Spektrum der Woche Aufsätze .Notizen
Gesundheitswesen in Schweden
wird auch bei anderen Berufsgrup- pen in der Krankenpflege prakti- ziert. Früher hat man Vertreter, die sich bewährt hatten, behalten und ihnen allmählich eine „feste" (ma- ximal für drei Jahre) Stelle gege- ben. Auf diese Weise hat sich bis- her im allgemeinen der Nachwuchs an den Kliniken rekrutiert. Wie be- reits erwähnt, hindert das neue Sy- stem, der vom Arbeitgeber vorge- planten Fachausbildung, diese Re- krutierung; man sieht üble Folgen voraus. Das System, abwesende Ärzte durch Vertreter zu ersetzen, bedingt, daß an den Kliniken viel mehr Ärzte als eigentliche Stellen- inhaber tätig sind, bei Budgetbe- rechnungen wird mit 1,5 Personen für jede Stelle gerechnet.
Zunehmende Unpersönlichkeit begünstigt „Freizeitpraxis"
Die Sieben-Kronen-Reform von 1970 begünstigte eine unpersönli- che Krankenfürsorge an öffentli- chen Instituten. Die neuen Ausbil- dungsbestimmungen und der Aus- sperrungszwang von Spezialisten haben den Ärzteumsatz wesentlich erhöht, was es für den Patienten noch schwerer macht, denselben Arzt zu behalten. Die Mehrzahl der Patienten sieht de facto bei jedem Poliklinikbesuch, aber auch oft beim Distriktarzt, einen anderen Doktor. Was dies für Patient und Arzt, vor allem bei langen und komplizierten Erkrankungen be- deutet, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Diese Verhältnisse sind ein ernsthaftes Problem für viele Patienten gewor- den, die mit allen Mitteln versu- chen, ihren Arzt zu behalten.
Eines der Argumente für die Ein- führung der Sieben-Kronen-Reform war, daß man die Privilegien wohl- gestellter Patienten beseitigen wol- le. Eine sehr streitbare sozialdemo- kratische Abgeordnete fragte im Reichstag ihre Parteibrüder, wer von ihnen sich denn nun in die Warteräume von Krankenhäusern oder Distriktsarztsprechstunden setzen würde, um den Doktor zu akzeptieren, der gerade Dienst hat.
• Nach meiner Erfahrung ist es gelungen, die Schwierigkeit der freien Arztwahl für alle Bürger ziemlich gleich groß zu machen.
Politiker haben nach wie vor ihre Privilegien.
• Die Unmöglichkeit der freien Arztwahl, die Schwierigkeit, densel- ben Arzt zu behalten, und die enor- men Wartezeiten in der öffentli- chen Krankenfürsorge führten dazu, daß viele angestellte Ärzte, nachdem es 1970 verboten wurde, dies am Arbeitsplatz zu tun, von ih- ren alten Patienten gedrängt wur- den, sie statt dessen außerhalb der Klinik privat weiterzubehandeln, da es jedem approbierten Arzt in Schweden erlaubt ist, Privatpraxis zu machen. Aus den gleichen Gründen kamen viele neue Patien- ten zu den alten hinzu. Man miete- te stundenweise Praxen von Privat- praktikern, schloß sich zu Ärzte- gruppen zusammen, richtete selber Praxen ein oder fing Praxis im ei- genen Hause an. Da dies wegen der festen Anstellung nur abends möglich war, kam man damit vielen Berufstätigen entgegen. Die Pa- tienten bekamen, wie bei ganztags tätigen Privatpraktikern, einen Teil ihrer Unkosten von der Kranken- kasse ersetzt, Preisbindung gab es nicht. Auf diese Weise wurden von solchen sogenannten „Freizeit- praktikern" z. B. im Raume von Stockholm, mit etwa 1,2 Millionen Einwohnern, pro Jahr etwa 800 000 Konsultationen versteuert. Den kräftig überlasteten Privatprakti- kern tat dies keinen Abbruch, die
„Freizeitpraktiker" behandelten ja hauptsächlich Patienten aus den Schlangen der öffentlichen Kran- kenversorgung.
• Schluß folgt
Anschrift des Verfassers:
Dozent Dr. med. Dieter Lockner Universitätsklinikum
Huddinge / Medizinische Klinik S-14186 Huddinge
Schweden
AUS DEM BUNDESTAG
Pflichtquote für
Schwerbehinderte bleibt
Die Verpflichtung aller öffentlichen und privaten Arbeitgeber, die über mehr als 15 Arbeitsplätze verfügen, sechs Prozent dieser Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten zu beset- zen, soll nach Mitteilung des Parla- mentarischen Staatssekretärs des Bundesarbeitsministeriums, Her- mann Buschfort, nicht ermäßigt werden. Auf den Hinweis des CSU- Abgeordneten Eberhard Pohlmann, daß eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Pflichtplatz-Soll und den vorhandenen Schwerbehinder- ten bestehe, erwiderte Buschfort, daß eine große Zahl von Anträgen auf Zuerkennung der Schwerbehin- derteneigenschaft noch nicht erle- digt sei. Die Bundesregierung wol- le deshalb zunächst die Erfahrung des Jahres 1976 abwarten.
Krebs durch Asbest
Der Umgang mit Asbest kann zu Asbeststaublungen-Erkrankungen (Asbestose) und zu Asbestose in Verbindung mit Lungenkrebs füh- ren. Hingegen sind bisher noch keine Fälle von Berufserkrankun- gen, die ausschließlich auf das Tragen asbesthaltiger Schutzklei- dung zurückgeführt werden könn- ten, bekanntgeworden. Diese Aus- kunft erteilte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesarbeits- ministeriums, Hermann Buschfort, auf Anfrage des SPD-Abgeordne- ten Helwin Peter. Er teilte mit, daß im Jahre 1974 82 Fälle von Asbe- stose und 20 Fälle von Asbestose in Verbindung mit Lungenkrebs, die zum Teil auf angezeigte Fälle aus den Vorjahren zurückzuführen seien, erstmals als Berufskrankhei- ten entschädigt worden sind. Um den schon vorhandenen Schutz vor krebserzeugenden Stoffen noch zu verbessern, sei vorgesehen daß diese Stoffe, darunter auch Asbest, künftig nur verwendet werden dür- fen, wenn sie nicht durch weniger schädliche Stoffe ersetzt werden können.
898 Heft 13 vom 25. März 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT