• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Naturheilverfahren – Grundlagen, Möglichkeiten, Grenzen" (06.10.1995)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Naturheilverfahren – Grundlagen, Möglichkeiten, Grenzen" (06.10.1995)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Hans-Dieter Hentschel

D

er Wunsch nach einer Be- handlung mit Naturheilver- fahren wird in unserer Bevöl- kerung immer häufiger ge- äußert, und auch immer mehr Kolle- gen streben die Zusatzbezeichnung

"Naturheilverfahren" an. Was sindje- doch ·Naturheilverfahren? Zwar las- sen sich der Begriff "Natur" und da- mit auch die daraus gebildete Worteinheit "Naturheilverfahren"

nicht allgemein verbindlich definie- ren (8, 18, 38, 40), andererseits ist es aber unschwer möglich, die Wirkfak- toren und das Wirkprinzip der Natur- heilverfahren darzulegen.

Wirkkräfte

und Wirkprinzipien

Wirkkräfte der Naturheilverfah- ren sind die "entwicklungsgeschicht- lich wirksamen Lebensreize der Natur

Tabelle I

···••••;

ZUR FORTBILDUNG

Naturheilverfahren Grundlagen,

Möglichkeiten, Grenzen

Naturheilverfahren pflegen und regu- lieren infolge der ihnen eigenen Wirk- weisen die Funktionen des menschli- chen Organismus. Ihre wesentlichen Indikationen liegen daher im Bereich der Prävention und in der Therapie von Funktionsstörungen; überdies können sie oft auch eine wichtige Rolle · in der Behandlung organi- scher Krankheiten und leiden spielen.

und Selbstheilung (25). Mithin zielen die Naturheilverfahren auf eine akti- ve Beteiligung und Nutzung der dem Organismus eigenen Fähigkeiten zur Regulation und Kompensation, zur Anpassung, zur Regeneration und zur Abwehr pathogener Noxen (26). Alle diese Fähigkeiten werden aber nicht unmittelbar, sondern erst indirekt,

besserung endogener Leistungen im Sinne einer Selbstheilung (Tabelle 1).

Die "natürliche Therapie" ist also hy- giogenetisch ausgerichtet, sie zielt auf diejenigen Fähigkeiten und Potenzen, die schon normalerweise Bestand und Gesundheit ermöglichen und die auch im kranken Organismus zumeist noch angesprochen werden können (26).

Dies alles wird begünstigt durch einen weiteren, nur den Naturheilverfahren eigenen Faktor, den "Genußwert"

(21). Eine Erklärung für alle derarti- gen Selbstheilungsvorgänge finden wir in der Auffassung des menschli- chen Organismus als ein offenes Sy- stem mit seinem dynamischen Wech- selspiel vieler Kräfte ( 4, 5, 37).

Hygiogenetische/path-ogenetische Wirkweisen der Therapie

Um den erstrebten Heilerfolg zu erreichen, müssen die Naturheilver- fahren stets bionom, den natürlichen Heilbestrebungen des Organismus

·entsprechend eingesetzt und dosiert werden. So gilt es beispielsweise bei einem fiebernden Patienten, im Sinne einer "Bedeutungsdiagnose" (20) zu entscheiden, ob die erhöhte Körper- temperatur noch als erwünscht anzu- sehen ist (zum Beispiel Steigerung im- munologischer Vorgänge) oder ob das Fieber wegen einer zu starken und be- drohlichen Belastung des Patienten gesenkt werden muß.

"Natürliche Therapie"

( Selbstordnung/Selbstheilung Indirekte~

Wirkungen Sekundär-

hygiogenetisch mientiert

~Schonung

~ Anregung der Selbstordnung (Normalisierung)

~ Kräftigung

selbst" (9), mithin alle "genuinen Na- turfaktoren" (37) wie Licht und Luft, Wasser und Erde (Peloide ), Wärme und Kälte, Bewegung und Ruhe, Ernährung und Nahrungsenthaltung, Heilpflanzen und- nicht zu vergessen - positive seelische Impulse.

Alle diese Naturfaktoren fördern durch dosierte Entlastung oder Bela- stung (Reize) die dem Organismus ei- genen Fähigkeiten zur Selbstordnung

"Künstliche Therapie"

(Kunstheilung)

Direkte

----=...

~ Wirkungen

Primär-

pathogenetisch orientiert

~ Ausschaltung

~ Lenkung (Korrektur)

~Ersatz

das heißt als Reaktion auf geeignete Reizbelastungen ausgelöst oder ver- stärkt: "Reaktionstherapie" (34).

Wirkweisen

Mithin erstreben die Naturheil- verfahren durch Schonung, Regulari- sierung und Kräftigung eine Anre- gung und möglichst weitgehende Ver-

Grenzen

Die Naturheilverfahren finden ihre Grenzen, wenn eine vitale Indi- kation als Notmaßnahme eine schnell wirkende Kunsthilfe gebietet, aber auch dann, wenn der Organismus über keine eigenen Regulationen mehr verfügt oder diese zu schwach sind und mit den Wirkkräften der Na- turheilverfahren nicht ausreichend gesteigert werden können (25, 28, 45, 46). In allen solchen Fällen ist die Be- handlungsweise in Form künstlicher Eingriffe von außen zwingend gebo- ten. Bei dieser "künstlichen Thera- Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995 ( 49) A-2635

(2)

pie" finden wir ganz andere Wirkwei- sen (Tabelle 1). Hier ist dem Organis- mus eine passive Rolle zugedacht.

Die verschiedenen Methoden zielen primär und unmittelbar auf die Besei- tigung der krankhaften Veränderun- gen oder ihrer Ursachen. Dies ge- schieht durch

~ Ausschaltung mittels Ampu- tation, Strahlentherapie oder durch antibiotische Medikation,

~ Korrektur, zum Beispiel pharmakologisch mittels Antihyper- tensiva oder chirurgisch durch stel- lungsberichtigende Eingriffe,

Tabelle 2

ZUR FORTBILDUNG

Prävention. Sie sind aber auch unent- behrlich bei Befindensstörungen, al- len Formen funktioneller Dysregula- tionen und in der Rehabilitation.

Dagegen sind die Methoden der

"künstlichen Therapie" zumeist die entscheidend wichtigen Mittel in der Akut- und Notfallversorgung. Sie bil- den auch das wesentliche Behand- lungsprinzip bei organischen Krank- heiten und Leiden.

Dennoch sollten in solchen Fäl- len die oft beträchtlichen adjuvanten Möglichkeiten der Naturheilverfah- ren nicht außer acht gelassen werden,

Therapieformen und ihre wesentlichen Heilanzeigen 1. Hydrotherapie

- akute fieberhafte Erkrankungen und Entzündungen - Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

- Durchblutungsstörungen der Koronarien, der peripheren arteriellen und venösen Gefäße

- funktionelle Leibbeschwerden. Adipositas - neurovegetative Regulationsstörungen -2. Bewegungstherapie

- neurovegetative Regulationsstörungen - Koronarinsuffizienz; Zustand nach Herzinfarkt - periphere arterielle Verschlußkrankheit

- Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Osteoporose - Stoffwechselleiden, Adipositas

- chronisch obstruktive Lungenkrankheiten

- mannigfache Zustandsbilder im Bereich von Chirurgie, Orthopädie, Neurologie und Psychiatrie

3. Ernährungstherapie - Stoffwechselstörungen - chronische Obstipation - Übergewicht, Untergewicht - Abwehrschwäche

~ Ersatz von Körperwirkstof- fen oder Organen in Form von Insu- lingaben, Versorgung mit Prothesen, Transplantationen.

Die Wirkungsdauer dieser

"künstlichen Therapie" ist zumeist auf die Anwesenheit der Wirkstoffe und Kunsthilfen begrenzt, darüber hinausgehende Heilerfolge sind nur durch sekundäre Beteiligung kör- pereigener Prozesse möglich (37, 45).

Indikationen

Somit lassen sich die Indikations- bereiche beider Therapieprinzipien erkennen. Die Naturheilverfahren sind das Mittel der Wahl in der

zumal sie die funktionelle Kompo- nente dieser Erkrankungen günstig beeinflussen und der Rückfallgefahr vorzubeugen vermögen.

Bereits hieraus geht hervor, daß vielfach eine Kombination von

"natürlicher" und "künstlicher" The- rapie möglich und nützlich oder sogar erforderlich sein kann (29). So kön- nen beispielsweise bei der Asthma- therapie gezielte Atemübungen und Verabreichung von Bronchospasmo- lytika einander gut ergänzen. Da sich Naturheilverfahren und Kunstheil- methoden aber nicht einfach gegen- einander austauschen lassen, ist es un- richtig, die Naturheilverfahren als

"alternative Behandlungsmethoden"

zu bezeichnen; andererseits erscheint

es im Sinne einer integralen Medizin berechtigt, sie als "komplementäre Therapieverfahren" zu definieren (7, 15, 41).

Die klassischen Naturheilverfahren

Zu den natürlichen, den oben dargelegten Prinzipien entsprechen- den Behandlungsweisen zählen vor- rangig und im wesentlichen die fol- genden fünf: Hydro- und Thermothe- rapie, Bewegungstherapie einschließ- lich Massage, Ernährungstherapie, Phytotherapie und das große Gebiet der Ordnungstherapie (7).

1. Hydro- und Thermotherapie Die Behandlung mit Wasser wur- de über Jahrtausende rein empirisch betrieben. Im 19. Jahrhundert ist sie durch die Naturheiler Prießnitz und Kneipp zu einem erheblichen Auf- schwung gekommen und systemati- siert worden. Die wissenschaftliche Erforschung begann im letzten Vier- tel des 19. Jahrhunderts und wurde in der Folge vor allem durch einige Uni- versitätskliniken für Physikalische Medizin weitergeführt (Tabelle 2).

Der aktuelle Wissensstand findet sich in einigen Lehrbüchern zusammenge- faßt (15, 31, 48). Dabei stehen die Kneippschen Anwendungen im Vor- dergrund: Waschungen, Güsse, Wickel, Heusack, Teilbäder und Kräuterbäder; hinzugetreten ist das Saunabad.

Für das endgültige Behand- lungsergebnis ist allerdings kaum je die einzelne Anwendung entschei- dend. Der Behandlungserfolg ergibt sich erst durch iterative, also serielle Verabreichung dieser Reize, die all- mählich zu den erwünschten, chro- nobiologisch zu deutenden Umstel- lungsprozessen führen (Grafik 1; 15, 27, 34).

2. Bewegungstherapie und Massage

Die neuzeitliche Bewegungsthe- rapie wurde bereits zu Beginn des 19.

Jahrhunderts durch den schwedi- schen Heilgymnasten P. H. Ling und seine Schule begründet. Mit den Fort-

(3)

Grafik 1 DA

0/0 104 -

102 -

100 -

98 560

RF

480 -5,0 - -2,5 - 0- +2,5 - +5,0 -

Reaktionszeit n = 64

Regelfläche der Pulsfrequenzregelung n = 11

Körperliche Leistungsfähigkeit (PWC 130) n = 9

1 7 14 21 28

Besserung dreier Funktionsgrößen unter kurmäßiger Hydro-Balneo-Therapie; zirkaseptan-periodische Ver- laufsformen; nach (27)

MEDIZIN

schritten der physiologischen und bio- chemischen Forschung und zahlrei- chen kardiologischen, rheumatologi- schen und sportmedizinischen Arbei- ten sind die Wirkungen, die vielfälti- gen Heilanzeigen und die zweckmäßi- ge Anwendungsweise der Bewe- gungsbehandlung einschließlich der Atemtherapie heute gut untermauert und in Lehrbüchern dargelegt (Tabel- le 2; 1 1, 12, 32, 36).

Die Massage wurde erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun- derts zu einem eigenständigen The- rapiegebiet entwickelt. Heute verfü- gen wir über einen für die Praxis weitgehend ausreichenden, wenn- gleich in mancher Hinsicht noch aus- baubedürftigen Wissensstand hin- sichtlich ihrer Wirkungsphysiologie und den daraus erwachsenden Heil- anzeigen (24). Dies gilt für die tradi- tionelle klassische Massage mit ihren Wirkungen auf das Bewegungssy- stem genauso wie für die verschiede- nen Reflexzonenmassagen, bei de- nen durch Behandlung der Körper- peripherie die nerval-reflektorisch zugeordneten inneren Organe oder Systeme regulierend beeinflußt wer- den können (25).

3. Ernährungstherapie

Mit der Ernährungstherapie ist es möglich, wichtige Grundfunktio- nen des Organismus zu pflegen und zu ordnen (Tabelle 2). Im Rahmen der Naturheilweise ist in den letzten Jahrzehnten ein wissenschaftlich fundiertes und unschwer durchführ- bares „Grunddiät-System" ent- wickelt worden (1). Es ist durch eine vollwertige, vielseitig anwendbare Grunddiät gekennzeichnet, die bei bestimmten Krankheitsgruppen le- diglich abgewandelt werden muß, beispielsweise zu einer gastroente- rologischen, einer kohlenhydratdefi- nierten oder einer kalorienreduzier- ten Variante. Einleitend oder inter- mittierend können verschiedene Fa- stenarten, strenge Rohkost oder an- dere spezielle Kostformen einge- setzt werden.

Im übrigen kann man feststellen, daß sich die von der offiziellen Medi- zin (Deutsche Gesellschaft für Ernäh- rung) empfohlenen Ernährungs- grundsätze denen des Grunddiät-

ZUR FORTBILDUNG

Systems in der letzten Zeit weitge- hend angenähert haben (30).

4. Phytotherapie

Viele heute gebräuchliche Phar- maka sind pflanzlicher Her- kunft. Daraus entwickelte Substan- zen wie das zytostatisch wirksame Vincristin aus Vinca rosea (tropi- sches Immergrün) und Taxol aus Ta- xus brevifolia (amerikanische Eibe) haben zu wegweisenden Verände- rungen in der Pharmakotherapie ge- führt (17).

Unter Phytotherapie versteht man jedoch die Behandlung mit ganzen Pflanzen, Pflanzenteilen und deren Zubereitungen. Kennzeich- nend für diese Form der Arzneimittel sind deren Mehr- und Vielfachstoffge- mische, die in ihrer Gesamtheit eine Wirkeinheit bilden können. Beispiel- haft sei hier die synergistisch-anti- phlogistische Wirkung von Matricin, alpha-Bisabolol und Apigenin in Ma- tricaria flos (Kamillenblüten) ange- führt (22).

Grundsätzlich müssen an Phyto- therapeutika die gleichen wissen-

schaftlichen Anforderungen wie an andere Medikamente gestellt wer- den, allerdings sind dabei die den pflanzlichen Arzneien eigenen Cha- rakteristika zu berücksichtigen.

Selbstverständlich sind Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die Voraussetzung für eine Anwen- dung am Patienten. Ferner müssen Phytopharmaka frei von Schadstof- fen (zum Beispiel Pestiziden, Herbi- ziden und Schwermetallen) sein.

Durch Standardisierung der phar- makodynamisch aktiven Stoffe kön- nen die differierenden Wirkstoff-

konzentrationen konstant gehalten werden (3).

Da Phytotherapeutika meist Mehrstoffgemische enthalten, wird das pharmazeutische Endprodukt oft nur auf eine Leitsubstanz standardi- siert, ohne andere, möglicherweise wirksame Inhaltsstoffe zu berücksich- tigen. Dessen ungeachtet konnte in ei- ner Vielzahl von klinischen, prospekti- ven, randomisierten und plazebokon- trollierten Studien die Wirksamkeit von Phytopharmaka aufgezeigt wer- den (19, 43 und andere). Beispiele sind Mittel aus Johanniskraut (Hypericum A-2642 (56) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

(4)

Bewegungs Therapie

Phyto- therapie MEDIZIN

perforatum), standardisiert auf Hy- pericin, bei Depressionen; Arzneien aus Weißdorn (Crataegus laevigata), mit definiertem Gehalt an Procyanidi- nen, bei Herzinsuffizienz (NYHA I und II); aus Ginkgoblättern (Ginkgo biloba), mit definiertem Ginkgolidge- halt, bei zerebralen und peripheren ar- teriellen Durchblutungsstörungen.

Die therapeutische Breite von Phytotherapeutika ist meist groß. Un- erwünschte Wirkungen sind selten, je- doch ist besonders auf Allergisierun- gen sowie (selten) auf Photosensibili- sierung zu achten. Phytotherapeutika haben ihr wesentliches Indikationsge- biet bei funktionellen Störungen, ad- juvant können sie aber auch bei orga- nischen Erkrankungen oft erfolgreich eingesetzt werden (16, 19, 49).

Die Homöopathie, die größten- teils Mittel pflanzlichen Ursprungs verwendet, wird von ihren maßgeben- den Vertretern ausdrücklich nicht un- ter die Naturheilverfahren eingereiht, sondern als ein spezielles therapeuti- sches Prinzip betrachtet.

Verfahren aus humoral- pathologischer Tradition

Aderlaß, Schröpfen und Anset- zen von Blutegeln, zumeist den Na- turheilverfahren zugerechnet, haben ihren Ursprung in der jahrtausendeal- ten Humoralpathologie (2, 33). Frü- her bei fast allen Krankheiten und oft bis zum Exzeß gebraucht, gehören sie heute nur noch zum Rüstzeug einiger Ärzte. Ihre Anwendung beschränkt sich im allgemeinen auf wenige wis- senschaftlich gesicherte Indikationen:

Aderlaß bei Hämochromatose und Polyzythämie, Schröpfen bei rheuma- tischen Schmerzsyndromen, Anset- zen von Blutegeln bei Thrombophle- bitis oder entzündlich-rheumatischen Ergüssen (25, 39).

5. Ordnungstherapie

Die Ordnungstherapie (6) bildet nicht nur den Kern der Naturheilwei- se, sie ist auch wesentlicher Bestand- teil aller ihr zugehöriger Verfahren (Grafik 2). Wie bereits die „diaita"

der klassischen Medizin ruft sie dazu auf, Ordnung im somatischen wie im psychischen Bereich herbeizuführen,

ZUR FORTBILDUNG

sei es bei den Regulationssystemen, sei es bei den chronobiologischen Rhythmen Dies gilt für

—die sinnvolle Nutzung von Licht, Luft und Wasser,

—den ausgewogenen Wechsel von Bewegung und Ruhe,

—den maßvollen und klugen Ge- brauch von Speise und Trank,

—den richtigen Rhythmus von Wachen und Schlafen,

—die Regulierung des Stoff- wechsels und

—die Kultivierung der Gemüts- bewegungen (25, 40).

DA

Hydro- therapie

Ernährungs- therapie

Die Ordnungstherapie bildet den Kern der Naturheil- weise und ist Bestandteil aller Naturheilverfahren.

Neben den im Einzelfall jeweils angezeigten physiotherapeutischen und diätetischen Maßnahmen sind hierzu auch entspannungstherapeuti- sehe Verfahren heranzuziehen, bei- spielsweise Autogenes Training, Lö- sungs- und Atemtherapie, Hypnose, gegebenenfalls auch Tanztherapie, Musiktherapie, kreatives Malen und Modellieren oder Bibliotherapie (44).

Sie alle haben das Ziel, die auch im psy- chischen Bereich vorhandenen, jedoch nicht in ausreichendem Maße zur Ent- faltung kommenden Selbstordnungs- und Selbstheilungskräfte zu stärken und freizusetzen (14). Für die ärztliche Praxis bedeutet dies, den Patienten bei der Gesundheitspflege engagiert zu be- raten und bei Durchführung ihm aufge- gebener aktiver therapeutischer Maß- nahmen in psychologisch richtiger Wei- se unterstützend zu begleiten (23).

Die Ordnungstherapie hat sich aber nicht nur auf den einzelnen Men- schen zu beschränken. Zu ihren Auf-

gaben gehört auch die Bemühung um geregelte Beziehungen in der Familie und größeren Gemeinschaften sowie die Sorge um ein harmonisches Ver- hältnis zur Umwelt.

Naturheilverfahren?

Trotz mancher methodischer Probleme sind die „klassischen" Na- turheilverfahren inzwischen durch Grundlagenarbeiten und klinische Studien in ihrer Wirksamkeit vielfach belegt und als integraler Bestandteil der Schulmedizin anerkannt (10, 13).

Noch offene Fragen werden vielerorts systematisch angegangen.

Einige Verfahren, die wegen ih- rer Wirkfaktoren auch unter die Na- turheilverfahren gerechnet werden können, bemühen sich, den zu ihrer Anerkennung erforderlichen wissen- schaftlichen Unterbau durch entspre- chende Arbeiten beizubringen. Dies gilt beispielsweise für die Mikrobiolo- gische Therapie, früher als Symbiose- lenkung bezeichnet, von der mittler- weile auch positive immunologische Wirkungen festgestellt werden konn- ten (42, 47).

Ganz anders steht es jedoch um die vielen unkonventionellen Unter- suchungs- und Behandlungsmetho- den, die sich mit dem Titel eines „Na- turheilverfahrens" schmücken möch- ten (50). Zu diesen „alternativen"

Verfahren, die — klassifizierend und nicht wertend — auch als „Außensei- termethoden" bezeichnet werden können, ist zunächst zu vermerken, daß die meisten keine „in der Natur vorkommenden Mittel" zur Diagno- stik oder Therapie verwenden, so daß schon von daher die Bezeichnung

„Naturheilverfahren" nicht gerecht- fertigt ist. Zudem beruhen bei diesen Methoden die theoretischen Grund- sätze auf spekulativen Denkmodellen oder unbewiesenen Theorien Hinzu kommt, daß von ihren Anhängern bisher keine den heutigen Anforde- rungen entsprechende Therapiestudi- en vorgelegt wurden, welche die be- hauptete Wirksamkeit dokumentie- ren. Von derartigen Methoden seien hier nur angeführt: Kinesiologie, Bach-Blüten-Therapie, Irisdiagno- stik, Chelattherapie, Kirlian-Fotogra- fie, Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie,

IEEZF'

(5)

MEDIZIN

Elektroakupunktur und Bioreso- nanztherapie. Eine eingehende Be- sprechung findet sich in (35).

Schlußfolgerungen

Die Naturheilverfahren verwen- den als hygiogenetische Wirkkräfte genuine Naturfaktoren, die — bionom eingesetzt — die Selbstordnungs- und Selbstheilungskräfte des Organismus fördern. Da die Wirksamkeit derarti- ger echter Naturheilverfahren vielfäl- tig nachgewiesen ist, sind sie bereits als ein integraler Bestandteil der

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT

Schulmedizin anerkannt. Die präven- tiven und therapeutischen Möglich- keiten der Naturheilverfahren werden aber in Klinik und Praxis noch viel zu wenig genutzt. Dabei vermögen die Naturheilverfahren eine entscheiden- de Rolle in Prävention und Gesund- heitserziehung sowie in der Therapie funktioneller Erkrankungen zu spie- len, können aber häufig auch einen wichtigen Bestandteil in der Therapie organischer Krankheiten oder in der Rehabilitation bilden. Daher sollten die Naturheilverfahren weit mehr als bisher bei Aufstellung der Therapie- pläne berücksichtigt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärzteb11995; 92: A-2635-2646 [Heft 40]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hans-Dieter Hentschel Med. Fakultät der TU München Arbeitsgemeinschaft klassische Naturheilverfahren

Kathreinerstraße 24 86825 Bad Wörishofen

Die Wirksamkeit von Gesundheits-Checks - klinisch und finanziell

Der Frage, ob regelmäßige Ge- sundheitskontrollen etwas nützen und ob ihr Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten steht, sind zwei Studien nachgegangen, die im British Medical Journal veröffentlicht wurden.

In der Untersuchung der klini- schen Wirksamkeit wurden zwei ran- domisierte Gruppen von Patienten aus fünf städtischen Allgemeinpraxen miteinander verglichen: Die Patien- ten der ersten hatten sowohl 1989 bis 90 wie auch 1992 bis 93 einen von den Praxisschwestern durchgeführ- ten standardisierten „Health Check"

wahrgenommen, die zweite Gruppe hatte diesen Check zum ersten Mal im zweiten Zeitraum. Die Gruppen um- faßten jeweils rund 2 000 Personen, die im ersten Untersuchungszeitraum 35 bis 64 Jahre alt waren. Es ging um Cholesterinwerte, Blutdruck, Körper- gewicht, Rauch-, Ernährungs- Sport- gewohnheiten und Alkoholkonsum.

Die erste Gruppe zeigte bei ihrer zweiten Untersuchung tatsächlich ei- nige Unterschiede gegenüber den noch nicht Untersuchten. Der durch- schnittliche Gesamtcholesterin-Wert war 3,1 Prozent niedriger (6,5 mg/dl), wobei die Frauen „erfolgreicher" wa- ren als die Männer (4,5 und 1,9 Pro- zent Rückgang). Der Anteil von Pro- banden mit einem Cholesterinspiegel von mehr als 272 mg/dl (8 mmo1/1) war um 3,9 Prozent gesunken. Auch die Ernährung schien sich verbessert zu haben: Der Verbrauch an gesättigten

Fettsäuren war nach den Angaben der Probanden niedriger. Die geringe- ren Blutdruckwerte und Gewichtsin- dexe bei der zweiten Untersuchung waren jedoch insignifikant, und beim Rauchen oder bei starkem Alkohol- konsum gab es gar keine Unterschie- de. Schlußfolgerung der Autoren:

Zwar gibt es Auswirkungen eines

„Health Checks", aber es ist fraglich, ob sie ihren Preis wert sind.

Die zweite Studie, veröffentlicht im gleichen Heft, gibt als Antwort ein klares „Jein". Hier wurden die Daten von 7 840 Personen, die sich einer Herz-Kreislauf-Vorsorgeunter- suchung in verschiedenen Praxen rund um Oxford unterzogen hatten, an Erkenntnissen aus der Framing- ham-Studie über Aufwand und Erfolg von Therapiemaßnahmen gemessen;

Maßstäbe waren die Kosten je gewon- nenem Lebensjahr. Sie bewegen sich je nach Intensität der Untersuchung, der therapeutischen Intervention, dem Geschlecht und dem Alter des Probanden zwischen 310 und 6 300 britischen Pfund. Den höchsten An- teil daran hatten in jedem Fall die Ko- sten für die medikamentöse Lipidsen- kung: 70 Prozent. Die Schlußfolge- rung dieser Autoren: „Lohnend" sind nur ein eingeschränktes Screening und Therapie von Blutdruck sowie Li- pidsenkung bei älteren Männern. bt

Imperial Cancer Research Fund OXCHECK Study Group: Effectiveness of health checks conducted by nurses in primary care: final results of the

OXCHECK study. BMJ 1995; 310:

1099-1104.

Dr J. Muir, University of Oxford, Depart- ment of Public Health and Primary Care, Gibson Building, Radcliffe Infirmary, Ox- ford OX2 6HE, Großbritannien Field K, Thorogood M, Silgy C, Normand C, O'Neill C, Muir J: Strategies for redu- cing coronary risk factors in primary care:

which is most cost effective? BMJ 1995;

310: 1109-1112.

Dr. M. Thorogood, Public Health and Po- licy Department, London School of Hy- giene und Tropical Medicine, London WC1E 7HT, Großbritannien

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im me- dizinisch-wissenschaftlichen Teil — ausgenommen Editorials, Kongreß- berichte und Zeitschriftenreferate — können grundsätzlich in der Rubrik

„Diskussion" zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie in- nerhalb vier Wochen nach Erschei- nen der betreffenden Publikation bei der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreib- maschinenseiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen) wissenschaftlich begrün- dete Ergänzungen oder Entgegnun- gen enthalten.

Für Leserbriefe zu anderen Beiträgen gelten keine besonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hin- weise). DÄ/MWR

A-2646 (60) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Prävention – Therapie – Rehabilitation, Johann Ambrosi- us Barth Verlag, Hüthig GmbH, Heidelberg, 1997, XI, 210 Seiten, 20 Tabellen, gebunden, 48

Ist Seehofer so schlecht informiert, daß er hierüber nichts weiß, oder will er diese Tatsachen, aus welchen Gründen auch im- mer, nicht wahrhaben.. Kaum zu glauben, daß dieser

Das Projekt untersuche, ob und wie Naturheilmethoden die Versorgungs- kosten für Patienten, bei denen die Schulmedizin keine Besserung oder Heilung erzielt habe, senken und ihr

Auf eine Be- sprechung der Anthroposophie und Homöopathie konnte ich deswegen verzichten, weil sie offiziell als „Be- sondere Therapierichtungen“ be- zeichnet werden und zudem –

Nebenwirkungen: Herz-Kreislauf: gelegentlich (insbesondere zu Therapiebeginn sowie bei Patienten mit Salz-/Flüssigkeitsmangel, Diuretikavorbehandlung, Herzinsuffizienz,

Dies betrifft auch die neben der fachärztlichen noch hausärztliche Tätigkeit ausübenden Kinderärzte und Internisten, die nicht vor die Alternative Hausarzt oder Facharzt

So kann an der Medizinischen Klinik I mit Poliklinik auch die Wei- terbildung für die Zusatzbe- zeichnung Naturheilverfah- ren im Rahmen einer Univer- sitätsausbildung für

Der angehen- de Arzt muss aber dabei auch lernen, wann die Heilung durch Methoden aus dem Spek- trum der „Naturheilmethoden“ gefördert wer- den kann oder wann diese Methoden allein