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Archiv "Sterben im Krankenhaus: Ergebnisse einer Befragung" (28.09.1989)

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Academic year: 2022

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as Krankenpflegepersonal nimmt durch seine größere Nä- he zu den Patienten deren Be- dürfnisse und eventuell störende Ele- mente stärker wahr als das ärztliche Personal. In der Sterbesituation orien- tiert sich das ärztliche Personal stär- ker an der Medizintechnik als das Pflegepersonal. Handlungssteuernd für Berufsanfänger ist die Orientie- rung an direkt vermittelten Wünschen und Bedürfnissen der Patienten, wäh- rend sich die Berufsroutiniers ver- stärkt mit außerhalb dieser Dyade lie- genden Problemen zu beschäftigen scheinen. Es sind Berufsanfänger, die den Umgang mit Schwerstkranken als besonders belastend und unwürdig er- leben, die sich kompetenter fühlen, auf die bestehende Arbeitssituation einen verändernden Einfluß nehmen zu können.

Folgende Konsequenzen ergeben sich:

1. Die Räumlichkeiten sollten den Belangen der Sterbenden ange- paßt werden.

2. Die Ausbildung der Mitarbei- ter muß eine verbesserte Vorberei- tung auf das Sterben im Krankenhaus beinhalten.

3. Personalnot sollte unbedingt verhindert werden.

4. Eine offene Kommunikation der Involvierten sollte verbindlich ent- wickelt werden.

5. Die allgemeine Verantwor- tungsdelegation an die Mitarbeiter ist aufzubrechen.

6. Die Rolle der Seelsorge ist ei- nem veränderten Auftrag anzupassen.

7. Die Mitarbeiter sind dazu aus eigenen Mitteln nicht in der Lage.

Vielmehr müßten problemorientierte Gesprächsgruppen entstehen, die eine umfassende Humanisierung des mo- dernen Krankenhauses und der dort zur Anwendung kommenden Medi- zintechnik erreichen wollen.

Gießener Wissenschaftler ver- suchten 1988, ein differenziertes Bild der Sterbebedingungen in Kranken- häusern zu erstellen, wie es sich in der Einschätzung repräsentativ ausge- wählter Krankenhausmitarbeiter ab- bildet. Ein nach modernen Methoden konstruierter Fragebogen wurde in vier Bundesländern in 70 Kranken- häusern unterschiedlicher Träger und Abteilungen plaziert. Von 300 befrag-

ten Mitarbeitern gelangten 204 in die statistische Auswertung.

Folgende Bereiche des Kranken- hauses wurden untersucht: Räumlich- keiten, Personalsituation, Therapie, Umgang mit der Wahrheit am Kran- kenbett, Umgang mit den Angehöri- gen, Berufsvorbereitung der Mitarbei- ter auf das Sterben im Krankenhaus, Klinikseelsorge, Menschenwürde der Sterbenden und Angst der Mitarbeiter vor dem eigenen Tod.

Es ergibt sich ein düsteres Bild der Sterbebedingungen, fast unverän- dert gegenüber Untersuchungen vor über 20 Jahren. So glauben 75 Pro- zent, die Sterbebedingungen seien

„menschenunwürdig" und „belastend"

für die Sterbenden und die Helfer.

Sterben im Krankenhaus

Ergebnisse einer Befragung

Personalmangel führt dazu, daß nur 28 Prozent glauben, genügend Zeit für die Betreuung der Sterbenden zu ha- ben. 25 Prozent sehen sich mangeln- der Anerkennung durch Kollegen aus- gesetzt, wenn sie sich den Sterbenden widmen. Die Sterbeumstände in den Krankenhäusern werden von 51 Pro- zent des Krankenhausfachpersonals so erlebt, daß sie glauben, keinen ver- ändernden Einfluß auf diese ausüben zu können. Das mag daran liegen, daß die Ausbildung von 65 Prozent der Pflegekräfte als unzureichend be- schrieben wird. Fast immer fehlt dabei die praktische Einübung in die seeli- schen Schwierigkeiten, die im Umgang mit Sterbenden entstehen. 92 Prozent der Pflegekräfte wünschen sich den Einbezug von Angehörigen. Diese Be- reitschaft ist so stark ausgebildet, daß 47 Prozent auch Laienhelfer akzeptie- ren könnten.

Von der Medizintechnik erwarten wenige Hilfe. 53 Prozent gehen so- weit, daß diese den Sterbenden kei- nerlei Erleichterung verschaffe. 62 Prozent glauben, bei hoffnungslosen Fällen würden zu häufig lebensverlän-

gernde Maßnahmen ergriffen. 35 Pro- zent geben an, schmerzlindernde Me- dikamente kämen nicht angemessen zur Anwendung.

Die Frage des Kontakt- und In- formationsverhaltens der Mitarbeiter hat immer für Diskussionen gesorgt.

Obwohl seit Jahren eine offene, dia- loghafte Beziehung zu den Patienten gefordert wird, ist ein Einstellungs- wandel im praktischen Verhalten nicht abbildbar. So sprechen sich 84 Prozent für einen solchen Umgang mit den Patienten aus, allein an ihrem Ar- beitsplatz sind nur 30 Prozent der Pa- tienten über Prognose und wahr- scheinlichen Krankheitsverlauf infor- miert. Dies erklärt sich nicht zuletzt daraus, daß 59 Prozent der Kranken- hausfachberufe davon ausgehen, Pa- tienten wollten nicht informiert wer- den. Als löschungsresistent erweist sich auch das Vorurteil, Patientenein- bezug habe einen ungünstigen Einfluß auf den Krankheitsverlauf (54 Pro- zent).

75 Prozent der Befragten glauben, die in den Krankenhäusern geübte Sterbepraxis sei mit den Postulaten der menschlichen Würde nicht verein- bar. Nach dem Tod reißt für 36 Pro- zent der Befragten die Kette der Bela- stungen nicht ab, sie erleben es als sehr unwürdig, wie mit den Toten ver- fahren wird. 30 Prozent der Befragten glauben, aufgrund ihrer Erfahrungen mehr Angst vor dem eigenen Sterben zu haben als andere Menschen, ob- wohl zu diesem Bereich mit einem großen Ausmaß verdrängter Impulse zu rechnen ist.

Seelsorger werden als nicht zum therapeutischen Team gehörend er- lebt. Nur zwei Prozent der Mitarbeiter haben den Wunsch, mit diesen nach dem Tod eines Patienten zu sprechen.

Pflegepersonal auf Intensivstatio- nen nimmt eine Einschätzung der Sterbesituation vor, die im Vergleich zuungunsten von Patientennähe zu in- terpretieren ist. Die größere Patien- tennähe auf der Allgemeinstation und der onkologischen Station ist dabei wahrscheinlich auf ein Weniger an Apparaten, medizin-technischer Prä- senz, speziellen technischen Fähig- keiten der Fachkräfte und umfassen- der orientierte Patienten zurückzu- führen.

Wolfgang George, Allendorf A-2718 (26) Dt. Ärztebl. 86, Heft 39, 28. September 1989

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