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Archiv "Klinische Studien: Weniger wäre mehr" (30.11.2001)

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Academic year: 2022

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ei den medizinischen Ethikkommis- sionen in Deutschland werden jähr- lich etwa 10 000 Forschungsanträge für Studien am Menschen gestellt. Dies gehe, so Hanjörg Just, Vorstandsmit- glied des Arbeitskreises der Ethikkom- missionen, aus einer Befragung der 50 in Deutschland tätigen öffentlich-rechtli- chen Ethikkommissionen hervor. Von diesen hätten 44 geantwortet, 8 568 An- träge seien verzeichnet worden. Extra- poliert man von den 44 auf die 50 An- tragsstellen, ergebe dies etwa 10 000 An- träge pro Jahr. Der Kreis der beratungs- pflichtigen Forschung umfasse Studien am Menschen, an entnommenen Kör- perteilen und Körperflüssigkeiten, zu epidemiologischen Studien und zu per- sonenbezogenen Daten, so Just. Nach seiner Auffassung sind die Ethikkom- missionen eine geeignete Institution, um die hier zusammenlaufenden Studienda- ten zu veröffentlichen. Allerdings sind zunächst rechtliche, finanzielle und or- ganisatorische Fragen zu klären.

Absprache und Koordination sind national und international dringend er- forderlich: Neben den jährlich mehre- ren Tausend durchgeführten Studien in Deutschland bietet beispielsweise die Datenbank vom britischen National Re- search Register Informationen über 75 000 laufende oder abgeschlossene Studien an. Angesichts dieser Zahlen kann davon ausgegangen werden, dass viele Studien ohne Absprache und Ko- ordination oft neben-

einander und mit ähn- licher Fragestellung durchgeführt werden.

Zu kleine Studienkol- lektive, mangelhaftes Studiendesign und ver- breitete Fehler in der statistischen Auswer- tung sind häufig der

Grund dafür, warum die Ergebnisse nach Evaluation in systematischen Übersichtsarbeiten nicht berücksichtigt werden können.

Koordinierungszentrum für klinische Studien

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 1999 eine Initia- tive gestartet, um Mängel in der medizi- nischen Forschung zu beheben. Hierbei handelt es sich um eine Fördermaßnah- me, um Koordinierungszentren für kli- nische Studien (KKS) einzurichten (www.

kks-info.de). Ziel der Zentren ist es, Stu- dien zu initiieren, zu koordinieren und Fachwissen zu vermitteln, um interna- tional geforderte Qualitätsstandards zu erfüllen. Ansprechpartner sind Koordi- nierungszentren an den Universitäten Düsseldorf, Freiburg, Heidelberg, Leip- zig, Magdeburg, Mainz, Marburg und Tübingen. Ab Januar 2002 werden, so Robert Hauer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Koordinie- rungszentren in Köln, Münster, Berlin (Charité), Halle und Dresden eröffnet.

Eine Umfrage des Ministeriums hat er- geben, dass die meisten KKS im zweiten Halbjahr 2000 ihre Arbeit aufgenommen haben. Das BMBF finanziert die KKS im ersten und zweiten Jahr jeweils mit etwa 1,3 Millionen DM. Die Fakultäten sind verpflichtet, 300 000 DM zum Jahresetat beizusteuern. In den folgenden Jahren sei ei- ne degressive Finanzie- rung vereinbart, sodass die Fakultäten ab dem fünften Jahr 50 Prozent der Kosten bestreiten.

Hierfür sei die Einwer- bung von Drittmitteln erforderlich. Die KKS

bieten Unterstützung „quer durch die Bank für alle Themengebiete“, erläu- tert Hauer. Es sei noch zu früh, von ei- nem Profil einzelner KKS zu reden.

Um hohe Qualitätsstandards der KKS zu fördern, werde in Kürze ein „profes- sionelles Audit mit Vertretern aus der Industrie“ durchgeführt. Für diesen

„Meilenstein“ stellt das Ministerium ei- ne Million DM zur Verfügung. Nach Ansicht von Hauer soll das Audit „propä- deutischen Wert“ haben und Schwach- stellen aufdecken, um konstruktiv Ver- besserungen anzuregen. Allerdings „se- hen die KKS“, so Hauers Einschätzung,

„dem Audit mit gemischten Gefühlen entgegen“, denn nun werde die Arbeit für viele Forscher erstmals von exter- nen Fachleuten detailliert beurteilt.

Protokolle für klinische Studien

Um den Mängeln vieler Studien zu be- gegnen, haben Iain Chalmers vom Cochrane Center in Großbritannien und Douglas Altman vom Imperial Cancer Research Fund, Oxford, BioMed Cen- tral (www.biomedcentral.com) gestar- tet. Ziel dieses im Internet publizieren- den Verlages ist es, Studienprotokolle vor dem Beginn der Untersuchung zu veröffentlichen. Hierdurch könne der, so Altman, „Skandal von schwacher medizinischer Forschung“ angegangen werden. Vorteilhaft an der Vorabveröf- fentlichung von Studienprotokollen sei es, dass Gutachter und Leser noch rechtzeitig Verbesserungen vorschla- gen könnten und darüber informiert seien, welche Studien durchgeführt werden. So könne man einer kostspieli- gen sinnlosen Wiederholung von Studi- en vorbeugen und die Rekrutierung von Probanden fördern. Ferner sei da- T H E M E N D E R Z E I T

A

A3174 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 48½½½½30. November 2001

Klinische Studien

Weniger wäre mehr

Viele Studien genügen nicht wissenschaftlichen Ansprüchen, und es gibt kein allgemein akzeptiertes Forum, um die Unter- suchungen anzukündigen und die Ergebnisse zu publizieren.

Weitere Informationen im Internet

www.consort-statement.org www.kks-info.de www.biomedcentral.com www.controlled-trials.com www.update-software.com/national www.clinicaltrials.gov

www.studien.de

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durch die ursprüngliche Fragestellung mit dem Ergebnis vergleichbar. Dies ver- hindere, dass, abweichend von der ur- sprünglichen Konzeption, andere Daten publiziert beziehungsweise verschwiege- ne oder unzulässige retrospektive Ände- rungen des Studienziels, Designs oder geplanter Analysen vorgenommen wer- den. Allerdings ist zu bezweifeln, ob viele Forscher das Risiko eingehen wol- len, Ideen und Studiendesign vorab auch der Konkurrenz preiszugeben.

Als eine Hilfe für die Konzeption kontrollierter klinischer Studien ver- steht sich das CONSORT-Statement (consolidated standards of report- ing trials). Nachdem eine interna- tionale Gruppe von Forschern und Redakteuren medizinischer Zeit- schriften diesen Leitfaden Mitte der 90er-Jahre publizierte, ist kürz- lich, wie im Deutschen Ärzteblatt (Heft 17/2001) berichtet, zeitgleich in mehreren Journalen eine überar- beitete Fassung veröffentlicht wor- den (beispielsweise Lancet 2001;

357: 1191–1194, www.consort-state ment.org). Mithilfe einer 22 Punkte umfassenden Checkliste und einem Flussdiagramm, in dem von der Re- krutierung bis zur Datenanalyse der Verbleib der Probanden nach- vollzogen werden kann, soll für mehr Transparenz und Systematik gesorgt werden. Die Redaktion der An- nals of Internal Medicine messen dem CONSORT-Statement soviel Bedeu- tung zu, dass sie darüber hinaus eine 32 Seiten starke kommentierte Fassung des Leitfadens publiziert haben (Ann Intern Med 2001; 134: 663–694).

Der Gesundheitsforschungsrat be- grüßt die Veröffentlichung und Regi- strierung klinischer Studien in einem Studienregister mit deutscher Beteili- gung. In einem Beschluss der 20. Sitzung des Gesundheitsforschungsrates werden Wissenschaftler und medizinische Fa- kultäten aufgefordert, die Initiative, die unter anderem vom deutschen Coch- rane-Zentrum in Freiburg/Breisgau aus- geht, aktiv zu unterstützen und Studien registrieren zu lassen. Die Förderorgani- sationen sollten die Zuwendungsemp- fänger von Fördermitteln für klinische Studien zur Eintragung in entsprechen- de Register verpflichten. Ein Forum für die Publikation von Studien sollte nach

Ansicht von Gerd Antes vom deut- schen Cochrane-Zentrum auf europäi- scher und nicht nationaler Ebene imple- mentiert werden. Wichtig sei, dass mög- lichst viele Studien auf den in Englisch verfassten Websites veröffentlicht wer- den. Antes kooperiert mit der current science group of companies, die das In- ternetportal Current Controlled Trials (www.controlled-trials.com) unterhält.

Hierunter verbirgt sich eine Gruppe von Verlagen und Firmen, die Informatio- nen für Ärzte, Naturwissenschaftler, Pharmafirmen und Patienten bereithal- ten. Controlled Trials fasst 20 Datenban-

ken weltweit mit mehr als 10 000 kon- trollierten randomisierten Studien zu- sammen und bietet 130 Links zu ande- ren Webadressen, die ebenfalls Studien veröffentlichen. Über das Portal können beispielsweise die Datenbanken der Bri- tish Heart Foundation und des Medical Research Council abgefragt werden.

Darüber hinaus ermöglicht ein Diskussi- onsforum wissenschaftlichen Austausch.

Identifizierungsnummer für jede Studie

Demnächst soll jede Studie eine Identifi- zierungsnummer erhalten, die bei jeder Publikation ihre Zuordnung erlaubt.

Die international standard randomised controlled trial number kann online be- antragt werden. Dies könnte das intensi- ve „Ausschlachten“ von Ergebnissen einschränken: Die Cochrane Library hatte beispielsweise nachgewiesen, dass

zu einer einzigen Studie zum Wirkstoff Olanzapin zur Behandlung von Schizo- phrenie 158-mal berichtet wurde.

Eine weitere große britische Daten- bank wird vom National Research Re- gister, Department of Health unterhal- ten. Unter der Adresse www.update- software.com/national können mehr als 20 000 laufende und 55 000 abgeschlosse- ne nationale Studien abgefragt werden, die vom National Health Service finan- ziert werden oder von allgemeinem In- teresse sind. Zusätzlich können noch an- dere Studien, wie die vom Medical Re- search Council, eingesehen werden. Die Datenbank kann mit dem von der National Library of Medicine, USA, entwickelten Schlagwortka- talog Medical Subject Headings (MeSH) genutzt werden. Die sehr umfangreiche Datenbank ist über- sichtlich und professionell gestaltet.

Daten über 5 700 Studien sind unter www.clinicaltrials.gov zusam- mengefasst, einer Datenbank der National Institutes of Health, USA.

Die für Patienten konzipierte Web- site wird täglich aktualisiert und bie- tet verschiedene Suchoptionen an.

So kann die Suche regional einge- grenzt werden, bestimmte Thera- piemodalitäten können abgefragt sowie Studienphase und Alters- gruppe angegeben werden. Obwohl die Website primär für Patienten und Laien konzipiert ist, sind viele der mo- natlich 150 000 Nutzer Ärzte und Wis- senschaftler. Die publizierten Studien werden größtenteils in den USA und Kanada durchgeführt, erläutert Alexa McCray, Direktorin der National Library of Medicine. Es sind aber auch Studien aus 70 anderen Staaten in der Datenbank präsent. Über eine Kooperation mit Cur- rent Controlled Trials wird diskutiert.

Das Deutsche Krebsstudien-Register (www.studien.de) wird von der Deut- schen Krebsgesellschaft und der Deut- schen Krebshilfe unterhalten. In dem schnell wachsenden Archiv sind etwa 220 Studien verzeichnet. Mit der gut konzipierten Suchmaske ist ein gezieltes Auffinden von Studien möglich. Die Site wendet sich hauptsächlich an Ärzte und bietet die Information nur in Deutsch an, sodass sie ausländische Interessenten nur bei entsprechenden Sprachkenntnis- sen nutzen können. Dr. Stephan Mertens T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 48½½½½30. November 2001 AA3175

Datenerfassung und -analyse sollten transparent gestaltet

werden. Foto: Peter Wirtz

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