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Archiv "Von schräg unten: Gewissen" (17.09.2010)

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[124] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 37

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17. September 2010 dergelassene Kollegen entschlie - ßen, die letzten Wochen des Quartals die Praxistür zu verriegeln und ein Schild dranzuhängen: „Der Nächste, bitte!“, womit allerdings derjenige Kollege gemeint ist, dessen RLV noch eine honorierte Behand- lung zulässt. Der aber, je fortgeschrittener das Quartal ist, umso seltener zu finden ist. Dies hat nun erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, da Erkrankungen, die einer ärztli- chen Behandlung bedürfen, nicht quartalsweise auftreten.

Auch mein RLV ist überschritten, und nun plagt mich das schlechte Gewissen: Was soll ich tun? Die Praxis zumachen, so wie mir der letzte verbliebene Funke von betriebswirtschaftli- chem Denken befiehlt? Alptraumhafte Szenen drängen sich mir auf von Patienten, die in den Monaten März, Juni, September und Dezember durch die Städte ziehen, auf der Suche nach ei- nem aufgeschlossenen Arzt. Statt des Doktors ihres Vertrauens können sie nur den Anrufbeantworter konsultieren, statt einer umfassenden und persönlichen Betreuung müssen sie sich in die Wartelisten ihnen unbekannter Doktoren eintragen. Hilfe erhei- schend sich in die endlosen Warteschlangen der Krankenhaus - ambulanzen einreihen, auf den Krankenhausdoktor hoffend, der bleich und erschöpft noch weniger Zeit für sie hat, als sie es sich wünschen. Nein, all das bringe ich nicht über mein Herz, ich möchte nicht mit schuldig sein an den Nebenwirkungen des Morbus RLV.

Aber soll ich dennoch die gesamten Kosten der Praxis tragen, mein Medikamentenbudget sprengen, meine Angestellten unent- geltlich antreiben? In meiner Not rufe ich einen befreundeten Kollegen an, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet, und schildere ihm mein Leid: mein Mitleid mit meinen Schutz- befohlenen, meine Gewissensbisse, die Praxis zu schließen.

„Wieso hast du ein schlechtes Gewissen? Diejenigen, die dafür verantwortlich sind, haben auch kein schlechtes Gewissen!“

E

s gibt unzählige Krankheiten, deren Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden nur selten in Lehrbüchern der Medizin besprochen werden. Als da wären globale (wie die Ban- kenkrise) als auch endemische (das schlechte Wetter), nationale (unsere Bürokratie) und irrationale (unsere Bürokratie) und sai- sonale. Saisonal und endemisch ist in Deutschland eine neue Er- krankung, die wissenschaftlich nicht erforscht ist. Es handelt sich um die Regelleistungsvolumenerkrankung, kurz RLV. Vergleich- bar mit dem jahreszeitlich gehäuften Auftreten der Influenza - viren tritt diese quartalsabhängig auf, ist national und irrational sowie mit erheblichen gesundheitlichen Risiken für unsere am- bulanten Patienten verbunden.

Ich darf an dieser Stelle kurz die Pathogenese erläutern: Jeder niedergelassene Arzt bekommt ein RLV zugewiesen; arbeitet er mehr, bekommt er es nicht bezahlt. Das ist an und für sich nichts Neues – unbezahlte Arbeit wird ärztlicherseits schon seit langem und im großen Umfang geleistet –, aber jetzt weiß jeder nieder- gelassene Arzt im Voraus, ab wann er seine Patienten umsonst behandelt. Daher führt der Morbus RLV dazu, dass sich viele nie-

S C H L U S S P U N K T

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

VON SCHRÄG UNTEN

Gewissen

Dr. med. Thomas Böhmeke

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