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Archiv "Rheumatische Erkrankungen: Therapie-Fortschritte für viele Patienten greifbar" (01.12.2006)

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A3236 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 48⏐⏐1. Dezember 2006

M E D I Z I N R E P O R T

N

och ist Rheuma nicht heilbar.

Die früher unausweichliche Zerstörung der Gelenke ist durch frühzeitige, effektive Basistherapie heute weitestgehend zu vermeiden.

Betroffene Gelenke werden nicht erst ersetzt, „wenn es nicht mehr geht“, sondern früh mit Mini-Pro- thesen versorgt, was später den Ein- satz einer normalen Prothese er- laubt. Probleme in der Kinderrheu- matologie und immuntherapeutischen Ansätzen bildeten weitere Schwer- punkte beim 34. Kongress der Deut- schen Gesellschaft für Rheumatolo- gie, gemeinsam mit der Assoziation für orthopädische Rheumatologie in Wiesbaden.

Rund 20 Millionen Deutsche lei- den an rheumatischen Erkrankun- gen, darunter auch 15 000 Kinder und Jugendliche. Durch frühe Dia- gnostik und effiziente Therapie ist heute bei Erwachsenen eine fast normale Lebensqualität und Lebens- dauer bei deutlich verminderter Ko- morbidität zu erzielen. Speziell bei Kindern vergehen aber durchschnitt- lich noch acht bis zehn Monate bis zur Diagnosestellung. „Ideal wären sechs Wochen“, erklärte Prof. Dr.

med. Gerd Horneff (Sankt Augus- tin). Bei jedem zweiten betroffe- nen Kind ist deshalb bereits die Funktion der befallenen Gelenke eingeschränkt; die Augenbeteiligung bei rheumatoider Arthritis – betrof- fen ist jedes vierte Kind – wird oft übersehen.

Als wichtiges Etappenziel for- derte der Referent deshalb ein eng- maschiges, flächendeckendes Ver- sorgungsnetz für die pädiatrische Rheumatologie, bei dem Kinder- arzt, speziell ausgebildete Kinder- rheumatologen und Akut-Kranken-

häuser eng kooperieren sollten. Auf- fällig ist nach Worten von Horneff bei rheumakranken Kindern vor allem eine niedrige Durchimpfungsrate – möglicherweise aufgrund von Ängs- ten. Nach bisherigen Erfahrungen wirken sich jedoch weder die Ma- sern-Mumps-Röteln- noch die Menin- gokokken-Impfung negativ auf den Krankheitsverlauf aus. Es sei viel- mehr davon auszugehen, dass diese Kinder schwerer erkranken, wenn sie sich eine Infektion zuziehen.

In der medikamentösen Therapie fehlen bei Kindern weitgehend Stu- dien zur Verträglichkeit, Effektivität und vor allem auch Langzeitstudien.

Methotrexat wird als Mittel der Wahl bei akuten Arthritiden einge- setzt, die innovativen Behandlungs- strategien stehen für Kinder nicht zur Verfügung – mit Ausnahme von

Etanercept, das aber nur in jedem vierten Fall hilft. Ein speziell einge- richtetes Register für dieses Präpa- rat umfasst Daten zu rund 700 ju- gendlichen Patienten mit einer The- rapiedauer von bis zu fünf Jahren und weist in für 23 beziehungsweise 25 Prozent eine komplette Remissi- on bei polyradikulärer beziehungs- weise systemischer idiopathischer Arthritis aus.

Frühe Intervention verzögert Einsatz von Biologics

Das „window of opportunity“ gilt es auch bei Erwachsenen zu nutzen.

Nur die frühe Behandlung mit Ba- sistherapeutika – bei Non-Respon- dern mit innovativen Medikamen- ten wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-␣-Blocker) oder IL-1-Ant- agonist – kann die radiologische Ge- lenkzerstörung weitgehend aufhal- ten. „Wenn wir die frühe Interventi- on konsequent umsetzen, kommen viele Patienten mit der Basisme- dikation gut zurecht und benöti- gen keine Biologics“, so die Prä- sidentin der Rheuma-Gesellschaft, Prof. Dr. med. Elisabeth Märker- Hermann (Wiesbaden).

Spricht die Basismedikation nicht ausreichend an, ist es seit den letzten Jahren möglich, pharmakologisch in die fehlgeleitete Immunreaktion einzugreifen. Dabei zielen die „Bio- logics“ auf die überschießende Zytokin-Produktion ab. Entweder werden diese Botenstoffe abgefan- gen, oder die Medikamente richten sich gegen die Zellen, die sie produ- zieren. Bewährt haben sich Präpara- te, die den Tumornekrosefaktor-␣ blockieren.

Für Non-Responder werden in Zukunft zwei weitere Substanzen auf

RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN

Therapie-Fortschritte für viele Patienten greifbar

Die fachübergreifende Behandlung von Kindern sowie neue Immuntherapeutika und Gelenkprothesen waren Schwerpunktthemen beim 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Wiesbaden.

Rheumatoide Arthritis:

Frühe Diagnostik und Therapie kann starke Deformierun- gen der Gelenke aufhalten.

Foto:Abbott

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A3238 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 48⏐⏐1. Dezember 2006

M E D I Z I N R E P O R T

den Markt kommen, mit denen sich das Autoimmungeschehen beeinflus- sen lässt. Wie Prof. Dr. med. Gerd- Rüdiger Burmester (Berlin) darlegte, ist in den USA bereits Rituximab zu- gelassen – ein chimärer Antikörper gegen reife B-Zellen, der ursprüng- lich zur Therapie von Lymphknoten- tumoren entwickelt wurde. Aus der Zufallsbeobachtung, dass sich dabei auch die rheumatoide Arthritis bes- serte, entstand eine neue Indikation.

Rituximab richtet sich nicht gegen Vorstufen, sondern nur gegen reife B-Lymphozyten. Diese produzieren einerseits Autoantikörper, anderer- seits aber auch proinflammatorische Zytokine und sind zusätzlich über Antigen-Präsentation am Autoim- mungeschehen beteiligt.

Eine zweite Substanz mit ande- rem Wirkmechanismus ist Abata- cept. Sie blockiert die Signalüber- mittlung durch T-Lymphozyten, in- dem sie die zur Aktivierung not- wendige Ko-Stimulation über eine Blockade des Signal-Immunglobu- lins unterbindet und so die Antigen- präsentation verhindert. Gegen die fehlgesteuerte Immunabwehr sei zu- sätzlich noch ein Produkt aus Japan zu erwarten, das gegen den lösli- chen Rezeptor von Interleukin-6 ge- richtet sei, erläuterte Burmester.

Mit diesen innovativen Therapie- prinzipien dürften sich in Zukunft auch neue Optionen eröffnen für Rheumapatienten, die nicht auf TNF-␣-Blocker ansprechen, Kon- traindikationen aufweisen oder eine Intoleranz. Diese Medikamente seien zwar ähnlich teuer wie Präparate in der Onkologie, sagte Dr. med. Ed- mund Edelmann (Bad Aibling), ge- rade in schweren Fällen sei von den Biologics jedoch ein höherer Nut- zen zu erwarten. Schwerste Gelenk- zerstörungen und versteifende Ope- rationen könnten in absehbarer Zeit damit der Vergangenheit angehören.

Mini-Prothesen geben Funktionalität wieder

Bereits heute orientiert sich der Ein- satz von Prothesen nicht mehr am Lebensalter, sondern an der Ein- schränkung der Gelenk-Funktion.

Für junge Patienten eignen sich da- bei miniaturisierte Prothesen, bei ei- nem später notwendigen Wechsel

bestehen dann bessere Optionen für eine Standardprothese. „Heute war- ten wir nicht mehr, bis es ,nicht mehr geht‘ – also eine schwere Zerstörung eines Gelenks eingetreten ist. Wir versuchen vielmehr, durch eine Ope- ration die weitere Zerstörung zu verhindern“, verdeutlichte Prof. Dr.

med. Wolfgang Rüther (Hamburg), Präsident der Assoziation für or- thopädische Rheumatologie.

Minimalinvasive OP-Techniken

Operative Eingriffe sind dringend er- forderlich bei Achsabweichungen ei- nes Gelenkes (Knie), bei starker Pro- gression, oder wenn die Gelenkzer- störung die Funktion behindert, etwa den Greifvorgang. Speziell bei Schultergelenken ist ein frühes Ein- greifen sinnvoll, da in späten Stadien relativ schlechte funktionelle Ergeb- nisse erzielt werden – meist ist dann nur eine Schmerzlinderung möglich.

Ähnliches gilt nach Angaben des Ex- perten für Knie- und Hüftgelenke.

Hinsichtlich der Belastung der Pro- these scheint die Aktivität des „Besit- zers“ eine geringere Rolle zu spielen als die Aktivität der Knochen.

Die operativen Techniken sind durch minimalinvasive Eingriffe deutlich verbessert worden; Patien- ten nach Knie-Operation können heute nach einer Woche schmerzfrei auf dem Kunstgelenk laufen. Dem- gegenüber sind Unterarmgehstützen problematisch, da andere Gelenke meistens auch betroffen sind.

Allergien gegen die eingesetzten Materialien sind nach Aussage Rüthers möglich, die Häufigkeit schätzte er allerdings unter 15 Pro- zent ein. Unklar sind für den Exper- ten dagegen noch die Implikationen der Tatsache, dass durch den Abrieb im Kunstgelenk Metallionen aus den Gleitflächen freigesetzt werden und im Körper nachweisbar sind.

Beim schwer zerstörten rheumati- schen Gelenk kommen in erster Li- nie ersetzende Eingriffe zum Tragen.

Gelenkversteifende Verfahren sind überwiegend auf Gelenke von Hand und Fuß beschränkt, wie Privatdo- zent Dr. Stefan Rehart (Frankfurt/

Main) ausführte. Das Ziel hierbei ist eine starke, belastungsfähige Situa- tion oder Rückzugsmöglichkeiten bei ausgereizten Behandlungsoptionen.

In der experimentellen Rheumato- logie setzen die Forscher – wie in an- deren Fachdisziplinen – auf Genex- pressionsstudien. Über die charakte- ristischen Muster wollen sie einer- seits schon früh die Diagnose über die Identifikation spezifischer Anti- körper absichern, andererseits Aus- sagen zur Prognose machen können.

Nach Angaben von Prof. Dr. rer. nat.

Andreas Radbruch (Berlin) ist es in- nerhalb von Wochen möglich, das Ansprechen eines Patienten auf TNF-

␣-Blocker abzuschätzen.

Das erklärte Fernziel, Rheuma tatsächlich heilen zu können, ist für Radbruch keineswegs utopisch – aber mit viel Forschung verbunden.

Wie verschiedene Einzelschicksale zeigen, ist die Erkrankung durch eine komplette Elimination und an- schließenden Neuaufbau des Immun- systems komplett zu heilen. „Damit haben wir den ,proof of principle‘, aber natürlich noch keine Thera- pie.“ Auf Grundlage dieser Beobach- tung versucht das EU-Konsortium CellAID herauszufinden, welche der Zellen des Immunsystems bei Rheu- matikern wichtig sind und daher un- bedingt eliminiert werden müssen.

„Das Problem ist, wie man die Zellen der rheumatischen Entzün- dung so gezielt eliminieren kann, dass die Zellen des Immunsystems erhalten bleiben, die uns vor Krank- heiten schützen. Zellen der rheumati- schen Entzündung sind außerdem nicht nur im entzündeten Gelenk zu finden, sondern im ganzen Körper.

So können Antikörper-sezernierende Zellen ein Leben lang im Knochen- mark überleben; sie sind dort vor den Medikamenten geschützt und über- stehen sogar eine Bestrahlung.“

Inzwischen ist klar geworden, dass es auch Zellen des Immun- systems gibt, welche die Autoim- munität hemmen – und so mögli- cherweise die rheumatische Entzün- dung verhindern können. Die Wis- senschaftler versuchen in einem zweiten Ansatz, diese Zellen zu identifizieren, um sie dann zu stär- ken. „Wenn die aggressiven Zellen der rheumatischen Entzündung ent- fernt sind, ist die Erkrankung viel- leicht dauerhaft gestoppt“, hofft

Radbruch. I

Dr. rer. nat. Renate Leinmüller

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