a fait comprendre du sens de ces noms bomonymes. ou metapboriques, ou amphibologiques, de sorte qu'il reste dans l'agilation et dans Ie trouble. 11 se sentira inqniete et oppresse, de sorte qu'il ne cessern d'eprouver des souffrances dans le coeur et un trouble violent. Ce traite a encore un deu.xieme but: c'est celui d'ex- pliquer des allegories tres obscures qu'on rencontre dans les livres des prophetes sans qu'il soit bien clair que ce sont des allegories . . . Si nn homme veritablement instruit les e.\amine, il en resulte egalement pour lui un trouble violent lorsqu'il les prend dans leur sens exterieur; mais quand nous lui aurons e.xplique (le sens de) Tallegorie ou que nous l'aurons avert!

que c'esl une allegoric, il sera mis sur la voie et sauve de ce trouble.

C'est done pour cela que j'ai appele ce traite Dalälat al-'Häyirin (le guide de ceux qui sonl indecis ou egares). — Dem Titel und dem ausgesprochenen Plane entsprichl aucb vollkommen die Ausführung. Die Autorität des Arislo¬

teles, die in Bezug auf die sublunariscben Dinge als unumslösslich anerkannt wird, muss in den himmlischen Dingen, io den eigentlich religiösen Fragen dem feststehenden Glauben weicben. Zwar würde selbsl für die Schöpfung aus Niehls dus wörlliche Verständniss der Bibelstellen nicht maassgebend sein , denn ,,die Pforten der Erklärung (d. b. tendentiöser Umdeutung) siod nicbt geschlossen"; allein der Glaube daran ist zu tief begründet, es hängt mit diesem Glauben der andere an die Wunder, der wiederum nicht erschüt¬

tert werden darf, zu eng zusammen, als dass ein Versuch hier zu transigiren gewagt werden dürfte. Kr findet daher aucb, dass Aristoteles Tür seioe An¬

nahme eines von der Urzeit her ewigen Stofl'es keinen genügenden Beweis habe. Dennocb muss der Wunderglaube wiederum sich möglichst beschränken lassen ; wo nichl das Wubder ganz beseitigt werden kann, wird es mindestens eingeengt, und im Allge'meinen wird es nichl als augenblickliches Eingreifen in die INalurgesetze , sundern als vorherbestimmt, von voro berein mit in die Naturgesetze verwebt und daber notbwendig zu bestimmter Zeit eintretend betrachtet. Bei Vorsehung, Prophezeiung u. dgl. werden die Begriffe in einem gewissen Schwanken zwischen der Erhebung der Menschenkrafl zu der überströmenden, vom höchsten Geiste ausgehenden „wirkenden Vernunfl" uod einer freien Willensäusserung Gottes gehallen ; die mosaischen Gebole wer¬

deo ein Mittel zur Mässiguog der Sinnlichkeit, zu Anleitungen geistige Klarbeit zu erlangen, zu Sinnbildern metaphysischer Gedanken umgestaltet; die sion- licheu Ausdrücke der heil. Schrift als doppeldeutige, welche auch ibren philos. Gehalt habeni aufgefasst, ehenso midraschische Sagen, die zum Theile uuch als individuelle Ansichten ganz beseitigt werden. Kurz, es ist ein Friedenswerk, das sicherlich redlich gemeint und mit allem Aufgebote^ immen¬

ser Geisteskraft unternommen ist, bei dem jedocb beide Theile sich, harten Bedingungeu unterwerfeu müssen.

Dieser Versuch, eine Versöhnung der Gegensatze berbeizurühreo UMiitte in der damaligen Zeit, wo wirklich der Zwiespalt heftig quälte, sehr freadig

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734 Bibliographische Anzeigen.

begrüsst werden, zumal wenn er von einem Manne ausgieng, der ebenso seine philosophische Belesenheit und die Sobarfe seiner Denkkraft in diesem Ver¬

suche bekundete, wie seine tbalmudiscbe Gelehrsamkeit und sein Festhalten am rahhinischen Judenthum anderweitig feststand. Alsbald beeilte sich aurh nicht bloss der allzeit fertige Literat Charisi ,• sondern auch, uod zwar noch vor ibm, Samuel Thibbon das Werk in's Hebräische zu übersetzen. Dieser war, wie wir ibn aus dem an ibn als jungen Mann gerichteten Krmahnungs- schreihen seines Vaters Jehuda, das Steinschneider (Berlin 1852) verölfent¬

licht hat, kennen lernen, ein Mann, der keineswegs mit blosser (ielehrsamkeil befriedigt war und nicht aus gelehrter Lust in die Fusslapfen seines tüchti¬

gen, aber docb bloss mit gelehrtem Fleisse das Uebersetzungswerk betrei¬

benden Vaters gieng. Es musste ihn tief innerlich ergrilfen haben, wenn er, der weniger um die Ansichten Anderer als um die eigenen Bekümmerte, die Liebe zur Rube überwindend, sich der böchst mübsamen Arbeit unterzog, ein solches Werk zu übersetzen ; das Werk nnd sein Vfr. imponirten ihm und rubelten ihn mächlig auf. L'nd er machte sich's nicht leicht. Nicht hloss dass er selbst mit Gründlichkeit sicb in Ged»nkengang und Ausdrucksweise vertiefte, er selzle sich mil dem Vrf. selbst in Verbindung, befragte ihn über den Sinn einzelner Stellen und berieth sicb über die Lebersetzung anderer, und brächte dadurcb ein Werk zu .Stande, dass zwar nicbt in gefalligem Style dahinfliesst, das aber dennoch doreh das volle Einleben in Gedanken und Worte des Originals und die treue Hingahe bei der l'ebertragung dieses vollkommen durchsichtig abspiegelte. Mun leble sich in diese L'ebersetzung hinein, ihre Sprache ward maassgebend für die ganze spätere jüd. philo«.

Literutur und verlor dadurch an Härte und L'nverstandlicbkeit, sie ward selbst zum Originale. L'nd sie verdiente es bei der Zuverlässigkeit , mit der man sich ihr anvertrauen konnle, bei der Objectivität, die sicb dadnrch nocb mehr bewährte, dass Tb., trotz aller Verehrung und Anhänglichkeit sicb dennocb die Freiheit des Geistes, die Selbstständigkeit des eigenen Urtheils bewahrte,

nnd in einzelnen Anmerkungen — die jedoch in unsern Ausgaben fehlen —

seine von der des Vfrs. abweichende Ansichl motivirte Dennoch blieb sie tbatsächlich hloss eine L'ebersetzung, die nicbt nur hie und da schwerfällig und dunkel war, hie nnd da in einem zweideutigen Ausdrucke, hei dem un¬

punctirten Texte verscbiedenen Deutungen Raum gab, sondern uucb, wenn auch nur an wenigen Stellen, bald den Sinn, buld das arab. Wort nicbl ganz adäquat erfassend, bald aucb durch eine unrichtige LA. in seinem Exemplar des Originals irre geleitet — Maim. selbst berichtigt ihm zuweilen solche Irrtbümer, wie M. gleichfalls nach hdschr. in Oxford aufbewahrten Briefen millheill —, manche Slelle ungenau überlrug. Schon der tüchtige Faiaquera widmet obne alle kleinliche Mäkelei nnd mit aller Anerkennung der Verdienste

1) Münk theilt diese Anmerkungen Th.'s ans Handschriften der Lebersetzung mit; dieselben sind theilweise auch bereits von Faiaquera in Vloreh ha-Moreb (S. 16.?. 167. 172) milgelheilt. zum Theile auch von Luzzatto nach einem

Codex in Kherem Chemed VII S. 7.S. In dem handschr. Comm. des Moses

BU« Sulerno (aus dem nueh M. cilirl), den ich in München (cod. 60) gesebn, beiinden sich noch mebre solcher Anmerkungen Th.'s.

(14)

Bihliographische Artseigen. 735

Th.'s einen Abschnitt in seinem Moreh ha - Moreh (S. 148—158) nöthigen Berichtigungen dieser l'eberselzung, die aucb M. — soweit dieselben zu dem nun vorliegenden ersten Theile gehören — entweder mit ausdrücklicher Er¬

wähnung Faiaquera's ') oder auch stillschweigend ') adoptirt. Sind manche die¬

ser Bemerkungen auch von geringem Belange , lässt sich auch eine nnd die andere in Anspruch und Thibbon gegen seine vorgeblichen Berichtiger in Scbutz nehmen'), so zeigt sich darin doch immer die nnsichere Stellung,

welche eine' Uehersetzung gegenüber dem Originale behält. Dazu kamen

Fehler, die sich allmälig in Abscbrirten und Ausgahen der l'ebersetzung ein¬

geschlichen haben und die eine sichere Berichtigung nur durch die Einsieht

1) Ich hebe beispielsweise hier Eines hervor, dass Th. den Ausdruck

^ Spur, Einpräguiig immer ungenau mit JlTBSO giebt, wäbrend

Fal. dafür DIICI verlangt, M. trace, impression setzt, vgl. S. 153 A. 5 u.

diese Zeilscbr. Xll S 692.

2) So übers. Tb. jLjS?.'5(tj (ha Z. 13) Miayrtrt, M. S. 13 überein¬

stimmend mil Fal. (M. ba-M. S. 148) brievete ; f^Joiy (l'a Z. 9) Th.

inaicna, M. S. 40 mit F. (das. S. 149) sa nature primitive; jjwLaJ!

(nVh vorl. Z.) Th. mpBnDn«, M. S. 122 mit F. (das. das.) la confusion;

^,^1 (oVb Z. 8) Th. ■S.'W (er las wobl <Jd}\) ^ M. S. 124 mit F.

(das. S. 150) a longuement decrit, '^i.a ci«i^' (tÖ a Z. 19), Th. nn^3(l Dmtt, M. S. 148 mit F. (das. das.) les avait ahandonnes, j^LI (3 a Z. 2), Tb. b"'nna, M. S. 157 (vgl. S. IIO A. 4 u. S. 303 A. 3) mit F. (das. das.)

se bäterail, ^rV^ M (N'p b Z. 5), Th. nön -»aNi, M. S. 397 mit

F. (das. 153) je voudrais savoir.

3) Vgl. z. B. Münk S. 80 A. 1, S. 249 A. 4, S. 279 A. 1. So über-

»

setzt auch T. g*»*^' (^^ •> Z. 12) sowohl dem arab. Sprachgebrauche (wie bereils Delitzsch bemerkt, Orient 1840 Lbl. 17 S. 259) als auch dem Sinne nach, ganz richlig Tib in"ia IDtü (wie Fal. a. a. S. 149, Caspi u. Cres- eas lesen); es isl damit der Widersprucb. welchen die Frage hervorheben soll, recbt scharf ausgedrückt: Die Bestrafung Adam's nach seinem l'ehertre- ten des göttlicben Gebotes, die darin bestanden, dass er an Erkenntniss zu¬

genommen, sei gerade, wie wenn Einer sage, dass Jemand, nacbdem er grosse

Verbrechen begangen, zum Schlimmen umgewandelt und — zum Stern am

Himmel gemachl worden sei. Fal. hat daher nicbt Recbt, wenn er das y^b für überflüssig erklärt, und nocb verkehrter ist es, wenn spätere Ahschreiher

u. die Ausgahen es in ^iQb verwandelt haben. M. folgt hier S. 38 mit

Unrecht Fal. u. ühersetzt bloss transforme. Auch das vorausgehende JLs u< presst M. zu sehr, indem er es übersetzt: comme l'assertion de ceux qui ont dit, und in einer Anmerkung wirklich^ eine Mythe aufsucht, die eine solche Behauptung aufstellt ; es heisst vielmelir ganz einfach ; wie wenn Je¬

mand sagte (wie der Ausspruch irgend Eines, welcber sagt, nicbt IjJLä ^i.\Jt).

(15)

736 Bibliographische Ameigen,

in das Original finden konnten, und die späteren Ausgaben zeichnen sich wieder, wie bei den meislen jüd. Schririen, durch fncorreclbeit aus ').

Dennocb blieh das Werk auch in dieser Gestalt von seinem Erscheinen an bis zur Gegenwart Grundlage, wenigslens Anregung für die philosophi¬

schen Slndien unler den Juden; nichl bloss die Denker des Miltelalters ha¬

hen an ihm sich emporgearbeitet, sondern auch den Neueren, einem Spinoza Mendelssohn, Salomon Maimon, Bendavid u. A. war es der erste ,, Führer"

wenn es sie vielleicht aucb weniger aus der Irre des Zweifels heraus, viel¬

mehr zunächst sie hineinführte und sie sich diesem dann auf andere Weise entwanden. Das ganze jüdisch-philosophische .Mittelalter lehnte sich an dieses Werk und arbeitete entweder ausdrücklich Commentare dazu aus oder ent¬

wickelte seinen Inhalt in selbstsländigen Büchern. Vieles Tücblige wurde auf diese Weise zum Versländnisse dieses Werkes geliefert; allein wenn auch mehre dieser Comm. auf die Quellenschriften, die griech. und arab Philosophen, zurückgingen, so benülzten sie diese doch meistens bloss nach ungenauen hebr. Cebersetzungen , und mancher Begriff blieb ibnen unklar.

Man erinnere sicb uur an die ganz vage Auffassung der ,,Medabberim" ! Die Wenigen, weicbe wenigstens des Arabischen kundig waren, wie der mebr- genannle Schemtob Faiaquera, begnügten sicb meist mit Collectaneen, und ibre Werke blieben unhekannt. Dazu kam nocb ein anderer l'ebelstand der

gerade durch die Bedeutung des Werkes noch erhöht wurde. Fehlte es

überhaupt dem Mittelalter an Objectivität der Auffassung u. kritischem Blicke so wollte namentlich ein Jeder in Maimonides' Worten seine eigne Ansichl

lesen und suchte sie dahin umzudeuten, mehr darum besorgt, in Maim.

eine Stütze zu finden oder dessen Rechtgläubigkeit zu retten, als unbefangen die Ansicht des Verfassers wiederzugehen, bis dann endlicb gar Salomon Maimon den Kantianismus in ibn hineinzuschmuggeln versnebte. — Und nicht bloss auf die jüdischen Kreise blieb das Werk uud sein Einfiuss beschränkt, Moslems und Chrislen benützten es gleichfalls. Der Perser Thebrisi com¬

mentirte die 25 A.viomata, welche im zweiten Tbeile vorangestellt werden, die Scholastiker halten bereits eine lat. Uebers. vor sicb, wonach sie dessen

1) M. macht auf die meisten dieser Schreib- und Druckfehler aufmerk¬

sam, übergeht aber anch andere und begnügt sicb damit, richtig zu über¬

setzen, was aber hei der Verbreitung der Tb.'sehen l'ebersetzung nicht hin¬

reicht; so nicht bloss bei leicbt zu erralhenden Fehlern, wie wenn für

(n b vorl. Zeile) ^.s»!gedruckt ist inH 'T^ia st. In«, für (ölb a

Z. 17) L>Ls>-'2(| Ö^nnttn st. Ö^initd oder wenn ein den Sinn nicht alteri- rendes, wenn auch unpassendes Wort eingeschoben ist, wie f^s,^ zwischen

J-ö n. (js (, y„pi_ 2.) u. dgl., sondern auch wo der Sinn dadurch

unkenntlich wird. So heisst es z. B. im Originale T a Z. 17 ^'>t&n j.^!)^, das heisst, wie M. richtig S. 19 wiedergiebt: les paroles exterieures des Proverbes (de Salomon); in den Ausgg. der Th.'schen Uehersetzung lesen wir aber än^blDO> ihre Gleichnisse, als beziehe es sich auf bihl. Gleich¬

nisse der Propheten im Allg. ünd nicht speciell auf das Buch der Sprüche;

diesen Fehler liest man auch in pugio fidei II, 12, doch richtig in der Uebers. : in superficie proverbiorum Salomonis.

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Bihliographische Anzeigen, 737

Aussprüche in ihre Discussionen anrnahmen. Andere Iat. l'ehersetzungen folgten , von denen die Bnxtorf'sche die verbreitetste wurde. Allein immer mehr musste sich den historischen Forschern auf dem Gebiete der Philoso¬

phie, welcben das Werk des Maim. nicbt bloss an sich, sondern bei der ün¬

zugänglichkeit älterer arab. pbilos. Werke ancb als historische Quellenschrift bedeutend war, die l'eberzeugung aufdrängen, wie ungenügend namentlich die letztere l'ebersetzung ist, und nicbt minder begann unter den Juden, je mehr

■ie aus der Enge hloss rabbinischer Studien in die weiteren Gehiete des Wissens eintraten, das Bedürfniss reicherer Hülfsmiltel zum richtigeren Ver¬

ständnisse dieses Werkes sich fühlbar zu machen.

Das letzte Vierteljahrhnndert , in welchem eine neue jüdische Wissen¬

schaft zu schaffen begonnen wurde, hal dieser Aufgabe viele Aufmerksamkeit zugewendet. Viele hisher ungedruckle Schriften älterer tüchtiger Erklärer, Caspi, Narboni, Abarbanel, vor Allem der Moreh ha-Moreb des Schemtob Faiaquera traten aus ibrem Dunkel bervor, die l'ehersetzung Charisi's ward wieder aufgefunden, ihre Veröffentlicbung begonnen Cjedocb wieder einge¬

stellt), Fürstenthal begann, jedoch noch spärlich von dem neueren wissen¬

schaftlichen Geiste angebaucht, eine deutsche l'eberselzung des Werkes nehst hegleitendem Commentare, von der der erste Theil erscbien, Scheyer lieferte den dritten Theil in deutscher Uebersetzung mit ausfiihrlichen Anmerkungen unter Benutzung des arabischen Originals und veröffentlichte sonst nocb manche eingehende Untersuchung über das Werk, und Derenburg lieferte treffliche literarhistorische Beleuchtungen. Allein hier zeigte sich schon der Einfluss Munk's, der bereits im J. 183S mit dem Plane umgieng, das ganze Werk nach dem arnb. Originale gemäss den wissenschaftlichen Anfordernngen der Gegenwart herauszugeben (vgl. wiss. Zeitsehr. f. jüd. Theol. I, S. 131).

Die Bibliotheken zu Paris und Oxford henutzte er persönlich zu diesem Zwecke, die Leydener Bibliothek spendete ibm ihre Schätze mit ihrer ge¬

wohnten Liberalität, und so gab er im Laufe dieser Zeit gelegentlich bald einzelne Stücke der Arbeit, bald darauf Bezug habende Untersuchungen, bis ihn denn nun die Hochherzigkeit der Familie Rothschild in den Sland setzte, an die volle Herausgabe des Werkes zu schreiten. Die Genauigkeit, mit der das arah. Orignal nach acht Handschriften nunmehr vorliegt, die umfas¬

sende Benutzung gedruckter und handschr. Hülfsmittel, das gründlichste Zu¬

rückgehn auf arab. u. griech. Quellenschriften zeichnen diese Ausgabe aus;

ein jeder Blick in dieselbe bestätigt in dem günstigen Vorurtheil, welcbes andere Arbeiten Munk's bereits in uns erweckten, und ich hahe in dem vor¬

geschickten historischen Referate oft genug Gelegenheit gehahl, dafür Belege beizubringen.

Thibhon's Uebersetzung wird immerhin ihre Sanction hehalten , glücklich mit dem Originale rivalisiren , Munk's l'ebersetzung wird ibr würdig zur Seite stehn, sie wird, nebst ibren den Text feststellenden und erklärenden, wie den Inhalt erläuternden Anmerkungen dem, welcher den ,, .Moreh" wis¬

senschaftlich erfassen will, unentbehrlich sein. Haffen wir nur, dass es dem geistvollen und geistesstarken Manne möglicb werde, das ganze Werk in gleicher Weise zu vollenden und durch die versprochenen Prolegomena zu krönen ! Die Regiernng hat endlich seioem Slreben die Anerkennung wider-

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738 Bibliographische Anzeigen,

fghren lassen dnrcb die Pecoration der Ehrenlegion, die jüdischen Gemeindi Frankreichs durch die Wahl in's Central-Consistorium ; die Wissenschafl d

Akademie, wird sicherlich nichl hinler Slaat und Kirche zurückbleiben.

Breslau, 21. Sept. 1858.

Melanges de pbilosophie juive et arabe par S. Münk, memhre de l'In¬

stitut. D euziime livraison, renfermant la suite du Memoire sur

la vie, les ecrits et la philosophie d'Ibn Gebirol; des Notices sur

les principaux philosophes arabes et leurs doctrines, et une Es¬

quisse historique de la philosophie chez les Juifs. Paris 18S9

VIII und von 233-536 S 8.

Wir begrüssen in dieser zweiten Lieferung die Vollendung eines vorlreff- lichen Werkes. Während die erste Lieferung die Auszüge aus Gebirol's ,, Le¬

bensquell" hol, nach der behr. [lebersetzung Faiaquera's mit französischer Uebertragung und Anmerkungen , die uamentlich der alteo vollständigen latei¬

nischen Uebersetzung entnommen wareu , eioe Abhandluug über Gebirol und leine Scbriflen und eine aystematische Darlegung der im „Lebensquell" vor¬

getragenen pbilos. Ansichten (vgl. ohen S. 722 fr.), Tührt diese Lieferung iu Cap. 3 in die Quelleo nin, aus welchen Geb. seine Lehren schöpite (— S. 2(>1).

Scbon frUher hatte M. auf die Uebereinstimniung Geb.'s mit den JNeuplatonikern, namentlich Plotin und Proklus, kurz hingewiesen, was unterdessen Dr. Joel genauer nachgewiesen. M. belegt nun, dass Geb. nicht unmittelbar den Schrif¬

ten dieser Neuplatoniker entlebnt hnben könne, da dieselben nie arabisch über¬

setzt waren , vielmehr apokryphen Schriften, welche von neuplatoniscben Ideen errüllt wareo. So legte man dem Empedokles und Pythagoras derartige Schrif¬

ten bei, ja man batte sogar unter dem Namen des Aristoteles eine tbeologia, die denselben vollstäodig zum Neuplatoniker macbte. Dieses Buch mag wohl griechisch nicbt mehr vorhanden sein, aher es lag in dieser Ursprache nocb dem Thomas d'Aquino im 13. Jahrhundert vor; die arab. Uebersetzung hat sich erhalten und befindet sich iu Paris hdschr., war in Damaskus (aber nach einem abweichenden Exemplare) im 16. Jahrh. aufgefunden, danach durcb einen jüdischen Arzt in Cypern, Moses b. Josef Arovas, ins Italienische (auch in's Hebräiache), nach dieser ital. Uehersetzung endlich in's Lateiniscbe Uber¬

tragen worden, und als „eines der wiebtigsten Werke und seinem Lehrinhalte nach mit dem evangelischen Glauhen übereinstimmend", wurde diese lat.

Uebers. Leo X. überreicht und in Rom 1519 gedruckt. Solcben Werken

verdaokt Geh. seine Kenntniss des Neuplatonismus, den er vollständig in sich aufnahm, in dem er jedocb die Lehre vom ,, göttlichen Willen" nachdrücklich betonte. Diese Lehre , über die er ein eignes Buch versnrach , verdient als der Angelpunkt seiner eigentbümlicben Ansicht, noch eine näbere Beleuchtung.

Die Einwirkung der Lehren Geb.'s auf die spätere Zeit bildet deu Gegeo¬

staod der folgenden Abhandlung (— S. 309). Geb.'s Buch und Lehre wurde durch den ächten , wenn auch neuplatonisch inficirteu Aristotelismus bei Ara¬

bern ood Judeo in Spanien verdrängt, so dasa jene ihn gar nicht kennen nnd

(18)

Bihliographische Anzeigen. 739

nennen, diese in der ersten Zeit spärlich und meist polemisch seiner gedenken, bis aueb nnter ibnen sein Name als Philosoph verschwindet und erst wieder in unkenntlicher Gestalt aus den lateinischen Scholastikern auftaucht und bloss bei Einigen noch das Bcwusstsein vorhanden ist, dass er dem Judenthume an¬

gehört '). Als Avencebrol, gewöhnlicher Avicehron, auch Avicembron oder gar Albenzubron und ähnlich, erscheint er nämlich bei Albert dem Grossen, Thomas von Aquino, Duns Scotus und Spätern, von denen die beiden ersteren ihn bekämpfen, letzterer sich ibm anschliesst ; auf solche VVeise ist sein Stre¬

ben rür die philosophische Entwickelung fruchtbar geblieben, wenn aucb, viel¬

leicht auch gerade »eil schon jene alten Scholastiker Nichts von der confes¬

sionellen Stellung ihres Avicehron und seiner Identität mit dem berühmten hebräischen Dichter Gehirol wussten. So blieh er eine räthselhafte Persoo, bis ihm Münk Glauben und volle schriftstellerische Anerkennung zurückgab.

Der weitere Inhalt dieser Lieferung ist allerdings bloss eine Zusammen¬

stellung von Arheiten des Vfrs. , welche bereits in den vierziger Jabren , und zwar zumeist in dera dictionnaire des seiences philosophiques , veröffentlicht worden ; doch erscheinen sie hier im Zusammenhange in ihrer selbstsländigen Bedeutuug, und sind sie nicbt obne mannigfache Verbesserungen geblieben, die wir noch in erweitertem Maasse finden würden , w enn sicb nicht das geistige Auge des Vfrs. fremder leiblicher Augen bedienen müsste. Den bedeutendslen Theil bildet die Abhandlung über die vorzüglichsten arnbischeo Philosophen

und deren Lehren (— Nacb einer übersichtlichen geschichtlichen Ein¬

leitung werden im Einzelnen besprochen: .Al-Kindi (sehr dürftig und durch Flügel's Abhandlung sehr zu erweitern\ Al-Farahi, Ibn-Sina, Al-Qazali'l, Ihn- B.idja, Thn-TofaVl nnd Ihn-Roschd »), Alles mit jenem Eingehn anf das We-

1) Auch Juda Abarbanel nennt ihn (S. 304 A. 2) il nostro Albenzubron.

2) Von Al-Gasali's SCsa-^AJI AoLÜ/« hat Steinschneider (vgl. hebr.

Bibliographie S. 19 ff.) das arab Original mit bebr. Ch.irakteren in einem Ox¬

forder Codex entdeckt, »ährend Münk bloss von der bebr. Uebersetzung weiss CS. 335 und 369). Das Oxforder Exemplar trägt den falschen Titel : fitt^y DIBjbN, ^ .«^äiit üLSj, gerade wie auch ein Codex der hehr. Uebersetzung

statt des gewöhnlichen Titels Q-D1Dlb''Bn msiS den rmafl 7ipn trägt

(Mittbeilung Oerenburg's) , während Albning selbst, der bebr. Uebersetzer, seiner mit eignen Elementen durchwehten Uebersetzung eigentlich den Titel

n7Sl!l beilegte (vgl. dessen Vorwort in he-Chaluz IV S. 94).

3) Von dem ältern Ihn-Roschd, dem Grossvater des Philosophen, erwähnt M. S. 418, dass er ein einflussreicher Staatsmann und Richter gewesen und eine Sammlung seiner ,, consultations juridiques" sicb in Paris befindet. Aus dem S. 517 in Original und 428 in Uebersetzung mitgetheilten Epigramme geht hervor , dass der Grossvatcr im Gegensatze zu dem freisinnigen Enkel zugleich als orthodoxer Lehrer anerkannt wurde. Darüber bietet .Simon b.

Zemach Duran nähere Nachricht. Dieser trefTlicbe Gelehrte hat nämlich um 1423 ein philosophisches Werk, Magen .Abotb (Schild der Väter), zur Ver¬

theidigung des Judantbiims geschrieben, das im zweiten Theile eine Kritik des Christentbums und des Tslam enthält; dieser Abschnitt wurde nun zwar bei dem Abdrucke des Werkes (s. a. & 1., aber Livorno um 1770) weggelassen,

loch war schon die Kritik des Christenthums in einer Sammlung Milchemeth chobah (Constant. 1710), erschienen, diese zugleich mit der des Islam und

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740 Bibliographische Anzeigen.

sentlicbe nnd in der klaren Darstellung, die man an dem Vf. gewohnt isl.

Daranf folgt (— 511) eine geschichtliche Skizze über die Philosophie unter den Juden, die auch gegen ihre frühere Gestalt eiozelne Erweiterungen ge¬

funden hat, nnd zwar ausser der kurzen Besprechung des Abraham b. David (S. 485 f.) nnd der Erwähnung des Isaak Albalag (S. 497), die kurze Dar¬

legung der Kabbalah (S. 490 ff.), die freilich nach dem populären Erforderniss seines Buches : la Palestine , aos dem sie M. berübergenommen , wenig ein¬

gehend ist, 'aber ergänzt wird durch das was der Vfr. früher in Belreff der¬

selben nnd des Sohar sagt im Znsammenhange mit Gebirol (S. 275 ff.), der zwar nicht nnmittelbar auf sie einwirkt, aber doch die philosophischen Ele¬

mente, welche sie erzeugt hahen, aufzuweisen geeignet ist. Dass diese Skizze bedeatend erweitert worden wäre , wenn der Vfr. seine eignen Studien in früherer Selbstständigkeit hätte fortsetzen und die Anderer hätte benutzen können'), dasa neue Namen, deren Bedeulung ersl uoter^esseo erkannt wor¬

den , wie der des Joseph b. Zaddik , Levi b. Abraham h. Chajim u. A. , daon hinzugefügt worden wären, ist natürlich ; doch wird dieser geschichlliche Ueber¬

blick auch so nocb lange der beste Leitfaden in diesem Gebiete verbleiben.

Ein Anhang giebt ausser Zusätzen nnd Berichtigungen, sowie einigen arab.

Texten, noch einen kurzen Artikel über den arab. Mathematiker Alpetragius und eioen andern üher Leo Hebräns (Juda Abarbanel), dem auch sein wesent¬

liches Verdienst bleiht, weno auch eiozeloe oeuere Mittheiluogen') übersehen sind.

Breslau, 29. April 1859. Geiger.

Doch Aoderem a. d. T. : Kescheth u-magen (s. a. & I., aber wohl gleichfalls Livorno), erschien als Ergänzung zu Magen aboth. Hier wird 'in der Krilik des Islam nun häußg der künstlichen Vertheidignngsversucbe gedacht, welche der „Richter Ihn-Roschd, der Grossvater des Philosophen Ibn-Boschd, des Er¬

klärers der Werke Arist." unternommen , bald um die innern Widerspruche im Koran, bald um dessen sinnliche, den philosophischen Begriffen wider¬

sprechende Aussprüche zu rechtfertigen. Diese sonst unbekannlen Ueberresle verdienen daher besondere Beachtung.

1) So ist z. B. die kleine polemische Schrift des Moses Narboni über den freien Willen, welche S. 502 A. 1 erwähnt wird» im J. 1849 in der Sammlung „Dibre Chakhamim", welche Mnnk selbst mit einer hebr. Vorrede begleitet hat, S. 37—41 gedruckt worden (wo die biographisch wichtigen Worle :

"ItTVOB 0*^0 D"'U5in IbboaS nam jedoch fehlen), und es geht daraus hervor, dass diese Schrifl gegen den znm Chrislenthum nhergetretenen Abner aas Bnrgos, der sicb daoo ala .Alfoos voo Valladolid bekanot gemachl, ge¬

richtet war, vgl. noter Josepb b. Schemtob S. 509 A. uod meine Proben jüd.

Vertbeidignng gegen ehristl. Angriffe im Mitteklter in dem Breslauer'schen Jabrbnche 1851 S. 46 ff. — Auch Joseph's b. Schemtob Commentar zu Pro- lat Dürens Brief (S. 508 A.) ist mit einigen andera Stücken der 'alten Aua¬

gabe unter dem Titel: Kobez Wikknchim (s. a. & l., aber Breslau 1845;

oea erschieoeo.

2} Seioea Sohoea Juda gedeokt ooch 1506, also 4 Jahre oach Abfassung der dialoghi, mit liebendster Anerkennung , Isaak Ab. in den Antworlen an Saul ba-Koheo, was er natiirlicb nicht gethan habeo würde, weon Juda elwa den Glanben der Väter verlassen hätte. Die dialoghi wnrden über bekannt¬

lich «rat 1535 nach dem Tode Juda's gedruckl, und so war es leicbl, acbien aueh vielleieht gerathen , eine dem Sinne des Vfrs. ganz fremde Bemerkung eioznachiebMi, — In Ozar nechmad II. S. 58 weist Carmoly ooch drei hebr.

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Bibliographische Anteigen. 741

Hebräische Zeitschriften.

^TStlS 12£1N. Ozar nechmnd... Herausgegelieo von Ign az ö [um e n Te I d.

DriUer Jahrgang. Wien I860. Knöpflniacher. 188 S. 8.

In den drei Jahren , welche zwischen dem Erscbeinen des vorhergehea¬

den (vgl. Bd. XI dies. Zischr. S. 574) und dem dieses Jahrganges liegen, scheint sich die Kichlung in dem Kreise der Mitarbeiter mehr von den For¬

schungen iiher die mittelalterliche Literatur zurückgezogen und deneo über biblische und Ibalmudiscbe Kritik zugewandt zu babeo. Die Bibel belreffeod leseo wir hier (S. 15 If.) von Luzzatto eioe Eioleituog zu Koheleth, die er 1821 geschriehen und nun veröffentlicht, wenn er auch nicht mehr mil alleo dario vorgetragenen Ansichteo übereinslimml, um zu zeigen, dass er von Jugend auf, ohoe noch mit den oeuereo deutscbeo Forschuogeo bekaont zu sCo, uod auch jelzt noch bei uobefangeoer Prüfung von ihnen abweichend, dennoch immer die freie Kritik gepflegt habe und noch pflege. In der Thal flnden wir in dieser Einl. — den Commeotar selbst scbeint der Herausgeber zurückgelassen zn baben — die Kritik nicht bloss mit Freibeil geübt, son¬

dero auch zuweileo io's Ahenleuerlicbe ausschweifen. INach der Sprache, dem Colorile uod den Anschauungen des Buches wird dasselbe drm Salomo abgesprochen und io die erste Zeil des zweiteo Tempels versetzt; soweit folgt mao dem Vfr. geroe. Weiler jedoch wird die Vermulhuog aufgestellt, der Abfasser des Buches hahe wirklich „Kobeleth" geheisseo, er habe aber geradezu den Namen Salomo's stalt des seinigen gesetzt, die Weisen seioer Zeit DUO, um solchem Misshrauche zu begeguen und zugleich deo Usurpator alteo Ruhmes dem verdienten Spotte preiszugeben , hätlen deo Namen des weisen Königs gestrichen und den Namen, des wirklicheu Vfrs. , „Koheleth'*, an die Slelle gesetzt, die beigelegten Tilel aber, wie: Sobn David's, König in Jerusalem" (1, 1), oder „ich war König über Israel in Jerusalem" (1, 12) n. dgl., liessen sie mit Absicht steho , am die betrügerische Aomassoog des wohlbekanateo „Koheleih" zu brandmarken. So habe der Vfr. ferner am Schlüsse (12, 8) geschrieben: Eilelkeil der Eitelkeiten, sagt „der weise König" QSrin ']ban, als bälteo Dies Abschreiber zum Lobe des aogebli- cheo Vfrs. Salomo biozugerdgl, die Zeitgenossen jedocb setzteo wieder deo richtigeo Nameo „Kobeleth'', liesseo aber deo Artikel dabei steho (rbnpn), um deo beabsichtigten Betrug aozudeuteo. Ja ein Mal legte, wie Luzz. meint, der Vfr. „Koheleih" seinen Spruch, weil er das Jiarle Urtheil über die Frauen aussprach, gar der Balb-Seba, der Matter Salomo's, unter, uod wiederum setzteo die Zeitgeoosseo daHir deo Nameo des Schreibers, nur dass sie mit Ironie das vorausgehende Femininum liessen : ribnp n^QN (7, 27) I Ansser

Gedichte Juda's nach , die zu deo Werkeo seioes Vaters gedrackl siod , eio aoderes höchsl ioteressaoles , das bisher uobekaoot war uod seio Gesobick be¬

klagt, ist das, S. 70 ff. abgedruckt, und ein Werk von ibm de coeli harmonia habe icb das. S. 224 f. aua der Mittbeiloog des Amatus Lusilanus n«ch^- wiesen. Dies zur Ergänzung von S. 528 Anm. 1.

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74'i Bibliographische Anzeigen.

bäufigen Abweichungen von der gegenwärligen Punctation u,..iju Luzz. im Commeutar auch Aenderungen in deu Consonanten vor, von dem Uesichls- puoltle ausgehend, dass theils das Bucb, als keiner grossen Beachlung sich erl'rencnd, nachlässiger in den Abscbriften behandelt wurde , Iheils aber aucb absichtliche Correeturen erfuhr, um die darin befindlicben sinnlichen irrigen Lehren zu berichtigen. Von diesen Conjecturen Luzz.'s erfahren wir nichts iNäberes, da der Commenlar selbst febll, wohl aber lernen wir eine noch weiler gehende Vermuthung kennen , dass nämlich die Worte „und wisse, dass Uber alles Dieses dicb Gott ins Gericht bringen wird" (11, 9), ferner

„und gedenke deines Schöpfers in den Tagen deiner Jugend" (12, 1), wie

„und der Geisl kehrt zu Gotl zurück, der ihn gegeben" (12, 7), spätere Zu¬

sätze sind, um die nackte Aufforderung zum Genüsse, so lange man nocb genussfäbig sei, zu mildern. An diese der ßeacliluog werlhe Conjectur knüpft sicb jedocb die weitere, höchst seltsame Hypothese, dass die 19 Worte, weicbe bier in Koheleth später binzugefügt worden, sich als Tradition er¬

halten hätten in der Behauptung, es gäbe 18 Thikkun Sofrim (dietbber eigentlich 19 Worle beträfen), nur habe man im Laufe der Zeit vergessen, wo diese Berichtigungen vorgenommen wurden und habe eine ganz falsche

Zusammenstellung versucbt! — Diese Mischung von gesunder Kritik und

phantastischer Abenteuerlichkeit, die im jungen Luzz. vor 39 Jubren gnhrte, hat sich gewiss im ältern Luzz. abgeklärt; allein wozu uns eine unreife Jugendarbeit präsentiren, wenn man Heiteres und Besseres geben kunn?

Sorgsamer sind die andern hier milgelheillen Arbeiten Luzz.'s, einige Ge¬

dichte Juda ha-Levi's und Moses' ben Esra mit Erklärung (S. 41 S.), kurze

Bemerkungeu über die ricblige Punctation des Tbargum aus dem J. 1834

(S. 100 H'.), der Nachweis, dass der Massoretb Jacob ben Cbajim aus dem Judeolhume ausgeschieden (S. 112 H'. , vgl. Steinschneider in dieser Ztsebr.

Bd. Xll S. 172). Eine höchst interessante Gabe sind die Briefe, weicbe der Pastor Uoger zu Herrenlauerscbilz in Schlesien mit dem Arzt und Habbiner Moses Cbajim Cantarioi (meha-Chasanim; in den Jahren 1717—19 wechselte (S. 128 fi.) ; die meislen neuen Daten daraus sind zwar zum grössten Tbeile bereits in die spätero Bände von Wolfs bibliolheca hebraea übergegaogeo, docb lernen wir aus diesen Briefen deo wisseoschaftlicheo Eifer Unger's noch genauer kennen uod hcchscbälzen

Herr ür. Jacob Levy liefert (S. 168 ff.) unter Anderem eine ueue Hypothese üher das Bucb Eslher, die bei den bisherigen ungenügenden Versuchen , dessen historischeo Hiotergrund aufzufinden, Beachtung verdienl.

Er glaubt, es seien hier uuter anderem Namen die Verfolgungen der Juden ' ooter Plolemäus Philopator dargestellt, die das s. g. 3. Buch der Makkabäer in sagenhafter Ausschmückung schildere, der Schauplatz, Aegyplen, werde in Estber nach Persien verlegt, Abasverus sei Ptolemäus Philopalor, Mordechai, der Jude, der den König voo eioem listieeo Mordunschlage gerettet, sei I)o-

1) Die mitgetheilten Briefe erschöpfen übrigens nicbt die gaoze Corre¬

spondenz zwischen diesen heiden Gelehrten, und wir lesen hei Wolf manche darans entlehnte Notiz (vgl. z. B. unlen über den Commenlar zu Onkelos), die man in den hier gedrucklen Briefen vergebeos sucht.

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Bibliographische Anzeigen. 743

silbeos, der dasselbe nach 3. Makk. 1. 3 gethan, Haman sei — mit leichler Verwechselung — Hermon, der sich zum Werkzeuge der blutdürstigen Plane des Ptolemäers gemacht, der Küuig aber verschlief seine Grausamkeit nnd war erbittert über Hermon — Haman —, den er als den Anstifter solchen Greuels betrachtete; die Juden feierten nuu ein Freudenfest und tödteten die Feinde, welche trotz der Umwandlung ia des Königs Absichten sich von ihrem bösartigen Vorhaben nicht abbringen lassen wolllen. Diese Hypothese wird noch weiler ins Einzelne scharfsinnig durchgerührt, und regt Punkte an, die bisber weniger in's Auge gefasst wordeo. Auch an sonstigen gele¬

gentlichen guten Winken fehlt es nicht. Dahin gebort besonders die Berich¬

ligung des nftai Rulh 4, 5 in r» 04 mit Verweisung auf V, 10. Wir

haben hier olfenbar wieder eine tendentiöse Textänderuag vor uns. Nacb der richtigen Emendalion Hrn. L.'s sagt nämlich Boas zu dem nähern Ver¬

wandten des Eliinelechschen Hauses: am Tage da du dir das Feld erwirbst aus der Hand Noomi's, hast du dir auch Rulh, die Moabiteriu, das Weib

des Todten, erworben, um den Namen des Todlen auf seinem Erbe zu

erhallen. Hierin prägt sich die alle Anschauung der Leviratsehe aus, welche

— im Gegensalze zur späleren Auffassung — nicht bloss der Bruder des

Verstorbeneo zu vollziehen berufen war, soodern wonach aucb der entl'erntere Verwandte mit dem Ankaufe des Slammgules die kinderlose Wittwe erwarb.

Als der Ungenannte nun das Stammgui anzukaufen sich weigert, tbut es Boas uod spricht dann: ihr seid Zeugeo heute, dass ich Alles erworbeo, was Eli- melech uod Alles, was .Vlachloo und Khiljon gehörte, aus der Hand Noomi's, und auch Ruth, die Moabiteriu, das Weib .Macblon's, habe icb mir zum Weihe erworben, um den Namen etc. , d. b. mit dem Erwerbe des Stammgebietes habe icb zugleich Rulh erworben. Hier liegt jedocb die Zusammengehörigkeit des Erwerbes nicht so deutlich in den Worten, und es konnten beide Haod- lungen als getrennte Thatsachen betrachtet werden ; dennoch glauben einige Uebersetzer einem Missversländnisse , als welches sie es von ihrem Stand¬

punkte aus beiracbleteo , vorbeugeo zu müsseo, und so übersetzt die Vulg.

das erste TfSp (V. 9) mit possederiio, das zweite (V. 10) mit (io cooju- giom rdr ntBNb "'b) sumpserim, der Syrer gar begoügl sicb nicht dag

< r» voo V. 9 io V. 10 zu vermeideo, soodero er gestallet deo ganzeo V. 10 zu einer Anrede an Ruth, gewissermassen zu einer Trauungsformel um :

UAj) ca!^ i.a2A=^ ^niStp Z£>j] )AAa)aio Zai^i •.as^o . Wenn

nun schon V. 10 Eioigen oicht ohoe alles Bedenken zo sein scbieo, so mnsste der V. 5 um so aostössiger sein, io dem der Erwerh des Weibes als eioe gelbstvergtändlicbe Polge vom Erwerbe des Feldes ausdrücklich bezeichnet wurde; die Aenderung des nM biia rttai wurde daher scbon frühzeitig vor¬

geoommeo, aber noch schwankte man darin. Schoo die 70 leseo: xai nafä 'PetJ^ etc., aber sie fügeo hiozu: xai avxrjv xrriaao&ai at Sei; derSyr. o.

Vulg. bleibeo bei der richtigeo LA., aber verwandeln mit deo 70 dag Prät.

r^Sp — das Aodere, wie das Khetbib, als erste Persoo lesen wollten, '*r^3p, um es aucb daoo auf Boas zu beziehen, wenn seihst der näbere Verwandte

das Stammgut erwirbt — in einen Imperativ: i i « p ,,.«^0^)0^ Rulh

4 8.

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