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Archiv "Hospizidee im Krankenhaus: Patienten bleiben beim Sterben nicht allein" (18.08.2000)

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Academic year: 2022

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ie Verbesserung der Versorgung Schwerkranker und Sterbender als zentrales Anliegen der Hospiz- bewegung hat in Deutschland Fuß ge- fasst: Zunächst von wenigen Idealisten angestoßen, wurden nach englischem Vorbild inzwischen 581 Hospizinitiati- ven und 64 stationäre Hospize gegrün- det. Verzögert reagierte das Gesund- heitssystem mit der Einrichtung von bisher 50 Palliativstationen in Kranken- häusern. Eine flächendeckende Versor- gung ist in diesem dualen System nicht möglich und bei erheblicher Kostenin- tensität mittelfristig auch nicht erreich- bar.

Die erzielten Erfolge könnten durch eine Alibifunktion die Gefahr der Sta- gnation mit der Entwicklung eines

„Zwei-Klassen-Sterbens“ bewirken:

die Palliativstationen und Hospize ei- nerseits und der Sterbealltag in Kran- kenhäusern und Pflegeheimen anderer- seits.

Im Städtischen Krankenhaus Salzgit- ter-Lebenstedt wird seit fünf Jahren ein Konzept zur verbesserten Versorgung Schwerkranker und Sterbender umge- setzt:

❃ Anfangs wurden zwei Hospizzim- mer auf einer 22-Betten-Station einge- richtet; inzwischen wurden weitere Zimmer auf anderen Stationen eröff- net.

❃ Die Ausstattung weicht durch das Hinzustellen eines Bettsofas, Sitzgrup- pe, Stehlampe und Teppich von den an- deren Krankenzimmern ab.

❃ Zentrales Anliegen ist der ge- wünschte Einbezug von Angehörigen zur Begleitung der Patienten, entspre- chend einem „Rooming-in“. Dazu gehört auch das Vermitteln von einfa- chen Pflegemaßnahmen.

❃ Voraussetzung ist der kontinuierli- che Erwerb von palliativmedizinischen Kenntnissen durch einen Arzt als Hauptansprechpartner und Pflegekräf- te. Invasive analgetische Maßnahmen werden von der Anästhesie-Abteilung des Hauses übernommen.

❃ Wichtig ist die Vorbereitung und supervisionsähnliche Begleitung von den Stationsmitarbeitern.

❃ Die Patienten werden nach unter- schiedlichen Kriterien in den Hospizzim- mern aufgenommen: Idealerweise sind die Kranken und ihre Angehörigen über den Stand der Erkrankung aufgeklärt und mit der Aufnahme im Hospizzim- mer einverstanden. Inzwischen weisen Hausärzte gezielt in die Hospizzimmer ein. Bei fehlendem Bedarf werden auch

„normale“ Patienten untergebracht.

❃ Ehrenamtliche Helfer des örtli- chen Hospizvereins werden in die Be- gleitung einbezogen.

Ergebnisse einer retrospektiven Analyse der ersten hundert von 450 Pa- tienten, die seit November 1994 in den Hospizzimmern verstorben sind:

Die Aufenhaltsdauer betrug im Schnitt sieben Tage von minimal einer Stunde bis maximal 99 Tage. Erwar- tungsgemäß dominieren Malignom- erkrankte neben einem relativ großen Anteil an Patienten mit CV-Insulten, terminaler Herzinsuffizienz, Leberzir- rhose und Zustand nach Reanimation.

73 von 100 Patienten blieben in ihrer Sterbephase nicht allein.

Schlussfolgerungen:

❃ Das Konzept, Schwerkranken und Sterbenden im Krankenhaus Raum zu bieten, hat sich bewährt.

❃ Die notwendige umfassende Pfle- ge gelingt bei gleichem Personalstand unter Einbezug der Angehörigen und eines ehrenamtlichen Hospizdienstes.

❃ Voraussetzung ist eine Vorberei- tung und Begleitung der Pflegekräfte und Ärzte sowie Kenntnisse in der Pal- liativmedizin und -pflege.

❃ Die Unterstützung der Angehöri- gen inklusive „Rooming-in“ ent- statt belastet die Station. Die Bildung eines Netzes zwischen Angehörigen und pro- fessionellen Mitarbeitern des Kranken- hauses durch gegenseitige Unterstüt- zung ermöglicht eine emotionale Stabi- lisierung, von der die Sterbenden profi- tieren.

Die Tabuisierung des Themas „Tod im Krankenhaus“ nimmt ab. ✁ T H E M E N D E R Z E I T

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A2156 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000

Hospizidee im Krankenhaus

Patienten bleiben beim Sterben nicht allein

Auch auf normalen Krankenhausstationen können spezielle Hospizzimmer eingerichtet werden.

Im Städtischen Krankenhaus Salzgitter-Lebenstedt wurden Hospizzimmer eingerichtet.

Foto: Rainer Prönneke

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T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 33½½½½18. August 2000 AA2157

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ie Einladung stand schon länger.

Nun ist ihr die Bundesärztekam- mer (BÄK) gefolgt. Eine sie- benköpfige Delegation, angeführt vom Präsidenten der BÄK, Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe, traf sich in Mos- kau mit dem Gesundheitsminister der russischen Föderation, Jurij Schew- schenko, und mehreren Experten des Ministeriums, um Erfahrungen über die jeweiligen Gesundheitssysteme auszu- tauschen.

Die Nachrichten über den Zustand des russischen Gesundheitswesens sind eher ernüchternd: Die Wohnverhält- nisse haben sich seit dem Zusammen- bruch der Sowjetunion erheblich ver- schlechtert, entsprechend auch die hy- gienischen Zustände. Mangelernäh- rung, starke Umweltbelastungen und individueller täglicher Überlebens- stress treffen gegenwärtig rund ein Drittel der Bevölkerung besonders hart, entsprechend schlecht ist auch der gesundheitliche Zustand dieser Men- schen. Die Folgen: Die Rate der Säug- lingssterblichkeit steigt, die Lebenser- wartung sinkt. Chronische Krankhei- ten nehmen zu, darunter vor allem Er- krankungen aufgrund von Mangel- ernährung, HIV-Infektionen und – ins-

besondere therapieresistente – Tuber- kulose-Erkrankungen. Experten pro- gnostizieren für das Jahr 2005 eine HIV-Durchseuchung von mehr als

zehn Prozent der Bevölkerung. Als be- sondere „Brutstätten“ für diese Infek- tionskrankheit gelten Gefängnisse und Straflager.

De facto ist die traditionelle staatli- che Sicherung der Gesundheitsversor-

gung zusammengebrochen und ledig- lich – höchst notdürftig – für die Armen und Obdachlosen eine Zuflucht. Für al- le anderen scheinen die Gesetze eines vielfältigen grauen Marktes zu gelten – mit all seinen Phänomenen wie Tausch von Waren und Dienstleistungen oder auch Direktzahlungen bei entsprechen- der Finanzkraft.

Aus gutem Grund hatte daher das russische Gesundheitsministerium das Treffen als Diskussionsforum angelegt.

Es endete mit einer Resolution, in der die Absicht eines weiteren Erfahrungs- und Meinungsaustausches niedergelegt ist.

Inzwischen baut man auf Dezentralisierung

Während der Tagung wurde deutlich, dass sich die russische Führung über die Unmöglichkeit im Klaren ist, ein solches Riesenreich zentral zu führen.

Der stellvertretende Gesundheitsmini- ster, Professor Wialkov, baut bewusst auf Dezentralisierung und die Über- tragung von Verantwortung möglichst nahe an den Ort des Geschehens, da- mit auch auf die Zusammenführung von Amts- und Fachautorität. Hier glaubt er, im deutschen System der Selbstverwaltung ein interessantes Vorbild zu erkennen. Dabei impo- nierte der russischen Delegation die schnelle Transformation des staatli- chen Gesundheitssystems nach der Auflösung der DDR.

Der Gegenbesuch einer russischen Delegation ist für nächstes Jahr vorge-

sehen. Verena Hoppe/HK

Russland

Gesundheitssystem krankt

Der russische Gesundheitsminister lud Vertreter der Bundesärztekammer zum Erfahrungsaustausch ein.

❃ Die Arbeitszufriedenheit steigt, weil es einen Ort der gelebten Zuwen- dung gibt.

❃ Die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten hat sich verbessert.

❃ Der finanzielle Investitionsauf- wand ist gering, allerdings wird der Per- sonalschlüssel einer stationären Hos- piz- oder Palliativstation nicht erreicht.

❃ Die Integration der Hospizzim- mer auf einer Normalstation ist mög- lich, im Gegenteil eine Bereicherung.

Die Zusammenarbeit mit ehrenamtli- chen Hospizhelfern, Hausärzten und Angehörigen hat eine begrüßenswerte Öffnung der Institution „Kranken-

haus“ zur Folge. Das Konzept bietet ein tragfähiges Fundament für Verbes- serungswünsche. Sterbende im Kran- kenhaus unterscheiden sich im Hin- blick auf Akuität und schnell wech- selnder Prognose von den typischen Hospizpatienten. Das vorgestellte Konzept bietet eine Möglichkeit, die Hospizidee und palliative Versorgung im Krankenhaus als einen Ort zu inte- grieren, wo Menschen auch in Zukunft ihre letzte Lebenszeit verbringen wer-

den. Dr. med. Rainer Prönneke

Weitere Informationen zum Modell

„Die Hospizidee im Krankenhaus“:

Städtisches Krankenhaus Salzgitter- Lebenstedt, Medizinische Klinik, Kattowitzer Straße 191, 38226 Salz- gitter, Telefon: 0 53 41/8 35 12 14, Fax: 8 35 18 32.

Rußlands Gesundheitsminister Jurij Schewschenko hat ein schweres Amt angetreten. Im Gesundheitswesen liegt vieles im Argen. Foto: ria-photo

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