A 210 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 5|
3. Februar 2012 der noch genügend Ärztinnen undÄrzte kennt, die er nicht als Konkur- renten, sondern als Freunde sieht . . . Gut, Frau Hibbeler hat eine Weih- nachtsgeschichte geschrieben, aber wenigstens eine, zu der man sich Gedanken machen kann und Briefe schreibt. Ein lesenswerter Artikel.
Dr. med. Karlheinz Bayer, 77740 Bad Peterstal
Die Nerven behalten
Ein guter Arzt ist der, der trotz eines talkenden und nölenden Professor Lauterbach und eines anmaßenden Chefs der AOK die Nerven behält, und sich um seine Patienten küm- mert. Das politische und kassen- funktionäre Umfeld ist das eigent- lich Belastende in unserem Beruf.
Es fällt nicht wirklich schwer, dem Patienten empathisch zu begegnen und ihm wirkungsvoll zu helfen mit den diagnostischen und therapeuti- schen Möglichkeiten, die wir heute haben. Ein erfolgreicher selbststän- diger Arzt muss Unternehmer sein, damit die Wirtschaftlichkeit im In- teresse der Kassen und des Patien- ten gewährleistet ist. Entscheidend ist aber das Interesse an dem Men- schen, den er vor sich hat. Dann entsteht in der Regel eine empathi- sche Begegnung als Voraussetzung einer er folgreichen Behandlung.
Dr. med. Helmut Olberding, 49393 Lohne
Die verlorene Kunst zu heilen
Den Artikel: „Was ist ein ,guter Arzt‘?“ finde ich gut.
Das Problem in der Praxis ist: Wo ist ein guter Arzt? Wo ist diese Min- derheit noch zu finden bei der weit- gehend verlorenen Kunst zu heilen (siehe Buch von Prof. Dr. Bernard Lown)? Über Werteskalen im Inter- net finde ich diese nicht; die Anga- ben täuschen.
Heute berichtete mir eine Frau mit Nierensteinkolik, die sich knapp und klar ausdrücken kann, dass der Aufnahmearzt im Krankenhaus ihr von vorneherein nicht zuhören wollte, sondern zunächst ein CT und ein MRT anordnete. Maßstab:
Geld machen!
Am gleichen Tag höre ich von ei- nem 40-Jährigen, dass bei durch Er-
kältung verstopfte Nase sich sein Hörvermögen auf einer Seite ver- schlechtert hatte. Der Hausarzt ord- nete ohne HNO-Untersuchung bei der Diagnose „Hörsturz“ tägliche Infusionen auch über die Weih- nachtstage an.
Eine Überweisung zum HNO woll- te er nicht ausfüllen.
Dritter Fall heute: Ich telefoniere mit einer voll orientierten 90-Jähri- gen, die nach einem häuslichen Un- fall mit Hautwunde am Gesäß in ein Pflegebett mit hochgezogenen Lat- ten gelegt wurde. Fünf Wochen lang hatte sie liegend und gewindelt in dieser Falle verbringen müssen, ob- wohl sie in meinem Beisein auch stehen konnte.
Eine Freundin erzählte mir am Tele- fon frustriert von ihrem Kranken- hausaufenthalt, wo sie als Privatpa- tientin das Prinzip „let’s make mon - ey“ erlebte beziehungsweise erlitt.
Natürlich sind diese Beispiele nicht mit Berufsfreude vereinbar.
Dr. Dietmut Thilenius, 65812 Bad Soden
Es gibt etablierte Definitionen
. . . In dem Artikel wird die These aufgestellt, dass der Begriff des
„guten Arztes“ schwer fassbar sei.
Das mag grundsätzlich richtig sein, allerdings lässt sich relativ klar ein entsprechender Korridor aufzeigen, der die notwendigen Eigenschaften und Haltungen eingrenzt. Verschie- dene Fachgesellschaften im anglo- amerikanischen Raum beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit den Charakteristika des „guten Arz- tes“. Für den Bereich der universi- tären Ausbildung hat zum Beispiel das britische General Medical Council 1993 mit „Tomorrow’s Doctors“ ein umfassendes Rahmen- werk erarbeitet (zuletzt revidiert 2009). In ähnlicher Weise hat im Jahr 2000 das Council of Deans der medizinischen Hochschulen in Schottland „The Scottish Doctor“
herausgegeben (zuletzt revidiert 2007). Beide Publikationen machen klare Aussagen zu Kompetenzen jenseits der reinen medizinischen
Behandlung und zur ärztlichen Hal- tung. So findet man zu Beginn von
„Tomorrow’s Doctors“: „The duties of a doctor registered with the General Medical Council“.
Im zitierten Artikel werden die ver- schiedenartigen gesellschaftlichen Anforderungen („Die Ärzte stehen irgendwo dazwischen“) angespro- chen. Auch für dieses Feld existie- ren international etablierte systema- tische Rahmenwerke. 1996 defi- nierte das Royal College of Physi - cians and Surgeons of Canada für die postgraduale Weiterbildung ein Konstrukt aus sieben Rollen, die die unterschiedlichen ärztlichen Rollen zueinander in Relation setzen (CanMEDS Physician Competency Framework 1996, 2005). Die Rol- len lauten „communicator“, „colla- borator“, „manager“, „health advo- cate“, „scholar“, „professional“ und
„medical expert“. Sie sind in leicht abgewandelter Form auch in die Ar- beit am deutschen Nationalen Kom- petenzbasierten Lernzielkatalog Medizin der Gesellschaft für Medi- zinische Ausbildung und des Medi- zinischen Fakultätentages aufge- nommen.
Aus dem bisher Ausgeführten leitet sich aus unserer Sicht ab, dass Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns systematisch vermittelbar sind. Deutlich wird das bereits an den Kommunikations- und Interak- tionstrainings, die inzwischen in den meisten humanmedizinischen Curri- cula des Landes etabliert sind. Einen Schritt weiter ist die Berliner Chari- té mit dem Format „Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns“
gegangen, das bereits seit 1999 im Reformstudiengang verpflichtend für alle Studierenden verankert war und das im aktuellen Modellstudien- gang weiterentwickelt wurde . . . Wir hoffen damit einen Beitrag zu leisten, dass die Studierenden in Zukunft dem Ideal des „guten Arz- tes“ näherkommen.
Literatur bei den Verfassern
Dr. med. Jan Breckwoldt, MME-D, Dieter Scheff- ner Fachzentrum für medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung Prof. Dr. med. Harm Peters, Dieter Scheffner Fachzentrum für medizinische Hochschullehre und evidenzbasierte Ausbildungsforschung Prof. Dr. Claudia Spies, Prodekanin für Lehre Charité – Universitätsmedizin Berlin, 10115 Berlin