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5.2 Modellwahl

5.2.1 Das Rahmenmodell

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schlussendlich im Messmodell. Das gewählte Rahmenmodell wird es ermöglichen, die einzel-nen bereits diskutierten Elemente der Noten und des Berufserfolges in diesem Modell zu ver-orten und zusammenfassend darzustellen, was sodann in ein Theoriemodell münden wird und zu einem leicht modifizierten Messmodell mit anschließender Vorstellung der potentiellen Überprüfung in Kapitel 6 mit Hilfe insbesondere von Strukturgleichungsverfahren münden wird.

5.2.1 Das Rahmenmodell

Abbildung 5.1: Modell zum Kompetenzerwerb im Gymnasium und zu dessen langfristigen Wir-kungen (dazu Eberle (2009), Schumann, Oepke & Eberle (2011), Eberle (2013))

Prinzipiell bieten sich unterschiedliche Modlle zur Beschreibung des Forschungsgegenstandes an. Denkbar ist auch, das Modell nicht ins Zentrum zu stellen und die Forschungsfragen vor allem aus Hypothesen und Methoden ableitend abzuhandeln (dazu beispielsweise Spiess-Huldi, 2009). Diesem Ansatz wird dahingehend gefolgt, als dass am Ende des Kapitels spezifische Hypothesen abgeleitet werden. Für die hier verfolgte Thematik, wobei prinzipiell zu unter-schiedlichen Zeiten Erhebungen bei den Individuen durchgeführt wurden und dazwischen ein teilweise sehr langer Zeitraum liegt (von 16 bis zu 56 Jahren, also 40 Lebensjahre), gilt es zwei

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soziale Räume (Schule versus Arbeitsmarkt) miteinzubeziehen. Denkbare Rahmenmodelle wä-ren etwa das Modell zum Kompetenzerwerb in Gymnasien von Eberle oder aber das ökologi-sche Prozess-Person-Kontext-Modell der menschlichen Entwicklung von Bronfenbrenner (1981, 1990), welches eher ein orgasmisches Verständnis der Entwicklung nahelegt und somit dem Individuum als endogen entwickelndes Subjekt im Jugendalter Raum gibt.82

Da für diese Arbeit insbesondere der gymnasiale Kontext interessiert respektive die darin ab-laufenden Prozesse, die zum Erteilen von Noten durch Lehrpersonen respektive dem Erhalten von Beurteilungen von Schülern notwendig sind, bietet es sich an, als Rahmenmodell auf ein im Kern entwicklungspsychologisches Modell zurückzugreifen, welches einen breiten Zeit-raum im Jugendalter umfasst, jedoch nicht nur die Outputdimension, sondern auch die Outco-medimension potentiell mitberücksichtigt.83 Zielsetzung ist es, die unterschiedlichen Aspekte der Arbeit respektive Theorien, insbesondere von Kapitel 2 und Kapitel 3, systematisch einzu-ordnen und somit alle Aspekte der Arbeit zusätzlich fundamentaltheoretisch zu verorten. Ein mögliches Modell ist das Ressourcenmodell nach Fend (2001). Im Rahmen der Entwicklung ebendieses geht Fend (2001) vom Handlungsbegriff aus und erwähnt, dass die moderne Ent-wicklungspsychologie von den alltäglichen Handlungen ausgehe, in denen sich das Leben voll-ziehe. Fend (2001) versucht, diese in bestehende Entwicklungsmodelle einzubetten und erwähnt wird diesbezüglich der Coping-Ansatz von Seiffge-Krenke (1984; 1994; 1995; 1990), der Ansatz der Entwicklung durch eigenes Handeln im Kontext von Silbereisen (1986; 1996), das Modell der Eigensteuerung der Entwicklung durch Entwicklungsvorstellungen von Heck-hausen & Krüger (1993) und das Stress-Bewältigungs-Paradigma der Bielefelder Forschungs-gruppe um Hurrelmann (1988a; 1988b; 1989; 1990; 1986). Als Synthese aus diesen verschie-denen Ansätzen ist im Konstanzer Längsschnitt ein Modell der produktiven Problembewälti-gung entwickelt worden, das besonders auf die Ressourcen fokussiert, welche eine günstige Bewältigung von altersspezifischen Entwicklugsaufgaben fördern (Fend, 2001; Fend, 1990).

Das Modell (Abildung 5.1) erwähnt einerseits soziokognitive Kompetenzen im Sinne von Ana-lyse- und Urteilsfähigkeiten, welche hilfreich sind, wenn man Probleme durchschauen und ana-lysieren kann und somit eine Hilfe für eine produktive Aufgabenbewältigung besteht (Fend,

82 Das Modell von Bronfenbrenner (1981) & (1990) erwähnt die unterschiedlichen Ebenen (Mikrosystemebene, Makrosystemebene, Mesosystemebene, Exosystemebene und eine Chromosystemebene) und verweist auch auf Prozesse, was somit eine Zeitspanne beinhalten würde.

83 Hier muss erwähnt werden, dass die Umwelt für die Entwicklung eines Jugendlichen stark entscheidend ist und mitunter auch immer einem sozialen Wandel unterworfen ist. Für eine umfassende Darstellung von Entwicklungs-prozessen im sozialen Wandel sei hier auf Silbereisen & Zinnecker (1999) verwiesen.

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2001). Neben diesen Kompetenzen sind emotionale Komponenten bedeutsam, insbesondere ein positives Verhältnis der Person zu sich selber, also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, wobei diese Ressource, die wesentlich in der Kindheit aufgebaut wird, die Kindheitserfahrungen in die Jugendzeit transportiert und zur oft belegten Kontinuität in der Entwicklung zwischen der Kindheit und der Adoleszenz führt (Fend, 2001). Schließlich sind es die sozialen Stützsysteme, insbesondere die Unterstützungsleistungen von Seiten der Familie, die für die Lebensbewältigung in der Adoleszenz als wichtig angesehen werden. Eine positive Einbettung in eben diese sozialen Bezugssysteme (Eltern, Gleichaltrige, Freunde, Verwandte, Schule) schützen nach diesem Modell in besonderem Maße vor Risikoentwicklungen in der Jugenzeit und erlauben es auch, gute Leistungen in der Schule zu erbringen (Fend, 2001). Wei-ter fokussiert das Modell von Fend (2001) auch auf die Erfolgsseite des jugendlichen Lebens und es wird explizit verdeutlicht, dass ohne Erfolge im Leistungsbereich und den damit ver-bundenen respektive einhergehenden Zeichen der sozialen Anerkennung unter Gleichaltrigen die Lebensbewältigung labil bleibt, was mitunter auch implizit den Schluss zulässt, dass feh-lende Stabilität, auch emotionale, langfristig geringere Schulleistungen zur Konsequenz hat (Fend, 2001). Das Modell von Fend (2001) unterscheidet bezüglich Ressourcen einerseits per-sönliche Ressourcen und andererseits soziale Ressourcen. Die perper-sönlichen Ressourcen umfas-sen einerseits die Ich-Stärke und andererseit soziokognitive Fähigkeiten, worunter beispiels-weise die Intelligenz fällt (Fend, 2001). Die persönlichen Ressourcen sind nun Bedingungsfak-toren der Fähigkeit zur Bewältigung altersspezifischer (Entwicklungs)Aufgaben. Unter diese fallen auch für den schulischen Kontext das Schreiben von Zensuren und damit das Erhalten von Noten. Dies ist mitunter auch von den sozialen Ressourcen abhängig. Die sozialen Res-sourcen stellen sicherlich die Eltern dar, was wiederum mit dem sozioökonomischen Status korreliert. Nicht zu unterschätzen sind sicherlich auch die Peers, also die gleichaltrigen Kame-raden respektive Freundinnen und Freunde, welche die Entwicklung maßgeblich mitbeeinflus-sen. Aus diesem Kontext resultieren Leistungserfolge, beispielsweise das Bestehen des Abiturs, und soziale Erfolge, durch das Eingehen von Freundschaften, oder aber auch im weiteren Sinne das Erhalten eines Studienplatzes für ein begehrtes Studienfach, was sekundär ebenfalls mit Prestige verbunden sein kann.

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Abb 5.2: Kühne (2009) zur Beschreibung des Berufserfolges von Akadmikerinnen und Akade-mikern

Eher aus der soziologischen Forschung stammend, ist das Modell von Kühne (2009) zur Ent-stehung von Berufserfolg von Akademikerinnen und Akademikern zu erwähnen. Dabei werden die drei soziodemographischen Merkmale Alter, Geschlecht und Elternschaft im Speziellen be-trachtet, respektive im Rahmen der empirischen Überprüfung. Ein weiteres Kennzeichen ist die Aufteilung des Berufserfolgs in klassisch objektive und subjektive Elemente, der Berufsverlauf wird insbesondere auch unter Bezugnahme auf die Humankapitaltheorie betrachtet. Dieses Mo-dell hat jedoch den Nachteil, die Jugendzeit nicht explizit und ganzheitllich ins Zentrum zu stellen und wäre somit zu einseitig auf das zweite Element der Forschungsfrage, den Berufser-folg, fokussiert. Das Modell von Blau & Duncan (1967) entstand im Rahmen der Untersuchun-gen zur American Occupational Structure. Im Rahmen dieses umfassenden Werkes wurden

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zahlreiche Aspekte der sozialen Stratifizierung mit Pfadmodellen umfassend abgehandelt, wo-bei daraus auch respektive darauf aufbauend das Wisconsin-Modell (Hauser, 2002) entstand.

Das Wisconsin-Modell stellt ein Pfadmodell dar, das bestimmte Abhängigkeiten gewisser so-ziologischen Kernforschungselemente statuiert. Birkelbach (2013) erwähnt konstruktiv-kri-tisch unter Bezugnahme auf Opp (2010), dass diesem Modell anlastet, dass es wie alle Pfada-nalysen Korrelationen berechnen kann,84 diese Modelle es jedoch prinzipiell versäumen, zwi-schen Ursache und Wirkung und somit den Begründungsfaktoren der kausalen Mechanismen zu unterscheiden. 85

84 Weiter wird ausführlich die Regressionsanalyse als möglicher Ausgang eines multivariaten Verfahrens zur Prüfung insbesondere von Kausalaussagen diskutiert. U. a. wird erwähnt, dass diese als eine Explikation des vorher explizierten Kausalitätsbegriffs angesehen werden kann und in der Lage ist, Kausalhypothesen zu testen, wobei jedoch aber keine induktiven Schlüsse gezogen werden können (Opp, 2010). Weiter wird argumentiert, dass es keine Algorithmen gibt, die aus einem gegebenen Datensatz gültige Kausalmodelle ableiten (Opp, 2010).

85 Die dabei ganz allgemein verwendeten Regressionsmodelle werden nach wie vor als Königsweg der Umfrage-forschung verstanden (Birkelbach, 2012; Opp, 2010), wobei aber darauf aufmerksam gemacht wird, dass For-schern wie Hedström (2005) zuzustimmen sei, dass für die Bestimmung von Kausalität die Benennung der grund-legenden Mechanismen innerhalb dieser Modelle absolut zentral sei. Dies impliziert die Aufforderung an den For-scher, dass in einem ersten Schritt die jeweiligen Elemente identifiziert werden müssen, in einem zweiten Schhritt allfällig bestehende Abhängigkeiten ausfindig gemacht werden und in einem dritten Schritt es der umfassenden Analyse und Diskussion der zugrundeliegenden Mechanismen bedarf.

Die später verwendeten Strukturgleichungsmodelle (dazu insbesondere Kapitel 6), welche eine Zusammenfassung von Regressions- respektive Korrelationsanalysen & Faktoranalysen darstellen, überführen im Prinzip ein theore-tisch formuliertes Beziehungsgefüge zwischen Variablen in eine formale Gleichungsstruktur (Weiber & Mühl-haus, 2009). Dabei wird bei der empirischen Prüfung von Hypothesen dem sog. deduktiv-nomologischen Ansatz nach Hempel & Oppenheim (1948) gefolgt (Weiber & Mühlhaus, 2008). Dieser Ansatz versucht einen Sachverhalt dadurch zu erklären, dass aus einer allgemein wissenschaftlichen oder sachlogischen Gesetzmäßigkeit und einer empirischen Beobachtung (sog. Explanans) eine Schlussfolgerung zur Gültigkeit des Sachverhaltes (sog. Explana-ndum) gezogen werden kann (Weiber & Mühlhaus, 2008).

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Abb 5.3: Blau-Duncan-Modell in Anlehnung an Hauser 2002, S. 47 ff.

177 Abb 5.4: Rahmenmodell von Fend (2001)

Die Wahl des Rahmenmodells fällt auf Fend (2001), was hier begründet werden soll. Dieses ursprünglich aus der Entwicklungspsychologie stammende Modell fokussiert, bezogen auf das biologische Alter der untersuchten Stichprobe, auf den Zeitpunkt der Notenentstehung respek-tive des Verfassens des Intelligenztests. Insbesondere für die später resultierende Diskussion der Ergebnisse wird dieses Modell Hinweise zur Erklärung eben dieser geben können. Es wird nun der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Elemente aus den vorangegangenen Ka-piteln in diesem Modell zu verorten. Kapitel 2 behandelte die Begriffe des Notenkontextes und der Note im Speziellen, was unmittelbar den Hinweiss auf die vorgelagerte Klausur als Bedin-gungsfaktor der Entstehung und somit den Fokus auch auf die Schulleistung richtet, welche, wie gezeigt wurde, wiederum auch von der psychometrisch gemessenen Intelligenz abhängig ist. Die Klausur stellt eine Bewältigung einer altersspezifischen Entwicklungsaufgabe dar, wel-che durch die persönliwel-chen Ressourcen, wozu auch die Intelligenz zählt, beeinflusst wird. Dies

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kann sekundär zu erfreulichen Leistungserfolgen oder auch Niederlagen führen, konkret das Bestehen des Abiturs im ersten Anlauf versus des eher unerfreulichen Repetierens. Das wiede-rum könnte auch mit sozialen Erfolgen einhergehen, dahingehend dass der Zugang zu einem anerkannten Studium, beispielsweise Medizin, möglich wird, mit dem damit verbundenen po-tenziellen Prestige als Arzt im späteren Berufsverlauf. Die sozialen Ressourcen, also beispiels-weise das elterliche Stützsystem, welches wiederum determiniert wird durch den Beruf der El-tern und den oft damit korrelierenden sozioökonomischen Status, beinflusst die Bewältigung der altersspezifischen Entwicklungsaufgabe des Jugendlichen respektive jungen Erwachsenen, ebenso haben bei konziser Betrachtung auch die demographischen Merkmale wie das Ge-schlecht, aber auch die Anzahl Geschwister, das Alter respektive das Alter in Bezug zur Ent-wicklungsaufgabe oder auch die Familienverhältnisse einen Einfluss auf die Aufgabenbewälti-gung eines Jugendlichen respektive jungen Erwachsenen. Dass dies nicht nur für die Zeit des Besuches des Gymnasiums, sondern auch für den späteren Berufsverlauf und den damit ver-bundenen Berufserfolg gilt, ist naheliegend. Gewisse Entwicklungsprozesse werden aber dabei abgeschlossen sein. So weiss man einerseits von einer gewissen Konstanz der Intelligenz über die Lebensspanne (Kapitel 2.4.1). Anderseits wird für den Berufserfolg auch entscheidend sein, wie sich das soziale Umfeld entwickelt respektive entwickelt hat. Zudem sind sich verstärkende Effekte respektive Rückkoppelungseffekte zu nennen. Fend (1997) betont unter Zuhilfenahme einer korrelativen Kette für das 12. bis 15. Lebensjahr, dass Erfolge zusammen mit dem Kom-petenzbewusstsein die Leistungsbereitschaft fördern, diese wiederum wirkt sich günstig auf neue Erfolge aus, welche ihrerseits das Kompetenzbewusstsein stärken. Dabei wird hinter den Korrelationen ein positiver bzw. negativ sich verstärkender Kreisprozess eines sich positiv oder negativ verstärkenden motivationalen Systems verstanden. Es sind dies die bekannten Wege in die Resignation und Mutlosigkeit (dazu z. B. Adler, 1973 oder Seligman, 2002 mit dem Kontext der gelernten Hilfslosigkeit), in ‚Helplessness‘ oder ‚Mastery Orientation‘ (Dweck & Leggett 1988), die in diesem Modell der Lernmotivation eine wichtige Rolle spielen.86

Wie gezeigt wurde (dazu Kapitel 2.4.3 & Kapitel 3.6.2), spielt beispielsweise das soziale Um-feld eine Rolle zur Bewältigung verschiedener Aufgaben, dieses kann sich aber auch aufgrund von absolut nicht im Einflussbereich eines Individuums liegenden Parametern negativ für das

86 Fend (1997) beispielsweise zeigt, dass für eine Population von 12- bis 15-Jährigen der Notendurchschnitt mit 12 mit einem Wert von 0.61 mit dem Notendurchschnitt mit 14 korrelierte, die Leistungsbereitschaft mit 13 wie-derum mit 0.2 mit der Leistungsbereitschaft mit 14, was wiewie-derum positiv mit 0.25 dem Selbstkompetenzbewusst-sein mit 15 korrelierte.

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Individuum entwickeln (beispielsweise Heirat der lange gekannten Freundin, welche kurz da-nach an einer schweren Form des Krebses erkrankt). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass teilweise auch Lebensprozesse nicht unter der direkten Kontrolle eines Individuums liegen, jedoch dem Leben eine nicht erwartete Wendung geben können. Trotzdem lässt sich auch das Phänomen des Berufserfolges mit den unterschiedlichen Elementen verorten. Um wiederum in die bereits verwendete Argumentationskette einzusteigen, kann die Intelligenz als soziokognitive Fähig-keit auch auf die Aufgabenbewältigung im Berufsleben (dazu Kapitel 3.6.1) einwirken, was sich in Form von Leistungserfolgen manifestieren kann, beispielsweise in einem hohen Gehalt als objektives Element des Berufserfolges. Aber auch der soziale Erfolg kann Einfluss nehmen, beispielsweise auf die Arbeitszufriedenheit, als subjektives Element des Berufserfolges. Be-züglich der demographischen Faktoren darf wohl auf die bereits gemachten Ausführungen zur Explikation bezüglich der Noten des vorangehenden Abschnittes zurückgegriffen werden, wo-bei einige Spezifikationen notwendig sind. Die hier verorteten Elemente sollen nun im nächsten Unterkapitel Eingang in die Bildung eines Theoriemodells finden.