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unterschiedlichen Standpunkte und die zwangsläufig polaren Einstel- lungen sehr deutlich; Zahlen wur- den nicht genannt. Bei der von den Krankenkassen vorgeschlagenen Fortsetzung der Gespräche am 24.
März bleibt der Verlauf abzuwar- ten, nachdem von der KBV wieder- holt klargestellt war, daß es ange- sichts der derzeitigen Finanzlage und -entwicklung bei den Kassen für alle und keineswegs nur für uns Kassenärzte notwendig sein sollte, Beiträge zur Eindämmung des Ko- stenanstiegs ernsthaft zu überle- gen.
Dr. Menzerath: Sie befürworten und erhoffen also eine komplette Wendung in der Krankenversiche- rung von der Leistungsausweitung zur Konsolidierung?
Dr. Muschallik: Ja! Nicht zuletzt auch unter Einbeziehung von politi- schen Plänen und der Handlungs- weise der Selbstverwaltung; also:
Vor einer Konsolidierung zum Bei- spiel keine weiteren Vorsorgepro- gramme, keine neuen Leistungsan- gebote wie etwa einen „Gesund- heitsscheck"; die Überprüfung von Selbstverwaltungsmaßnahmen wie Zuschüsse zum sogenannten „Kur- laub"; Verzicht auf eine angeblich mögliche finanzielle Sanierung von Krankenhäusern durch die Verla- gerung von ambulanten Maßnah- men in diesen eindeutig teuersten Zweig des Gesundheitswesens;
Verzicht der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auf eine per- manente Ausweitung der Leistun- gen und Pflichten der sozialen Krankenversicherung in Richtung auf maximale und optimale Lei- stungen zu Lasten des Notwendi- gen, Wirtschaftlichen und Ausrei- chenden; Motivierung der Versi- cherten zu gesundheitsbewußter Lebensführung und Verzicht auf
„Gießkannenleistungen". Es muß endlich und von allen Seiten klar gesagt werden, daß die Gesundheit ihren Preis hat; auch Vorsorge ist keineswegs umsonst, und hohe Lei- stungen der Krankenversicherung kosten auch dann noch ihren Preis, wenn zusammen mit uns Kassen- ärzten alle Beteiligten „mit spitzer
Feder" rechnen. ❑
Krankenhaus- Kränzchen bei Frau Focke
Zum Auftakt ein politischer Eklat Weniger
Krankenhausbetten angestrebt Daß der Kostenanstieg im Kran- kenhaus gebremst werden müsse, darüber waren sich die Repräsen- tanten der Krankenhäuser, der Krankenkassen und der Ärzte in ei- ner ersten Gesprächsrunde, zu der Bundesminister Frau Focke Anfang März nach Bonn geladen hatte, ei- nig. Bis dieses Ziel erreicht werden kann, wird aber noch viel Zeit ver- gehen. Zwar wurde viel guter Wille in die Gesprächsrunde einge- bracht; doch wurde deutlich, daß kurzfristig wenig zu erreichen ist.
Zudem belastet die Politik die In- itiative von Frau Focke. Als am zweiten Tag unter Leitung von Frau Focke die für die Gesundheitspoli- tik zuständigen Landesminister zu- sammenkommen sollten, fehlten die Minister der von CDU und CSU regierten Länder. Sie bemängelten die recht kurzfristige Einladung und bestanden auf einer sorgfälti- gen Vorbereitung der Gesprächs- runde durch ihre Fachbeamten.
Dies hatte Frau Focke abgelehnt;
sie wünschte das politische Ge- spräch und wohl auch den damit verbundenen Schaueffekt. Die aus München, Kiel, Mainz und Stuttgart angereisten Fachreferenten wurden daher von Frau Focke wieder nach Hause geschickt.
Mit etwas mehr Fingerspitzenge- fühl auf beiden Seiten und der Su- che nach einem Termin, der nicht so unmittelbar durch Landtagswah- len belastet gewesen wäre, hätte sich dieser politische Eklat wohl vermeiden lassen. Wenn es den CDU/CSU-Ländern nur darum ging, zu demonstrieren, daß ihren Wün- schen Rechnung getragen werden muß, so wird ihnen dies gelungen sein. Frau Focke ist bei den Bemü- hungen, die Kostenentwicklung im
Krankenhaus zu dämpfen, auf die Mitwirkung der Länder und auf die CDU/CSU-Mehrheit im Bundesrat angewiesen. Die Kompetenzen des Bundes sind eng begrenzt. Frau Fockes Krankenhaus-Kränzchen soll im April wieder zusammentref- fen. Bis dahin dürfte die Einsicht auf allen Seiten gewachsen sein, daß nur mit vernünftiger Zusam- menarbeit weiterzukommen ist.
Bedeutsam ist sicherlich, daß sich bei allen Beteiligten die Auffassung durchgesetzt hat, die Zahl der Krankenhausbetten sei zu hoch.
Hier soll der Hebel angesetzt wer- den. Mit der Verringerung der Zahl der Krankenhausbetten und dem gleichzeitigen Aufbau eines Sy- stems von Nachsorgeeinrichtun- gen, Pflegeheimen, Sozialstationen sowie dem Ausbau der Hauspflege glaubt man zu einer Verkürzung der Verweildauer und damit zu Ko- steneinsparungen kommen zu kön- nen. Dies ist natürlich nicht von heute auf morgen zu verwirklichen.
Im Zusammenhang mit der Frage, wie denn die Verweildauer verrin- gert werden könne, ist auch das zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Kassen so umstrittene Thema der Einführung der vorstationären Diagnostik und nachstationären Behandlung erörtert worden. Auch wurden die Aufnahme- und Entlas- sungspraktiken der Krankenhäuser an Wochenenden kritisch ange- sprochen. Es soll zum Beispiel in den weiteren Beratungen auch ge- prüft werden, ob bestimmte Moda- litäten der privaten Krankenversi- cherung und der staatlichen Beihil- feregelung die Dauer des Kranken- hausaufenthalts beeinflussen. Eine allgemeine Einführung von Pflege- sätzen, die dem durchschnittlichen Kostenverlauf angepaßt sind, also von degressiven Pflegesätzen, steht vorerst nicht zur Diskussion.
Hier soll ein Modellversuch in Bay- ern gestartet werden. Dies bestä- tigte Frau Focke.
Damit ist der Katalog der ange- sprochenen Themen aber noch bei weitem nicht erschöpft. So wird
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 20. März 1975
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daran gedacht, für die Kranken- häuser Obergrenzen bei den Sach- kosten und den Personalkosten festzulegen. Werden diese Ober- grenzen überschritten, so soll das Krankenhaus überprüft werden.
Besondere Prüfungen werden für den Fall von Stellenvermehrung und Stellenanhebung erwogen.
Auch wird an die Entwicklung von
„Anhaltswerten" für den Arzneimit- telverbrauch, für Sonderleistungen und den Sachbedarf je Behand- lungsfall gedacht. Zur Diskussion steht eine Art freiwilliger Selbst- kontrolle zur Überprüfung der Wirt- schaftlichkeit, insbesondere der ärztlichen Untersuchungen und Verordnungen sowie der Verweil- dauer. Das geht jedenfalls aus dem Positionspapier des Ministeriums hervor, wobei in diese Selbstkon- trolle vorwiegend die Krankenhäu- ser und die Krankenkassen einge- schaltet werden sollen. Doppelun- tersuchungen sollen im Kranken- haus vermieden und Wiederho- lungsuntersuchungen reduziert werden. Jedenfalls zählt auch das zu den Themen, die weiter erörtert werden.
Die Krankenhausbetten könnten ge- gebenenfalls auch durch einen zentralen Bettennachweis rationel- ler genutzt werden. Auch wird von der Möglichkeit einer gezielteren Zuweisung der Patienten und von der Einführung einer gestuften Pflege im Krankenhaus gespro- chen. Zur Diskussion steht auch, niedergelassenen Ärzten zeitweise die Mitbenutzung von Kranken- hauseinrichtungen zu ermöglichen.
Deutliche Meinungsunterschiede gab es in der Gesprächsrunde über die Frage, wie Belegkranken- häuser und Praxiskliniken in der Krankenhausplanung einzuordnen sind und ob dadurch Kosten ge- spart werden können.
Der Katalog der Themen ist groß, vieles ist kontrovers. Mit konkreten Beschlüssen oder gar tatsächli- chen Kostensenkungen ist vorerst nicht zu rechnen. Doch das sollte keinen der Beteiligten hindern, ernsthaft zum Erfolg der Ge- sprächsrunden beizutragen. wst
Schwerpunkte der Fortbildung im Jahre 1975
Die Schwerpunktthemen für die ärztliche Kongreßfortbildung im Jahre 1975/76 wurden jetzt von der Bundesärztekammer bekanntgege- ben. Es handelt sich um folgende Themenkreise:
• Familienplanung — flankierende Maßnahmen zu § 218 StGB
• Rehabilitation
• Krebsprävention und Krebsthe- rapie
• Psychiatrie und Psychotherapie.
Über die Schwerpunktthemen wird jedes Jahr im Januar vom „Deut- schen Senat für ärztliche Fortbil- dung" befunden. Wie bereits in Heft 5 des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES vom 30. Januar 1975 (im Bericht über die Jahrestagung des
„Senats") mitgeteilt wurde, waren die Vorschläge für Schwerpunkt- themen des Jahres 1975/76 so zahl- reich, daß der „Senat" sich mit ei- ner Sichtung durch den Vorstand der Bundesärztekammer und den Vorsitzenden des „Deutschen Se- nats für ärztliche Fortbildung", Prof. Dr. med. Albert Schretzen- mayr, einverstanden erklärt hatte.
Diese hat nunmehr stattgefunden und zu den vier obengenannten Empfehlungen der Bundesärzte- kammer geführt. Schi/DÄ
Gehaltstarife für Arzthelferinnen um 6,5 Prozent angehoben
Die zähen und auch zwischenzeit- lich vertagten Tarifverhandlungen (vergl. Sie DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT, Heft 10/1975) mit den Be- rufsverbänden und den Gewerk- schaften konnten am 10. März 1975 zum Abschluß gebracht werden.
Die Verhandlungspartner hatten sich in diesem Jahr so frühzeitig zu Verhandlungen zusammengefun- den, weil vielfach aus den Reihen
der ärztlichen Arbeitgeber der Ruf nach fristgerechten, das heißt, vor der Auslauffrist abgeschlossenen, Tarifabschlüssen laut geworden war. Die ärztlichen Verhandlungs- partner auf der „Arbeitgeberbank"
sehen es deshalb als besonders er- freulich an, daß für 1975 bereits Ta- rifabschlüsse im März vorliegen. Im ganzen gesehen, sind die Ergeb- nisse als maßvoll und ausgewogen zu bezeichnen. Stellt man in Rech-
nung, daß die Forderungen der Ta- rifpartner in der Spitze bei 16 Pro- zent (!) lagen (nicht gerechnet die Forderungen nach einem Urlaubs- geld von 300 DM und den Nivel- lierungstendenzen verstärkenden Sockelbeträgen von 50 DM bis 250 DM), so muß die vereinbarte li- neare Anhebung von 6,5 Prozent auf die Gehälter von 1974 als der wirtschaftlichen Situation ange- messen bezeichnet werden. Die Gehaltsanhebung ist dazu angetan, die Geldentwertungsrate zu neu- tralisieren. Sie bewegt sich im übri- gen im Rahmen der sonstigen Ta- rifabschlüsse. Die Erhöhung der Auszubildenden-Vergütung bewegt sich um 20 DM. Näheres ist dem vollen Wortlaut des Tarifvertrages zu entnehmen, der als Bekanntma- chung im nächsten Heft des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES veröffent- licht wird. awa
Jugendhilfekongreß
Die Arbeitsgemeinschaft für Ju- gendhilfe, der über 60 überregiona- le Träger der Jugendhilfe angehö- ren, führt vom 3. bis 5. Juni 1975 im Messe-Congreß-Center in Düssel- dorf einen Jugendhilfekongreß durch. Diese Veranstaltung wird unter dem Thema „Jugend und Recht" stehen und an den inhaltli- chen Vorbereitungen zum ausge- fallenen 5. Deutschen Jugendhilfe- tag anknüpfen. Der Jugendhilfetag war ausgefallen, weil die Veranstal- ter eine Umfunktionierung durch linksextreme Gruppen befürchte- ten (das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT hatte darüber in Heft 36/
1974 berichtet). Thematischer Schwerpunkt des nun angekündig- ten Kongresses werden die Ge- 794 Heft 12 vom 20. März 1975