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nach einer differentiellen Betrachtung kaum umfassend untersucht. Die meisten Studien kon-zentrieren sich auf den Zusammenhang zwischen Testleistung und Schulnoten, Schulnoten und Studiumserfolg, Studiumserfolg und Berufserfolg (vor allem nordamerikanische Studien, je-doch häufig mit der alleinigen Auseinandersetzung der Beziehung zwischen Noten und Gehalt).

Für die Schweiz beispielsweise gibt es keine umfassende Studie bezüglich des Zusammenhan-ges von Noten und Berufserfolg, für den deutschsprachigen Raum gibt es nur sehr wenige und häufig nur sehr kurze Absolventenbefragungen, welche häufig einen ökonomischen (Bezug-nahme zur Humankapitaltheorie, dazu beispielsweise Klein 1994) oder einen eher soziologi-schen Hintergrund (Kühne, 2009; Brüderl, Hinz & Jungbauer-Gans, 1996; Lüdeke & Beck-mann, 2001; Ziegler, Brüderl & DiekBeck-mann, 1988) aufweisen. Das Vorliegen einer Arbeit, ins-besondere aus pädagogisch-psychologischer Sicht, mit den entsprechenden Möglichkeiten (in-klusive umfassender Klärung des Phänomens der Noten) scheint gänzlich zu fehlen. Der Zu-sammenhang des durch die Bildungsinstanz vergebenen Gütescheins mit dem Berufserfolg ist für die Schweiz und in exakter und umfassender Form auch für Deutschland aus pädagogisch-psychologischer Sicht bisher noch nie ganzheitlich untersucht worden.3

1.2 Problemstellung

Noten messen nicht respektive nicht nur die Schulleistung. Dies ist somit nur bedingt gerecht.

Denn somit wirkt das Korrelat Noten nicht korrekt, was zur Konsequenz hat, dass ein schein-genauer Indikator für gesellschaftliche Möglichkeiten, Optionen und Privilegien verwendet wird (dazu insbesondere Kapitel 2). Historisch gesehen war für die westliche Welt insbesondere der Sputnikschock Anlass, Bildungsförderungsprogramme zu starten (Preiss, 2013). Zielset-zung war die Schaffung einer größeren Egalität zu den unterschiedlichen, insbesondere auch

3 Für die Schweiz ist für diese Arbeit (Zeitraum des Schulbesuchs 1969, 10. Schuljahrs) auf die Studien von Imhof, Lätsch & Weber (1977) und Imhof & Häfeli (1980) zu verweisen. Die Arbeit von Imhof, Lätsch & Weber (1977) untersuchte für 181 Studenten mit einem eidgenössischen Maturitätszeugnis den Studienerfolg. Im Kern wurde die Höhe der Maturitätsnote mit dem Studienerfolg untersucht von den vier Gruppen (Abschluss mit Lizentiat/Dip-lom/Doktorat, Abschluss mit Sekundarlehrerdiplom (oder Ähnlichem), Noch-im-Studium und Studienabbruch.

Die besten Noten zeigen die Diplomierten gegenüber den Sekundarlehrern, den Noch-Studierenden und den Ab-brechern, zu erwähnen bleibt zudem, dass die Unterschiede zwischen den Maturitäszweigen als schwach taxiert wurden (Imhof, Lätsch & Weber, 1980). Die Korrelationen für unterschiedliche Outcomes des Studienerfolgs variierten je nach Kriterium und lagen zwischen 0.15 und 0.33, wobei gewisse Werte keine Signifikanz aufwiesen.

Imhof & Häfeli (1980) zeigten beispielsweise für den Kanton Zürich auf, dass für die drei Schultypen Literargym-nasium I/II, das mathematisch-naturwissenschaftliche GymLiterargym-nasium und für das WirtschaftsgymLiterargym-nasium der Anteil gewisser Sozialschichten in den jeweiligen Zweigen unterschiedlich ist. So war der prozentuale Anteil der Ober-schicht im Literargymnasium am höchsten, im mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium war der ver-hältnismäßige Anteil zu den anderen Zweigen der Unterschicht am größten. Das Wirtschaftsgymnasium nahm die Mittelposition ein.

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höheren Bildungsgängen, um so von allfällig knappen Ressourcen zu abstrahieren und so eine möglichst gute kompetitive Situation im Hinblick auf den stattfindenden Wettbewerb zu garan-tierten (Preiss, 2013). Vom Bildungswesen und von der Schule als Institution des Bildungswe-sens wird sodann explizit gefordert, dass das Bildungswesen sein eigenens Kriterium – Leistung – besitze und dieses entsprechend auch korrekt umgesetzt werde (Meulemann, 1979). Ange-lehnt ist diese Aussage an Dahrendorf (1967), der erwähnt, dass die staatsbürgerliche Gleichheit die Gleichheit der Bildungschancen verlange – Bildung ist Bürgerrecht. Dies impliziert auch die Forderung nach Chancengleichheit (Meulemann, 1990). Die erste und einfachste Definition von Chancengleichheit ist die proportionale Repräsentation, das heisst beispielsweise, dass Kinder unterschiedlicher Schichten dem Anteil dieser Schichten der Gesamtbevölkerung ent-sprechend bei einem bestimmten Schulabschluss vertreten sind (Meulemann, 1990). Wenn Chancengleichheit als proportionale Repräsentation herrscht, ergibt sich aber auch ein potenti-eller Widerspruch, der offensichtlich darin liegt, dass diese Definition die Leistungsmaßstäbe ignoriert, die im Bildungswesen gültig sind (Meulemann, 1990). Nun mag es sein, dass Kinder aus höheren Schichten in der Schule mehr leisten als andere und deshalb auch bei den höheren Schulabschlüssen stärker vertreten sind, wobei es ungerecht wäre, diese aus den höheren Schul-abschlüssen zu verdrängen (Meulemann, 1990).

Aus Schülersicht ist auch auf die Inputseite der im System Schule respektive der Bildungs-instanz verbrachte Zeit zu verweisen. 16‘000 Schulstunden sind auf dem Weg zum Abitur res-pektive zur Matura vom Streben nach guten oder ausreichenden Noten gekennzeichnet. Zählt man den Schulweg (etwa 5000 Stunden) und die Zeit außerhalb der Schule in Form von Prü-fungsvorbereitungen und Hausaufgaben (etwa 8000 Stunden) dazu, so sind es insgesamt also etwa 30‘000 von total ca. 110‘000 Lebensstunden, die während 13 Jahren dem fiktiven Ziel ,gute Noten‘ gewidmet werden (Dzelli, 2009). Dass Noten wichtig sind, stellt für Schülerinnen und Schüler eine pädagogische Binsenwahrheit dar. Noten weisen aber auf den ersten Blick eher eine geringe prädiktive Validität für den Berufserfolg auf, wie zahlreiche Arbeiten und insbesondere Metaanalysen aus dem angelsächsischen Raum zeigen. Die Begründungen für den oft als gering bis mäßig gefundenen Zusammenhang bleiben häufig offen oder Erklärungen beruhen auf dem spezifischen Untersuchungskontext (dazu Kapitel 4). Trotzdem haben Noten im Alltagsleben hohe Relevanz und um gute Noten zu erreichen, braucht es gewisse Fähigkei-ten. Einzelne Forscher reduzieren diese Fähigkeit schlicht auf einen Faktor. Als historisches

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Beispiel ist die Termann-Studie aus dem Hochbegabtenbereich zu nennen.4 Termann betonte die Wichtigkeit der allgemeinen Intelligenz im Sinne des Spearmann g, wie folgende Aussage verdeutlicht:

… , I am convinced that to achieve greatly in almost any field, the special talents have to be backed up by a lot of Spearman’s g, by which is meant the kind of general intelligence that requires ability to form sharply defined concepts, to manipulate them, and to perceive subtle relationship between them: in other words, the ability to engage in abstract thinking. (Terman 1954, S. 224)

Terman5 betont, „that to achieve greatly in almost any field … engage in abstract thinking.“

Geht man nun von einer zeitlichen Stabilität der Intelligenz aus unter der obengenannten Prä-misse in ,any field‘, so liesse dies doch den hypothetischen Schluss zu, dass doch der Output während der Schulzeit in Form von Noten mit dem Outcome in Form von Berufserfolg einen Zusammenhang aufweisen sollte. Impliziert diese Aussage nicht auch, dass Erfolgsfaktoren mit prädiktiver Validität aus den Noten für den Berufserfolg abgeleitet werden können?

Was detailliert zu spezifizieren sein wird (dazu Kapitel 2), Noten stellen nur begrenzt ein Kor-relat der Schulleistung dar, da ihnen im Schulalltag spezifische Funktionen zugeschrieben wer-den (Rindermann & Kwiatoski, 2009). Noten, neben zahlreichen Funktionen beinhaltend, so wird doch niemand bestreiten können, dass gute Noten für Erfolg stehen und eine hohe Rele-vanz für das Leben von Schülern haben (Sacher, 2001). Eher gegensätzlich zur öffentlichen

4 Prinzipiell von Interesse für diesen Kontext sind Schüler des Gymnasiums. Diese sind nicht zwangsläufig als hochbegabt einzustufen, jedoch ist bezüglich dieser Population ein überdurchschnittlich hoher Intelligenzquotient aufgrund der Selektivität des Schulsystemes zu beobachten, so weist das hier untersuchte Kölner Gymnasiasten-panel einen durchschnittlichen IQ von 111 auf.

5 Als Beispiel für vorhandene Inkonsistenzen sei auf die ignorierten Nobelpreisträger William Shockly & Luis Alvarez aufmerksam gemacht, die beide in der ursprünglichen Stichprobe von Terman enthalten waren, wobei aber keiner von beiden in die Untersuchung miteinbezogen wurde, da ihr Intelligenzquotient zu gering war (Zieg-ler, 2008). Dies stellte für Terman, welcher die Bedeutsamkeit der Intelligenz beweisen wollte, einen herben Rück-schlag dar (Ziegler, 2008). Ein Messfehler wurde vermutet, was aber bezüglich Shockley ex post sicher verneint werden kann, da die Mutter von Shockley (IQ 160), eine Wiederholung verlangte, nachdem ihr Sohn im ersten Test nur 129 Punkte erreichte, jedoch ohne besseres Ergebnis (IQ 125) (Ziegler, 2008). Shockley war in seinem Fach einer der renomiertesten Physiker (Erfindung des Transistor, eine Experimentalphysikeraufgabe, nicht theo-retische Physik). Jensen, welcher ebenfalls erstaunt war, über die tiefe Testleistung, testete Shockley erneut, wobei Shockley auch dieses mal nur die 90. Perzentile erreichte (Ziegler, 2008). Dies zeigt eigentlich eine Inkonsistenz auf, es sei hier aber auch angemerkt, dass man sich auch fragen darf, ob Intelligenztests im Bereich von hohen und sehr hohen Werten überhaupt noch valide Instrumente sind, da diese zur Unterscheidung der großen Masse entwi-ckelt wurden.

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Wahrnehmung und zur praktischen Relevanz dieses Instrumentariums weisen Noten jedoch selbst in großen Metaanalysen zwar einen statistisch signifikanten, aber nicht als hoch einzu-stufenden korrelativen Zusammenhang mit dem Berufserfolg auf (Hoyt, 1965; Cohen 1984;

Samson et al., 1984; Bretz, 1989; Roth, 1996; Roth & Clarke, 1998). Warum ist die prädiktive Validität von Noten für den Berufserfolg so gering? Diese Inkonsistenz wird zusätzlich akk-zentuiert und perpentuiert durch Übersichtsarbeiten bezüglich des Zusammenhanges von Intel-ligenz und Berufserfolg, welche eher als entgegengesetzt zu beurteilende Ergebnisse über die Bedeutsamkeit des Zusammenhanges (Gottfredson, 1997; Strenze, 2007; Kramer, 2009) auf-weisen.6 Sind Interferenzeffekte zwischen Teilnoten die Ursache für den geringen Zusammen-hang? Sind die gemessenen Unterschiede ganz einfach klein, jedoch statistisch konsistent sig-nifikant nachweisbar oder sind die Anforderungen, die Lehrer an die Schüler stellen und schlussendlich benoten, ganz einfach andere als die Anforderungen auf den Arbeitsmärkten?7 Noten sind, neben der beinhaltenden Schulleistung (Rindermann & Kwiatioski, 2009), Ergeb-nis und Konsequenz der sie bedingenden Funktionen: Selektion und Stigmatisierung, Soziali-sation, Legitimation, Kontrolle, Prognose, Information und Rückmeldung, Disziplinierung, Lehr- und Lerndiagnose, Lern- und Leistungserziehung (Sacher, 2001). Noten sind somit nicht nur Ergebnis der Schulleistung, sondern durch die sie bedingenden und mit ihnen verbundenen Funktionen durch Heterogenität bezüglich der Aussagekraft gekennzeichnet. Sind also die un-terschiedlichen Funktionen verantwortlich für den potentiell geringen Zusammenhang zwi-schen Noten und Berufserfolg? Lässt sich trotz der Tatsache des Nichtbestehens des Zusam-menhanges doch explorativ eine Systematik ableiten, dahingehend dass diesem fehlenden oder geringen Zusammenhang eine Ursächlichkeit der Systematik zugrunde liegt? Die Unterschied-lichkeit der Funktionen würde zumindest für gewisse Teilbereiche oder aber für gewisse Stu-dien einen höheren Zusammenhang vermuten lassen. Das Allzweckmittel Noten muss alles können und wird für alles gebraucht (Ingenkamp, 1995). Noten werden von der Volksschule bis zur Universität unangefochten verwendet. Und trotz aller bildungspolitischen Forderungen von Seiten der Politik, der Wissenschaft, der Gesellschaft im weiteren Sinne und weiteren Ex-perten ist zu vermuten, dass Noten als Instrumentarium des Bildungssystems auch weiterhin bestehen bleiben.

6 Belege für eine explizite Prädiktivität der Intelligenz über Schulleistung hinaus finden sich beispielsweise bei Maaz, Neumann, Trautwein, Wendt, Lehmann & Baumert (2008).

7 Gewisse Autoren haben erste Prämissen diesbezüglich aufgestellt (Bloemke, 2009).

7 1.3 Inhaltliche Ziele und Absichten der Arbeit

Noten sind im Alltag von absolut entscheidender Bedeutung. Helmut Schelsky (1957) hat Ende der 50er-Jahre die Schule als „erste und damit entscheidende zentrale Dirigierungsstelle für die künftige soziale Sicherheit, für den künftigen sozialen Rang und für das Ausmaß künftiger Konsummöglichkeiten“ bezeichnet (S. 18). Meulemann (1979) präzisiert unter Bezugnahme auf Schelsky (1957), dass Bildungsabschlüsse ein Mittel des Statuserwerbes sind. Birkelbach (2011) unter Bezugnahme auf Hillmert (2003), Geissler (1996) und Meulemann (1990) ver-deutlicht, dass die Schule oder allgemeiner das Bildungswesen soziale Ungleichheiten produ-ziere beziehungsweise reproduprodu-ziere. Weiter wird unter Bezugnahme auf Heid (2003) und Hill-mert (2003) wird erwähnt, dass nur, wenn die Schule ihre Selektions- und Allokationsfunktio-nen auf der Basis interindividueller Leistungsunterschiede wahrnehme und zugleich Chancen-gleichheit beim Zugang bestehe, die daraus resultierende UnChancen-gleichheit legitim erscheine (Bir-kelbach, 2011). Ferner wird unter Bezugnahme auf Avenarius et al. (2003) und Tent (1998) verdeutlicht, dass ein kritischer Punkt in diesem Zusammenhang die Leistungsmessungen und -bewertungen durch die Lehrer darstellen, die in Form von einzelnen Schulnoten, Zeugnissen und generalisierten Beurteilungen der Schüler und ihrer Leistungen die Basis für diesen Allo-kations- und Selektionsprozess bilden und eine zentrale Weichenstellfunktion für den individu-ellen Lebensverlauf haben (Birkelbach, 2011). Ziegenspeck (1999) verdeutlicht: „Alle Zeug-nisse sind in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Unterlagen für Aufstiegsmöglichkeiten und wahren oder verringern die Chance des Weiterkommens“ (S. 111). Ingenkamp (1995) schreibt diesbezüglich, dass seine Übersichtsarbeit die Öffentlichkeit und Fachwelt in einem für ihn unerwarteten Maße anregten. Erwähnt werden darf, dass Ingenkamps Abhandlung zu einem Zeitpunkt erschien, zu dem Zensuren immer häufiger benutzt wurden, um Lernende mit weni-ger guten Noten von weiterführenden Bildungswegen fernzuhalten, weil diese Bildungwege überfüllt erschienen (Ingenkamp, 1995).

Auch diese Tatsache führte dazu, dass Bildungssysteme sich vermehrt der öffentlichen Kritik aussetzen mussten (Ramseier, 2009). So sind die Bestimmung von Schulerfolg beziehungs-weise die Evaluation der Qualität und der Wirksamkeit der Bildungssysteme heute dominie-rende Themen der Bildungsforschung, Bildungspolitik und Bildungsplanung (Ramseier,

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2009). Die Schule und die Ausbildung werden heute stärker auch aus einer ökonomischen Per-spektive betrachtet, der Nutzen für das Individuum einerseits und für die Volkswirtschaft an-dererseits tritt ins Zentrum der Aufmerksamkeit (Ramseier, 2009). Bildung wird als Allokati-onsentscheid verstanden, was dieser im Sinne einer ökonomischen Betrachtung durch Denken in ökonomischen Modellen, wie beispielsweise dem Produktionsfaktorenmodell, die Bedeu-tung von Humankapital zuweist (Wolter, 2001). Dies hat zur Konsequenz, dass die dadurch implizierte weltweite Effizienz- und Akzeptanzkrise staatlicher Institutionen zu einem ‚steue-rungsstrategischen Paradigmenwechsel’ geführt hat, der sich auch in zunehmendem Maße auf das Bildungswesen auswirkt (Weiss, 2001). Bildung sollte aber nicht nur der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen, sondern man sollte an sie auch die Forderung stellen, die persönli-che, wohl privat zu verantwortende Entwicklung und Entfaltung des Einzelnen, die Befreiung des Menschen zu sich selber, zu Urteil und Kritik, mitzubeinhalten (Ramseier, 2009).

Schüler messen dem Obgenannten oft wenig Relevanz bei, ebenso die Absolventen von Uni-versitäten, welche immer noch nach gleichen Kriterien geprüft, beurteilt und bewertet werden.

Aus den erwähnten und genannten Punkten motiviert, will diese Arbeit auf explorativer Ebene der Notenthematik und insbesondere auch dem Zusammenhang zwischen Noten und Berufser-folg nachgehen. Stichprobe bilden dabei Befragte der Kölner Gymnasiastenstudie. Für diese Arbeit interessieren insbesondere die Zusammenhänge zwischen den 10. Jahresschulnoten und dem späteren beruflichen Erfolg. Dabei wird auch explorativ vorgegangen, um so Erklärungen für mögliche Zusammenhänge dieser zwei Phänomene ableiten zu können.

Das Kernziel der Arbeit besteht darin, den Zusammenhang zwischen gymnasialer Notenstruk-tur und Berufserfolg zu erforschen. Es interessiert die Aussagekraft von Noten, insbesondere deren prädiktive Kraft respektive Validität für den Berufserfolg. In einem ersten Schritt soll aus diesem Grunde eine möglichst umfassende statistische Analyse der Notenstruktur erfolgen. In einem zweiten Schritt interessiert der Zusammenhang zwischen den (Roh)Noten, den Kompo-nenten der Noten und dem Berufserfolg. Diese Analyse soll es ermöglichen, diejenigen Fakto-ren (Komponenten) zu identifizieFakto-ren, welche eine hohe prädiktive Kraft für den Berufserfolg besitzen, wobei der Berufserfolg durch unterschiedliche Elemente operationalisiert wird. Eine abschliessende Einordnung der Befundlage wird die Arbeit abschliessen.

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1.4 Bedeutung der Untersuchung und Umsetzbarkeit

Im dritten Teil dieses Kapitels soll die Präzisierung der Forschungsfragen aus Kapitel 5.1 in die Formulierung der Forschungshypothesen münden. Wie mehrmals erwähnt wurde, interessieren für diese Arbeit die Noten und die damit verbundenen extrahierbaren Informationen auf der einen Seite und die Beziehung eben dieser mit dem Berufseerfolg auf der anderen Seite. Für die Schweiz hat der Verein Schweizerischer Gymnasiallehrer (VSG) einen Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen entwickelt (Ölkers, 2001). Eine der total zehn verfassten Thesen lautet:

„Die Absolventinnen und Absolventen der Maturitätsschulen sollen fähig sein, erfolgsverspre-chend ein Studium zu beginnen und künftig verantwortlich Aufgaben in Beruf und Gesellschaft zu übernehmen.“ (Ölkers 2008, S. 74). Eine weitere These erwähnt, dass:

Bildungsvorgänge haben Prozesscharakter. Bildung muss daher als dynamischer Vorgang verstanden werden, an dem nicht nur das Ziel, sondern die ihn begleiten-den Impulse von großer Bedeutung sind. Mancher Anstoß gelangt erst später zur vollen Wirkung. Selbst als grundlegend betrachtete Kenntnisse und Fertigkeiten können sich wandeln, daher ist es wichtig, dass die Schüler in die Entwicklung der Wissenschaften Einblicke gewinnen und so lernen können, auch in Zukunft auf neu-artige Herausforderungen beweglich zu reagieren. (Ölkers 2008, S. 76)

Aus dem Gesagten lässt sich Folgendes ableiten. Die gymnasiale Bildung darf Anstöße geben für spätere Lebensabschnitte, der direkte Nutzen muss nicht immer im Moment offensichtlich und nachvollziehbar sein. Daraus lässt sich schließen, dass die gymnasiale Bildung einen in sich geschlossenen Wert haben darf, dies impliziert, dass Bildung per se einen Wert besitzt.

Dieser Gedanke lehnt sich dem humboldtschen Bildungsideal an, jedoch sollten die vermittel-ten Fähigkeivermittel-ten oder Kompevermittel-tenzen schlussendlich auch für die Bewältigung späterer Aufgaben von Nutzen sein.

Bezüglich des Forschungsstandes ist vorgreifend zu erwähnen, dass Studien, welche den Zu-sammenhang von Noten und Berufserfolg untersuchen, insbesondere in den USA Tradition ha-ben. So existieren erste Studien seit ca. 1900, welche sich diesem Thema widmen. Einige um-fassende Metaanalysen behandelten das Thema. Neben dem theoretischen Interesse verfolgen diese Studien vor allem die Zielsetzung, Prädiktoren für den beruflichen Erfolg zu evaluieren.

Ob Noten gute Prädiktoren sind, wird bezweifelt, jedoch wird von gewisser Seite auch erwähnt, dass: „A highly valid predictor may be so expensive that the use of a less expensive predictor with lower but acceptable validity may be preferred.“ (Schmidt, Hunter, McKenzie & Muldrow,

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1979) Das Prinzip ,Pragmatismus statt Perfektionismus’ scheint also vorzuliegen, um einen Zu-gang zu dem Phänomen zu schaffen. Zu erwähnen ist, dass sich insbesondere die großen Me-taanalysen auf die angloamerikanischen Bildungsverhältnisse respektive den angloamerikani-schen Arbeitsmarkt beziehen. Wie schon erwähnt, gibt es für Deutschland nur wenige Studien über den Zusammenhang von Noten respektive Schul- und Studienerfolg und Berufserfolg, und somit kann die Literatur nur bedingt Vorinformationen oder Anhaltspunkte geben, wie sich die im Rahmen dieser Studie erhobenen Ergebnisse präsentieren werden.

Erwähnenswert ist in diesem Kontext, dass im Sinne einer laufenden Evaluation und als Kon-sequenz einer vermehrten, wie schon erwähnt, ökonomischen Sichtweiese auf die Schule die Qualität des Unterrichts stärker hinterfragt und Verbesserungen verlangt werden (Ramseier 2009). Sollte sich im Rahmen der empirischen Arbeit zeigen, dass gute Schüler sich auf den Arbeitsmärkten nicht besser oder gar schlechter durchsetzen, sollten diese Erkenntnisse An-haltspunkte zur Verbesserung des Curriculums liefern.

Der Unterricht an vielen Schulen und Universitäten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wenig verändert. Gleichwohl haben sich gewisse Elemente von Lehr-Lernsituationen gewan-delt. Die Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere das In-ternet, ermöglichen heute mit Hilfe von unterschiedlichen Endgeräten auch für Schüler eine ständige Verfügbarkeit von schlichtem Faktenwissen. Man darf diese Entwicklungen nicht gänzlich ignorieren, denn die veränderten Rahmenbedingungen verlangen ein proaktives Her-angehen an die sich neu stellenden Anforderungen. Das reine Reproduzieren von Wissen durch das menschliche Gedächtnis ist als Konsequenz der schlichten Fakteninformation durch das Internet in gewissem Umfang obsolet geworden. Gleichwohl stellt vorhandenes Wissen eine zentrale Voraussetzung für die Neuakkumulation von Wissen dar. Dies wurde durch die Natur-wissenschaften, insbesondere durch das hebbsche Postulat (Senn 2006) der synaptischen Plas-tizität, unlängst gezeigt.8 Die so veränderten Tatsachen führen dazu, dass es mehr denn je

8 In der Neurologie (Neurophysiologie) werden Fähigkeiten integraler als Möglichkeit zum Aufbau einer kogni-tiven Struktur im Sinne einer Assoziation verstanden und beinhalten die Möglichkeit der Schaffung von Struktur (Zentrales Nervensystem – Ebene der Nervenzelle) und Funktion (die Wiedergabe und Anwendung – beispiels-weise in Form von Sprache). Ausgehend vom hebb‘schen Postulat soll es somit zur veränderten synaptischen Verbindung kommen, womit das organische Korrelat, in concreto die Nervenzelle (Struktur), die Funktion (bei-spielsweise die Sprache) determiniert. Lernen und Gedächtnis beruhen somit auf der Bildung und Modifikation synaptischer Verbindungen. Es wird ein deklaratives (explizites) Gedächtnis, welches zur bewussten Wiedergabe von Fakten und Ereignissen dient, von einem prozeduralen (impliziten) Gedächtnis unterschieden. Letzteres ist für die Aneignung und Wiedergabe von Fertigkeiten und Gewohnheiten verantwortlich. Prozedurales Lernen erfolgt