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Archiv "Niedergelassene Ärzte und klinische Studien: Außen vor oder mit dabei?" (01.02.2013)

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A 176 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 5

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1. Februar 2013

NIEDERGELASSENE ÄRZTE UND KLINISCHE STUDIEN

Außen vor oder mit dabei?

Assoziierte Zentren in onkologischen Studien – ein neues Konzept zur Einbeziehung niedergelassener internistischer Onkologen in komplexen prüferinitiierten Studien

D

ie Behandlung hämatolo- gisch-onkologischer Erkran- kungen kann mehrere Jahre dauern und sehr komplex und aufwendig sein. Häufig werden nichtkommer- zielle klinische Studien, auch als prüferinitiierte Studien (Investigator Initiated Trials, IIT) bezeichnet, mit neuen Wirkstoffen oder innovativen Behandlungskonzepten nur an gro- ßen Kliniken durchgeführt. Dies führt dazu, dass Studienteilnehmer – auch bei eingeschränkter Mobili- tät – häufige und lange Anfahrtswe- ge für die Studienvisiten in Kauf nehmen müssen. Viele Patienten möchten sich aber vorzugsweise wohnortnah und von ihrem vertrau- ten Onkologen behandeln lassen.

Sie lehnen daher von vornherein eine Teilnahme an einer Studie ab oder brechen eine Studienbehand- lung vorzeitig ab. Die niederge - lassenen internistischen Onkologen (NIO) befürchten, dass sie ihre Patienten auf längere Sicht „verlie- ren“, wenn sie diese einer größeren Klinik zuweisen, um ihnen die Be- handlung im Rahmen einer klini- schen Studie zu ermöglichen. In der Regel haben sie sowohl die Qualifi- kation als auch die Ausstattung und das Personal, um zumindest im ambulanten Bereich an klinischen Studien teilnehmen zu können.

Es wurde also eine Lösung ge- sucht, die den Interessen der Patien- ten, der niedergelassenen Onkolo- gen, der großen Kliniken und Kran- kenhäuser sowie der Studienleitung entgegenkommt:

Patienten, die nicht in der Nähe von großen Kliniken wohnen, soll der Zugang zu innovativen Behand- lungen im Rahmen von klinischen Studien erleichtert werden.

NIO sollen ihre Patienten im Rahmen von großen klinischen Stu- dien gemeinsam mit einer entspre-

chend ausgestatteten Klinik behan- deln können.

Die großen Zentren sollen durch die Teilnahme von NIO (auch Fach- abteilungen kleinerer Kliniken) den Vorteil erlangen, dass sie in wesent- lich kürzerer Zeit die erforderlichen Patientenzahlen erreichen können und so die Studienergebnisse früher zur Verfügung stehen.

Die Sicherheit der Patienten und die Validität der Studiendaten müs- sen umfassend gewährleistet sein, auch wenn die Patienten an ver- schiedenen Einrichtungen im Rah- men einer Studie betreut werden.

Das Verfahren sollte im Rahmen einer IIT finanzierbar sein.

Der Bedarf eines solchen Kon- zepts ist nicht neu. Bereits vor der umfassenden AMG-Novelle im August 2004 waren niedergelassene Ärzte in große prüferinitiierte Stu- dien einbezogen worden. Ihre Tä- tigkeit im Rahmen der Studie wur- de über Vereinbarungen mit der je- weiligen Studienleitung legitimiert.

Dieser oblag auch die Überprüfung der Qualifikation des „Mitbehand- lers“, insbesondere dessen Studien- erfahrung und Kenntnisse der Ge- setze und Leitlinien

Neues Konzept für Teilnahme Seit der AMG-Novelle 2004 ist eine Einbeziehung von NIO in klinische Studien auf diese vergleichsweise

„einfache“ Art rechtlich nicht mehr möglich. Nach aktueller Gesetzes - lage muss jede Praxis/Klinik, die Prüfmedikation verabreicht, als Prüfzentrum mit jeweils einem Prü- fer und Stellvertreter von der zustän- digen Ethikkommission genehmigt und als Prüfzentrum bei den zustän- digen Behörden nach § 67 Arznei- mittelgesetz (AMG) gemeldet wer- den. Der regulatorische und büro- kratische Aufwand entspricht damit

dem eines „normalen“ Prüfzen- trums, selbst wenn der niedergelas- sene Onkologe nur einen kleinen Teil der Studienbehandlung über- nimmt. Darüber hinaus sind die Pra- xen nun auch viel umfassender in das Qualitätssicherungskonzept ei- ner klinischen Studie einzubezie- hen. Die begrenzten finanziellen Mittel einer prüferinitiierten Studie machen somit die Einbeziehung be- liebig vieler zusätzlicher Prüfzen- tren nahezu unmöglich, so dass am Ende doch wieder nur die großen Zentren zum Zuge kommen. Der re- gulatorische Aufwand ist dennoch nicht unerheblich, daher sollte be- reits im Vorfeld die entsprechende Infrastruktur durch die Studienlei- tung geschaffen werden.

Im Rahmen der großen bundes- weiten MM5-Studie der German Speaking Myeloma Multicenter Group (GMMG-Studiengruppe) wur - de gemeinsam mit dem Koordinie- rungszentrum für Klinische Studien Heidelberg (KKS Heidelberg) ein neues Konzept entwickelt, das den eingangs genannten Erfordernissen gerecht wird. Damit werden zum einen alle regulatorischen Bedin- gungen erfüllt. Zum anderen ist durch eine risikobasierte Anpas- sung der Maßnahmen zur Qualitäts- kontrolle eine Finanzierung auch im Rahmen einer IIT möglich.

Das Konzept wird derzeit im Rahmen der MM5-Studie mit Erfolg umgesetzt. Entsprechend der Aufga- benverteilung werden die beteiligten Studienzentren als „Hauptprüfzen- tren“ und „assoziierte Zentren“ be-

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1. Februar 2013 A 177 zeichnet. Den Hauptprüfzentren sind

jene Tätigkeiten vorbehalten, die ei- ne Überwachung im Rahmen der Qualitätskontrolle vor Ort durch re- gelmäßige Besuche eines klinischen Monitors notwendig machen, zum Beispiel die Patientenaufklärung und das Einholen der Einverständ- niserklärung, den Studieneinschluss, die Hauptuntersuchungen zum The- rapieansprechen, die Dokumenta - tion der Studiendaten im Dokumen- tationsbogen. Ausschließlich vom Hauptprüfzentrum werden diejeni- gen Studientherapien durchgeführt, die eine besondere Ausstattung, Ausbildung und Logistik erfordern und für den Patienten potenziell ein erhöhtes Risiko bedeuten könnten.

Regelmäßiges Monitoring In der MM5-Studie sind die assozi- ierten Zentren hauptsächlich im ers- ten Therapieabschnitt (Induktions- therapie) mit der Verabreichung der Prüfmedikation Bortezomib (in Kombination mit weiteren Zytosta- tika) involviert. Da Bortezomib ein zugelassenes Medikament ist und in vielen Fällen bereits Teil der Stan- dardtherapie bei Myelompatienten ist, ergibt sich für die Studienpa- tienten kein zusätzliches Risiko durch die Verabreichung bei einem niedergelassenen Onkologen. Dar - über hinaus erheben die assoziierten Zentren auch die als Sicherheits - parameter definierten Laborwerte zwischen den Hauptvisiten an den Hauptprüfzentren und verabreichen Supportivtherapien, wie zum Bei- spiel Bisphosphonat-Gaben, Blut-

transfusionen und die empfohlene antibakterielle und antivirale Pro- phylaxe. Das assoziierte Zentrum verpflichtet sich, die Quelldaten (Kopien der vollständigen Patien- tenakte) regelmäßig an das Haupt- prüfzentrum zu übermitteln und bei Bekanntwerden eines schwerwie- genden unerwünschten Ereignisses dieses unverzüglich, das heißt 24 Stunden nach Bekanntwerden, der Studienleitung oder der beauftrag- ten Pharmakovigilanz-Abteilung des KKS Heidelberg zu melden.

Die Maßnahmen zur Qualitäts- kontrolle für die assoziierten Zen- tren werden ihren Aufgaben entspre- chend angepasst. Dem assoziierten Zentrum wird ein reduzierter Prüf- arztordner zur Verfügung gestellt, der alle wichtigen Informationen über die Studie enthält. Nach Vorlie- gen der zustimmenden Bewertung durch die Ethikkommission erfolgt eine telefonische Einweisung zum Studienstart (Initiierung) durch ei- nen klinischen Monitor anhand vorab übermittelter ausführlicher Initiierungsfolien. Der Umfang des Monitorings (etwa Vorortvisiten, te- lefonische und schriftliche Kontakte mit den Prüfzentren) richtet sich nach der Komplexität der Studie, Umfang und Aufgaben der assoziier- ten Zentren und den verfügbaren Fi- nanzmitteln. Ein erster Besuch dient vor allem zur orientierenden Beur- teilung eines assoziierten Zentrums, um mögliche systematische Fehler, Verständnisprobleme mit der Studie oder nichtadäquate Dokumentation in den Quelldaten frühzeitig zu er- kennen und zu beheben. In der MM5-Studie wurde ein eskalieren- des Kontrollverfahren etabliert, das unter anderem außerplanmäßige zu- sätzliche Besuche des Monitors und – als letzte Maßnahme – auch die Schließung eines Zentrums vorsieht.

Die Erfahrungen aus der MM5- Studie haben gezeigt, dass es von Vorteil ist, potenzielle NIO schon im Vorfeld des Studienbeginns als assoziierte Zentren zu gewinnen und genehmigen zu lassen, damit bei der Vorstellung des ersten Pa- tienten möglichst keine Verzöge- rung bei der Mitbehandlung eintritt.

Bis Dezember 2012 wurden für die MM5-Studie bereits 71 assoziierte

Zentren initiiert, von denen schon mehr als zwei Drittel in der Studi- enbehandlung aktiv sind. Der Anteil der durch assoziierte Zentren mit- behandelten Studienpatienten be- trägt derzeit 27 Prozent. Die aktiven assoziierten Zentren wurden von klinischen Monitoren des KKS Hei- delberg bereits mindestens einmal besucht, und die Berichte belegen, dass der überwiegende Teil der as- soziierten Zentren sehr gut koope- riert und über eine sehr gute Infra- struktur, wie beispielsweise Studi- enbüros und Study Nurses, verfügt.

Auch hinsichtlich der Sicherheits- aspekte der Studie haben die Zen- tren bisher verlässlich gearbeitet.

Heimatnahe Versorgung Die Akzeptanz des Konzepts der assoziierten Zentren ist sowohl bei den NIO, bei den Hauptprüfzentren als auch bei den Studienpatienten sehr hoch. Die Vorteile für alle Stu- dienbeteiligten sind offensichtlich:

Die Einbindung der niedergelas - senen Onkologen in die Studien- durchführung führt zu einer gestei- gerten Rekrutierungsrate von Pa- tienten, und die NIO können ihren Patienten die Teilnahme an Studien mit innovativen Behandlungskon- zepten ermöglichen, ohne Gefahr zu laufen, „ihre Patienten“ an das Hauptprüfzentrum abzugeben. Die Patienten können heimatnah von ihrem vertrauten Onkologen behan- delt werden, was wiederum zu einer Steigerung der Patientencompli - ance führt. Die notwendige Quali- tätssicherung erfolgt risikoadaptiert und ist den finanziellen Ressourcen von IITs angepasst, dennoch aber effektiv und zielführend.

Dieses neue Konzept kann si- cherlich auch außerhalb von onko- logischen Studien Anwendung fin- den und künftig die Einbindung von niedergelassenen Ärzten in große akademische Studien gemäß der geltenden Gesetze und Richtlinien

ermöglichen.

Dr. rer. nat. Bärbel Schurich, Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) am Universitätsklinikum Heidelberg

Dr. med. Uta Bertsch, Dr. rer. nat. Barbara Hügle-Dörr, GMMG-Studiensekretariat, Medizinische Klinik V und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen

(NCT) am Universitätsklinikum Heidelberg Auch außerhalb

onkologischer Studien kann das Konzept der assozi- ierten Zentren künf- tig Anwendung fin- den.

Foto: Fotolia/beermedia

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