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Archiv "Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der weiblichen Harninkontinenz" (12.12.2003)

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M E D I Z I N

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A3322 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

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arninkontinenz ist eine Erkran- kung, die wesentlich mehr Frau- en als Männer betrifft. Die Prä- valenz bei Frauen wird mit 31 bis 63 Prozent angegeben, wobei postme- nopausale Frauen häufiger betroffen sind (13, 16). Die sozialen Folgen von Harninkontinenz wirken sich auf täg- liche Aktivitäten aus wie Einkaufen, soziale Kontakte, Sport, Reisen und die Kleiderauswahl (31, 11, 4). 20 Pro- zent der betroffenen Frauen geben an, dass sie die Angst verspüren, un- angenehm zu riechen und bei einer von neun Frauen ist das Sexualle- ben durch die Inkontinenz beeinträch- tigt (31).

Neben der sozialen und hygieni- schen Bedeutung für die einzelne Pati- entin werden durch Inkontinenz hohe Kosten verursacht, die der Solidarge- meinschaft aufgebürdet werden. Es wird geschätzt, dass sich die durch Harninkontinenz verursachten Kosten in den USA auf 10 Milliarden US- Dollar pro Jahr belaufen (5). Neue Entwicklungen in der Diagnostik und Therapie können vielen Betroffenen helfen.

Diagnostik

Zur Diagnostik der Harninkontinenz bei Frauen gehören die gründliche Anamneseerhebung, die die geburts- hilfliche, gynäkologische und urologi- sche Vorgeschichte der Patientin so- wie die Art, Dauer und Schwere von Harn- und Stuhlinkontinenzsympto-

men umfassen soll. Weiterhin beinhal- tet sie die gynäkologische Untersu- chung, die Urindiagnostik und die Restharnbestimmung.

Bei der urogynäkologischen Unter- suchung soll vor allem auf eine Geni- talatrophie, Scheideninfektionen, Des- zensus und Prolaps und die Mobilität des Blasenhalses geachtet werden. Die Urindiagnostik dient dem Nachweis oder Ausschluss eines Harnwegsinfek- tes. Drangsymptome sind oft Ausdruck eines banales Harnwegsinfektes und können durch die Behandlung dessel- ben therapiert werden. Durch die Restharnbestimmung, die am einfach- sten sonographisch erfolgt, lässt sich eine relevante Blasenentleerungsstö- rung oder Überlaufinkontinenz aus- schließen.

Durch den Hustenstresstest bei voller Blase im Liegen und im Stehen kann eine Belastungsinkontinenz de- monstriert werden. Um den Schwere- grad einer Belastungsinkontinenz zu verifizieren, kann beispielsweise ein Vorlagenwiegetest hilfreich sein. Da- bei wird eine Binde gewogen. Die Pa- tientin führt dann möglichst mit stan- dardisierter Blasenfüllung eine Reihe von Übungen durch (Husten, Hüpfen, Stufensteigen, Kniebeugen oder ähnli- ches), danach wird die Binde wieder gewogen.

Die Sonographie hat die radiolo- gischen Techniken als bildgebendes Verfahren zur Beurteilung der Blasen- halsmobilität und der Trichterbildung in der urogynäkologischen Diagnostik weitgehend ersetzt. Die Perinealso- nographie kann in ihrer Aussagekraft mit dem lateralen Zysturethrogramm verglichen werden. Die Reproduzier- barkeit der Blasenhalsmobilität beim Pressen und Husten wurde nachge- wiesen (24, 20).

Fortschritte in der

Diagnostik und Therapie der weiblichen

Harninkontinenz

Zusammenfassung

Harninkontinenz ist bei Frauen ein weitverbrei- tetes medizinisches und soziales Problem. Die Etablierung der Introitus- oder Perinealsono- graphie in der urogynäkologischen Diagnostik hat die radiologischen Verfahren wie das latera- le Cysturethrogramm weitgehend abgelöst. In- novative Operationstechniken zur Behandlung der Belastungsinkontinenz, wie die Implantati- on von spannungsfrei gelegten Polypropylen- bändern unter die mittlere Harnröhre, haben das Behandlungsspektrum bei Belastungsin- kontinenz deutlich erweitert. Neue Operations- techniken sollten nur unter Studienbedingun- gen erprobt werden, ehe eine weiterführende klinische Einführung erfolgt. Neuere Anticho- linergika mit günstigerem Wirkungs-/Neben- wirkungsprofil kommen in der Behandlung der Dranginkontinenz zum Einsatz.

Schlüsselwörter: Harninkontinenz, geschlechts- spezifische Gesundheitsversorgung, Diagnose, Therapie, spannungsfreie Vaginalschlinge

Summary

Diagnosis and Treatment of Female Urinary Incontinence – an Update

Female urinary incontinence is a problem with a large prevalence and a high socio-economic impact. The introduction of perineal or introital ultrasound to monitor vesical neck mobility has lead to a decrease in the use of x-ray tech- niques in urogynecology. Innovative surgical methods such as the minimal invasive midure- thral tension free implantion of polypropylene tapes enlarged the spectrum of stress urinary incontinence treatment. New surgical tech- niques should be evaluated in studies only.

New anticholinergic drugs with fewer side ef- fects improve the treatment for patients with urge incontinence.

Keywords: urinary incontinence, gender-spe- cific medical treatment, diagnosis, therapy, tension free vaginal tape

1I. Frauenklinik (Direktor: Prof. Dr. Klaus Friese) der Lud- wig-Maximilians-Universität, München

2Universitätsfrauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Werner Lichtenegger) der Humboldt-Universität zu Berlin, Cam- pus Charité Mitte

Ursula Peschers1 Katharina Jundt1 Ralf Tunn2

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Zur Untersuchung kann entweder ein Abdominalschallkopf verwendet werden (am besten geeignet sind cur- ved-linear-array Sonden mit 5 MHz), der auf das Perineum aufgesetzt wird (Perinealsonographie) oder ein Vagi- nalschallkopf (Sektorschallkopf), der auf dem Introitus plaziert wird (In- troitussonographie).

Der Blasenhals kann auch von va- ginal oder rektal dargestellt werden, dabei ist die Blasenhalsmobilität aber mechanisch durch den Schallkopf ein- geschränkt, eine rektale Ultraschall- untersuchung wird von vielen Patien- tinnen zudem als sehr unangenehm empfunden.

Die Untersuchung soll bei 200 bis 300 mL Blasenfüllung erfolgen. Beur- teilt werden:

>die Position des Blasenhals in Re- lation zur Symphyse als Bezugs- ebene in Ruhe, beim Pressen und bei Kontraktion,

>die Mobilität des Blasenhalses beim Husten, Pressen und bei Kontraktion (Abbildung 1),

>eine eventuelle Trichterbildung des Blasenhalses beim Husten und Pressen,

>das Vorhandensein von Urethra- divertikeln,

>die postoperative Lage eines Poly- propylenbandes unter der Urethra (Abbildung 2)

Die Vorteile der sonographischen Techniken liegen auf der Hand. Sie sind nichtinvasiv und haben keine Strah- lenbelastung. Geeignete Ultraschall- geräte stehen in den meisten gynäkolo- gischen und urologischen Praxen und

Kliniken zur Verfügung. Von Nachteil ist, dass bei ausgeprägtem Prolaps die Ultraschallsonde durch den Prolaps verdrängt wird.

Während eine konservative Thera- pie bei offensichtlicher Symptomatik und entsprechender klinischer Unter- suchung durchaus auch ohne vorher- gehende Urodynamik erfolgen kann, ist eine urodynamische Untersuchung vor einer operativen Intervention zwin- gend notwendig.

Ziel der urodynamischen Abklä- rung sind die Untersuchung der Harn- röhrenfunktion (Urethradruckprofil), der Speicherfunktion der Blase (Cy- stometrie) und der Entleerungsfunkti- on der Blase (Uroflow und Miktiome- trie).

Urodynamische Untersuchungen werden nach den Kriterien der Inter- national Continence Society (ICS)

durchgeführt und ausgewertet (1).

Ziel der Untersuchungen ist die Un- terscheidung zwischen Belastungs- und Dranginkontinenz und die Beur- teilung von Blasenentleerungstörun- gen.

Behandlung der

Belastungsinkontinenz

Bevor eine Operation erwogen wird, sollte grundsätzlich ein konservativer Behandlungsversuch erfolgen. Im Vordergrund steht dabei die so ge- nannte Beckenbodengymnastik. Der Erfolg einer konservativen Therapie liegt bei 50 bis 70 Prozent Besserung, beziehungsweise Heilung (7).

Bevor die Überweisung zum Beckenbodentraining erfolgt, ist die Untersuchung der Beckenbodenfunk- tion obligat. Ob die Patientin den Beckenboden anspannen kann, wird durch die Palpation oder zusam- men mit einem intravaginalen Ober- flächen-EMG oder einer intravagina- len Druckmessung untersucht (21).

Wenn die Patientin nicht willkürlich anspannen kann, was bei bis zu 30 Prozent der Patientinnen der Fall ist, soll eine Elektrostimulationsbehand- lung, vorgeschaltet werden, damit die Patientin die Willkürkontraktion er- lernt. Eine zusätzliche Methode ist der Einsatz von Biofeedbackgeräten, bei denen mittels einer intravaginalen Sonde, die entweder Druck misst oder ein Oberflächen-EMG erfasst, die Kontraktion und die Entspannung vi- suell dargestellt wird.

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3323

Abbildung 1: Mobilität des Blasenhalses in der Perinealsonographie.

Die Symphyse (ventral) ist rechts im Bild. Bei Kontraktion wird der Blasenhals (Pfeil) nach ventral und cranial angehoben. Beim Pressen

deszendiert der Blasenhals nach dorsal und caudal, außerdem öffnet sich der Blasenhals im Sinne einer Trichterbildung. (Abbildung 1 bis 3:

Priv.-Doz. Dr.med Ursula Peschers, München)

Abbildung 2: Darstellung des TVT-Bandes in der Perinealsonographie. Das Band (Pfeil- spitze) ist als echodicher Bezirk sichtbar und liegt regelrecht weit vom Blasenhals (Pfeil) entfernt.

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Zusätzlich kann die Anwendung von intravaginalen Hilfsmitteln, die den Blasenhals bei Belastung stabili- sieren, sinnvoll sein. Dabei wird vor allem das Urethrapessar nach Ara- bin verwendet (Abbildung 3). Manch- mal genügt schon ein großes Tampon, oder es muss ein spezielles Inkonti- nenztampon verordnet werden. Vor- teil dieser Hilfsmittel ist, dass sie von der Patientin gezielt in bestimmten Si- tuationen, zum Beispiel beim Sport angewendet werden können. Die Pati- entinnen sollten in der Lage sein, das Pessar selbständig einzulegen und zu entfernen.

Es gibt zahlreiche operative Ver- fahren zur Behandlung der Bela- stungsinkontinenz. Dies ist ein Zei- chen dafür, dass keine der Operatio- nen in 100 Prozent der Fälle zum Er- folg führt.

Weder die Kolporraphia anterior, noch die Nadelsuspensionsverfahren (nach Raz, Stamey et cetera) haben ausreichend gute Langzeitergebnisse, um ihren Einsatz als Inkontinenzope- ration zu rechtfertigen. Eine prospek- tiv randomisierte Studie von Elia und Mitarbeitern konnte zeigen, dass nach fünf Jahren lediglich 37 Prozent der Patienten nach Kolporrhaphia anteri- or und 43 Prozent der Patienten nach Nadelsuspension geheilt waren, wäh- rend 82 Prozent der Patienten durch eine Kolposuspension nach Burch ge- heilt waren (3).

Standardverfahren zur operativen Behandlung der Belastungsinkonti- nenz stellen die retropubischen Kol- posuspension, die Faszienzügelplastik und zunehmend auch die spannungs- freie Einlage von Polypropylenbän- dern dar.

Die Kolposuspension nach Burch ist die am besten dokumentierte In- kontinenzoperation. Dabei wird über einen retropubischen Zugang das Gewebe neben dem Blasenhals mit nicht resorbierbaren Nähten gefasst und an das Ligamentum ileopectine- um (Coopersches Ligament) eleviert.

Während in der Originalpublikation die Elevation bis an das Ligamentum ileopectineum empfohlen wurde, wird in den Modifikationen nur eine Eleva- tion auf 1 bis 2 cm empfohlen, um eine Überkorrektur zu vermeiden. Damit

kann die Rate an Blasenentleerung- störungen gesenkt werden. Es liegen Langzeitbeobachtungsdaten bis zu 20 Jahren vor. Die Erfolgsraten nehmen in den ersten Jahren nach der Ope- ration ständig etwas ab und pendeln sich dann auf etwa 70 Prozent für Erstoperationen und 50 Prozent für Rezidivoperationen ein (2).

Drangbeschwerden treten nach die- ser Operation bei bis zu 17 Prozent der Patientinnen auf (12). Die laparosko- pische Kolposuspension ist im Ver- gleich zur offenen nur unzureichend dokumentiert. Es gibt Anzeichen da- für, dass die Ergebnisse beim laparo- skopischen Vorgehen etwas schlechter sind (18).

Die „traditionellen“ Schlingenpla- stiken werden in verschiedenen Modi- fikationen beschrieben. Grundsätzlich wird dabei eine Schlinge (entweder aus körpereigenem Material, zum Bei- spiel Rectusfaszie, oder aus Fremd- material) unter den Blasenhals ap- pliziert. Die durch diese Operation zu erzielenden Kontinenzraten sind gut (61–92 Prozent) (29, 6). Allerdings sind Miktionsstörungen, die in bis zu fünf Prozent den dauerhaften inter- mittierenden Selbstkatherismus erfor- dern, nicht selten (30, 15).

In den letzten fünf Jahre hat sich die spannungsfreie Implantation von Polypropylenbändern weltweit ver- breitet. Im Gegensatz zu den her- kömmlichen Schlingenplastiken wird dabei das Band unter die mittlere Harnröhre gelegt. Die Technik ist mi- nimalinvasiv, es wird nur in ganz ge-

ringem Umfang präpariert. Die Einla- ge des Bandes ist in Lokalanästhesie plus Analgosedierung möglich. Im Jahr 2001 wurden die Fünfjahreser- gebnisse der TVT-Plastik nach Ulm- sten (Tension free vaginal tape, Gyn- ecare, Norderstedt) erstmals publi- ziert. Beim TVT-Verfahren wird das Band von vaginal aus mit einer gebo- genen Führungsnadel lateral der mitt- leren Harnröhre streng hinter der Symphyse durch die Haut geführt (Abbildung 4). Es wird locker unter die Harnröhre gelegt. Dies ist sehr wichtig, damit Überkorrekturen ver- mieden werden.

Mittlerweile sind noch zahlreiche weitere vaginale Schlingenplastiksy- steme auf den Markt gekom- men, unter anderem IVS (In- travaginal Sling Plasty, Auto- suture, Tycohealthcare, Vier- sen), AMS SPARC (Ameri- can Medical Systems, AMS Deutschland, Berlin), Uretex Sup (Sofradim, Trévoux, Frankreich). Alternativ gibt es auch Verfahren, bei denen das Band nicht klassisch re- trosymphysär gelegt wird, sondern von der mittleren Suburethralregion beidseits lateral um den Ramus des- cendens des Os pubis herum dorsal durch das Foramen obturatum geführt wird, zum Beispiel das System Uratape (Porges, Hallbergmoos, Deutschland). Auch die Firma AMS bietet ein entspre- chendes System an. Zu diesen Alter- nativen gibt es aber bislang nur weni- ge oder gar keine Studienergebnisse (22). Sie unterscheiden sich sowohl im Hinblick auf die Applikationstechnik als auch auf das verwendete Polypro- pylenband. Andere Techniken ver- wenden statt eine Kunststoffbandes biokompatibles Material (zum Bei- spiel Pelvicol).

Fünf Jahre nach TVT-Band-Einla- ge liegen die Heilungsraten (n = 147) bei 85 bis 95 Prozent (19,9). Die Erfolgsrate bei hypotoner Urethra scheint nach median sieben Monaten mit 85 Prozent Heilung/Besserung (n = 43) nicht wesentlich schlechter zu sein als bei normotoner Urethra (n = 276) mit 87 Prozent (10). Diese M E D I Z I N

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A3324 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003

Abbildung 3: Urethrapessar nach Arabin mit Östriolcre- me. Das Pessar wird so eingeführt, dass die Verdickung unter dem Blasenhals liegt. Die Patientin appliziert und entfernt das Pessar täglich selber.

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sehr hohen Heilungsraten konnten von anderen Arbeitsgruppen aber nicht bestätigt werden. In einer pro- spektiv randomisierten Studie (TVT versus Kolposuspension nach Burch) fand man sechs Monate postoperativ nach einer Studie der UK and Ireland TVT Study Group keine Unterschiede in Bezug auf die objektiven Heilungs- /Besserungsraten zwischen den beiden Verfahren (TVT: 68 Prozent, Burch: 66 Prozent) (28). Eigenen Untersuchun- gen zufolge liegt die Heilungsbesse- rungsrate nach zwei Jahren

bei etwa 80 Prozent.

Komplikationsstatistiken an größeren Fallzahlen lie- gen bislang nur zur TVT-Pla- stik nach Ulmsten vor. Bla- senperforationen durch die Führungsnadel treten bei der Polypropylenbandeinla- ge in 2 bis 5 Prozent der Fäl- le auf, dies hat aber in der Regel keine längerfristigen Folgen, sondern wird ledig- lich durch eine Harnablei- tung von zwei bis drei Tagen behandelt (27, 19). Schwer- wiegende Blutungskompli- kationen werden in 0,8 Pro- zent der Operationen be- schrieben (27, 19). In Fallbe- richten wurden unter ande-

rem Irritationen des N. obturatorius (17), Darmverletzungen (17, 27) und eine Erosion des Bandmaterials in die Urethra (14) beschrieben. Insgesamt scheint die Rate an schweren Kompli- kationen aber selten zu sein. Rardin et al. berichten über 1,9 Prozent persi- stierende postoperative Blasenentlee- rungsstörungen bei 1 175 Patienten nach TVT-Operation, die eine opera- tive Durchtrennung des Bandes erfor- derlich machten (23).

Zusammenfassend wurde des Spek- trum der Stressinkontinenzchirurgie durch die Einführung der Proleneband- schlingen erweitert. Während über die TVT-Plastik nach Ulmsten bereits zahl- reiche Publikationen vorliegen, ist die Datenlage über die anderen Techniken noch spärlich. Alternativverfahren zur TVT-Plastik zeigen bezüglich des ver- wendeten Materials und der Operati- onstechnik innovative Züge. Sie sollten unter Studienbedingungen durchge-

führt werden, um als Voraussetzung für ihre breite Anwendung in der Praxis wissenschaftliche Aussagen zu Heilungs- raten und Komplikationen zu erhal- ten. Noch liegen lediglich Fünf-Jahres- ergebnisse zur TVT-Plastik vor. Ob die guten Ergebnisse von Dauer sind, und ob es nicht doch nach Jahren noch zu Spätkomplikationen durch das Fremd- material kommt, lässt sich noch nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Dar- über müssen Patientinnen präopera- tiv auch aufgeklärt werden. Insbeson-

dere sehr jungen Frauen sollte die be- währte und gut nachuntersuchte Kolpo- suspension nach Burch alternativ emp- fohlen werden. Mit dieser Operation kann zusätzlich ein ausgeprägter latera- ler Aufhängungsdefekt der Vagina kor- rigiert werden, was durch eine Bandein- lage nicht möglich ist. Bislang liegen noch keine Studien vor, durch die die Indikation zum einen oder anderen Vorgehen getestet wurde. Diesbezüg- lich können deshalb noch keine Emp- fehlungen gegeben werden.

Behandlung der Dranginkontinenz

Die Behandlung der Dranginkontinenz ist immer noch eine Domäne der medi- kamentösen anticholinergen Therapie.

Dabei kommen mehrere Wirkstoff- gruppen zum Einsatz. Der am läng- sten eingesetzte Wirkstoff, Oxybuti-

nin, hatte wegen zahlreichen Neben- wirkungen (vor allem Mundtrocken- heit, Akkomodationsstörungen, Mü- digkeit) eine schlechte Compliance der Patientinnen zur Folge. Neuere Wirk- stoffe wie Trospiumchlorid, Propiverin und Tolterodine weisen ein günsti- geres Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil auf, insbesondere als Retardpräpara- te. Die Applikation von Oxybutinin ist auch lokal in die Blase möglich.

Unterstützend zur anticholinergen Therapie werden verhaltenstherapeu- tische Maßnahmen (Blasendrill), die lokale Östrogenisierung und die vagi- nale Elektrostimulationsbehandlung eingesetzt. Bei Fällen von schwerer Dranginkontinenz kann auch die In- jektion von Botulinum-A-Toxin trans- vesikal in den Detrusormuskel erfol- gen (25). Dadurch kann es zu einer temporären Akontraktilität des De- trusormuskels kommen. Die Patien- tin muss dann die Blase durch inter- mittierenden Selbstkatherismus ent- leeren.

In therapieresistenten Fällen kann auch die sakrale Nervenstimulation durch Implantation eines Neuromo- dulators erwogen werden (26, 8). Die- ses Verfahren kommt aber nur in we- nigen spezialisierten urologischen Kli- niken zum Einsatz. Die Erfolgsraten sind mit bis zu 70 Prozent Besserung bei diesen konservativ austherapier- ten Patientinnen recht hoch.

Manuskript eingereicht: 16. 7. 2003, revidierte Fassung angenommen: 22. 9. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3322–3325 [Heft 50]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit5003 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Ursula Peschers I. Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität Maistraße 11

80337 München

E-Mail: Ursula.Peschers@fk-i.med.uni-muenchen.de M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 5012. Dezember 2003 AA3325

Abbildung 4: Tension free vaginal tape (TVT): Spannungs- freie Einlage eines Polypropylenbandes unter die mittle- re Harnröhre zur Behandlung der weiblichen Stresshar- ninkontinenz

Werkfoto:Gynecare Deutschland,Norderstedt

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