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Januar 2008 verhinderte ein Grossaufgebot der Kantonspolizei Bern mit Unterstützung des Nordwestschweizerischen Polizeikonkordates eine vom Gemeinderat der Stadt Bern nicht bewilligte Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF)

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I 115/2008 POM 02. Juli 2008 POM C Interpellation

1168 Pardini, Lyss (SP-JUSO)

Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 09.04.2008

Anti-WEF-Demonstration - Fragwürdiger Grosseinsatz der Kantonspolizei

Am 19. Januar 2008 verhinderte ein Grossaufgebot der Kantonspolizei Bern mit Unterstützung des Nordwestschweizerischen Polizeikonkordates eine vom Gemeinderat der Stadt Bern nicht bewilligte Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF).

Dies nachdem die Demonstration ursprünglich bewilligt worden war.

Der erste Einsatz der Kantonspolizei seit der Fusion mit der Stadtpolizei auf Stadtgebiet löste weitherum Unverständnis aus. Das Aufgebot war übertrieben, die Eingriffe in die Grundrechte waren massiv. Die Polizei verhaftete 242 Personen, die sie als DemonstrantInnen verdächtigte, darunter etliche Minderjährige. Unter den Inhaftierten befand sich auch ein Bluter, dem die Polizei die ärztliche Versorgung verweigerte und ihn damit in Lebensgefahr brachte. In ihrem Bericht hat sich Regierungstatthalterin Regula Mader kritisch zu den Haftverhältnissen geäussert.

Vor dem Büro der «Wochenzeitung» in der Berner Innenstadt nahm der Staatsschutz zwei Journalisten fest und überführte sie trotz Ausweis, bzw. Auftragsbestätigung der Zeitung in die Polizeikaserne. Dieses Vorgehen hat inzwischen auch der Jurist Peter Studer, langjähriger Präsident des Presserates, kritisiert.

Fazit: Die Polizei hat eine Demonstration verhindert, die eine Woche später dann doch mit gemeinderätlicher Bewilligung durch die Gassen der Innenstadt ziehen konnte. Der Einsatz stellt grundsätzliche Fragen nach Aufwand, Verhältnismässigkeit und Kontrolle des polizeilichen Handelns, was eine breite Öffentlichkeit interessieren dürfte.

Wir bitten den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

Kosten und eingesetzte Beamte:

• Wie viele PolizeibeamtInnen waren am Samstag eingesetzt - wie viele von Police Bern, wie viele aus dem Nordwestschweizerischen Polizeikonkordat?

• Wie viel hat der Einsatz insgesamt gekostet? Welchen Anteil daran trägt die Stadt Bern?

Gefahrenprognose und Realität:

• An der gemeinsamen Pressekonferenz des zuständigen Stadtberner Gemeinderats und des Chefs der Regionalpolizei Bern vom Donnerstag, 17. Januar 2008 wurde der Entzug der Bewilligung für die Demo am besagten Samstag damit begründet, dass sich eine neue Nachrichtenlage ergeben hätte. Die "nationale Militanz" werde erwartet. Hält

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der Regierungsrat diese Gefahrenprognose nach den Ereignissen selbst immer noch für zutreffend?

• wie erklärt sich der Regierungsrat, dass angesichts der angekündigten «nationalen Militanz» nur zwei Sachbeschädigungen festgestellt werden konnten - soweit nachvollziehbar: ein "tag" an einem Tram und ein wenig Farbe an der Papiermühlestrasse?

• wie korrespondiert die Gefahrenprognose ("nationale Militanz") mit der Tatsache, dass kurz nach 16 Uhr etwa 200 Personen vor dem Rathaus demonstrierten konnten, ohne dass weit und breit ein Polizeibeamter sichtbar gewesen wäre und ohne dass es zu Sachschäden gekommen wäre?

Festnahmen:

• Insgesamt hat die Polizei an diesem Tag 242 Personen vorläufig festgenommen.

Darunter waren offensichtlich auch Personen, die nicht zu der Demonstration wollten.

Nach welchen Kriterien unterschied die Polizei Demonstrationsteilnehmer und andere?

• Wie viele wurden zur Personenkontrolle festgenommen und warum war die Feststellung von deren Identität nicht an Ort und Stelle möglich? Wie viele Festgenommene dieser Kategorie konnten sich mit ihrer ID ausweisen?

• Wie viele Personen wurden nach Art. 32 PolG zur "Verhinderung der Begehung oder Fortsetzung einer unmittelbar bevorstehenden erheblichen Straftat" festgenommen?

Um welche erheblichen Straftaten handelt es sich dabei?

• Wie viele Personen wurden zur Verfolgung einer Straftat festgenommen? Um welche Straftaten handelte es sich? Wie viele Anzeigen ergaben sich daraus?

• Einige Personen wurden bereits gegen 12 Uhr festgenommen, teilweise in den Quartieren - ohne dass irgendein Bezug zu der erst drei Stunden später beginnenden Demo feststellbar war. Wie rechtfertigen sich solche Festnahmen angesichts der Tatsache, dass das PolG eine präventive Festnahme nur (s.o.) in dem engen Bezug zu einer unmittelbar bevorstehenden und damit im Ansatz bereits erkennbaren erheblichen Straftat zulässt?

• Im Falle des WoZ-Journalisten erfolgte vorgängig eine Beobachtung durch den Staatsschutzbeamten K.T., der den Betroffenen bereits am Donnerstagabend unweit des WoZ-Büros angesprochen hat. Welche Straftat hat "unmittelbar" bevorgestanden, die die Festnahme des jungen Mannes rechtfertigen würde?

Haftsituation:

• Wie viele der Festgenommenen wurden erkennungsdienstlich behandelt (Polaroid- Fotos)? Sind die Fotos mittlerweile vernichtet?

• Der übergrosse Teil der Festgenommenen wurde gezwungen, sich zu entkleiden. Ein Teil "nur" bis auf die Unterwäsche, bei anderen warfen die zuständigen BeamtInnen einen Blick in die Unterhose. Wieder andere mussten sich ganz nackt ausziehen und bei einigen drückte man gar die Pobacken auseinander. Was wurde entdeckt? Wie rechtfertigt die Polizei dieses Vorgehen, angesichts der Tatsache, dass das PolG eine Entkleidung im wesentlichen nur zur Eigensicherung erlaubt?

• Ist dem Regierungsrat bekannt, dass Gefangene in dem Freiluftkäfig hinter dem Waisenhaus von oben mit Wasser begossen wurden?

• Wie bewertet es der Regierungsrat den Einsatz von Tränengas (wahrscheinlich Pfefferspray) gegen Gefangene in diesem Käfig?

Antwort des Regierungsrates

Der Einsatz der Kantonspolizei am 19. Januar 2008 im Zusammenhang mit der Anti-WEF- Kundgebung ist insgesamt erfolgreich gewesen. Trotz schwieriger Ausgangslage gelang es der Kantonspolizei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten und

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Ausschreitungen sowie Sachbeschädigungen weitgehend zu verhindern. Das Handeln der Kantonspolizei war insgesamt verhältnismässig und zielgerichtet.

Probleme ergaben sich anlässlich der unbewilligten Kundgebung gegen das WEF vom 19. Januar 2008 durch die hohe Anzahl von Anhaltungen und Festnahmen. In den Anhalte- und Warteräumen kam es zu längeren Wartezeiten. Die Infrastruktur beim Wai- senhaus erwies sich als ungenügend. Dieses Problem war jedoch beim Einsatz vom 26.

Januar 2008 bereits behoben.

Kosten und eingesetzte Beamte:

Zu Punkt 1:

Aus polizeitaktischen Gründen nimmt der Regierungsrat zu Fragen nach Kräfteverhältnis- sen keine Stellung. Es trifft jedoch zu, dass das Polizeikonkordat der Nordwestschweiz im Einsatz war.

Zu Punkt 2:

Aus polizeitaktischen Gründen können keine Einzelheiten und Zahlen über die eingesetzten Mittel und angefallenen Kosten bekannt gegeben werden. Mit der Stadt Bern besteht ein Ressourcenvertrag mit Pauschalabgeltung. Die Verrechnung von einzelnen Einsätzen ist nicht vorgesehen.

Gefahrenprognose und Realität:

Zu Punkt 1:

Ja.

Zu Punkt 2:

Weil die Kantonspolizei den Auftrag hatte, keine unbewilligten Kundgebungen zu tolerieren, wurden grössere Ansammlungen von Demonstrierenden verhindert. Durch dieses Vorgehen konnten so genannte „Saubannerzüge“ und die daraus resultierenden Sachbeschädigungen verhindert werden. Es ist davon auszugehen, dass das sichergestellte Material zur Verübung von Sachbeschädigungen eingesetzt worden wäre, hätte es die Polizei nicht rechtzeitig sichergestellt.

Zu Punkt 3:

Am fraglichen Samstag kam es immer wieder zu Ansammlungen an verschiedenen Orten in der Innenstadt (so auch vor dem Rathaus). Aufgrund des Entzugs der Bewilligung für eine Kundgebung am besagten Samstag wurden solche Ansammlungen von der Polizei immer wieder so rasch wie möglich unterbunden.

Festnahmen:

Zu Punkt 1:

Gemäss Artikel 27 Polizeigesetz (PolG; BSG 551.1) kann die Kantonspolizei, zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, Personenkontrollen durchführen, was sie am 19. Januar 2008 auch tat. Anzeichen für eine Gefahr für die öffentliche Sicher- heit waren unter anderem das Mitführen von Gegenständen, die auf eine Teilnahme an der unbewilligten Kundgebung schliessen liessen, wie z.B. Transparente, Megaphone, Vermummungsmaterial etc.. Auch das Mitführen von gefährlichen Gegenständen wie Benzinkanistern, Lampenöl, Steinen und Farbbeuteln führte zu einer eingehenden Kontrolle.

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Zu Punkt 2:

Zahlreiche der angehaltenen Personen verfügten über kein Ausweisdokument und/oder traten in Gruppen auf, was eine Kontrolle vor Ort verunmöglichte. Wurden zudem bei der Kontrolle der Taschen oben erwähnte Gegenstände gefunden, war die Zuführung auf den Polizeiposten zwecks Befragung und Sicherstellung dieser Gegenstände unumgänglich.

Die Kantonspolizei führt keine Statistiken über die Art der Personenkontrollen und die vorgelegten Ausweisdokumente.

Zu Punkt 3:

Die Kantonspolizei führt auch keine Statistiken über die Gründe für die Zuführung auf den Polizeiposten.

Zu Punkt 4:

Anlässlich der unbewilligten Demonstration wurden insgesamt 242 Personen vorüberge- hend festgenommen. Zum Teil machten sich die Tatverdächtigen mehrfach strafbar.

Anzeigen wurden aufgrund folgender Delikte eingereicht:

- Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz - Landfriedensbruch (inkl. Versuch)

- Sachbeschädigung - Gewalt gegen Beamte

- Widerhandlungen gegen das Waffengesetz

- Widerhandlungen gegen das Vermummungsverbot.

Gesamthaft wurden gegen 35 Personen polizeiliche Ermittlungen aufgenommen. Bei 10 Personen konnte der Tatverdacht nicht erhärtet werden. 25 Personen wurden an die Un- tersuchungsbehörden verzeigt.

Zu Punkt 5:

Zu Einzelfällen können keine Angaben gemacht werden. Die Kantonspolizei hält sich für die Dauer von Festnahmen an die vom Bundesgericht festgelegten Vorgaben.

Zu Punkt 6:

Dieser Fall ist Gegenstand einer strafrechtlichen Untersuchung, weshalb der Regierungsrat dazu nicht Stellung nehmen kann.

Haftsituation:

Zu Punkt 1:

Es wurde keine der festgenommen Personen erkennungsdienstlich behandelt. Zwecks Identifikation und Zuordnung von Effekten wurden die festgenommenen Personen bei der Aufnahmestelle fotografiert. Ein Teil der Bilder konnte den einzelnen Personen nicht mehr zugeordnet werden und wurden vernichtet. Einzelne Personen haben die Löschung ihrer Daten verlangt. Ihnen wurde das Bild, soweit vorhanden, ausgehändigt. Das vorhandene Bildmaterial und die Daten der übrigen Personen werden nach zwei Jahren gelöscht werden.

Zu Punkt 2:

Gemäss Artikel 36 Absatz 2 PolG ist die vollständige Durchsuchung einer Person durch Entkleidung zulässig, wenn dies für die Abwehr einer Gefahr für Leib und Leben unerläss- lich ist. Die analoge Bestimmung steht in Artikel 147 Strafverfahren (StrV; BSG 321.1). Die besagte Massnahme wird bei der Kantonspolizei sehr zurückhaltend und nur dort, wo zwin- gend notwendig, eingesetzt. Beim Einsatz vom 19. Januar 2008 kann es sich deshalb höchstens um Einzelfälle gehandelt haben, wenn die Massnahme überhaupt angewandt wurde. Kriterien für die Feststellung der Gefährlichkeit sind unter anderem die Aggressivität der betroffenen Personen und zuvor sichergestellte gefährliche Gegenstände (z.B. Waffen).

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Zu Punkt 3:

Einzelne Personen versuchten, über die Mauer des Innenhofs und über den Gitterzaun zu entkommen. Dabei setzte die Kantonspolizei Wasser ein, wobei auch einige unbeteiligte Personen im Innenhof getroffen wurden.

Zu Punkt 4:

In den Räumlichkeiten des Waisenhauses wurde am 19. Januar 2008 kein Einsatz von Reizstoff registriert.

An den Grossen Rat

Referenzen

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