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Archiv "Krankenhaus: Ethische Unklarheit" (17.03.2006)

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geredete Problem in die Be- deutungslosigkeit versinken lassen.

Andreas Roll,Stuttgarter Straße 52, 71672 Marbach

Krankenhaus

Zu dem Beitrag „Ethik im Gesund- heitswesen: Behandlungsqualität – oberste Priorität“ von Carsten Krü- ger und Dr. Boris Rapp in Heft 6/2006:

Ethische Unklarheit

Carsten Krüger und Dr. Boris Rapp stellen zutreffend die derzeitige Konkurrenzsituati- on zwischen den Krankenhäu- sern dar: Die Finanzierung nach DRGs macht die Kran- kenhäuser betriebswirtschaft- lich vergleichbar; sie konzen- triert folglich den Wettbewerb zwischen Krankenhäusern auf die betriebswirtschaftliche Ra-

tionalität . . . Die zutreffende Situationsbeschreibung der Konkurrenzsituation zwischen den Krankenhäusern ist einge- fügt in Überlegungen zu einer – ebenfalls realistischen – Wahrnehmung: Im Kranken- haus erleben die patientenna- hen Berufe im Gegensatz zu den patientenfernen Berufen Entscheidungen unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit als konflikthaft. Die Autoren deuten diesen Konflikt als Konflikt zwischen „auseinan- der liegenden“ Moralvorstel- lungen. Die patientennahen Berufe hätten eine deontolo- gische, die patientenfernen Berufe eine utilitaristische Moralvorstellung. Nach utili- taristischer Sicht würden Ent- scheidungen zum Wohl der Gemeinschaft auf Kosten von Einzelfällen getroffen, während es nach deontologi- scher Sicht nur auf die Einzel-

beziehungen ankomme . . . Aber: Erstens ist es wenig plausibel, dass patientennahe und patientenferne Mitarbei- ter in Krankenhäusern typi- scherweise verschiedenen Ethiktheorien wie Deontolo- gie oder Utilitarismus anhän- gen. Viel näher liegt die An- nahme, dass sie berufsspezi- fisch verschiedene Loyalitäten haben: Patientennahe fühlen sich vorrangig Patienten, Pati- entenferne vorrangig ihren Arbeitgebern verpflichtet.

Zweitens ist die Charakterisie- rung von Utilitarismus als ge- meinschafts- und Deontologie als einzelfallbezogen irre- führend. Vielmehr gilt: Sowohl Deontologie wie Utilitarismus enthalten ein Verallgemeine- rungsprinzip. Die von den Au- toren als Prototyp der Deon- tologie bezeichnete Ethik Kants hat den allgemeinen Willen, Kants Rechts- und

Staatslehre jedermanns Recht und jedermanns Freiheit, die utilitaristischen Ansätze den Nutzen aller Betroffenen im Auge. Keineswegs also be- schränkt sich Deontologie un- ter Ausblendung des Gesell- schaftlichen auf Individual- ethik, und in keiner dieser Mo- raltheorien ist die Schädigung eines Menschen unproblema- tisch. Sie ist vielmehr in allen rechtfertigungsbedürftig. Da- bei stellt insbesondere der Utilitarismus hohe Anforde- rungen an die empirische Evi- denz: Wenn die betriebswirt- schaftliche Rationalität des einzelnen Krankenhauses ein utilitaristisches Gebot sein soll, müsste mindestens plausi- bel gemacht werden, dass alle Betroffenen – Kranke und Gesunde, Versicherte, Bürger – davon einen Nutzen haben.

Davon ist bei den Autoren aber keine Rede. Auf der an- B R I E F E

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A688 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 11⏐⏐17. März 2006

B R I E F E

deren Seite scheinen die Auto- ren zu übersehen, dass gerade in Deutschland das Recht, an das die Politik im Rechtsstaat gebunden ist und das verläss- liche Transaktionen überhaupt erst möglich macht, typischer- weise deontologische Wurzeln hat. Deontologie und Utilita- rismus mögen auf der Ebene der philosophischen Begrün- dung unvereinbar sein, für die Wirklichkeit des Krankenhau- ses ist das aber eher irrelevant.

Drittens führt die ethische Unklarheit des Artikels sogar zu einem folgenreichen Irr- tum, nämlich der Gleichset- zung von betriebswirtschaftli- cher Rationalität mit ethischer Rationalität. Betriebswirt- schaftliche Rationalität, sagen die Autoren, sei utilitaristisch, Utilitarismus eine ethische Theorie, also betriebswirt- schaftliche Rationalität ethisch. Das aber ist nicht halt- bar. Betriebswirtschaftliche Rationalität kann auch ein mafiöses Unternehmen haben.

Die gerade veröffentlichte fachhistorische Aufarbeitung der Geschichte der Dresdner Bank belegt, dass betriebswirt- schaftliche Rationalität keine Sicherheit vor der Ver- strickung in politische Verbre- chen bietet. Auch die betriebs- wirtschaftliche Rationalität des Krankenhauses genießt keinen unbefragten morali- schen Vorrang. Vielmehr ver- dirbt schon die moralische Gleichstellung von „Anforde- rungen der Wirtschaft“ einer-

seits und „Ethik“ andererseits die ethische Perspektive.

Denn wenn Ethik ernst ge- nommen wird, enthält sie die Forderung, die Betriebswirt- schaft von Anfang an in Sinn und Zweck des Gesundheits- wesens überhaupt einzupassen und sie nicht als Selbstzweck erscheinen zu lassen . . . Be- triebswirtschaftliche Rationa- lität ist ein Element des Wett- bewerbs zwischen Kranken- häusern. Dieser Wettbewerb ist Teil eines politischen Kon- zepts, das unter anderem zum Abbau von Krankenhausbet- ten führen soll. Dieses Kon- zept lassen die Autoren undis- kutiert. Wenn aber dieses Kon- zept ausgeblendet wird, dann bleibt nur eine Art von Sozi- aldarwinismus übrig: Kran- kenhäuser, die sich nicht an- passen können, sterben wie biologische Organismen in der freien Wildbahn. Sind die Au- toren damit einverstanden?

Oder wollen sie nur der be- triebswirtschaftlichen Ratio- nalität eine ethische Weihe verschaffen? Dies jedenfalls musste misslingen.

Priv.-Doz. Dr. med. Friedrich Heubel,

Im Stiftfeld 17, 35037 Marburg

Flucht ins Ausland

Die Aussagen der beiden Au- toren sollten einmal auf die haus- und fachärztliche am- bulante Krankenversorgung heruntergebrochen werden.

Auch hier sollen infolge will- kürlicher Verknappung der Ressourcen noch weiter Ko- sten gesenkt werden. Im Un- terschied zum Krankenhaus mit seinen „Kunden“ kennen wir durch bereits eingetretene Versorgungslücken in den strukturschwachen Gebieten keine Konkurrenz mehr, son- dern betreiben real die re- gressbewehrte Mängelverwal- tung für unsere Patienten und ihre Krankheiten. Die erlebte Machtlosigkeit gegen diese Zustände hat zu Demotivati- on und Abwanderung ge- führt. Die Behandlungsqua- lität leidet längst unter den Triage-Bedingungen der Ver- knappung. Ohne die Mitwir- kung der verbliebenen nie- dergelassenen Ärzte ist eine Behandlungsqualität mit

„oberster Priorität“ in der ambulanten Versorgung nicht wieder erreichbar. „Karriere- planung“ gibt es schon lange nicht mehr, „Leistungsanreiz“

findet nicht mehr statt. Die desolate „berufliche Zu- kunftsperspektive“ fördert geradezu den Ausstieg „ambi- tionierter“ Ärzte. Großbri- tannien und die Niederlande haben ihr Gesundheitswesen vorbildlich reformiert, Deutschlands Gesundheitspo- litik eifert diesen mit aller Kraft nach! – Zahlreiche am- bitionierte Ärzte können nicht abwarten, es zieht sie jetzt schon dorthin.

Rüdiger Saßmannshausen, Poststraße 30, 57319 Bad Berleburg

Kurzsichtig

Mit ihrem Beitrag zum The- ma der divergenten Moral- vorstellungen von Ärzten (deontologisch) und Manage- ment (utilitaristisch) im Kran-

kenhaus haben die Autoren eine sehr interessante Fra- gestellung aufgeworfen. Tref- fend beschreiben sie zwar den daraus entstehenden Grund- konflikt, bleiben aber leider eine zufrieden stellende Ant- wort – bis auf die in jedem Buch über modernes Kran- kenhausmanagement nachzu- lesenden, überwiegend öko- nomisch ausgerichteten Stra- tegien – schuldig. Vor dem Hintergrund der beschriebe- nen Moralvorstellungen ist die Schlüsselvariable in Be- zug auf Einnahmen und Aus- gaben jedes Gesundheitssy- stems die Art, wie Ärzte Me- dizin praktizieren. Die zur Lösung dieses Problems in- ternational entwickelten Bu- sinessmodelle sind linear öko- nomisch und fokussieren sich auf die greifbaren, oberfläch- lichen Aspekte des ärztlichen Verhaltens. Sie sind an die messbaren Größen Geld, Mit- telherkunft und Mittelver- wendung gebunden, nennen sich Controlling, Benchmar- king der Produktivität, Be- handlungsqualität oder Ein- kaufsmodelle und werden auch von den Autoren mit un- terschiedlicher Ausprägung und unterschiedlichen Bei- spielen beschrieben . . . Die unter der Oberfläche liegen- den Aspekte des Arztverhal- tens können nur im Rahmen eines partnerschaftlichen Change-Prozesses zwischen Management und Ärzten, ja zwischen Gesellschaft und Medizinern geändert werden, dazu hätte in dem Artikel fol- gerichtig Stellung genommen werden müssen. Die Schluss- folgerung, dass Behandlungs- qualität ein Substitut für ethi- sche Anforderungen darstellt, scheint daher sehr kurzsich- tig, genauso wie die lapidare

Foto: Peter Wirtz

Anonym

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hat.

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