544 Notizen und Correspondenzen.
Mögest du den ■Wissenschaftsbeflissenen unwandelbar ein leuch¬
tender Mond sein, stets als hochgepriesener Gelehrter Schwie¬
rigkeiten lösend;
Möge dir dein Herr (Gott) hohes Ansehn und ehrfurchtgebietende
Würde verleihen! Also geschehe es; erfreue dich vollkom¬
mener Ehre und bleibe wohlbehalten !
Paläograpliisclie Kleinigkeiten von
Dr. J. P. N. Land in Amsterdam.
1. Die Inschrift des Makäm IbrahTm in Mekka.
Dass Dozy in seiner Schrift: „die Israeliten in Mekka" trotz
des glänzendsten Scharfsinns doch nur ganz unhaltbare Resultate
zu Tage gefördert hat, dürfte jetzt kaum nocb Jemand iu Zweifel
ziehen. Denuoch giebt es wenigstens zwei unter den dort aufge¬
stellten Behauptungen, welche soviel mir bekannt, bis heute un¬
widerlegt blieben ; nämlich die des nicht-arabischen Ursprungs ge¬
wisser zum mekkaniscben Cultus gehörigen Au.sdrücke, und die
andere, dass eine Insebrift auf dem Makäm Ibrahim bei der Ka'ba
in hebräischer Sprache und in einem bunten (»emisch von semiti¬
schen Schriftarten von Juden verfasst sei. Den letzteren Ausspruch wollen wir im Folgenden näher untersuchen.
Wie bekannt, ist die Inschrift nur aus der einzigen leydener
Haudschrift von Fäkihi's Geschichte Mekka's aus dem fünfzehnten
Jahrhundert im Facsimile bekaunt, und bereits von Osiander als
eine unrettbar verstümmelte himjarische oder solcher ähnliche
erkannt worden. FäkiliT versichert, die Schrift so zu geben „wie
. e.
er sie sab" (NÄ^I^Ui); und Hr. Dozy stützt sich auf diese Ver¬
sicherung, um die Zuverlässigkeit der Nachzeichnung zu vertiieidigen,
deren Buchstaben so gross nnd deutlich, eckig und vierschrötig da¬
stünden, dass die Abscbreiber sie mit einiger Aufinerksainkeit leicht hätten nachbilden köimen. Allein es ist die Frage, ob FäkihT die Buch¬
staben so sah, wie der Steinhauer selbst sie gesehen, und ob er sie
nicht amlpis gesehen hätte wenn er sie hätte lesen können. Es
ist ferner die Frage, ob die Abscbreiber die nöthige Aufmerksam¬
keit wirklich gehabt liaben, und sich uicht vielmehr begnügten mit
der allgemeinen Physiognomie der ibnen unverständlichen Züge, wo
der europäische Gelehrte auch die kleiusten Eiuzeluheiten verlan¬
gen wird.
Der Steiu war sehr spröde, nnd mehr als einmal hatte man
die zersprungenen Stücke zusammenfügen müssen. Ein solcher Steiu
Notizen und Correapondenxen. 545
war begreiflicherweise mehr als andere der Verwitterung ausgesetzt,
und durch die Verkehrtheiten von Unkundigen konnte er leicht
nocb mehr gelitten haben. Es ist also von vorn herein uicht wahr¬
scheinlich, dass der Zeichner im Jahre 870 n. Chr. die Schrift gauz
unbeschädigt vor Augen hatte. Er selbst sagt: „Dies ist es was
ich aus den Zeilen herausbringen konnte ; das Uebrige konute ich
nicht herausbringen und habe es also nicht abgeschrieben". Nun
braucbt mau sich nur einmal selbst mit dem Facsimiliren ernstlich
beschäftigt zu haben, um zu wissen wie äusserst schwierig es ist,
eine brauchbare Zeichnung zu erhalten von dem was Einem nicht
ganz verständlich ist. Sogar ein Seetzenhat einmal „ bei hin¬
länglicher Müsse mit der grössten Sorgfalt und wie es scheint in
ihrer natürlichen Grösse" eiue Inschrift abgezeichnet, ohne zu be¬
merken, dass was er ftir die Buchstaben bielt, die Zwischenräume
zwischen den Buchstaben waren. Aus älterer Zeit brauchen wir
nur die Keilschriften bei dem Maler Cornells de Bruyn (Reizen,
Amst. 1711) anzuführen. Es wird ja immer allgemeiner anerkannt,
dass Gypsabgüsse, Abklatsche, Durchzeichnuugen und Photographien
viel brauchbarer sind als die beste Nachbildung aus freier Hand.
Wie es demnach um die Zuverlässigkeit des Facsimile bei
FäkihT stehen muss, wo ein ungeübter Zeichner ihm Unverständ¬
liches von einem alten, spröden, mehr als einmal zusammengekit¬
teten Stein auf Pergament zu bringen unternahm, und in stetiger
Gefahr schwebte, halb Ausgelöschtes zu übersehen, kleine Risse,
Flecke und Unebenheiten der Grundfläche für Schriftzüge zu halten,
ist deutlich genug. Dazu liegen sechs Jahrhunderte zwischen der Zeit
jeues Zeichners und der des Schreibers jenes leydener Exemplars ;
uud bei jeder neuen Abschrift entstauden durch eiu vielleicht be¬
schädigtes Original und ungeübte , wo nicht nachlässige Hände neue
Gefahren. Man vergleiche nur etwa die himjarischen Alphabete
aus arabischeu Haudschriften (Wellsted II, Tafel; Zeitschr. f. d. K.
d. Morg. V, Taf. 2), oder die Zilfern des Abacus und dio indisch-
arabischen in mittelalterlichen lateinischen Quellen ^). Weun schon
einzelne Buchstaben so sehr verstümmelt wurden, wieviel eher ein
ganzer Text, wo der Unkundige das Zusammengehörige zu trennen,
das Auseinanderstehende zu verbinden alle Gefahr hatte.
Dennoch muss man gestehen, dass auch das Unwahrscheinliche
zuweilen wahr ist. Der Verdacht, dem das Facsimile unterliegt,
wäre beseitigt, weini cs gelänge, es nach richtigen paläographischen
Grundsätzen zu enträthseln. Es muss also gelrapt werden, ob der
Hr. Verfasser dies wirklich zu Stande gebracht.
In welchem Charakter ist die Inschrift aufgezeichnet? Die
einzigen unzweifelhaften Buchstaben sind himjarisch; schon Osian-
1; Uödiger in Wellsted's Reisen in Arubien 11. ;j70— 1.
2) Cantor, Matbcm. Keitr. zum Kulturleben der Völker. Fig. .Sil - 44, Friedlein, Gerbert, die Geoin. des Boethius und die indischen Zilfern, Tal'. VI.
546 Notizen und Corresjwndeiizen.
der hat das a, n und n erkannt, und Hr. Dozy stiramt seiner
Dentung bei. Dazu kommt bei dem Letztern das V im zweiten
Buchstaben der zweiteu Zeile, welches aber auch ein a sein könnte.
— Weiter das Dreieck A , mit welchem D. das althebr. und samar.
(aber auch altäthiop., s. d. Tafel iu Dillmann's äthiop. Gramraatik)
V, d. i. y, vergleicht. Indessen, während kein Beispiel von sol¬
chem uragekehrten s bekannt ist, bietet das berliner Alphabet (s.
Rödiger zu Wellsted) ein himjar. A als b, und das leydener
(ebenda) eine Zwiscbenform zwischen diesem und dem gewöhnlichen
rautenförmigen b. — Ferner fiuden wir ein *P , welehes himjar. i
oder ', in einzeluen Fälleu (Zeitschr. XIX, Taf. I, Öte Zeile) aber
auch p bedeuten kaun. — Das Zeichen, welches bei D. für lügilt,
ist vielmehr das äthiop. n, nur eckig statt rund gezeichnet.
Bisher hatten wir es lediglich und allein nur mit südsemiti¬
sehen Scbriftzeichen zu thun. Das Natürlichste wäre also, auch in
den unleserlichen Zügen verzerrtes Himjarisch anzunehmen, ünd
wirklich gelingt es, ganze Stücke, nur leider jedesmal in mehr als
Einer Weise, auf jene Schrift zurückzuführen. Die hohe und
schmale Gestalt der Buchstaben in den guteu himjarischen Copien
zeigt, wie gar leicht es hier war, die Linien, zuraal wenn sie auf
einem schadhaften Steine standen, falsch zusammenzudenken. Ein
Blick auf die mekkanische Inschrift führt auf den Gedanken einer
rohen Nachbildung von ungeschickter Hand nach einem südseraiti-
schen Original.
Allein Hr. Dozy hatte eine historische Hypothese, und dieser
zu Liebe hat er eine andere paläographische gewagt. Schou zuvor
überzeugt, dass der Cultus iu Mekka liebräischen Ursprungs sei,
musste er die Urheber der Inschrift für Juden halten, und that
daranf hin einen beherzten Griff in die aramäischen Alphabete.
Was er sich zu thun getraute, ist etwa dem Unternehmen eiues
Erklärers zu vergleichen, der, mit Berufung auf deu gemeinschaft¬
lichen Ui'sprung der griechischen und italischen Schrift, ein altes
Document als musivisch aus althellenischen, mittelalterlich-deutschen
und modernen lateinischen Buchstaben zusammengesetzt geltend
machen wollte. Nur einen Beweisgrund hat er, um eiue so uner¬
hörte Theorie zu rechtfertigen; und dieser besteht in einer später
zurückgenommenen Vermuthung eines Neuern. Deun obgleich auf
deu Layard'scheu Tongefässeu hebräische Quadratschiift, Mandäisches
und Syrisches vermischt erscheiuen, so sind dies ja alles Varietä¬
ten des Einen Aramäischen. Es bliebe also nur die Redactious-
bemerkung auf S. 343 des XII. Baudes d. Zeitschr., wo die luschrif¬
teu ans dem Haurän theils den himjaritischen, theils den palmyre¬
nischen, theils auch den sinaitischen äbnlich genanut werden. Allein
es hat ja Dr. Blau im XVten Bande die sämmtlicben Charaktere
auf himjarische zurückgeführt, bis auf fünf, welche aber durchaus
Notizen und Correspondenzen. 547
nicht wie nordsemitisch aussehen; und es ist belcannt, dass die
dortige Bevöllcerung aus Südarabien eingewandert war.
Es ist zu bedauern, dass die Blau'sche Arbeit Hrn. Dozy drei
Jahre uach ihrem Erscheinen unbekannt geblieben war; und über¬
haupt mehrere Hülfsmittel zur richtigen Erkenntniss der Schrift¬
arten ibm nicht zu Gesichte gekommen zu sein scheinen. Für das
Syrische hält er sich offenbar an die skizzenhaften Holzschnitte in
der Hüffmann'schen Grammatik, während doch Adler's Kupferstiche
und die Lithographien im ersten Bande der Anecdota Syriaca vor¬
lagen. Mit Kopp setzt er die Vollendung der hebräischen Quadrat¬
scbrift erst in das 4te Jahrhundert. Mit Levy lässt er die alpha¬
betische Scbrilt aus Babylon abstammen, während diese ja grosse
Verwandtschaft mit der ägyptischen zeigt und in Babylon vielmehr
hauptsächlich eine Keilschrift im Gebrauche war. Um für gewagte
Vermuthungen Raum zu gewinnen, wird der Zustand der semiti¬
scben Paläographie möglichst schlecht gemacht. So oft neue Urkun¬
den ans Licht traten, sollen die Theorien, welche man von der
Schriftgeschichte gemacht hatte, umgestossen worden sein. Gesetzt
eiumal, diese Behauptung wäre bewiesen und liesse sich beweisen;
wäre damit jede neue Theorie gerechtfertigt, und jede Meinung gleich wahrscheinlich geworden?
Denn das einzige bekannte Beispiel der Vermischung nord-
und südsemitischer Schriftzeicheu wäre unser mekkanischer Text.
Dass darin Südsemitisches vorhanden, steht ganz fest. Ob auch das
nordische Element, welches Hr. Dozy darin zu sehen glaubt, wird
die Durchmusterung der von ihm angeführten Parallelen lehren.
N. Das nestorianische bei Hoffmann ist modernsten Ursprungs,
und ist, wie das Nest, überhaupt, aus dem Estrangelo entstan¬
den. — Das sogen. Estrang, duplicatura bei Hoffmann ist keine
eigene Schriftart, sondern dem analog, was man wenigstens in
Holland unter „weissen Lettern" versteht (i\.lB Xi); überhaupt
nur in Aufscbriften später melkitischer und jakobitischer Exem¬
plare gebräuchlich. Das nicht ganz genau aus Hoffm. nachge¬
zeichnete Beispiel zeigt dennoch die Estrangelogestalt , und ist,
wie das nest., vom sogen, mekkaniscben n ganz verschieden. —
Was dieses letztere eigentlich bedeuten soll, lässt sich schwer
entscheiden; vielleicbt äthiop. i oder die Sylbe ro der äthiop.
Inschriften (Dillm. ätb. Gr. Taf. II),
a Im Layard'scheu Facsimile (Nineveb and Babylon p. 51 ;i) ist
der Querstrich höher augesetzt uud linker Hand viel länger als
bei D., sodass die Figur dem ersten palmyr. 3 bei Gesenius,
und nicht dem öten Buchst, der 3ten Zeile imserer Inschrift
gleicht. Südsem. j sieht anders aus. Vielleicht ist diese Figur
verzeichnetes X (n) oder äthiop. (Y\ (n).
T Himjarisch, aber gauz dei' gebräuchliche Worttheiler.
1 und 1 sind uach der D.'schen Erkläiung gar uicht von einander
548 Notizen und Correspoiulenzen.
ZU unterscheiden. Der Augenschein lehrt, dass von den ange¬
führten Parallelen nnr das äthiop. wä ganz, weniger schon die
äth. und himj. die nordsemitischen aber gar nicht zutreffen.
1 fehlt.
n stimmt mit keiner der angeführten Parallelen genügend überein.
Wenn die Figur so richtig ist, möchte man eher an ein ver¬
zeichnetes himj. 73 denken.
D fehlt:
D beruht erstens auf einer hypothetischen Analyse der dritten
Gruppe des Textes. — Das samar. d der codd. Goth. (Gesen.
Mon. Phoen. tab. III) ist dem Anscheine nach verzeichnet aus
dem gewöhnlichen, jedenfalls daraus entstanden, und das gewöhn¬
liche zeigt einen ganz anderen Typus. Auch das palm. und
„chald. Lay." baben den obern Nebenstrich links und dazu einen
andern unterhalb, dem alten ^ analog.
b Das erste anerkannt himjar. ; es würde jedoch eher als 3 gelten.
Das zweite gleicht vielmehr einem aram. 3, wenn nur der untere
Strich nicht fehlte; allein noch mehr einem himjar. Y (n'*
kleinem Kopfe), d. i. r
n Das erste könnte aus himjar. n , doch auch aus 3 verzeichnet
sein. Das zweite scheint in der That himjar. a zu sein, wenn
man nur sicher wäre, dass nicht ein senkrechter Strich (t:)
oder ein wagerechter djo) aus der Mitte verloren gegangen.
3 Das citirte mandäische 3 ist eine späte Verschiebung des altaram.
(palm., syr.), eigens der Buchstabenverbindung wegen. Das
althebr. hat keiuen wagerecbten Fuss, sondern zeigt den Ueber¬
gang von einem leicht gebogenen Stiel zu einem stumpfen Win¬
kel. Ist die V-Form unserer Inschrift ursprünglich, so würde
man darin vielmehr ein altäth. n erkennen müssen.
0 sieht hinyarisch aus; doch es ist ganz willkürlich, die unte¬
ren Angen für gleichbedeutend mit einem obern Strich zu erklä¬
ren. Vielmehr erinnert die Figur an himjar.-a.
y Vielmehr himj. c (s. oben).
B, i£, p fehlen.
n Soviel mir bekannt, bildet dieser Buchstabe im Südsemit, wohl
einen spitzen, doch nie eineu geraden Winkel. Ueber das Auge
an der zweiten Figur erhalten wir keinen Aufscbluss, was doch
nach der Erklärung unter D erfordert wurde. Ist hier wirk¬
lich ein -I vorhanden, so möchte man an vi (Dillm. a. a. 0.)
denken. — Ob aber die dritte Figur sich aus Beer's sinait.
Alphabet rechtfertigen lässt, wäre zu bezweifeln. Dort ist der
Stamm nur leicht nach links umgebogeu, nicht geradwinklig
auf eiuen langen Fuss gestellt.
lü Ganz ein äthiop. rr, nur eckig gezeichnet. Die sogen, hierosol.
Parallele ist völlig verschieden. Die fehlerhafte Hoffmann'sche
Zeichnung ist bei D. uoch mehr verzogen; noch Einen Sehritt wei-
Notizen und Correspondenzen. 549
ter und wir liätten ein n. Die hier gemeinte syriseh-palästinisehe
Schrift ist nichts anderes als ein Versuch eifriger Melkiten,
Estrangelo im Style griechischer Uncialen zu schreiben ; in allen
Londoner und Petersburger Fragmenten, sowie in den Nachbil¬
dungen aus dem römischen Codex bei Adler und Miniscalchi,
kreuzen sich die Striche des \Z5 auf der Linie oder sogar ober¬
halb derselben. — Das angeführte nestor, la trifft gar nicht
zu, und ist obendrein verzeichnet; das wirkliche ist einigermas¬
sen verzogenes Estrangelo, und findet sich Anecd. Syr. I, tab.
XXII, fig. 106 nnd B üg. 11. Die Grundform des aram. U3 s.
in der abilen. Inschrift Zeitschr. XV, 615, Taf. Fig. I auf der
ersten Zeile.
Das Ergebniss wäre also, dass nur die südsemitischen Paral¬
lelen zu etwas führen könnten, wenn nur nicht der Zustand des
Facsimile uns mehrmals die W^ahl zwischen verschiedenen Buchsta¬
ben liesse und doch unmöglich machte; die nordsemitischen kön¬
nen aber gar nicht in Betracht kommen. Leider ist die Inschrift
schon vor tausend Jahren der am meisten beschädigte Theil des
auf jenem Stein Befindlichen gewesen; und dieser Theil ist uns un¬
leserlich überliefert worden. Dass es jetzt noch möglich wäre, einen
Abguss zu verfertigen, der mehr leistete, ist gar nicht zu erwarten.
Allein soviel dürfte feststehen , dass die Schrift (und also wahr¬
scheinlich auch die Sprache) südarabisch ist — oder war.
October 1866.
2. Aramäische Alphabete aus dem neunten Jahr¬
hundert. (Nebst einer Schrifttafel).
Im Sommer 1865 zeigte mir Hr. Dr. Wrigbt im British Museum
die syriselie Handschrift Add. 14620 (wahrscheinlich aus dem neun¬
ten Jahrhundert), wo fol. 12 verso col. 6 unter dem Titel lA^aa^)
l2k^>*».*iD Iv^ittj einige jener Alphabete vorkommen, in denen
manche Abschreiber ihre graphischen Kenntnisse zu documentiren lieb¬
ten. Es finden sich, 1) ein lA*iaiJ t.alik|, mesopotaniisches
Alphabet (s. d. Taf unter 1); 2) ^Q^iom = ffj^^eZoj/, d. i. das Al¬
phabet iu Zahlzeicben, worüber Wright in d. Zeitschrift und ich
selber iu den zwei ersten Bänden der Anecdota berichteten; 3) ein
Uu£3,AJQa £**i)ol lAjfiOjZ palmyrenisches oder phöni¬
cisches Alphabet (s. d. Taf. unter II); 4) ixCi.»Q*»j, griechische Minuskeln als Zahlzeichen mit richtig gestellten ßctv, xönna, aafini
und (= 1000); 5) lAo^Aa; Iß^JU.., griechische Majuskeln als
Lautzeichen; endlich 6) am Rande ein nicht näher bezeichnetes,
dem Auscheine nach künstlich gemachtes Alphabet.
3 •
550 Notizen und Correspondenzen.
Die Riclitigkeit der griecliisclien Buchstaben und des aiifittov
macht es wahrscheinlich, dass wir in dem Uebrigen keine reinen
Phantasien vor uus haben. Das mesopotamische Alphabet (Taf.
unter I) sieht ganz wie alterthümliches Quadrat-Hebräisch mit sei¬
nen Finalen aus. Nr. 3 a ist dem palmyren. und Estrangelo ähn¬
licb. Nr. 5 n ist etwas beschädigt. Nr. 7 t nähert sich den sasa¬
nidischen Inschriften; ebenso Nr. 10 ■•. Nr. Iis hat einen obern
Strich, der an arab. erinnert. Nr. 14 : ist gerundet wie manch¬
mal im Palmyrenischen. Nr. 17 d und q haben eigenthümliche
Spitzen, p und i fehlen leider, wie es scheint des beschränkten
Raumes wegen. Nr. 20 n hat eine ganz archaistische Gestalt, an
welche auch eine sasanidische anstreift.
Das Merkwürdigste aber sind hier die Nummern 21—27, die
jA^ioiJ A*ii taiil ^iiij jAiXajBO^Äio , Zusätze zum mesopota¬
mischen Alphabet. Sie haben offenbar die Bedeutuug von Vocai¬
buchstaben; bei den drei ersten sind noch in Rubrica ein a, « und
die untere Hälfte eines H, bei Nr. 27 die Trümmer eines w erhal¬
ten; wir dürfen also wohl, obgleich die Rubrica abgerieben, Nr. 24
als i, Nr. 25 als o und Nr. 26 als auslegen. Die Grösse dieser
Voealzeichen möchte zu der Annahme berechtigen, dass sie auf der¬
selben Zeile zwischen den Consonantbuchstaben zu stehen bestimmt
waren. Ob dafür einiges Zeugniss vorhanden, mögen Andere ent¬
scheiden.
Bedenklicher ist schon das sogen. Palmyrenische (Taf. unter 11)..
Dem Titel ist die merkwürdige Erklärung beigefügt: -»ot iaiojZ
(ij)icui)j la^jas oi^Aj] (Tadmor d. i. Phonice Syriae ). Die
meisten Zeichen lassen sich allerdings auf palmyrenische zurückfüh¬
ren : Nr. 3 3, Nr. 5 i, Nr. 7 T, Nr. 8 to (die letzte Eig. bei Ges.),
Nr. 10 D, Nr. Hb (nur irrthümlich oben zusammengeschlossen),
Nr. 15 s fdie letzte Fig. bei Geseu.), Nr. 16 d (geschlossenes «-s
wie im Syr. mit Spitze wie Alphab. I), Nr. 20 t (gerundet aus
palm. H), Nr. 23 n (mit aufwärts gebogenem Ilaken), Nr. 24 n
(schematisirt aus dem Estrangelo). .\ndere erinnern mehr an phü¬
nicische Buchstaben: Nr. 2 a (oben offen), Nr. 12 a (der Quer¬
strich mit seinem Kreuzstrich zuerst in w, vgl. Geseu., danu in —
geändert), Nr. 13 2, Nr. 21—22 u; (mit Stiel wie altphön. >*)• Bei einzelnen fiudet sich einige Aebnlicbkeit mit hirnjarischen ; Nr. 4. j,
Nr. 6 I, Nr. 9 n, Nr. 19 p (abgeruudct nach 20), Nr. 20 1. End¬
lich möchten Nr. 17—18 an altitalisches (4;) mahnen; doch
ziehe ich vor, diese wie Nr. 1 und 14 ganz ungedeutet zu lassen.
Soviel erhellt wenigstens, dass der Abscliieiber diese Schriften nicht
willkürlich erfanden, und ebensowenig dem Syrischen seiner Zeit
nachgebildet hat. Es muss sicli irgendwo eine Ueberlieferung von
den alteu, in Phönicien, Tadmor und Haurän gebräuchlichen Schrift-
3 !
Notizen und Correspondenzen. 551
arten erhalten hahen, welche aus dritter oder vierter Hand iu unsere Handschrift gerathen ist.
Für diese Ansicht scheint das zuletzt erwähnte Alphabet zu
sprechen, welches sich als künstliches gleich dadurch verräth, dass
es mit vierfach gestelltem c (c s u n ) anfängt , für d das grie¬
chische Cf, und für n das Estrangelo n bietet; ausserdem hat es
keinen Titel und steht am Rande gleichsam als Federprobe.
November 1867.
3. Südindisches Kärshun.
Gleichwie in Aram und Palästina das Arabische, wird auch
auf der Malabarküste die Ijandessprache Malayalma in Büchern
christlichen Inhalts gerne mit syrischen Buchstaben geschrieben,
und dann mit einem noch unerklärten Namen als Kärshun bezeich¬
net. Dass dies der Fall sei, wusste man schon aus Adler's N. T.
Versiones Syriacae, und den Nachrichten, welche ich im ersten Bande
der Anecdota mitzutheilen die Gelegenheit, hatte. Allein die Zei¬
chen, mit welchen mau die im Syrischen fehlenden Laute des Mala¬
yalma andeutet, wareu, soviel icb weiss, bisher in Europa noch
nicht veröffentlicht. Wie scbon a. a. 0. (S. 10 ff.) mitgetbeilt wurde,
verdaukeich deren Angabe der Güte des Hrn. Dr. Rost in London,
und biete sie hiermit in getreuer Nachbildung der von Hrn. Missionar
Collins geschriebenen Originale (Tafel unter III). Mit dem Süd¬
indischen unbekannt, muss ich alle weiteren Erörterungen Andern
überlassen; nur soviel sieht man gleich, dass die Zeichen für nd
uud nr einfach syrisches fi und p sind.
Februar 1868.
Nachtrag zu Anecdota Syriaca Tom. IL p. 7 ff.
Herr Dr. Mer.\ in Jena hat in Hilgenfeld's Zeitschrift lür wis-
seusch. Theol. (1867, Ites Heft) Pseudo-Iguatiana aufzeigen wolleu
in gewissen Fragmenten, welche d. Unterz. im ersten Bande der
Anecdota Syriaca veröffentlicht. Ich batte zugleich vor einer sol¬
chen Identificirung mit Berufung auf den Styl und die Citirformel
gewarnt. Nachdem Letzterer im zweiten Bande seine Gegengrnndc
vorgetragen, erhielt er uoch von Hru. Dr. Wright die Nachiiclif,
dass das einzige jener Fragmente, welches einen Titel hat (aus dem
Briefe an die Diakonissin Anastasia) sich unter dem Namen des
Severus (vou Antiochien) wirklich vorgefunden. Der ganze Brief
steht im Ms. des British Museum Add. 14 601 , fol. 11,5 b, nnd
fängt an mit deu Worten: )_a_^aiio lioii^jb W->o] ,zj-> ^io
.-»Aj?. — Damit ist zugleich die Stütze für die übrigeu Pseudo-
Ignatiana, welche in dem nämlichen Context citirt sein sollten, ver¬
loren gegangen.
552 Notizen und Correspondenzen.
Aus Briefen des Hrn. W. Wright in London an Prof. Rödiger.
London, d. 28. Juni 1868.
— Mein Catalog der syrischen Hss. des Britischen Museums
ist fertig. Die Trustee's haben den Druck beschlossen, und die
erste Ahtheilung (Biblische Hss.) ist bereits in der Druckerei. Mr.
Watts hat noch einigen Typeu-Vorrath zu schaffen, dann wird der
Druck beginnen und, wenn keite Störung eintritt, in etwa zwei
Jabren vollendet sein. Von Payne Smith's syrischem I.,exicou ist
der zweite Theil (mit dem Buchstaben <-Si beginnend) so eben unter
die Presse gegangen. — Der Druck des Aphraates ist über 400
Seiten vorgeschritten. Ich habe Cureton's Abschrift durchgängig
collationirt und gebe die Varianten hinter dem Texte am Eude die¬
ses Bandes, sowie unter dem Texte die Nachweisung der Bibel-
citate. Er citirt, wie andere Kirchenväter, aus dem Gedäcbtniss
uud verbindet oft mehrere Stellen zu Einem Citat. üebrigens citirt
er auch den Schluss des Markus-Evangelium's , der bekanntlich im
Cod. B, im Cod. Sinait. u. a. fehlt. Aphr. schreibt gegen die Mitte
des 4. Jahrhunderts. Die Kosten der Herausgabe bestreitet ein
Jugendfreund von mir , Mr. David Murray , der sich als Kaufmann
in Australien Vermögen erworben hat und gern bereit war, der
Wissenschaft das Opfer zu bringen. Wir gewinnen so einen alten
syrischen Text auf alter handschriftlicher Grundlage. An den 2ten
Band, der die Uebersetzung mit Noten enthalten soll, kann ich erst
später gehen. Zuvor denke ich das Glossar zu meiuem schon ge¬
druckten Arabic Reading Book fertig zu machen, und die syrische
üebersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius herauszugeben.
Für die Ausgabe des Eusebius habe ' icb mir vor allem eine cor¬
recte Abschrift des Petersburger Codex (datirt 462 Cbr.) gemacht
und daraus, abgesehen von einigeu wenigeu Lücken, die Bücher
I-IV., eineu Theil des V., ciucn Theil des VII., uud VUI—X.
vollständig erhalten. Aus der Hs. des Brit. Mus., die spätestens
im ersten Viertel des 6. Jahrh. geschrieben ist, werde ich die
Lücken der ersten vier Bücher ausfüllen und das V. vervollständi¬
gen können ; aber das VI. Buch und der grössere Thcil des VII.
sind vielleicht für immer verloren. — Die Anaphora des Coelesti-
uus wird ohne üebersetzung bleibeu müssen, da das Journal of
Saered Literature eingegangen ist und sonst hier keine Zeitschrift
existirt, die so etwas aufnähme.
12. Juli 1868.
— Ich will Ihnen doch vorläufig berichten, was ich von der
litterarischen Beute der habessinischen Expedition bis jetzt gehört
und gesehen habe. An Handschriften soll die Armee 3 bis 4000
Bände erbeutet haben. Aus diesen haben die Herren Holmes (der
Delegirte des brit. Museums) uud Muuzinger etwa 400 ausgewählt.