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Noten als Prädiktoren des Berufserfolgs ehemaliger Gymnasiastinnen und Gymnasiasten

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Academic year: 2022

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Noten als Prädiktoren des Berufserfolgs ehemaliger Gymnasiastinnen und Gymnasi-

asten

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

(Dr.rer.pol)

vorgelegt von

Benedikt Andreas Gasser

an der

Universität Konstanz

Sektion Politik – Recht - Wirtschaft Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-0-283717

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Tag der mündlichen Prüfung: 25. Juli 2014

Referent: Prof. Dr. Stephan Schumann

Referent: PD Dr. Klaus Birkelbach

Referent: Prof. Dr. Thomas Deissinger

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Dans la vie, il n'y a pas des solutions. Il n'y a que des forces en marche: il faut les créer et les solutions suivent.

Antoine de Saint-Exupéry

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Abstract

Im Rahmen dieser Untersuchung wurde der Zusammenhang zwischen gymnasialen Noten und unterschiedlichen Zielvariablen des Berufserfolges untersucht. Noten weisen insbesondere in den verfügbaren Metaanalysen des angloamerikanischen Raumes einen statistisch signifikan- ten, jedoch nicht als hoch einzustufenden Zusammenhang mit dem Berufserfolg auf. Für den deutschen Sprachraum blieb diese Fragestellung weitgehend unbeantwortet. Anhand des um- fangreichen Datenmaterials des Kölner Gymnasiastenpanels (KGP), einer als hochselektiv zu taxierenden Stichprobe von ehemaligen Gymnasiasten, wurden die Noten des 10. Schuljahres (1969) bezüglich ihrer prognostischen Validität für den Berufserfolg operationalisiert in Form des Berufsprestiges, des Einkommens und der Arbeitszufriedenheit mit 30, 43 und 56 Lebens- jahren analysiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Note ein guter Prädiktor für das Berufsprestige, nicht aber so sehr für das Einkommen darstellt. Im Gegensatz zur Intelligenz, welche einen komparativen Vorteil bei der Prädiktion des Einkommens aufweist. Die Arbeits- zufriedenheit scheint eine eigene Dimension darzustellen, welche mit zunehmendem Berufs- prestige eher abzunehmen scheint.

Schlüsselwörter: Noten, Berufserfolg, Kölner Gymnasiastenpanel

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Vorwort

Ursprünglich entstand die Idee zu dieser Arbeit aus dem Schulzimmer respektive den Lehrer- konferenzen heraus, mit den darausfolgenden Gesprächen zur Versetzung der Schüler in höhere Klassen im Rahmen meiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer. Die Fragen, die sich stellten, waren:

Wie wird geprüft? Wie bewerten Lehrpersonen? Was sagen Noten eigentlich aus? Es fing vage und hypothesengeleitet an und konkretisierte sich bis zum Schluss. An dieser Stelle geht mein großer Dank an Herrn Professor Dr. Stephan Schumann für seine Unterstützung. Ohne seine erstens mitdenkende, zweitens mahnende und drittens pragmatische Art wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Mein zweiter großer Dank geht an Herrn PD Dr. Birkelbach Klaus für die Übernahme des Co-Referates. Es war seine Erfahrung und seine Hilfe, insbesondere mit den Daten, die nicht nur die nötige Ruhe in den Forschungsprozess brachten, sondern auch das stets kritische Hinterfragen der verwendeten Methoden immer hin zu möglichst validen Resultaten ermöglichte.

Ein Dank geht zudem an Herrn Dr. rer. pol Gregor Bäurle für die Unterstützung bei der Erstel- lung und Nachkontrolle der statistischen Designs und an Frau Dr. phil. Céline Bürki für die konstruktiven Hinweise im Rahmen der statistischen Auswertung mit Amos und SPSS. Weiter danke ich Herrn Dr. Dino Schlamp für die konstruktiven Gespräche, waren doch seine Hinweise die abschließend motivierende Kraft im Rahmen der Fertigstellung.

Luzern, Dezember 2014 Benedikt Gasser

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... 5

Abkürzungsverzeichnis ... 9

1 Einleitung ... 1

1.1 Thematische Hinführung und Ausblick auf die Arbeit ... 1

1.2 Problemstellung ... 3

1.3 Inhaltliche Ziele und Absichten der Arbeit ... 7

1.4 Bedeutung der Untersuchung und Umsetzbarkeit ... 9

1.5 Struktur der Arbeit ... 11

2 Noten ... 14

2.1 Einleitende Gedanken ... 14

2.2 Begriffsbestimmung ... 20

2.2.1 Die Ziffernbenotung ... 20

2.2.2 Die Schulleistung ... 21

2.2.3 Funktionen von Noten ... 28

2.3 Messtheoretische Überlegungen zu Noten ... 32

2.3.1 Objektivität von Noten ... 34

2.3.2 Reliabilität von Noten ... 37

2.3.3 Validität von Noten ... 39

2.4 Prädiktoren des Notenerfolges ... 44

2.4.1 Pädagogisch psychologische Prädiktoren der Note respektive Schulleistung ... 44

2.4.2 Exogene Prädiktoren der Note respektive Schulleistung ... 70

2.4.3 Soziodemographische Prädiktoren der Note respektive Schulleistung ... 72

2.5 Kurzzusammenfassung ... 79

3 Berufserfolg ... 81

3.1 Einleitende Gedanken ... 81

3.2 Begriffsbestimmung ... 83

3.3 Theoretische Modelle zur Entstehung des Berufserfolges ... 84

3.4 Messung des Berufserfolges und Ausblick auf die empirische Erfassung ... 99

3.4.1 Objektiver Berufserfolg ... 103

3.4.2 Subjektiver Berufserfolg ... 104

3.4.3 Der Berufserfolg im Lebensverlauf ... 105

3.5 Messtheoretische Überlegungen zu Berufserfolg ... 113

3.5.1 Objektivität von Berufserfolg ... 113

3.5.2 Reliabilität von Berufserfolg ... 114

3.5.3 Validität von Berufserfolg ... 114

3.6 Prädiktoren des Berufserfolgs ... 115

3.6.1 Persönlichkeitseigenschaften als Prädiktoren ... 116

3.6.2 Soziodemographische Prädiktoren des Berufserfolges ... 130

(7)

4 Uebersichtsartikel und Metaanalysen des Zusammenhanges von Noten und Berufserfolg 133

4.1 Einleitende Aspekte bezüglich der Abhandlung des Forschungsstandes ... 133

4.2 Metaanalysen – methodische Elemente ... 135

4.3 Hintergründe zur Wahl der diskutierten Metaanalysen ... 136

4.4 Metaanlaysen – eine Übersicht ... 138

4.4.1 Hoyt (1965) ... 138

4.4.2 Calhoon & Reddy (1968) ... 146

4.4.3 Nelson (1975) ... 147

4.4.4 O’Leary (1980) ... 150

4.4.4 Reily & Chao (1982) ... 150

4.4.5 Cohen (1984) ... 150

4.4.5 Samson et al. (1984) ... 154

4.4.7 Baird (1985) ... 156

4.4.8 Bretz (1989) ... 157

4.4.9 Roth, Bevier, Switzer, Schippmann (1996) ... 160

4.4.10 Roth & Clarke (1998) ... 162

4.5 Abschließende Betrachtung der Metaanalysen ... 165

4.6 Die Situation im deutschsprachigen Raum ... 166

5 Forschungsfragen und Hypothesen ... 169

5.1 Forschungsfragestellungen ... 169

5.2 Modellwahl ... 170

5.2.1 Das Rahmenmodell ... 171

5.2.2 Das Theoriemodell ... 179

5.3 Hypothesenableitung ... 182

6 Forschungsdesign und Methoden ... 184

6.1 Untersuchungseinheit ... 184

6.2 Stichprobe ... 185

6.2.1 Stichprobe – allgemeine Aspekte ... 185

6.2.2 Stichprobe – Datenbasis ... 187

6.2.3 Stichprobe – Datenqualität und fehlende Daten ... 191

6.3 Allgemeine Aspekte zur Methodenwahl ... 195

6.3.1 Varianzanalyse, Regressionsanalysen, Korrelationsanalysen ... 195

6.3.2 Strukturgleichungsmodelle – Pfadanalysen – Faktoranalysen ... 197

6.4 Das Messmodell ... 202

6.4.1 Kontrollvariablen soziökonomischer Hintergrund und Aspiration ... 203

7 Empirische Analysen und Ergebnisdarstellung der Noten ... 205

7.1 Allgemeine Aspekte zur empirischen Untersuchung der Noten ... 205

7.2 Diskussion der verwendeten statistischen Methoden zur Notenanalyse ... 207

7.3 Ergebnisse der empirischen Analyse der Notenstruktur der Abiturienten ... 208

7.3.1 Ergebnisdarstellung ... 209

7.3.2 Ergebnisdiskussion ... 213

(8)

8 Empirische Analysen und Ergebnisdarstellung des Berufserfolges ... 215

8.1 Allgemeine Aspekte zur empirischen Untersuchung des Berufserfolges ... 215

8.2 Konkrete Operationalisierung des Berufserfolges ... 216

8.3 Aspekte der Erhebung und Datenverwaltung des Berufserfolges ... 218

8.3.1 Ergebnisdarstellung ... 218

8.3.2 Ergebnisdiskussion ... 218

9 Verknüpfung der empirischen Ergebnisse von Noten und Berufserfolg ... 222

9.1 Einleitende Aspekte ... 222

9.2 Hypothesenanalyse ... 222

9.2.1 Einfache Hypothesen ... 222

9.2.2 Komplexe Hypothesen und zentrale komplexe Hypothesen ... 231

10 Diskussion der Ergebnisse ... 263

10.1 Einordnung und Interpretation der Ergebnisse ... 263

10.1.1 Spezifische Aspekte der Noten respektive Intelligenz ... 263

10.1.2 Spezifische Aspekte des Berufserfolgs ... 274

10.1.3 Zusammenhang zwischen Noten und Berufserfolg ... 276

10.2 Grenzen der Arbeit ... 282

10.3 Schlussbetrachtung ... 286

11 Ausblick ... 290

Abbildungsverzeichnis ... 355

Tabellenverzeichnis ... 356

Anhang ... 358

Verzeichnis der Tabellen im Anhang ... 358

(9)

Abkürzungsverzeichnis

ACT American College Test Aufl. Auflage

CT Computertomographie

EEG Elektorenzephalogramm

Ed. edition

fMRI functional Magnet Resonanz Imaging (Magnetresonaztomographie)

ff fortfolgende

GMA General Mental Ability GPA Graduate Point Average

k Anzahl Studien im Rahmen einer Metaanalyse

MAR Reglement der EDK über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR). Vom 16. Januar / 15. Februar 1995 in der Fassung vom 14. Juni 2007.

MRI Magnet Resonanz Imaging (Magnetbildverfahren)

n Stichprobengröße

p p-Wert

r Korrelationskoeffizient

SD Standard Deviation / Standardabweichung

SEM / SGM Structural Equation Modell / Strukturgleichungsmodell SNF Schweizerischer Nationalfond

SNK Studentische Normalkarriere

SPECT Spektralemissionscomputertomographie

t Wert des t-Tests

u.a. und anderes

α Cronbachs alpha

κ Cohens kappa

ρ Korrelationskoeffizient

σ2 Varianzmaß

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1

1 Einleitung

1.1 Thematische Hinführung und Ausblick auf die Arbeit

Schüler1 strengen sich täglich dafür an, gute Noten zu erhalten, um so problemlos in die nächste höhere Klasse aufzusteigen. Noten, so wichtig im Alltag, so groß die Kritik. Der deutsche Bil- dungsforscher Hellmut Becker (1983) umschreibt dieses für ihn zwiespältige Phänomen wie folgt: „Die Einsicht in die Fragwürdigkeit der Zensurengebung gehört zum Gemeinwissen aller pädagogisch Ausgebildeten. Diesem theoretischen Wissen über die Fragwürdigkeit von Zensu- ren steht jedoch in der Praxis ein fast blindes Vertrauen in die Zensuren gegenüber. Die Auf- geklärtheit über die Fehler der Zensurengebung ist praktisch folgenlos ... Die Zensur in der Schule und in der Universität hat alle Eigenschaften einer Lebenslüge.“ (S. 24)

Noten als Phänomen geniessen von einigen Seiten eine gewisse kritische Betrachtung in der pädagogisch-psychologischen Forschung. Einen Höhepunkt bezüglich der Kritik findet sich im letzten Jahrhundert in zwei Wellen der empirischen Auseinandersetzung mit Schulnoten (Lin- torf, 2012). Zu nennen sind diesbezüglich insbesondere die Übersichtsarbeit beziehungsweise die Zusammenfassungen von Ingenkamp (1995). Zentrales Ergebnis dieser Forschungsarbeiten sind vielfältige Belege dafür, dass Schulnoten messtheoretischen Gütekriterien nicht genügen mit der damit verbundenen Schlussfolgerung, dass Schulnoten kein aussagekräftiges Maß für Schulleistung sind (Lintorf, 2012).

Trotz der auch schon von Becker in den 80er-Jahren gemachten fundamentalen Notenkritik werden Schulnoten immer noch als Maß der schulischen Leistungsbeurteilung eingesetzt. Öl- kers (2002) schreibt: „26 Jahre später gibt es immer noch Noten, ist keineswegs, wie Ingenkamp seinerzeit forderte, ein besseres diagnostisches Instrumentarium entwickelt worden. Das haupt- sächliche Instrument zur Beschreibung von Leistung ist immer noch das Notenschema. Das gilt mit Zunahme des Alters des Schülers umso mehr. Je höher die Schulstufe, desto strikter wird das Notenschema verwendet. So beschert der fortwährende Einsatz von Zensuren zur schuli- schen Leistungsbewertung dem Thema eine dauerhafte Aktivität. Zumindest in der Öffentlich- keit herrscht immer noch reges Interesse am Thema der Notengebung, da davon Schüler und ihre Eltern täglich betroffen sind.“ (S. 15)

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich miteingeschlossen. Beziehen sich Aussagen nur auf männliche oder weibliche Perso- nen, wird dies kenntlich gemacht.

(11)

2

Aus bildungsbiographischer Sicht sind gute Schulnoten heute wichtiger denn je, regeln sie doch den Zugang zu weiterführenden Schulen und auch zu den tertiären Bildungswegen und sind somit Wegbereiter des zukünftigen Berufserfolges (Lintorf, 2012). Mit dem Wissen um die Wirkung verschiedener Schulformen als differentielle Entwicklungsmilieus (Baumert, Stanat

& Watermann, 2006) und dem Wissen um die geringe Durchlässigkeit eben dieser – Studien sind beispielsweise vorhanden für das deutsche Schulsystem (Bellenberg, 1999) –, führt dies dazu, dass Schulnoten eine kritische Relevanz zukommt (Lintorf, 2012). Das wissenschaftliche Interesse für dieses Phänomen hält sich jedoch in Grenzen (Lintorf, 2012). Aktuelle Literatur zur Notengebung beschränkt sich meist auf Ratgeber und Lehrbücher, die die gängige For- schung mehr oder weniger umfangreich rezipieren2 (Lintorf, 2012). Umfangreiche empirische Langzeitanalysen für Noten existieren beispielsweise für die Schweiz kaum (Nussbaum, 2013).

Diese Situation macht Noten für eine neuerliche Betrachtung interessant, jedoch scheint die Wissenschaft das Interesse an Schulnoten großmehrheitlich verloren zu haben (Lintorf, 2012).

Eine Erforschung der prädiktiven Kraft von Abiturnoten scheint aber aus verschiedenen Grün- den sinnvoll. Erstens bestehen für diesen Kontext wenige bis gar keine Untersuchungen, welche sich explizit auf Noten beziehen und Noten zum Hauptgegenstand des Forschungsinteresses machen (Nussbaum, 2013). Zweitens sind vergleichbare Untersuchungen im großen Stil vor allem für den nordamerikanischen Raum vorhanden, für den deutschsprachigen Raum häufig nur fragmenthaft, aber kaum mit Noten als Zentrum des Primärinteresses (insbesondere Kapitel 4 zum Forschungsstand). Insbesondere Studien, welche auf die speziellen Voraussetzungen des gymnasialen Kontextes und dessen Notenthematik aufmerksam machen, werden vermisst. Die- ses stellt somit sozusagen eine Black Box für viele spezifische Besonderheiten dar. Drittens erlauben heute methodische Weiterentwicklungen im Bereich der multivariaten Analyse und deren Implementation in gängige Software (Mplus, Amos, SPSS) eine verhältnissmäßig einfa- che Berücksichtigung verschiedener Datenspezifikationen und bieten somit eine methodisch adäquatere Herangehensweise bezüglich der Benotungspraxis. Viertens ist insbesondere die Frage des Zusammenhanges von Noten auf Abitur- respektive Maturaebene mit Berufserfolg

2 Genannt werden könnte beispielsweise Meyenberg, 1992; Jäger, 2004; Jürgens & Sacher, 2008.Nur sehr wenige neue Studien beschäftigen sich sodann mit dem Thema (z .B. Treutlein, Roos & Schöler, 2008; Hoch- weber, 2010). Zumeist wird die Notengebung nur am Rande anderer Forschungsfragen thematisiert wie in der Forschung zum Grundschulübergang (Bos, Voss, Lankes, Schwippert, Thiel & Valtin, 2004; Maaz, Neumann, Trautwein, Wendt, Lehmann & Baumert, 2008 oder zu Verbalzeugnissen Valtin, 2002. Die Studien beziehen sich jedoch nicht explizit auf den Abitur- oder Maturitäskontext.

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3

nach einer differentiellen Betrachtung kaum umfassend untersucht. Die meisten Studien kon- zentrieren sich auf den Zusammenhang zwischen Testleistung und Schulnoten, Schulnoten und Studiumserfolg, Studiumserfolg und Berufserfolg (vor allem nordamerikanische Studien, je- doch häufig mit der alleinigen Auseinandersetzung der Beziehung zwischen Noten und Gehalt).

Für die Schweiz beispielsweise gibt es keine umfassende Studie bezüglich des Zusammenhan- ges von Noten und Berufserfolg, für den deutschsprachigen Raum gibt es nur sehr wenige und häufig nur sehr kurze Absolventenbefragungen, welche häufig einen ökonomischen (Bezug- nahme zur Humankapitaltheorie, dazu beispielsweise Klein 1994) oder einen eher soziologi- schen Hintergrund (Kühne, 2009; Brüderl, Hinz & Jungbauer-Gans, 1996; Lüdeke & Beck- mann, 2001; Ziegler, Brüderl & Diekmann, 1988) aufweisen. Das Vorliegen einer Arbeit, ins- besondere aus pädagogisch-psychologischer Sicht, mit den entsprechenden Möglichkeiten (in- klusive umfassender Klärung des Phänomens der Noten) scheint gänzlich zu fehlen. Der Zu- sammenhang des durch die Bildungsinstanz vergebenen Gütescheins mit dem Berufserfolg ist für die Schweiz und in exakter und umfassender Form auch für Deutschland aus pädagogisch- psychologischer Sicht bisher noch nie ganzheitlich untersucht worden.3

1.2 Problemstellung

Noten messen nicht respektive nicht nur die Schulleistung. Dies ist somit nur bedingt gerecht.

Denn somit wirkt das Korrelat Noten nicht korrekt, was zur Konsequenz hat, dass ein schein- genauer Indikator für gesellschaftliche Möglichkeiten, Optionen und Privilegien verwendet wird (dazu insbesondere Kapitel 2). Historisch gesehen war für die westliche Welt insbesondere der Sputnikschock Anlass, Bildungsförderungsprogramme zu starten (Preiss, 2013). Zielset- zung war die Schaffung einer größeren Egalität zu den unterschiedlichen, insbesondere auch

3 Für die Schweiz ist für diese Arbeit (Zeitraum des Schulbesuchs 1969, 10. Schuljahrs) auf die Studien von Imhof, Lätsch & Weber (1977) und Imhof & Häfeli (1980) zu verweisen. Die Arbeit von Imhof, Lätsch & Weber (1977) untersuchte für 181 Studenten mit einem eidgenössischen Maturitätszeugnis den Studienerfolg. Im Kern wurde die Höhe der Maturitätsnote mit dem Studienerfolg untersucht von den vier Gruppen (Abschluss mit Lizentiat/Dip- lom/Doktorat, Abschluss mit Sekundarlehrerdiplom (oder Ähnlichem), Noch-im-Studium und Studienabbruch.

Die besten Noten zeigen die Diplomierten gegenüber den Sekundarlehrern, den Noch-Studierenden und den Ab- brechern, zu erwähnen bleibt zudem, dass die Unterschiede zwischen den Maturitäszweigen als schwach taxiert wurden (Imhof, Lätsch & Weber, 1980). Die Korrelationen für unterschiedliche Outcomes des Studienerfolgs variierten je nach Kriterium und lagen zwischen 0.15 und 0.33, wobei gewisse Werte keine Signifikanz aufwiesen.

Imhof & Häfeli (1980) zeigten beispielsweise für den Kanton Zürich auf, dass für die drei Schultypen Literargym- nasium I/II, das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium und für das Wirtschaftsgymnasium der Anteil gewisser Sozialschichten in den jeweiligen Zweigen unterschiedlich ist. So war der prozentuale Anteil der Ober- schicht im Literargymnasium am höchsten, im mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium war der ver- hältnismäßige Anteil zu den anderen Zweigen der Unterschicht am größten. Das Wirtschaftsgymnasium nahm die Mittelposition ein.

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4

höheren Bildungsgängen, um so von allfällig knappen Ressourcen zu abstrahieren und so eine möglichst gute kompetitive Situation im Hinblick auf den stattfindenden Wettbewerb zu garan- tierten (Preiss, 2013). Vom Bildungswesen und von der Schule als Institution des Bildungswe- sens wird sodann explizit gefordert, dass das Bildungswesen sein eigenens Kriterium – Leistung – besitze und dieses entsprechend auch korrekt umgesetzt werde (Meulemann, 1979). Ange- lehnt ist diese Aussage an Dahrendorf (1967), der erwähnt, dass die staatsbürgerliche Gleichheit die Gleichheit der Bildungschancen verlange – Bildung ist Bürgerrecht. Dies impliziert auch die Forderung nach Chancengleichheit (Meulemann, 1990). Die erste und einfachste Definition von Chancengleichheit ist die proportionale Repräsentation, das heisst beispielsweise, dass Kinder unterschiedlicher Schichten dem Anteil dieser Schichten der Gesamtbevölkerung ent- sprechend bei einem bestimmten Schulabschluss vertreten sind (Meulemann, 1990). Wenn Chancengleichheit als proportionale Repräsentation herrscht, ergibt sich aber auch ein potenti- eller Widerspruch, der offensichtlich darin liegt, dass diese Definition die Leistungsmaßstäbe ignoriert, die im Bildungswesen gültig sind (Meulemann, 1990). Nun mag es sein, dass Kinder aus höheren Schichten in der Schule mehr leisten als andere und deshalb auch bei den höheren Schulabschlüssen stärker vertreten sind, wobei es ungerecht wäre, diese aus den höheren Schul- abschlüssen zu verdrängen (Meulemann, 1990).

Aus Schülersicht ist auch auf die Inputseite der im System Schule respektive der Bildungs- instanz verbrachte Zeit zu verweisen. 16‘000 Schulstunden sind auf dem Weg zum Abitur res- pektive zur Matura vom Streben nach guten oder ausreichenden Noten gekennzeichnet. Zählt man den Schulweg (etwa 5000 Stunden) und die Zeit außerhalb der Schule in Form von Prü- fungsvorbereitungen und Hausaufgaben (etwa 8000 Stunden) dazu, so sind es insgesamt also etwa 30‘000 von total ca. 110‘000 Lebensstunden, die während 13 Jahren dem fiktiven Ziel ,gute Noten‘ gewidmet werden (Dzelli, 2009). Dass Noten wichtig sind, stellt für Schülerinnen und Schüler eine pädagogische Binsenwahrheit dar. Noten weisen aber auf den ersten Blick eher eine geringe prädiktive Validität für den Berufserfolg auf, wie zahlreiche Arbeiten und insbesondere Metaanalysen aus dem angelsächsischen Raum zeigen. Die Begründungen für den oft als gering bis mäßig gefundenen Zusammenhang bleiben häufig offen oder Erklärungen beruhen auf dem spezifischen Untersuchungskontext (dazu Kapitel 4). Trotzdem haben Noten im Alltagsleben hohe Relevanz und um gute Noten zu erreichen, braucht es gewisse Fähigkei- ten. Einzelne Forscher reduzieren diese Fähigkeit schlicht auf einen Faktor. Als historisches

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5

Beispiel ist die Termann-Studie aus dem Hochbegabtenbereich zu nennen.4 Termann betonte die Wichtigkeit der allgemeinen Intelligenz im Sinne des Spearmann g, wie folgende Aussage verdeutlicht:

… , I am convinced that to achieve greatly in almost any field, the special talents have to be backed up by a lot of Spearman’s g, by which is meant the kind of general intelligence that requires ability to form sharply defined concepts, to manipulate them, and to perceive subtle relationship between them: in other words, the ability to engage in abstract thinking. (Terman 1954, S. 224)

Terman5 betont, „that to achieve greatly in almost any field … engage in abstract thinking.“

Geht man nun von einer zeitlichen Stabilität der Intelligenz aus unter der obengenannten Prä- misse in ,any field‘, so liesse dies doch den hypothetischen Schluss zu, dass doch der Output während der Schulzeit in Form von Noten mit dem Outcome in Form von Berufserfolg einen Zusammenhang aufweisen sollte. Impliziert diese Aussage nicht auch, dass Erfolgsfaktoren mit prädiktiver Validität aus den Noten für den Berufserfolg abgeleitet werden können?

Was detailliert zu spezifizieren sein wird (dazu Kapitel 2), Noten stellen nur begrenzt ein Kor- relat der Schulleistung dar, da ihnen im Schulalltag spezifische Funktionen zugeschrieben wer- den (Rindermann & Kwiatoski, 2009). Noten, neben zahlreichen Funktionen beinhaltend, so wird doch niemand bestreiten können, dass gute Noten für Erfolg stehen und eine hohe Rele- vanz für das Leben von Schülern haben (Sacher, 2001). Eher gegensätzlich zur öffentlichen

4 Prinzipiell von Interesse für diesen Kontext sind Schüler des Gymnasiums. Diese sind nicht zwangsläufig als hochbegabt einzustufen, jedoch ist bezüglich dieser Population ein überdurchschnittlich hoher Intelligenzquotient aufgrund der Selektivität des Schulsystemes zu beobachten, so weist das hier untersuchte Kölner Gymnasiasten- panel einen durchschnittlichen IQ von 111 auf.

5 Als Beispiel für vorhandene Inkonsistenzen sei auf die ignorierten Nobelpreisträger William Shockly & Luis Alvarez aufmerksam gemacht, die beide in der ursprünglichen Stichprobe von Terman enthalten waren, wobei aber keiner von beiden in die Untersuchung miteinbezogen wurde, da ihr Intelligenzquotient zu gering war (Zieg- ler, 2008). Dies stellte für Terman, welcher die Bedeutsamkeit der Intelligenz beweisen wollte, einen herben Rück- schlag dar (Ziegler, 2008). Ein Messfehler wurde vermutet, was aber bezüglich Shockley ex post sicher verneint werden kann, da die Mutter von Shockley (IQ 160), eine Wiederholung verlangte, nachdem ihr Sohn im ersten Test nur 129 Punkte erreichte, jedoch ohne besseres Ergebnis (IQ 125) (Ziegler, 2008). Shockley war in seinem Fach einer der renomiertesten Physiker (Erfindung des Transistor, eine Experimentalphysikeraufgabe, nicht theo- retische Physik). Jensen, welcher ebenfalls erstaunt war, über die tiefe Testleistung, testete Shockley erneut, wobei Shockley auch dieses mal nur die 90. Perzentile erreichte (Ziegler, 2008). Dies zeigt eigentlich eine Inkonsistenz auf, es sei hier aber auch angemerkt, dass man sich auch fragen darf, ob Intelligenztests im Bereich von hohen und sehr hohen Werten überhaupt noch valide Instrumente sind, da diese zur Unterscheidung der großen Masse entwi- ckelt wurden.

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6

Wahrnehmung und zur praktischen Relevanz dieses Instrumentariums weisen Noten jedoch selbst in großen Metaanalysen zwar einen statistisch signifikanten, aber nicht als hoch einzu- stufenden korrelativen Zusammenhang mit dem Berufserfolg auf (Hoyt, 1965; Cohen 1984;

Samson et al., 1984; Bretz, 1989; Roth, 1996; Roth & Clarke, 1998). Warum ist die prädiktive Validität von Noten für den Berufserfolg so gering? Diese Inkonsistenz wird zusätzlich akk- zentuiert und perpentuiert durch Übersichtsarbeiten bezüglich des Zusammenhanges von Intel- ligenz und Berufserfolg, welche eher als entgegengesetzt zu beurteilende Ergebnisse über die Bedeutsamkeit des Zusammenhanges (Gottfredson, 1997; Strenze, 2007; Kramer, 2009) auf- weisen.6 Sind Interferenzeffekte zwischen Teilnoten die Ursache für den geringen Zusammen- hang? Sind die gemessenen Unterschiede ganz einfach klein, jedoch statistisch konsistent sig- nifikant nachweisbar oder sind die Anforderungen, die Lehrer an die Schüler stellen und schlussendlich benoten, ganz einfach andere als die Anforderungen auf den Arbeitsmärkten?7 Noten sind, neben der beinhaltenden Schulleistung (Rindermann & Kwiatioski, 2009), Ergeb- nis und Konsequenz der sie bedingenden Funktionen: Selektion und Stigmatisierung, Soziali- sation, Legitimation, Kontrolle, Prognose, Information und Rückmeldung, Disziplinierung, Lehr- und Lerndiagnose, Lern- und Leistungserziehung (Sacher, 2001). Noten sind somit nicht nur Ergebnis der Schulleistung, sondern durch die sie bedingenden und mit ihnen verbundenen Funktionen durch Heterogenität bezüglich der Aussagekraft gekennzeichnet. Sind also die un- terschiedlichen Funktionen verantwortlich für den potentiell geringen Zusammenhang zwi- schen Noten und Berufserfolg? Lässt sich trotz der Tatsache des Nichtbestehens des Zusam- menhanges doch explorativ eine Systematik ableiten, dahingehend dass diesem fehlenden oder geringen Zusammenhang eine Ursächlichkeit der Systematik zugrunde liegt? Die Unterschied- lichkeit der Funktionen würde zumindest für gewisse Teilbereiche oder aber für gewisse Stu- dien einen höheren Zusammenhang vermuten lassen. Das Allzweckmittel Noten muss alles können und wird für alles gebraucht (Ingenkamp, 1995). Noten werden von der Volksschule bis zur Universität unangefochten verwendet. Und trotz aller bildungspolitischen Forderungen von Seiten der Politik, der Wissenschaft, der Gesellschaft im weiteren Sinne und weiteren Ex- perten ist zu vermuten, dass Noten als Instrumentarium des Bildungssystems auch weiterhin bestehen bleiben.

6 Belege für eine explizite Prädiktivität der Intelligenz über Schulleistung hinaus finden sich beispielsweise bei Maaz, Neumann, Trautwein, Wendt, Lehmann & Baumert (2008).

7 Gewisse Autoren haben erste Prämissen diesbezüglich aufgestellt (Bloemke, 2009).

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7 1.3 Inhaltliche Ziele und Absichten der Arbeit

Noten sind im Alltag von absolut entscheidender Bedeutung. Helmut Schelsky (1957) hat Ende der 50er-Jahre die Schule als „erste und damit entscheidende zentrale Dirigierungsstelle für die künftige soziale Sicherheit, für den künftigen sozialen Rang und für das Ausmaß künftiger Konsummöglichkeiten“ bezeichnet (S. 18). Meulemann (1979) präzisiert unter Bezugnahme auf Schelsky (1957), dass Bildungsabschlüsse ein Mittel des Statuserwerbes sind. Birkelbach (2011) unter Bezugnahme auf Hillmert (2003), Geissler (1996) und Meulemann (1990) ver- deutlicht, dass die Schule oder allgemeiner das Bildungswesen soziale Ungleichheiten produ- ziere beziehungsweise reproduziere. Weiter wird unter Bezugnahme auf Heid (2003) und Hill- mert (2003) wird erwähnt, dass nur, wenn die Schule ihre Selektions- und Allokationsfunktio- nen auf der Basis interindividueller Leistungsunterschiede wahrnehme und zugleich Chancen- gleichheit beim Zugang bestehe, die daraus resultierende Ungleichheit legitim erscheine (Bir- kelbach, 2011). Ferner wird unter Bezugnahme auf Avenarius et al. (2003) und Tent (1998) verdeutlicht, dass ein kritischer Punkt in diesem Zusammenhang die Leistungsmessungen und -bewertungen durch die Lehrer darstellen, die in Form von einzelnen Schulnoten, Zeugnissen und generalisierten Beurteilungen der Schüler und ihrer Leistungen die Basis für diesen Allo- kations- und Selektionsprozess bilden und eine zentrale Weichenstellfunktion für den individu- ellen Lebensverlauf haben (Birkelbach, 2011). Ziegenspeck (1999) verdeutlicht: „Alle Zeug- nisse sind in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Unterlagen für Aufstiegsmöglichkeiten und wahren oder verringern die Chance des Weiterkommens“ (S. 111). Ingenkamp (1995) schreibt diesbezüglich, dass seine Übersichtsarbeit die Öffentlichkeit und Fachwelt in einem für ihn unerwarteten Maße anregten. Erwähnt werden darf, dass Ingenkamps Abhandlung zu einem Zeitpunkt erschien, zu dem Zensuren immer häufiger benutzt wurden, um Lernende mit weni- ger guten Noten von weiterführenden Bildungswegen fernzuhalten, weil diese Bildungwege überfüllt erschienen (Ingenkamp, 1995).

Auch diese Tatsache führte dazu, dass Bildungssysteme sich vermehrt der öffentlichen Kritik aussetzen mussten (Ramseier, 2009). So sind die Bestimmung von Schulerfolg beziehungs- weise die Evaluation der Qualität und der Wirksamkeit der Bildungssysteme heute dominie- rende Themen der Bildungsforschung, Bildungspolitik und Bildungsplanung (Ramseier,

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2009). Die Schule und die Ausbildung werden heute stärker auch aus einer ökonomischen Per- spektive betrachtet, der Nutzen für das Individuum einerseits und für die Volkswirtschaft an- dererseits tritt ins Zentrum der Aufmerksamkeit (Ramseier, 2009). Bildung wird als Allokati- onsentscheid verstanden, was dieser im Sinne einer ökonomischen Betrachtung durch Denken in ökonomischen Modellen, wie beispielsweise dem Produktionsfaktorenmodell, die Bedeu- tung von Humankapital zuweist (Wolter, 2001). Dies hat zur Konsequenz, dass die dadurch implizierte weltweite Effizienz- und Akzeptanzkrise staatlicher Institutionen zu einem ‚steue- rungsstrategischen Paradigmenwechsel’ geführt hat, der sich auch in zunehmendem Maße auf das Bildungswesen auswirkt (Weiss, 2001). Bildung sollte aber nicht nur der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen, sondern man sollte an sie auch die Forderung stellen, die persönli- che, wohl privat zu verantwortende Entwicklung und Entfaltung des Einzelnen, die Befreiung des Menschen zu sich selber, zu Urteil und Kritik, mitzubeinhalten (Ramseier, 2009).

Schüler messen dem Obgenannten oft wenig Relevanz bei, ebenso die Absolventen von Uni- versitäten, welche immer noch nach gleichen Kriterien geprüft, beurteilt und bewertet werden.

Aus den erwähnten und genannten Punkten motiviert, will diese Arbeit auf explorativer Ebene der Notenthematik und insbesondere auch dem Zusammenhang zwischen Noten und Berufser- folg nachgehen. Stichprobe bilden dabei Befragte der Kölner Gymnasiastenstudie. Für diese Arbeit interessieren insbesondere die Zusammenhänge zwischen den 10. Jahresschulnoten und dem späteren beruflichen Erfolg. Dabei wird auch explorativ vorgegangen, um so Erklärungen für mögliche Zusammenhänge dieser zwei Phänomene ableiten zu können.

Das Kernziel der Arbeit besteht darin, den Zusammenhang zwischen gymnasialer Notenstruk- tur und Berufserfolg zu erforschen. Es interessiert die Aussagekraft von Noten, insbesondere deren prädiktive Kraft respektive Validität für den Berufserfolg. In einem ersten Schritt soll aus diesem Grunde eine möglichst umfassende statistische Analyse der Notenstruktur erfolgen. In einem zweiten Schritt interessiert der Zusammenhang zwischen den (Roh)Noten, den Kompo- nenten der Noten und dem Berufserfolg. Diese Analyse soll es ermöglichen, diejenigen Fakto- ren (Komponenten) zu identifizieren, welche eine hohe prädiktive Kraft für den Berufserfolg besitzen, wobei der Berufserfolg durch unterschiedliche Elemente operationalisiert wird. Eine abschliessende Einordnung der Befundlage wird die Arbeit abschliessen.

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1.4 Bedeutung der Untersuchung und Umsetzbarkeit

Im dritten Teil dieses Kapitels soll die Präzisierung der Forschungsfragen aus Kapitel 5.1 in die Formulierung der Forschungshypothesen münden. Wie mehrmals erwähnt wurde, interessieren für diese Arbeit die Noten und die damit verbundenen extrahierbaren Informationen auf der einen Seite und die Beziehung eben dieser mit dem Berufseerfolg auf der anderen Seite. Für die Schweiz hat der Verein Schweizerischer Gymnasiallehrer (VSG) einen Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen entwickelt (Ölkers, 2001). Eine der total zehn verfassten Thesen lautet:

„Die Absolventinnen und Absolventen der Maturitätsschulen sollen fähig sein, erfolgsverspre- chend ein Studium zu beginnen und künftig verantwortlich Aufgaben in Beruf und Gesellschaft zu übernehmen.“ (Ölkers 2008, S. 74). Eine weitere These erwähnt, dass:

Bildungsvorgänge haben Prozesscharakter. Bildung muss daher als dynamischer Vorgang verstanden werden, an dem nicht nur das Ziel, sondern die ihn begleiten- den Impulse von großer Bedeutung sind. Mancher Anstoß gelangt erst später zur vollen Wirkung. Selbst als grundlegend betrachtete Kenntnisse und Fertigkeiten können sich wandeln, daher ist es wichtig, dass die Schüler in die Entwicklung der Wissenschaften Einblicke gewinnen und so lernen können, auch in Zukunft auf neu- artige Herausforderungen beweglich zu reagieren. (Ölkers 2008, S. 76)

Aus dem Gesagten lässt sich Folgendes ableiten. Die gymnasiale Bildung darf Anstöße geben für spätere Lebensabschnitte, der direkte Nutzen muss nicht immer im Moment offensichtlich und nachvollziehbar sein. Daraus lässt sich schließen, dass die gymnasiale Bildung einen in sich geschlossenen Wert haben darf, dies impliziert, dass Bildung per se einen Wert besitzt.

Dieser Gedanke lehnt sich dem humboldtschen Bildungsideal an, jedoch sollten die vermittel- ten Fähigkeiten oder Kompetenzen schlussendlich auch für die Bewältigung späterer Aufgaben von Nutzen sein.

Bezüglich des Forschungsstandes ist vorgreifend zu erwähnen, dass Studien, welche den Zu- sammenhang von Noten und Berufserfolg untersuchen, insbesondere in den USA Tradition ha- ben. So existieren erste Studien seit ca. 1900, welche sich diesem Thema widmen. Einige um- fassende Metaanalysen behandelten das Thema. Neben dem theoretischen Interesse verfolgen diese Studien vor allem die Zielsetzung, Prädiktoren für den beruflichen Erfolg zu evaluieren.

Ob Noten gute Prädiktoren sind, wird bezweifelt, jedoch wird von gewisser Seite auch erwähnt, dass: „A highly valid predictor may be so expensive that the use of a less expensive predictor with lower but acceptable validity may be preferred.“ (Schmidt, Hunter, McKenzie & Muldrow,

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1979) Das Prinzip ,Pragmatismus statt Perfektionismus’ scheint also vorzuliegen, um einen Zu- gang zu dem Phänomen zu schaffen. Zu erwähnen ist, dass sich insbesondere die großen Me- taanalysen auf die angloamerikanischen Bildungsverhältnisse respektive den angloamerikani- schen Arbeitsmarkt beziehen. Wie schon erwähnt, gibt es für Deutschland nur wenige Studien über den Zusammenhang von Noten respektive Schul- und Studienerfolg und Berufserfolg, und somit kann die Literatur nur bedingt Vorinformationen oder Anhaltspunkte geben, wie sich die im Rahmen dieser Studie erhobenen Ergebnisse präsentieren werden.

Erwähnenswert ist in diesem Kontext, dass im Sinne einer laufenden Evaluation und als Kon- sequenz einer vermehrten, wie schon erwähnt, ökonomischen Sichtweiese auf die Schule die Qualität des Unterrichts stärker hinterfragt und Verbesserungen verlangt werden (Ramseier 2009). Sollte sich im Rahmen der empirischen Arbeit zeigen, dass gute Schüler sich auf den Arbeitsmärkten nicht besser oder gar schlechter durchsetzen, sollten diese Erkenntnisse An- haltspunkte zur Verbesserung des Curriculums liefern.

Der Unterricht an vielen Schulen und Universitäten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert. Gleichwohl haben sich gewisse Elemente von Lehr-Lernsituationen gewan- delt. Die Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere das In- ternet, ermöglichen heute mit Hilfe von unterschiedlichen Endgeräten auch für Schüler eine ständige Verfügbarkeit von schlichtem Faktenwissen. Man darf diese Entwicklungen nicht gänzlich ignorieren, denn die veränderten Rahmenbedingungen verlangen ein proaktives Her- angehen an die sich neu stellenden Anforderungen. Das reine Reproduzieren von Wissen durch das menschliche Gedächtnis ist als Konsequenz der schlichten Fakteninformation durch das Internet in gewissem Umfang obsolet geworden. Gleichwohl stellt vorhandenes Wissen eine zentrale Voraussetzung für die Neuakkumulation von Wissen dar. Dies wurde durch die Natur- wissenschaften, insbesondere durch das hebbsche Postulat (Senn 2006) der synaptischen Plas- tizität, unlängst gezeigt.8 Die so veränderten Tatsachen führen dazu, dass es mehr denn je not-

8 In der Neurologie (Neurophysiologie) werden Fähigkeiten integraler als Möglichkeit zum Aufbau einer kogni- tiven Struktur im Sinne einer Assoziation verstanden und beinhalten die Möglichkeit der Schaffung von Struktur (Zentrales Nervensystem – Ebene der Nervenzelle) und Funktion (die Wiedergabe und Anwendung – beispiels- weise in Form von Sprache). Ausgehend vom hebb‘schen Postulat soll es somit zur veränderten synaptischen Verbindung kommen, womit das organische Korrelat, in concreto die Nervenzelle (Struktur), die Funktion (bei- spielsweise die Sprache) determiniert. Lernen und Gedächtnis beruhen somit auf der Bildung und Modifikation synaptischer Verbindungen. Es wird ein deklaratives (explizites) Gedächtnis, welches zur bewussten Wiedergabe von Fakten und Ereignissen dient, von einem prozeduralen (impliziten) Gedächtnis unterschieden. Letzteres ist für die Aneignung und Wiedergabe von Fertigkeiten und Gewohnheiten verantwortlich. Prozedurales Lernen erfolgt

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wendig ist, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Sinne von Anwendungskompetenzen zu vermit- teln. Dies sollte m. E. vermehrt an die Stelle der Vermittlung von schlichtem Faktenwissen im Rahmen des Unterrichts treten und gilt prinzipiell für alle Fächer. Hier soll der Bogen denn auch aus der Schule auf den Arbeitsmarkt gespannt werden, dahingehend dass diejenigen Fä- higkeiten, welche notwendig sind für die zukünftigen Anforderungen der Berufswelt der Aka- demiker, aus den in den Noten enthaltenen Informationen identifiziert und zweitens Wege zur Förderung dieser Fähigkeiten aufgezeigt werden sollen.

Neben dem Erwähnten soll das Phänomen Note und den damit verbundenen Bedingungsfakto- ren detailliert nachgegangen werden, damit die schon in der Antike proklamierten Prämisse ,Non vitae, sed scholae discimus‘ (Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir) ver- mehrt obsolet wird.

1.5 Struktur der Arbeit

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Zusammenhang zwischen Noten und Berufserfolg unter- sucht. Dazu ist die Arbeit wie folgt gegliedert:

Abb 1: Übersicht über die Arbeit

Eine Grobgliederung in die fünf Abschnitte Einleitung, theoretische Grundlagen, Hypothesen / Methoden, Ergebnisse und Fazit / Ausblick ist ersichtlich.

meist unbewusst, während das deklarative Gedächtnis bewussten Zugriff erlaubt. Die Ausbildung von Assoziati- onen folgt der Hebb-Regel. Die Regel besagt, dass durch Koinzidenz prä- und postsynaptischer neuronaler Akti- vität die Effizienz der entsprechenden Synapsen erhöht wird. Dabei führt die Gleichzeitigkeit der Erregung zu einer erhöhten intrazellulären Ca2+-Konzentration, welche über sekundäre Botenstoffe zur Induktion von Lang- zeitpotenzierung (LTP) führt. Die anschließende Konsolidierung der Gedächtnisinhalte erfolgt auf der Ebene neu- ronaler Netze und geht mit einer Genexpression und Synthese neuer Kanalproteine einher.

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Kapitel 1 enthält eine thematische Hinführung, eine Darstellung der Ziele der Arbeit mit einer beinhaltenden Motivierung der Forschungsfrage, Darlegung des Forschungsinteresses und eine Beschreibung der Bedeutung der Untersuchung.

Kapitel 2 behandelt die Thematik der Noten. Dazu wird der Begriff bestimmt, von der Schul- leistung abgegrenzt und die mit Noten verbundenen Funktionen aufgezeigt. Messtheoretische Überlegungen werden angestellt, gefolgt von einer umfassenden Abhandlung von Prädiktoren der Noten respektive der Schuleistung, wobei insbesondere auch auf die Intelligenz als Deter- minante der Note eingegangen wird.

Kapitel 3 behandelt das Phänomen des Berufserfolges. In einem ersten Teil wird der Begriff mit seinen Elementen des objektiven und subjektiven Berufserfolges präzisiert und Modelle zur Entstehung von Berufserfolg werden dargestellt, gefolgt von messtheoretischen Überlegungen, welche in eine umfassende Abhandlung von Prädiktoren von Berufserfolg münden. In Analogie zur Schulleistung wird auch hier die Intelligenz respektive deren Rolle für den Berufserfolg umfangreich abgehandelt.

Kapitel 4 stellt den Forschungsstand bezüglich des Zusammenhanges zwischen Noten und Be- rufserfolg dar. Dazu ist es in einem ersten Schritt notwendig, kurz den Begriff Metaanalyse zu präzisieren und den Gehalt solcher Studien kritisch zu reflektieren. In einem zweiten Schritt werden die umfassenden Metaanalysen aus dem US-amerikanischen Raum diskutiert, aber auch die den deutschsprachigen Raum betreffenden Studien (mit leider häufig geringeren Fallzahlen) werden abgehandelt.

Kapitel 5 enthält eine Präzisierung und explizite Formulierung der Forschungsfragestellung, gefolgt von der Vorstellung der verwendenten Modelle (Rahmenmodell und Theoriemodell).

Dies führt zu einer Ableitung von Hypothesen, wie der Zusammenhang zwischen Noten mit dem Berufserfolg erforscht werden kann.

Kapitel 6 widmet sich allgemeinen Aspekten des Forschungsdesigns und Forschungsinstrumen- tes, der Wahl der Stichproben und den damit verbundenen Datenaspekten. Im Rahmen dieses Kapitels soll auch die empirische Methodik zur Untersuchung der Noten, des Berufserfolges und des Zusammenhanges aufgezeigt und kritisch beleuchtet werden.

In Kapitel 7 wird die Notenanalyse durchgeführt. Dazu werden das Vorgehen und die damit verbundenen statistischen Methoden detailliert vorgestellt, erklärt und schlussendlich ange- wandt.

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In Kapitel 8 wird der Berufserfolg analysiert. Dazu wird insbesondere auf die Operationalisie- rung eingegangen, Erhebungs- und Datenaspekte werden beleuchtet, die verwendeten statisti- schen Methoden werden vorgestellt, erklärt und schlussendlich angewandt, was in die Ergeb- nisdarstellung und Ergebnisdiskussion mündet.

Kapitel 9 stellt die Kernergebnisse des Zusammenhanges von Noten und Berufserfolg dar und diskutiert die einfachen, komplexen und zentralen komplexen Hypothesen.

In Kapitel 10 werden die Ergebnisse diskutiert und eingeordnet, zuerst zu den Noten, dann zum Berufserfolg und dann bezüglich des Zusammenhanges von Noten und Berufserfolg.

Kapitel 11 beinhaltet einen abschließenden Ausblick.

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2 Noten

2.1 Einleitende Gedanken

„Noten, was sind Noten?“, (Edelman, 2010) wie Prof. Edelmann vom Erziehungswissenschaft- lichen Institut der Universität Fribourg kritisch zu denken gibt. „Noten geben hauptsächlich die schulnahen kognitiven Fähigkeiten wieder“ wie Professor Eberle vom Institut für Gymnasial- pädagogik der Universität Zürich inhaltsorientiert erwähnt (Eberle, 2009).

Die Beurteilung der Lernleistung in Form von Noten ist ein allgemein anerkanntes und gültiges Element von Bildungssystemen (Dzelli, 2009). In der pädagogisch-psychologischen Forschung finden sich bezüglich der kritischen Auseinandersetzung mit Noten einerseits Befürworter, an- derseits auch Gegner. Dzelli (2009) bezieht sich auf Schröter (1981), den er als Befürworter taxiert, und argumentiert, dass Noten wegen ihrer schlichten Unentbehrlichkeit, beispielsweise für die Motivierung eines Klassen- respektive Vorlesungskollektivs, ganz einfach unerlässlich sind (Dzelli, 2009). Diesem pragmatischen Ansatz stehen andere wiederum kritisch gegenüber, allen voran Karl-Heinz Ingenkamp, der substanzwissenschaftlich argumentiert und anhand von Übersichtsarbeiten immer wieder gezeigt hat, dass das Notensystem grundsätzlich kein Maß der Objektivierung ist und somit relativ konsequent der Einsatz auch anderer Leistungsbeurtei- lungsinstrumente notwendig sei (dazu Ingenkamp, 1969, 1989, 1995). Einen Höhepunkt in der Kritik des Themenkomplexes Zeugnis, Zensur, Noten findet sich im letzten Jahrhundert in zwei Wellen der empirischen Auseinandersetzung mit Schulnoten (Lintorf, 2012). Zentrales Ergeb- nis dieser Forschung sind vielfältige Belege dafür, dass Schulnoten messtheoretischen Gütekri- terien nicht genügen und die damit verbundene Schlussfolgerung, dass Schulnoten nur teilweise ein Maß für Schulleistung sind (Lintorf 2012). Aktuelle umfassende Arbeiten zum Gegenstand Noten bleiben aber, abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie beispielsweise der Analyse von Grundschulnoten, spärlich gesät und selten (Lintorf, 2012). Außer es handelt sich um Ratgeber beziehungsweise Lehrbücher, die die gängige Forschungsbefunde wiedergeben (dazu beispiels- weise Meyenberg, 1992; Jäger, 2004; Jürgens & Sacher, 2008). Wer nun aber über Noten (Zen- sur und Note (englisch grade) werden in der Regel als Synonym verwendet)9 sprechen möchte, muss gleichzeitig über das Zeugnis reden, da beide in enger Verknüpfung zueinander wirksam werden (Ziegenspeck, 1973). Unter Zensuren wird nach dem herrschenden Sprachgebrauch die

9 Die Übersetzung ins Englische für Note ist Grade, dies spielt für diese Arbeit insbesondere für den Begriff GPA (Grade Point Average) eine Rolle, welcher sich insbesondere in den USA für den Durchschnitt aus den College- noten ableiten lässt.

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Beurteilung einzelner Schülerleistungen verstanden (Ziegenspeck, 1973). Die Zeugnisse um- fassen sodann die Zensuren eines größeren Zeitabschnittes, wobei das Zeugnis ursprünglich die Aussage eines Zeugen über einen bestimmten Sachverhalt ist, den er aus eigener Anschauung kennt (Ziegenspeck, 1973). Zensieren bedeutet: begutachten, prüfen, raten bzw. schätzen und umfasst also ein breiteres Spektrum von beurteilendem Tätigsein (Ziegenspeck, 1973). Der Be- griff ‚censere‘ (den Wert schätzen, begutachten) wurde später allgemein für das Begutachten und Beurteilen eines Menschen und seiner Handlungsweise benutzt (Ziegenspeck, 1973). Dar- aus wurde dann das Zensieren also die Handlungsweise, die schulisches Verhalten und Schul- leistungen feststellt und einordnet (Ziegenspeck, 1973).

Geschichtlich gesehen bedeutet die Einführung von Bildungsexamen und die ihren Ergebnissen beigemessene Bedeutung eine Erhöhung der Chancengleichheit (Ingenkamp, 1995). Diese Grundtendenzen erfahren verschiedene Variationen durch stärker wirtschaftlich-expansive o- der mehr bürokratisch-militärische Interessen im jeweiligen Staat (Ingenkamp, 1995). Dohse (1964) argumentiert, dass das Schulzeugnis in seiner Grundkonzeption gar kein ursprüngliches Mittel der Schule sei, sondern primär ein solches einer bürokratisierten, nationalstaatlich orga- nisierten Gesellschaft im Dienste der Auslese des Nachwuchses auf der Grundlage des Leis- tungsprinzipes.

Erwähnenswert ist, dass das Zeugnis früher ein Benfizien- oder Stipendiatenzeugnis auch auf Wunsch bedürftiger Schüler darstellte und wurde vor allem auch um Beurteilungen des Fleißes und der Führung wiederzugeben ausgestellt (Ingenkamp, 1995). Daraus entwickelte sich später das Reifezeugnis, welches nicht mehr nur an bedürftige Schüler verteilt wurde, sondern auch Anmerkungen zu Fleiß und Verhalten enthielt (Ingenkamp, 1995). Erst Mitte des 19. Jahrhun- derts wird das Reifezeugnis Bedingung für den Übergang zur Hochschule, und zwar zuerst für die Philologen, dann für die Mediziner und schließlich für die Theologen und Juristen (Ingen- kamp, 1995). Ingenkamp (1995) erwähnt, dass man sich durchaus fragen muss, ob das Zeugnis und die dadurch bestätigten Prüfungen wirklich eine Auslesefunktion hatten respektive haben oder ob es nicht vielmehr angesichts der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft nur ein Mittel der Privilegierten war oder ist, um die Privilegien der herrschenden Klassen aufrechtzu- erhalten respektive zu bestätigten. Weiter wird erwähnt, dass die demokratische Schule in Deutschland kein Instrumentarium entwickeln konnte, das es ihr erlaubt hätte, die in der demo- kratischen Gesellschaft für die Schülerbeurteilung und Begabtenförderung gesetzten Ziele zu erreichen und die Erreichung dieser Ziele laufend zu überprüfen, die Schule blieb angewiesen

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auf die Zensurengebung, die sich unter ganz anderen Verhältnissen und anderen Zielen entwi- ckelt hatte (Ingenkamp, 1995). Relativ umfassend war dann auch die Kritik, die schon bald bezüglich der Beurteilung von Schülern mit Ziffernnoten einsetzte (Lübke, 1996). Bereits im 19. Jahrhundert begannen gewisse kritische Stimmen bezüglich der Zensurengebung laut zu werden, insbesondere in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts, wobei diese insbesondere auch im Zuge der 68er-Bewegung neu belebt wurden (dazu in chronologischer Reihenfolge Röhl, 1919; Sass, 1926; Flitner, 1966; Dohse, 1967; de Groot, 1971; Ingenkamp, 1971; Ziegenspeck, 1973; Becker & Hentig, 1983; Gaude, 1989; Jürgens, 1992). Noch heute bilden jedoch vor allem die von Ingenkamp (1971) zusammengetragenen Befunde die zentrale Grundlage für die Notenkritik (Lintorf, 2012). So verweisen aktuelle Übersichtswerke beim Thema Noten außer- ordentlich häufig und mehr als nur nebenbei auf Ingenkamps Arbeit (dazu insbesondere Wild

& Krapp, 2006; Tent, 2006) (Lintorf, 2012). Dies ist darin begründet, dass Ingenkamps Werk nicht nur zu den Klassikern der erziehungswissenschaftlichen und pädagogisch-psychologi- schen Fachliteratur zählt, sondern immer noch den umfangreichsten Überblick zur Güte der Notengebung bietet: Die aktuelle Ausgabe über die Thematik der Fragwürdigkeit der Zensuren- gebung (Ingenkamp 1995) arbeitet Forschungsbefunde aus etwa einem halben Jahrhundert auf (ca. 1925 bis 1976) (Lintorf, 2012).

Was impliziert dies nun für Schüler? Was schon jeder Schulanfänger und jede -anfängerin weiss, zielen Schule und Unterricht grundsätzlich auf ein Hautpziel ab: etwas zu lernen. Damit verbunden ist unweigerlich auch die Leistungskontrolle als Prüfinstrument des Gelernten. So- mit existieren Prüfungen und entsprechend werden die Resultate in Noten dokumentiert. Ram- seier (2009) präzisiert diesbezüglich, dass daher davon ausgegangen werden kann, dass Lern- zuwachs als Ziel von schulischen Arbeitssituationen und Aufgaben bei den Schülerinnen und Schülern implizit vorhanden ist (Ramseier, 2009). Die Prozesse des Lernens bedingen aber un- weigerlich, die Qualität der Lernprozesse zu prüfen, was oft klassisch mit Prüfungen und kon- sekutiv mit dem Erteilen von Noten verbunden ist. Dies impliziert nicht nur, dass Lernprozesse zu initieren sind, sondern vielmehr, dass das Prüfen eine der Hauptaufgaben der Schule ist.

Diese inhaltsstarke Aussage ist vor allem auch historisch einzuordnen.

Beschäftigt man sich nun detailliert mit der Funktion der Noten, so ist erwähnens- und bemer- kenswert, dass diesem Instrumentarium durchaus Rebellisches zugeordnet werden kann. Ingen- kamp (1995) verdeutlicht dies durch folgende Aussage, welche zeitlich am Ende des Ersten Weltkrieges einzuordnen ist: „Es wäre einseitig und würde gerade die Widersprüchlichkeit in

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den Funktionen der Zensurgebung verdecken, wollte man sie nur als Instrument der Effektivi- tätssteigerung und Stabilisierung bestehnder Gesellschaftsordnungen sehen. Sie sollte nach 1918 auch das Instrument werden, das den Aufstieg der Begabten ohne Rücksicht auf die Her- kunft ermöglichen sollte.“ (S. 15)

Dieses Phänomen besitzt Eindrücklichkeit. So schreibt Weinert (1998a): „Begabte Kinder ent- wickeln sich (…) nicht nur schneller, sondern erreichen auch (…) im frühen Erwachsenenalter ein höheres Intelligenzniveau.“ (S. 24, im Orginal hervorgehoben) Eine mögliche Erklärung sehen Scarr & McCartney (1983) in einer Gen-Umwelt-Interaktion: Mit zunehmendem Alter suchen Intelligentere, insbesondere Hochintelligente, aktiv spezifische, mit ihrer besseren ge- netischen Ausstattung korrespondierende intellektuell fördernde Umwelten auf oder schaffen sie sich selber, sei es durch die Schulwahl, Studienwahl oder später die Berufswahl. Diese Aus- sage findet übrigens auch eine gewisse Bestätigung in epigenetischen Untersuchungen der Hu- manbiologie respektive Medizin mit der Theorie der selektiven Genexpression (Bender, 2010).

Noten stellen somit das gemessene Leistungskorrelat dar und könnten somit als Wegweiser der Begabung verstanden werden, wie ein Kind respektive Jugendlicher seinen Lebensweg bestrei- ten wird. Somit ist historisch betrachtet der Kontext der Entstehung von Noten die Schaffung von Leistungstransparenz, die die Überwindung sozialer Barrieren und den prinzipiell egalitä- ren Zugang zur Bildung und den mit diesen assozierten gesellschaftlichen Optionen ermögli- chen soll. Noten wurden somit als Mittel der Liberalisierung und zur Schaffung von Gleichheit eingeführt. Der Ursprung des zugrundeliegenden Gedankengutes kann somit bis in die Aufklä- rung und die Zeit der französischen Revolution vermutet werden. Eine der ursprünglichen Ziel- setzungen von Noten als Bildungsinstrumentarium war somit die Durchbrechung von sozialer Ungleichheit. Die Situation bezüglich der durch Bildung verursachten (Un)Gleichheiten hat sich jedoch bis heute nur teilweise verändert. Spiess-Huldi (2009) erwähnt unter Bezugnahme auf Buckmann & Sacchi (1998), Graf & Lamprecht (1991), Rolff (1984), dass das Bildungs- system durch seine Differenzierung in verschiedene Schulniveaus direkt zur Konstruktion und Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheiten beitrage. Was trotzdem auffällt ist, dass sich das Instrumentarium der Noten ein ganzes Jahrhundert nicht grundsätzlich geändert hat: „Noten sollen Berechtigungsfunktion, Auslesefunktion, Kontrollfunktion, Anreiz- und Motivierungs- funktion, pädagogisch-didaktische Funktion, Berichterstattungssfunktionen und wie man es sonst noch nennen mag, übernehmen.“ (Ingenkamp, 1995, S. 15) Konkret, Noten müssen alles

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können, alles fördern, alles aussagen. „Noten müssen das ultimative Instrumentarium für alle pädagogischen und didaktischen Verfahren und Prinzipen sein.“ (Ingenkamp, 1995, S. 15) Die Schule gerät unter der Vielfalt der damit implizierten Forderungen unter Druck. Als gesell- schaftliche Institution soll Schule zur Qualifizierung, Selektion und Allokation sowie Integra- tion und Legitimation führen und so insgesamt die Reproduktion von Kultur und Gesellschaft sicherstellen (Ramseier, 2004). Von Hentig (2003) erwähnt, dass dies auch die „persönliche Bildung“ miteinschließe, welche als „praktische Bildung“ dem Menschen aber auch „das Wis- sen und die Fertigkeiten, die Einstellungen und Verhaltensweisen, die ihm ermöglichen, sich in der von seinesgleichen ausgefüllten Welt zu orientieren und in der arbeitsteiligen Gesellschaft zu überleben“ (S. 224). Die Anforderungen, die an Bildungssysteme damit gestellt werden, sind gewaltig. Ist doch der Anteil der Lebenszeit, die effektiv in diesen Systemen verbracht wird, relativ gering. So kann man leicht ausrechnen, dass in den 13 Schuljahren, die ein Gym- nasiast heute noch zur Schule geht, er tatsächlich nur ca. 15‘000 Stunden an der Schule ver- bringt. Ungefahr 61‘000 Stunden hingegen lebt und lernt ein junger Mensch jedoch in einer anderen Umgebung (Merker, 2009). Sehr wahrscheinlich werden also Aktivitäten und Erfah- rungen, die Heranwachsende außerhalb der Schule machen, die Entwicklung in ebenso bedeu- tendem, wenn nicht gar bedeutenderem Umfang mitbeeinflussen (Gerber, Cavallo & Marek, 2001; Krettenauer, 2006). Die Schule wird gleichwohl als Selektionskriterium für die Gesell- schaft verstanden, trotz der erwähnten Tatsache. Die darin ablaufenden Lernprozesse und Lern- erfolge werden von den später in der Gesellschaft geltenden Erfolgskriterien mitbeeinflusst und mitgetragen (Ingenkamp, 1995). Die Schule wird so zur Institution, wo die Besinnung über das Leben und seine Erscheinungsweisen eingeleitet werden soll (Mühl, 1971). Die von der Schule vermittelte Bildung erschöpft sich damit nicht in der Kenntnis vieler Erscheinungen, sondern in der Erkenntnis der gegenseitigen Verbindungen und Abhängigkeiten (Ingenkamp, 1995). Die Leistungsschule als Schule der ‚Arbeit‘ und der ‚Gesellschaft‘ ist somit weit davon entfernt, der herbartschen Forderung nach dem Ringen um die ‚kosmischen‘ Zusammenhänge zu genü- gen (Ingenkamp, 1995). Ingenkamp (1995) erwähnt bezüglich des Verteilens von Noten, „dass wir weit davon entfernt sind, mit der Zensurengebung tatsächlich das zu beurteilen, was wir lehren und erfassen wollen. Lernziele und Lernerfolgsmessung klaffen in einem kaum beachte- ten Maße auseinander. Wir glauben, Argumente, Gedankenketten, logische Sequenzen zu be- urteilen und werden ohne unser Wissen durch Sympatie, Rechtschreibefehler, die Reihenfolge [der Aufgaben], die Reihenfolge in der wir Aufsätze lesen, u a. mehr beeinflusst.“ (S. 95)

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Ingenkamp (1995) verdeutlicht, dass diese Diskrepanz zwischen der Zielformulierung einer- seits und der Erfolgskontrolle andererseits viel zu selten Gegenstand von Untersuchungen sei, was nicht nur die theoretische Diskussion, sondern zusätzlich auch die Kluft zwischen den Er- gebnissen der Theorie und der Praxis immer mehr vertiefe (Ingenkamp, 1995). Anzumerken ist, dass diese Aussage vor mittlerweile mehr als 15 Jahren gemacht wurde und sich diesbezüg- lich wenig geändert hat. Die Forderung nach gezielterem Prüfen wird somit noch einmal unter- mauert. Ist nun diese angesprochene Divergenz aber zwischen Lernen und Prüfen wirklich so groß? Wird wirklich so schlecht geprüft? Was sagt die Empirie zu den Fähigkeiten des Prüfens?

Bezüglich der Wichtigkeit der Noten für ein Hochschulstudium bleibt zu erwähnen, dass nach mehrheitlichem Verständnis in erster Linie der (im Sinne guter Noten) erfolgreiche Abschluss des Studiums als Studiumserfolg gewertet wird und somit die Noten ganz einfach das entschei- dende Instrumentarium und Korrelat des Erfolges bilden (Wissenschaftsrat, 2004). Studienno- ten, Examennoten oder Noten von Zwischenprüfungen sind somit die verbreitetsten Kriterien für den Studienerfolg (Trost & Bickel, 1979). Sie sind relativ leicht zu handhaben und ihnen wird eine hohe Validität im Hinblick auf den Studienerfolg10 nachgesagt (Rindermann &

Oubaid, 1999).

Was ebenso relevant ist, neben den Noten, sind sicherlich die Schüler, welche die Prüfungen im Kontext der Schule und so innerhalb des Bildungswesens zu schreiben haben. In keinem anderen Bereich der Humanentwicklung argumentiert Fend (2001), unter Bezugnahme auf Heckhausen (1980), ließe sich die selektive Förderung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale so klar nachweisen wie gerade bei der jahrelangen Einübung in die folgenden Handlungs- und Erlebnisbereiche:

Durch das Bildungswesen wird eine Haltung der disziplinierten Handlungsregu- lierung gefördert, die vor allem in sorgfältiger Lernarbeit besteht und eine Aus- richtung auf die Qualitätsmaßstäbe bewirkt, die durch die Lernaufgaben und Lernziele vorgegeben werden. Eine ständige Selbstbeobachtung und Selbstkon-

10 Merker (2009) erwähnt, dass Studienerfolg der erfolgreiche Abschluss des Studiums ist (S. 101). Die Kehrseite des Studienerfolgs ist der Studienabbruch (S. 101). Die Erfolgsmaßstäbe unterscheiden sich je nach Interessens- gruppe (Student, Hochschule, Gesellschaft, Arbeitgeber) erheblich, wobei zentrale Kriterien des Studienerfolgs neben Studienabschluss/-abbruch sind Studiennoten, Studiendauer, Studienzufriedenheit, allgemeiner Kompe- tenzzuwachs und späterer Berufserfolg (S. 101).

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trolle, ob man etwas richtig gemacht hat, wird systematisch eingeübt. In unzähli- gen Interaktionsschleifen von Leistungserbringung und Erfolgs-Misserfolgs- Rückmeldung entstehen Selbst-Belohnungs- und Selbst-Bestrafungsstrategien, die das lernbezogene Handeln lenken und vorantreiben. (Heckhausen, 1980)

Im Bildungswesen wird durch die jahrelange Spiegelung des individuellen Lern- verhaltens in Urteilen der Institution im Rahmen des Leistungsprinzipes auch ein Verhältnis des Menschen zu sich selber geschaffen. Die Schule kann als Raum verstanden werden, in dem Schüler über Jahre Informationen über sich selber bekommen, was sie können und was sie nicht können. Sie haben unzählige Gele- genheiten, sich selber kennenzulernen und die eigenen Potenziale zu erproben, um auf dieser Basis zu erkunden, welche beruflichen Ansprüche sie sich zutrauen und welche nicht. (S. 331)

Somit stellen die Noten wohl eines der wichtigsten Informationsdokumente dar, welches den Schülern als offizieller Wegweiser für ihren weiteren Lebensweg dienen kann. Heinz (1996) bezeichnet Lehrer sodann als ‚Gatekeeper‘, die das Tor zu gewissen Lebenswegen öffnen oder auch verschließen (S. 59).

2.2 Begriffsbestimmung 2.2.1 Die Ziffernbenotung

Der geschichtliche Hintergrund der Entstehung des Instrumentariums der Noten hat sich in Deutschland für die Schule als Institution im Zusammenhang mit der preussischen Staatsreform und der Neugestaltung des Bildungswesens im 19. Jahrhundert entwickelt respektive entschei- dend verändert (Lübke, 1996). Eine Verschärfung der Selektionsfunktion der Schule mit Hilfe normierter Staatsprüfungen war eine Konsequenz, was dem modernen Kriterium der Leistung eine größere Bedeutung zumaß (Lübke, 1996). Das Leistungsprinzip ist naturgemäß universa- listischer als das vorhergehende Standesprinzip, denn prinzipiell kann jeder Mensch Leistungen erbringen und Fähigkeiten nachweisen (Lübke, 1996). Doch scheint bis heute eine wirksame Verkoppelung des Bildungsauftrages der Schule mit der Verleihung bestimmter Karriererechte zu existieren, die noch vor dem Beginn der Industrialisierung die Selbstrekrutierung des Bil- dungsbürgertums möglich gemacht und die Abschottung kleinbürgerlicher und agrarischer Schichten – später auch gegenüber der proletarischen Klasse – ermöglicht haben (Lübke, 1996).

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Ein Berechtigungswesen war entstanden, das schulische Bildung mit staatlich vorgezeichneten und gestützten Laufbahnen oder mit anderen Ausbildungsleistungen verknüpft (Lübke, 1996).

Der Leistungbegriff verbindet die Beherrschung und Wertschätzung eines historisch ausgeleg- ten Bildungskanons mit dem Erwerb kognitiver Kompetenzen (Lübke, 1996). Die Leistungen werden in Noten attestiert und führen zu Ansprüchen und Privilegien: für die Gymnasiasten mit dem Abitur respektive der Matur zum Hochschulstudium und für die erfolgreichen Absolventen der Volksschule zum Privileg der Berufslehre beziehungsweise zum Auffinden einer Stelle (Lübke, 1996). Im Hochschulbereich ist es wohl unbestrittene Tatsache, dass bei gewissen Un- ternehmen, welche dem Anspruch der Elite gerecht werden wollen, ausgezeichnete Hochschul- noten ganz einfach Pflicht für eine allfällige Einstellung sind. Somit wird das schon in der Volkschule vorhandene Prinzip, dass gute Noten zu potentiell besseren beruflichen Möglich- keiten führen, weitergeführt. Im Mittelteil der Bildungslaufbahn eines Menschens respektive im Übergang von der Volksschule zur Sekundarstufe I findet sich beispielsweise in der Schweiz die allokative Verleihung der Zugangsberechtigung zu den drei Stufen Real-, Sekundar- und Kantonsschule, was einen ersten entscheidenden Einfluss auf die weitere Stellung im Berufsle- ben haben kann (Trautwein & Baeriswyl, 2007).

2.2.2 Die Schulleistung

Wenn man von Noten spricht, ist es unumgänglich, sich mit dem Begriff der Schulleistung auseinanderzusetzen.11 Die Schule ist mitunter jener soziale Raum, in dem Heranwachsende hundertfach erproben können, was ihre Leistungsstärken und ihre Interessen sind (Fend, 2001).

Dies impliziert das Element des sozial weichen Raumes, wo Fehler gemacht werden dürfen, eine Fehlerkultur existiert. Gleichwohl werden Schulleistungen bewertet, häufig mit Hilfe von Noten. Meulemann (1990) erwähnt diesbezüglich, dass das Bildungswesen sein eigenes Krite- rium – Leistung – besitze. Das Bildungswesen ist der einzige Bereich des sozialen Lebens, in dem Leistung nicht nur als diffuses Orientierungs- und Bewertungskriterium institutionalisiert, sondern durch spezifische, auch juristische und organisatorische Regelungen messbar gemacht wurde (Mayer, 1990). Es geht nicht nur um Leistung, sondern auch um die Leistungsmessung

11 Für eine umfassende Übersicht sei hier auf Helmke & Weinert (1997) verwiesen.

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(Mayer, 1990). Wobei das Verfahren der Leistungsmessung im Prinzip von allen Beteiligten anerkannt wird (Meulemann, 1985).12

Stellt man sich nun die Frage der Leistungsmessung, muss unweigerlich auch die Frage der Qualität der Leistungsmessung gestellt werden. Dass Noten nicht nur die Schulleistung in der reinen Form wiedergeben, ist aber, wie schon erwähnt, spätestens seit Ingenkamp (1995) be- kannt. Es ist nicht nur eine Tatsache, dass Schulleistung kein klar abgegrenzter und definierter Begriff ist und entsprechend in der pädagogischen Forschung sehr unterschiedlich verwendet wird respektive sehr unterschiedlich determiniert ist, sondern Noten geben auch auf materieller Ebene nicht nur die reine Schulleistung wieder (Rindermann & Kwiatoski, 2009).

Dies bedingt, sich zuerst zu fragen, was unter Schulleistung verstanden wird. Rindermann &

Kwiatoski (2009) beziehen sich auf Weinert (2001), der diesen Begriff auf die Individualebene und nicht die Institutionenebene bezieht und erwähnt, dass wenn von Schuleistung gesprochen werde, darunter die Leistung eines Schülers gemeint ist und nicht die Leistung einer Schule.

Die Frage nach dem Begriff der Schulleistung ist unweigerlich mit der Frage der Entstehung der Schulleistung und somit den Determinanten eben dieser verbunden. Was determiniert Schulleistung respektive Schülerleistung? Rindermann & Kwiatoski (2009) erwähnen, dass die Schul- respektive Schülerleistung multipel determiniert ist, d. h. in komplexer Weise abhängig von individuellen und genetischen Determinanten, familiären Determinanten, schulischen und unterrichtlichen Determinanten und von kulturellen, gesellschaftlichen sowie politischen De- terminanten. 13

Ein Zugangspunkt für die Beschäftigung mit der Schülerleistung war die Beurteilung der Qua- lität von Unterricht in der empirischen Lehr-Lernforschung. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen bildet beispielsweise das Determinationsmodell von Harnischfeger

& Wiley (1977), dessen Ursprung in die 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts reicht.14 Betrachtet man unterschiedliche Determinationsmodelle von Schulleistung, welche

12 Das Verfahren der Leistungsbewertung in Form von Noten wird, wie Meulemann (1985) explizit erwähnt, im Prinzip von allen Beteiligten anerkannt.

13 Eine neuere Metaanalyse bezüglich der Bedingungsfaktorn von Schulerfolg stammt von Robbins et al. (2004).

Diese interessiert sich jedoch im Kern nicht für den Zusammenhang von Noten und späterem beruflichen Erfolg, sondern zeichnet sich durch eine relative Breite der Betrachtung auf den schulischen Kontext aus. Für eine Dis- kussion dieser Arbeit sei hier auf Weissberg & Owen (2005) verwiesen.

14 Für eine außerordentlich umfassende Abhandlung bezüglich Modellen von Schulleistung sei an dieser Stelle auf Eberle (1986), eine Arbeit über schulleistungsrelevante Merkmale von Gymnasiasten im Umfang von zwei Bänden mit ca. je 400 Seiten, verwiesen.

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