TAGUNGSBERICHT
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Montecatini 1992: Auf neuen Wegen
B
eim diesjährigen, dem 26. In- ternationalen Fortbildungs- kongreß der Bundes- und der Österreichischen Ärztekammer in Montecatini Terme waren erstmalig zwei Ärztekammern aus den neuen Bundesländern entscheidend an den Vorbereitungen und an der Ausrich- tung beteiligt: Von den Referenten kamen zwanzig aus West-, zwölf aus Ostdeutschland, drei aus Österreich und zwei aus der Schweiz. Neben ei- nem westdeutschen Kammerpräsi- denten (Prof. Dr. Franz Carl Loch, Saarland, zugleich Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fort- bildung) saßen in der Kongreßlei- tung zwei aus den neuen Ländern:Prof. Dr. Heinz Diettrich aus Sach- sen und Dr. Roger Kirchner aus Brandenburg. Und auch ohne Analy- se der Teilnehmerliste war zu sehen, daß dieser Kongreß damit auch für Ärzte aus den neuen Ländern attrak- tiv war: Es waren manche für einen Westdeutschen exotisch anmutende Kraftfahrzeugkennzeichen auf den Hotelparkplätzen zu sehen, die erst mit einem Blick auf den Stempel oder in einen neuesten Autoatlas aufzulösen waren.
Seminare
mit Präsenzpflicht
Nicht verändert hat sich der Charakter dieses Kongresses als ei- nes Angebots von Seminaren in ei- nem fast „intimen" Rahmen. Aber die Gewichte sind verschoben: Von den fünfzehn Seminaren waren es immerhin schon sieben, die dem Er- werb von Zusatzbezeichnungen oder der Abrechnungsfähigkeit für be- stimmte Leistungen dienten. Und bei diesen Seminaren war, unabhängig von den Forderungen des Finanzam- tes, unbedingte Präsenz verlangt.
Dieser Weg wird sicherlich in Zu- kunft noch intensiver beschritten werden müssen, wenn die neue (Mu- ster-)Weiterbildungsordnung mit den zahlreichen neuen Möglichkei- ten und Anforderungen wirksam wird.
Aus persönlichen Gesprächen am Rande war zu erfahren, daß die- se neue Weiterbildungsordnung be-
sonders Ärzten aus den östlichen Ländern Chancen bringt, aus schon vorhandenen, aber aus politischen Gründen nicht nutzbar gewesenen Bausteinen der professionellen Ver- gangenheit neue Zukunftsaussichten aufzubauen. Dr. Roger Kirchner würdigte deshalb auch im berufspoli- tischen Seminar des Kongresses die Weiterbildungsbeschlüsse des voran- gegangenen Kölner Arztetages, die zu einem breiten Konsens in der ge- samtdeutschen Arzteschaft geführt hätten, und er war als Ratgeber sehr gefragt.
Montecatini Terme, ein perfekter Kurort im Nostalgie-Look
Ostdeutschland:
Aufbau aus eigener Kraft
Sachsens Kammerpräsident Prof. Dr. Heinz Diettrich, Chirurg in einem Dresdener Krankenhaus, zog eine Erfolgsbilanz. Der Aufbau der ärztlichen Selbstverwaltung sei auf gutem Wege: „Zum ersten Mal ha- ben wir einen Chance, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen!" — und das ohne Geld vom Staat.
Der Übergang zur Versorgung durch niedergelassene Ärzte sei fast komplett geglückt. Am schnellsten sei das Apothekenwesen auf west-
deutschen Standard umgestellt wor- den, und es sei heute insgesamt mo- derner als im Westen. Große Defizi- te gebe es allerdings bei den Kran- kenhäusern — beim baulichen Zu- stand, beim Personal, bei der Tech- nik: Allein die Sanierung der Bau- substanz werde 31 Milliarden DM fordern.
Beifall aus Ost wie West bekam Professor Diettrich für seine Forde- rung, den Anteil der „Stammstellen"
am ärztlichen Personal von heute zehn Prozent zu erhöhen — also der- jenigen Ärzte, die das Krankenhaus nicht nur als Durchgangsstation in der Weiterbildung nutzen, sondern dort eine Lebensstellung finden kön- nen.
Konzeptionelle