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Archiv "Aszites: Therapiekonzept mit Stufenplan" (11.12.1992)

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(1)

DEUTSCHES

ARZTEBLATT

R FORTBILDUNG

Brigitte A. Volk

und Wolfgang Gerok s

cr zites,

s die Ansammlung von Flüssigkeit in der freien Bauchhöhle kann bei verschiedenen ankheiten auftreten (Tabelle 1). Am häufigsten ist der Aszites Symptom einer fortgeschrit- tenen chronischen Leberkrankheit.

Wegen der unterschiedlichen Gene- se und — davon abhängig — unter- schiedlichen Therapie, aber auch wegen der Kombination verschiede- ner Formen des Aszites (zum Bei- spiel portaler und entzündlicher As- zites) ist es erforderlich, vor Beginn einer Aszitestherapie eine diagnosti- sche Parazentese durchzuführen.

Die differentialdiagnostische Ab- grenzung der einzelnen Aszitesfor- men aufgrund der im Aszites zu be- stimmenden Parameter zeigt die Ab- bildung 1.

1. Pathogenese des Aszites

Der Austausch von Flüssigkeit zwischen Blut und freier Bauchhöhle folgt den Starling-Kräften (1, 3, 15), das heißt dem hydrostatischen und onkotischen Druck unter der Vor- aussetzung, daß die Kapillarwände weitgehend impermeabel für Prote- ine sind. Die Flüssigkeitsabgabe aus dem Kapillarnetz des viszeralen Pe- ritoneums ist gesteigert, wenn im Blut der hydrostatische Druck an- steigt, der onkotische Druck abfällt, die Kapillarmembran durchlässig wird oder eine Kombination dieser Faktoren vorliegt. Darüber hinaus kann ein Mißverhältnis zwischen Lymphproduktion in Leber und Ma- gen-Darm-Trakt einerseits, Lymph- abfluß über den Ductus thoracicus andererseits zur Ansammlung von Aszites führen. Meist liegt eine

Aszites

Therapiekonzept mit Stufenplan

Aszites ist eine Komplikation bei zahlreichen Krankheiten. Eine Klärung der Grundkrankheit und der Aszitesgenese ist als Basis der Therapie unerläßlich. Die Pathogenese des Aszites bei chronischen Leberkrankheiten mit portaler Hypertension, der häufigsten Aszitesform, ist kom- plex. Die für die langfristige Was- serretention notwendige Steige- rung der renalen Natriumresorp- tion beruht auf nur teilweise ge- klärten Interaktionen von Leber und Niere. Für die Therapie des Aszites wird ein Stufenplan vor- gestellt. Fehler bei der Therapie führen oftmals zu Komplikationen und Therapieversagem.

Kombination mehrerer Mechanis- men vor.

Die Pathogenese des Aszites bei chronischen Leberkrankheiten mit portaler Hypertension (portaler As- zites) ist komplex und letztlich noch nicht definitiv geklärt. An der Aszi- tesentstehung sind hierbei sowohl lo- kale hämodynamische Faktoren, wie die Zunahme des postsinusoidalen und sinusoidalen Gefäßwiderstandes und die Rarefizierung des venösen Abstromgebietes in der Leber mit der Folge einer Steigerung des hy- drostatischen Druckes, eine Vermin- derung der Albuminsynthese in der Leber mit Senkung des intravasalen onkotischen Druckes, aber auch eine Reihe funktioneller Veränderungen, induziert durch Hormone, Mediato- ren und vegetatives Nervensystem, beteiligt. Aus Gründen der osmoti- schen Homöostase kann sich Wasser Abteilung Innere Medizin Il — Gastroente- rologie/Hepatologie (Ärztlicher Direktor:

Prof. Dr. med. Wolfgang Gerok) der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg

im Organismus nur bei gleichzeitiger Natriumretention ansammeln. Für letztere ist eine extensiv gesteigerte Natriumrückresorption im proxima- len Tubulus verantwortlich (16).

Diese Veränderung der Nierenfunk- tion bei chronischen Leberkrankhei- ten beruht wahrscheinlich auf einer verminderten Füllung der arteriellen Gefäße, besonders im Splanchnikus- gebiet, jedoch nicht — wie früher an- genommen — aufgrund eines ver- minderten Blutvolumens, sondern durch arterielle Vasodilatation unter Einwirkung von vasoaktiven Stoffen, die in der geschädigten Leber ver- mehrt produziert oder vermindert inaktiviert werden. Mechanismen, die der verminderten Gefäßfüllung entgegenwirken und über Katechola- mine, Renin, Angiotensin, Aldoste- ron, atrialen natriuretischen Faktor und Prostaglandine vermittelt wer- den, können zur gesteigerten Na- triumretention führen und dadurch die Entstehung eines portalen Aszi- tes begünstigen. Die Pathogenese des portalen Aszites beruht somit keinesfalls allein auf der portalen Hypertension, sondern auf einem Komplex von untereinander vernetz- ten Faktoren.

In der Pathogenese des kardialen Aszites spielen wahrscheinlich die verminderte arterielle Gefäßfüllung infolge verminderter Auswurf- leistung des Herzens und die Druck- steigerung im venösen System die we- sentliche Rolle. Der erhöhte Druck im zentralen Venensystem überträgt sich aber nur sehr begrenzt auf das Pfortadersystem, da zwischen diesen Gefäßgebieten die Leber als „Druck- minderer" eingeschaltet ist. Auch ei- ne Hypoproteinämie fehlt in der Re- gel. Bei Herzinsuffizienz ist deshalb ein Aszites selten; er tritt erst nach den peripheren

Ödemen auf. Eine

Ausnahme ist der „Aszites praecox"

bei Herzinsuffizienz infolge Pericar- ditis constrictiva.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992 (45) A1-4293

(2)

Transsudat

< 75 pg/ml

< 45 mg/dl negativ negativ

Fibronectin Cholesterin Zytologie Bakteriologie

Exsudat

> 75 pg/ml

> 45 mg/dl pos./neg.

neg./pos.

AFP, CEA

Neutr. Granulozyten

> 250 mm 3 i. Aszites entzündlich

4

pankreatogen:

Amylase Serum/Aszites < 1

Tbc:

Gluc Aszites < Serum Ziehl-Neelsen

Peritonealbiopsie

Differenzierung der Aszitesformen

Diagnostische Parazentese (50 - 100 ml)

Abbildung: Differentialdiagnostische Abgrenzung einzelner Aszitesformen durch Parazen- tese (50 —100 ml)

Die Pathogenese des entzündli- chen, pankreatischen und malignen Aszites ist noch weitgehend unklar.

Beim entzündlichen und pankreati- schen Aszites spielt wahrscheinlich die vermehrte Permeabilität der Pe- ritonealgefäße unter Einwirkung lo- kal freigesetzter Mediatoren (Kin- ne, Leukotriene) eine wesentliche Rolle. Beim malignen Aszites kann die Verlegung der abführenden Lymphwege und eine gesteigerte Lymphproduktion zusätzlich wirk- sam sein.

2. Therapie des Aszites

Die folgende Darstellung der Therapie betrifft vor allem die häu- figste Aszitesform, den portalen As- zites und seine Komplikationen. Bei den übrigen Aszitesformen steht die Therapie der Grundkrankheit im Vordergrund.

2.1 Indikation und Basistherapie

Da sonographisch kleinste Aszi- tesmengen (50 bis 200 ml) nachge- wiesen werden können, stellt sich die Frage der Indikation der Aszites- therapie. Die wesentlichen Faktoren für die Indikation sind in Tabelle 2 zusammengefaßt. Die Beseitigung des Aszites soll vor allem gefürchtete Komplikationen wie spontane bakte- rielle Peritonitis, Ösophagusvarizen- blutung, erosive Gastritis und hepa- torenales Syndrom verhindern. Vor- aussetzung der Therapie ist eine in- takte Nierenfunktion. Nichtsteroida- le Antiphlogistika sollten während der Therapie abgesetzt werden, da durch ihre Hemmwirkung auf die Prostaglandinsynthese die Regulati- on der Nierenfunktion gestört wer- den kann.

Die Mobilisation des Aszites muß schonend erfolgen, um das in- travasale Volumen nicht zu stark zu vermindern und dadurch ein präre- nales Nierenversagen zu verhindern.

Als Richtwert für die Aszitesmobili- sation gilt deshalb eine Gewichtsre- duktion um nicht mehr als 0,5 Kilo- gramm pro Tag; wenn gleichzeitig periphere Ödeme vorliegen, kann

Tabelle 1: Ursachen für die verschiedenen Aszitesformen

—portal

—maligne

—entzündlich (bakteriell, tuberkulös)

—pankreatogen

—chylös

—posttraumatisch

die Gewichtsreduktion auf maximal ein Kilogramm pro Tag gesteigert werden. Die Aszitestherapie ist we- gen der strengen Gewichts- und Elektrolytkontrollen und der eindeu- tig besseren Compliance des Patien- ten stationär einzuleiten. Für die Be- urteilung des Therapieeffektes ist die Gewichtskontrolle am wichtig- sten, sie ist der Messung des Bauch- umfanges und der sonographischen Beurteilung des Aszites überlegen.

Bettruhe ist empfehlenswert, da die Rückresorption von Flüssigkeit aus dem Abdomen und die Nierendurch- blutung verbessert werden.

Der wichtigste Pfeiler der Aszi- testherapie ist die diätetische Restrik-

tion von Natrium auf maximal 3 g Kochsalz pro Tag (2 g NaC1 = 800 mg Natrium; 1 g Natrium führt zur Re- tention von etwa 200 bis 300 ml H20).

Die Flüssigkeitszufuhr soll 1,5 Liter nicht überschreiten. Eine Restriktion unter 1000 ml Flüssigkeit pro Tag ist nur dann erforderlich, wenn eine Hy- ponatriämie vorliegt (meist „Verdün- nungshyponatriämie" unter 130 mval pro Liter im Serum). Die Substitution mit NaCl-freiem (!) Albumin ist nur bei einer Hypalbuminämie unter 3 g pro dl im Serum sinnvoll.

2.2 Diuretische Therapie des portalen Aszites

Vor dem pathogenetischen Hin- tergrund einer gesteigerten periphe- ren arteriellen Vasodilatation einer- seits und einer abnormen Retention von Natriumionen andererseits er- gibt sich eine sinnvolle Indikation für die Anwendung von Diuretika. Das Diuretikum erster Wahl ist der Aldo- steronantagonist Spironolacton. Sei- ne Überlegenheit, zum Beispiel ge- genüber dem Schleifendiuretikum Furosemid (Lasix®), ist durch eine vergleichende Studie klar belegt A1-4294 (46) Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

(3)

gespanntes, schmerzhaftes Abdomen

— eingeschränkte Zwerchfellbe- weglichkeit

Herzinsuffizienz Hernien

„symptomatischer"

Aszites

„drohende"

Asziteskomplikationen

„eingeschränkte Lebensqualität"

— spontane bakterielle Peritonitis

Ösophagusvarizenblutung

— maligner Aszites Tabelle 2: Indikationen für die Therapie des Aszites

Tabelle 3: Stufenplan der Therapie des portalen Aszites 1. Basistherapie

Bei Natrium-Ausscheidung > 20 mmol pro Tag fraktionelle Natriumelimination > 0,3 Prozent:

■ Bettruhe (empfehlenswert)

Natriumrestriktion (obligat), maximale Zufuhr 3 g pro Tag

■ „Sollwert" der Gewichtsreduktion:

1,5 kg in drei Tagen ohne Ödeme 3,0 kg in drei Tagen mit Ödemen 2. Diuretikatherapie

■ Aldosteronantagonisten (z. B. Aldactone®) 4 x 25 mg pro Tag Dosissteigerung um 50 mg pro Tag, wenn unter Sollwert*

maximale Dosis: 400 mg pro Tag!

■ Schleifendiuretika (zusätzlich ab 100 mg Spironolacton pro Tag, wenn Sollwert* nicht erreicht):

z. B. Xipamid (Aquaphor®) 20 mg pro Tag maximale Dosis: 40 mg pro Tag!

oder z. B. Furosemid (Lasix®) 40 mg pro Tag maximale Dosis: 80 mg pro Tag!

3. Parazentese

Bei Natriumausscheidung < 10 mmol pro Tag fraktionelle Natriumelimination *g 0,2 Prozent gespanntes, schmerzhaftes Abdomen:

Diuretika 3 — 5 Tage vorher absetzen!

■ Albumin-Substitution 6 — 8 g pro Liter Aszites (50 Prozent vor Parazentesebeginn)

oder Haemaccel-Substitution 150 ml pro Liter Aszites

■ flankierend: Basistherapie (Stufenplan Nr. 1)

Aszitesprophylaxe (z. B. Aldactone® 4 x 25 mg pro Tag) 4. Peritoneovenöser Shunt

Voraussetzungen:

■ steriler Aszites

Plasminogen im Aszites 0,7 CTA U pro ml Plasminogen < 0,7 CTA U pro ml kein PV-Shunt (Procedere vergleiche Ref. 13, 14)

*Sollwert siehe 1. Basistherapie

(12). Die Ursache der besonders günstigen Wirkung bei der Aszites- therapie ist dagegen noch weitgehend ungeklärt. Es gibt Hinweise für eine Hemmung der Aldosteron-vermittel- ten Natriumresorption im Darm, ei- ner Steigerung der Prostazyklinsyn- these in der Niere und einer langfri- stig signifikanten Verbesserung der Leberdurchblutung und des portalen Blutflusses unter Aldosteron.

Zu berücksichtigen ist, daß un- ter einer peroralen Therapie mit Spi- ronolacton die Wirkung erst nach drei Tagen eintritt. Der Therapieer- folg kann an der gesteigerten Na- triumelimination gemessen werden.

Erst wenn nach entsprechender Be- handlung und Dosierung (Tabelle 3) die Natriurese nicht zunimmt, sind zusätzlich Schleifendiuretika indi- ziert. Sie können bis zu 25 Prozent des filtrierten Natriums durch Hem- mung der tubulären Rückresorp- tion eliminieren, induzieren jedoch gleichzeitig den Verlust von Kalium- ionen, der nicht selten zur Alkalose und zur Enzephalopathie führen kann. Die meisten Schleifendiureti- ka zeigen bei Patienten mit Leber- zirrhose im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen ein verändertes pharmakokinetisches Verhalten. So ist der natriuretische Effekt von Fu- rosemid (Lasix®) bei Zirrhosepatien- ten deutlich reduziert, während der Kaliumverlust ein gleiches Ausmaß wie bei Nichtzirrhotikern erreicht.

Darüber hinaus kommt es zur ver- stärkten Bildung von Thromboxan in der Niere mit der Folge einer rena- len Vasokonstriktion. Vielleicht ist dies der Grund, daß unter hochdo- sierter Gabe von Furosemid ein Nie- renversagen bei Patienten mit Le- berzirrhose auftreten kann.

Nachteilig ist ferner, daß unter der Therapie mit Furosemid ein Reboundeffekt mit verstärkter Na- triumretention auftritt. Xipamid (Aquaphor®) ist im Vergleich zu Fu- rosemid in dieser Hinsicht günstiger und weist auch eine bessere Biover- fügbarkeit auf (7). Inwiefern ein neues Schleifendiuretikum (Torasa- mid) mit verbesserter Natriurese und ohne den Reboundeffekt von Lasix®

sich bei der Aszitestherapie bewährt, muß in Langzeitstudien noch geklärt werden (8). Prinzipiell sind Schlei-

A1-4296 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

(4)

Parazentese*

n = 41

Peritoneo- venöser Shunt

n = 48

— Elimination des Aszites

— Gesamtkomplikationen

— Wiederauftreten von Aszites

— Aufenthaltsdauer

93%

22%

79%

11 ± 5 Tage

88%

31%

59%

19 ± 9 Tage

— Rehospitalisation

— wegen Aszites

— wegen Enzephalopathie

— wegen bakterieller Infektion

— wegen gastrointestinaler Blutung

93%

79%

37%

21%

16%

90%

59%

26%

36%

9%

Ein-Jahresüberlebensrate Drei-Jahresüberlebensrate

56%

20%

44%

30%

Tabelle 5: Vergleichende Untersuchungsergebnisse der Parazentese mit peritoneovenösem Shunt

während des ersten stationären Aufenthaltes

III Verlaufsbeobachtung in den ersten 8 Monaten

*Diuretikaverbrauch signifikant erhöht (p > 0,01) (aus: Gines et al., 1991)

fendiuretika wegen des kaliureti- schen Effektes und der damit ver- bundenen schwerwiegenden Kompli- kationen nicht zur Monotherapie des portalen Aszites geeignet, sondern nur in Kombination mit Aldosteron- antagonisten zu empfehlen.

Filtrationsdiuretika (zum Bei- spiel Dopamin, Aminophyllin) haben in der Aszitestherapie keinen Platz.

Unter der Gabe von Carboanhydra- sehemmern kommt es häufig zu En- zephalopathien und einer deutlich gesteigerten Reabsorption von Na- triumionen im distalen Tubulus der Nieren, so daß auch dieses Diureti- kum für die Aszitestherapie wenig ge- eignet ist. Der Einsatz von Osmodiur- etika kann als Kurzinfusion gelegent- lich als „Starter" der Diurese erfolg- reich sein, ist aber für eine Dauerthe- rapie ebenfalls ungeeignet.

Die Dosissteigerung bei diureti- scher Behandlung muß langsam, stu- fenweise erfolgen und verlangt viel Geduld von Arzt und Patient. Tritt unter der eingangs erwähnten Basis- therapie nach drei bis fünf Tagen keine entsprechende Gewichtsre- duktion auf, ist die Indikation für Al-

stand von mindestens drei bis fünf Tagen. Die maximale Dosis für Al- dosteronantagonisten liegt bei 400 mg pro Tag und die für Schleifendiu- retika bei 80 mg Furosemid bezie- hungsweise 40 mg Xipamid pro Tag.

Eine Kombination mehrerer Schlei- fendiuretika ist nicht sinnvoll. Kon- trolle der Elektrolyte und des Säu- renbasenstatus sind unter dieser Therapie obligat. Eine nach diesem Stufenplan durchgeführte Therapie des portalen Aszites ist bei über 85 Prozent der Patienten erfolgreich.

Ursachen der „Diuretikaversa- ger": Die häufigsten Ursachen für ein fehlendes Ansprechen dieser therapeutischen Maßnahmen sind in Tabelle 4 zusammengefaßt. Oft be- steht eine hohe „verdeckte" Na- triumionenzufuhr in Form von Infu- sionslösungen oder Medikamenten (Antibiotika, Antazida, Albuminlö- sung etc.). Nicht selten beruht auch die Therapieresistenz auf einer ma- lignen oder entzündlichen Kompo- nente des portalen Aszites. Ebenso kann eine Verschlechterung der Le- berfunktion im Rahmen einer ga- strointestinalen Blutung für das Ver- sagen der Aszitestherapie verant- wortlich sein. Nephrotoxische Sub- stanzen (zum Beispiel Aminoglykosi- de), deren nierenschädigende Wir- kung sich unter gleichzeitiger Gabe von Diuretika potenzieren kann, sind eine weitere mögliche Ursache des Therapieversagens. Alle extra- hepatischen Faktoren, die zu einer hypovolämischen Kreislaufsituation führen, können ebenfalls zum Versa- gen der Diuretikatherapie beitragen.

r

Tabelle 4: Häufige Ursachen des Therapieversagens bei portalem Aszites

■ Natriumionenzufuhr > 3 g pro Tag

(„verdeckte" Zufuhr, zum Beispiel in Antibiotika, Antazida, andere Begleitmedikamente)

■ Aszitesursache unklar

(maligner Aszites? spontane bakterielle Peritonitis? usw.

■ Leberfunktionsverschlechterung

■ Nierenfunktionsstörung

(renale oder prärenale Ursachen, Medikamente, unter anderem nichtsteroidale Antiphlogistika, Antibiotika)

■ extrem gesteigerte proximale Natriumrückresorption dosteronantagonisten (zum Beispiel

Aldactone® 4 x 25 mg pro Tag) ge- geben. Der Erfolg der Therapie kann in einer vermehrten Natriurese und Gewichtsreduktion abgelesen wer- den. Bleibt die Natriurese nach drei- tägiger Therapie aus, wird zusätzlich ein Schleifendiuretikum (zum Bei- spiel Lasix®) 20 mg pro Tag oder Xi- pamid (Aquaphor®) 20 mg pro Tag eingesetzt. Jede weitere Dosissteige- rung der Diuretika erfolgt im Ab-

Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992 (49) A1-4297

(5)

IIIMINNEr"

— akute oder subakute Reduktion der glomerulären Filtration (im Zusammenhang mit schwerem Leberzellschaden)

— Verschlechterung der Tubulusfunktion

(franktionelle Natriumelimination < 1 Prozent)

— keine erkennbare Ursache für eine primäre Nierenerkrankung

— keine Besserung der Nierenfunktion unter Volumenexpansion

aus: Papper et al., 1983

Tabelle 7: Therapeutische Ansätze bei hepatorenalem Syndrom

■ Verbesserung der Leberfunktion!

— medikamentös: Diuretika wenig erfolgreich Frischplasma

(ein Liter pro Tag, mehrere Tage) Ornipressin (zum Beispiel Por 8 Sandoz®)

— chirurgisch:

portosystemischer Shunt?

Lebertransplantation*

* einziges gesichertes erfolgreiches Therapieverfahren

Tabelle 8: Therapie des Nierenversagens bei Leberzirrhose mit Aszi- tes (pseudohepatorenales Syndrom)

■ Diuretika und nephrotoxische Medikamente absetzen!

■ bei prärenaler Ursache:

Volumenexpansion ohne Zufuhr von Natriumionen

Dopamininfusion (zum Beispiel Dopamin 2-5 i.tg pro kg/Minute) peritoneovenöser Shunt

■ bei renaler Ursache:

Dialyse

2.3 Parazentese Tabelle 6: Diagnostische Kriterien des hepatorenalen Syndroms Die therapeutische Parazentese

kann entweder über mehrere Tage durch Ablassen von jeweils zwei Li- tern Aszites pro Tag in etwa 30 Mi- nuten („large volume paracentesis") oder mittels Pumpe durch Ablassen des gesamten Aszites in zirka 60 Mi- nuten („total paracentesis") erfolgen (11). Indiziert ist eine Parazentese bei Patienten mit erheblich gespann- tem und schmerzhaftem Abdomen und einer Natriumausscheidung un- ter 10 mmol pro Tag. Diuretika soll- ten etwa fünf Tage vor der Parazen- tese abgesetzt werden, um Kompli- kationen (Nierenversagen, Enzepha- lopathie und gastrointestinale Blu- tungen) zu vermeiden. Gleichzeitig muß für ausreichenden Volumener- satz gesorgt werden. Als Anhalts- punkt kann gelten, 6 bis 8 g Albumin oder 150 ml Haemaccel (14) pro Li- ter abgelassenen Aszites zu substitu- ieren; davon sollen zirka 50 Prozent möglichst zum Zeitpunkt der Para- zentese verabreicht werden, wäh- rend die zweite Hälfte sechs Stunden

nach Beginn der Parazentese gege- ben werden kann.

Der wesentliche Vorteil der Pa- razentese gegenüber der Diuretika- therapie ist eine deutliche Verkür- zung des Krankenhausaufenthaltes.

Die Komplikationsrate — allerdings unter Bedingungen einer therapeuti- schen Studie — ist mit der unter Diuretikatherapie vergleichbar (4, 5). Inwiefern die Gefahr einer spon- tanen bakteriellen Peritonitis unter der Parazentese durch den Verlust von Komplementfaktoren ansteigt (13), ist bislang noch nicht in Lang- zeituntersuchungen eruiert worden.

Unumgänglich für den langfristigen

Erfolg einer Parazentese ist, daß die Basistherapie flankierend eingehal- ten, das heißt spätestens fünf Tage nach der Parazentese mit Diuretika wieder behandelt wird. Häufig ge- nügt eine niedrig dosierte Therapie mit Aldosteronantagonisten (zum Beispiel Aldactone® 100 mg pro Tag), um eine erneute Aszitesan- sammlung zu verhindern.

2.4 Peritoneovenöser Shunt

Die Indikationen für einen peri- toneovenösen Shunt (PV-Shunt) decken sich mit denjenigen für die Parazentese. Die Bestimmung der Plasminogenkonzentration im Aszi- tes hat sich als wertvoller Parameter für die prognostische Beurteilung ei- ner schweren lebensbedrohlichen Gerinnungsstörung (18) unter PV- Shunt bewährt; sie sollte vor jeder Anlage eines PV-Shunts durchge- führt werden. Die Komplikationen beim PV-Shunt sind Blutungen, meist durch Fibrinolyse, Infektionen und thrombotischen Shuntverschluß;

ihre Behandlung ist schwierig, die Entfernung des Shunts ist meist nicht zu umgehen (19). Die Lang- zeitergebnisse der Parazentese und die des PV-Shunts sind gleichwertig (Tabelle 5), so daß keines der beiden Verfahren bei der Behandlung des auf Diuretika refraktären Aszites be- vorzugt werden muß.

3. Komplikationen 3.1 Therapie des

hepatorenalen Syndroms Bei der Diagnose des hepatore- nalen Syndroms (10) muß aufgrund der Kriterien der Tabelle 6 klar vom A1-4298 (50) Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

(6)

akuten Nierenversagen bei Leber- zirrhose unterschieden werden, da die therapeutischen Maßnahmen grundsätzlich verschieden sind. Das hepatorenale Syndrom verbessert sich bei verbesserter Leberfunktion;

Diuretika sind in der Regel nicht er- folgreich und oft schädlich; sie sind deshalb abzusetzen (Tabelle 7). Eine kürzlich publizierte Studie konnte zeigen, daß durch die Gabe von Frischplasma (ein Liter pro Tag, über mehrere Tage) die glomeruläre Filtrationsrate und die Urinproduk- tion vorübergehend deutlich anstei- gen und danach die Therapie durch die Anlage eines PV-Shunts erfolg- reich war (2).

Ein günstiger Effekt, bisher aber auch nur im Rahmen einer streng kontrollierten klinischen Studie nachgewiesen, wurde unter einer kontinuierlichen Infusion von Orni- pressin (6 IU Ornipressin über vier Stunden: zum Beispiel Por 8 Sandoz®

beobachtet (9). Unter dieser Behand- lung kommt es zu einer Steigerung des peripheren arteriellen Wider- standes, des renalen Blutflusses, Zu- nahme des Urinvolumens und der Natriurese. Beide Therapiekonzepte sind pathophysiologisch weitgehend ungeklärt, scheinen aber für die The- rapie des hepatorenalen Syndroms vielversprechend zu sein, wenn auch Langzeitergebnisse bisher nicht vor- liegen. Die Anlage eines portokava- len Shunts zur Minderung des funk- tionellen Nierenversagens bei fortge- schrittenem Leberversagen hat zu keinen klar positiven Ergebnissen ge- führt. Auch ein PV-Shunt ist nicht wirksam, da eine Volumenexpansion bei hepatorenalem Syndrom nicht zur Verbesserung der Nierenfunkti- on führt. Ebenso ist eine Dialyse- therapie nutzlos. Die Lebertrans- plantation ist derzeit die einzige gesi- cherte und erfolgreiche Therapie des hepatorenalen Syndroms.

Klar abzugrenzen vom seltenen hepatorenalen Syndrom ist das häu- fig iatrogen induzierte prärenale Nierenversagen bei Leberzirrhose („Pseudohepatorenales Syndrom"), das sich durch eine Volumenexpan- sion mittels Infusionstherapie oder nach Anlage eines PV-Shunts bes- sern oder ganz beseitigen läßt (Ta- belle 8). Alle potentiellen nephroto-

xischen Substanzen, zu denen auch Diuretika zählen, können Auslöser sein und sind deshalb abzusetzen.

Häufig ist überbrückend eine konti- nuierliche arteriovenöse Ultrafiltra- tion oder eine Dialysetherapie indi- ziert. Nach Entfernung der nieren- schädigenden Noxe und nach einer Überbrückungsphase — unter Um- ständen von mehreren Wochen — ist das „pseudohepatorenale Syndrom"

meist voll reversibel.

3.2 Therapie der spontanen

bakteriellen Peritonitis Ist die Diagnose einer spontanen bakteriellen Peritonitis klinisch, la- borchemisch durch den Nachweis von über 250 neutrophilen Granulozyten pro mm3 Aszites und dem bakteriolo- gischen Nachweis einer Monoinfekti- on (meist E. coli) gesichert, ist unver- züglich eine antibiotische Therapie, zum Beispiel mit Cefotaxim und Me- tronidazol oder mit Antibiotika nach entsprechender Austestung einzulei- ten. Die Gabe von Aminoglykosiden ist bei Patienten mit Leberzirrhose gefährlich, auch wenn die Serumspie- gel kontrolliert werden. Diese Anti- biotikagruppe sollte deshalb nicht eingesetzt werden.

3.3 Therapie des malignen Aszites

Neuere Untersuchungen zeigen, daß die intraperitoneale Applikati- on von Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) (50 µg TNF-alpha in 500 ml Infusionslösung) therapeu- tisch wirksam ist. Vor der Applikati- on sollte der Aszites vollständig ab- gelassen werden. Die Therapie kann zweimal oder dreimal im Abstand von einer Woche wiederholt werden.

Als Nebenwirkung kann eine vor- übergehende Temperaturerhöhung bis etwa 38° C beobachtet werden.

Die Anlage eines PV-Shunts bei ma- lignem Aszites erfordert keine Be- stimmung des Plasminogenspiegels im Aszites wie bei portalem Aszites, da unter der Retransfusion des ma- lignen Aszites keine Gerinnungsstö- rungen zu fürchten sind. Die Gefahr

einer metastatischen Aussaat unter dieser palliativen Maßnahme ist nicht sicher ausgeschlossen (17). Bei sehr großen Mengen von Aszites mit gespannten Bauchdecken kann aber der PV-Shunt zur Verbesserung der

„Lebensqualität" im Hinblick auf die ohnedies begrenzte Lebenserwar- tung dennoch vertretbar sein.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 14293-4299 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift für die Verfassen

Prof. Dr. med. Brigitte A. Volk Abteilung Innere Medizin II der Universität Freiburg Hugstetter Straße 55 W-7800 Freiburg i. Br.

Nebenwirkungen von Captropil

Die Autoren berichten über sechs Patienten, bei denen unter der Be- handlung mit dem ACE-Hemmer Captropil gastrointestinale Neben- wirkungen beobachtet wurden. Dabei handelt es sich zum einen um eine zu- nehmende Obstipation mit paraly- tischem Ileus, der innerhalb von ei- nem bis drei Tagen nach Absetzen des Medikaments wieder verschwand, zum andern um Durchfälle in Verbin- dung mit Erbrechen und Völlegefühl.

Auch hierbei kam es ein bis zwei Tage nach Absetzen der Medikation wieder zu einem Verschwinden der uner- wünschten Wirkungen. Bei der Ratte führt Angiotensin II zu einer Hem- mung der Wasser- und Elektrolytse- kretion. In Ileum und Kolon könnte es somit durch einen ACE-Hemmer zu einer gesteigerten Wasser- und Elek- trolytsekretion kommen.

I. R. Edwards, D. M. Coulter, D. Macin- tosh: Intestinal effects of captopril. Brit.

Med. J. 304: 359, 1992.

Medical School Dunedin, National To- xicology Group, Otago University, New Zealand.

Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992 (51) A1-4299

Referenzen

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