„auf die Schliche“ zu kom- men. Ich denke, es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Non- Compliance und so genanntes Arzthopping schon manchem Patienten (der noch „hoppen“
konnte) einen vorzeitigen Tod erspart haben, nämlich immer dann, wenn der Arzt trotz – diagnostischer „Detektivar- beit“ – einer Krankheit nicht
„auf die Schliche“ kommen konnte . . .
Freya Matthiessen,Mittelberg 39, 37085 Göttingen
Schmerztherapie
Zu der Meldung „Gesellschaft schlägt Alarm“ in Heft 8/2005:
Eklatante Fehler
Die im Artikel zu sehende Ab- bildung spottet ja wohl jeder Beschreibung. Es sind mehre- re eklatante Fehler zu sehen, die bei schmerztherapeuti- schen Maßnahmen aber nicht vorkommen dürfen:
Der Patient behält sein Hemd an und öffnet dem Arzt nur das „Kassendreieck“.
Der Arzt trägt einen offe- nen Kittel.
Die zu behandelnde Kör- perregion kann so nicht aus- reichend desinfiziert werden.
Das Bild ist ein Beispiel dafür, wie Schmerztherapie eigent- lich nicht durchgeführt wer- den sollte.
Dr. med. Johannes Chevalier, Weißliliengasse 17, 55116 Mainz Anmerkung der Redaktion:
Die oben genannte Kritik ist völlig gerecht- fertigt. Die Redaktion hat es versäumt, in der Bildunterschrift auf die „eklatanten Fehler“ bei der schmerztherapeutischen Behandlung hinzuweisen. Wir bitten um
Entschuldigung. DÄ
Praxismanagement
Zu dem Leserbrief „Gegenüberstel- lung“ von Dr. Alexander Ulbrich in Heft 11/2005:
Typische Vorurteile
Herr Dr. Ulbrich stellt seine ei- genen, durchaus ebenfalls sub- jektiven Vermutungen zur Zurückhaltung der niederge- lassenen Ärzteschaft in Bezug auf die Einführung von „Qua- li-Kram“ an. Aus meiner (hausärztlichen) Sicht stellen die Argumente typische Vorur- teile dar, die oft von Kollegen angeführt werden, die sich mit der Materie noch nicht (rich- tig) befasst haben. Nach einer Einführungsveranstaltung für unser Modellprojekt „Einfüh- rung von Qualitätsmanage- ment [QM] in Qualitätszirkeln“
haben sich zwölf von 13 haus- ärztlich tätigen Kollegen (alle waren bislang nicht oder nur oberflächlich mit der Materie befasst) entschieden, QM jetzt einzuführen. Es gibt keine sachlichen Gründe, in anderen Organisationsformen bewähr- te Management-Werkzeuge nicht auch für das Kleinstun- ternehmen Arztpraxis zu nut- zen. Allerdings sollte dies mit
„Bodenhaftung“ und Verstand geschehen. Die Basiskenntnis- se für eine Einführung von QM in der Arztpraxis gemäß der gesetzlichen Vorgaben kann den Praxisteams mit sehr geringem Zeit- und Kostenauf- wand vermittelt werden (in un- serem Modellprojekt sechs dreistündige Qualitätszirkel und 100 Euro Kostenpauscha- le). Das notwendige „Fachvo- kabular“ kann dabei auf weni- ge Begriffe beschränkt blei- ben. Im Vordergrund sollte der konkret spürbare Nutzen für die einzelnen Praxen und die Freude an der Teamarbeit ste- hen. Demgegenüber bietet ei- ne Zertifizierung, wie jetzt von vielen QM-Anbietern sugge- riert, als Ziel eines Qualitäts- managements für die niederge- lassenen Ärzte zum jetzigen Zeitpunkt mehr Nachteile (Kosten, Zeitaufwand, Begehr- lichkeit der Kostenträger, frag- würdiger Marketing-Nutzen) als Vorteile. Auch ist diese
keineswegs gesetzlich vorge- schrieben. „Aus dem Bauch heraus“ motivierte Verweige- rungshaltung ist dem Bemüh- en um eine stetige Verbesse- rung unserer ärztlichen Arbeit ebenso abträglich wie voraus- eilender Gehorsam.
Dr. med. Alexander Miller, Welzheimer Straße 19, 63791 Karlstein
Klinische Studien
Zu dem Beitrag „Wie ,korrekte‘ Stati- stiken täuschen können“ von Klaus Koch in Heft 13/2005:
Nicht die Statistik ist das Problem
Die Überschrift des Artikels stellt mit der ironischen Her-
vorhebung der „korrekten“ Sta- tistiken in der Tendenz die Sta- tistik an sich als Ursache der Täuschung dar und rückt damit das eigentliche Problem in den Hintergrund: Die Möglichkeit der Täuschung entsteht erst durch falsche Interpretation und wäre durch entsprechende Kenntnisse leicht zu verhindern.
Eine relative Risikoreduktion um beispielsweise 33 Prozent kann in der Tat eine sehr unter- schiedliche Relevanz haben, je nachdem ob es sich um eine Reduktion von einer Ereignis- rate von 27 Prozent auf 18 Pro- zent oder lediglich um den Rückgang eines drei- auf ein zweiprozentiges Risiko han- delt, wobei sogar dieser klinisch relevant sein könnte – wenn der Endpunkt zum Beispiel
„Tod“ ist . . . Jedwede seriöse Publikation von Studienergeb- nissen muss neben der Angabe
eines relativen Risikos auch mit den absoluten Risiken den Bezugsrahmen aufweisen. Wo dies in der Darstellung nicht geschehen ist, sollte der ge- schulte Arzt aufmerksam wer- den und die Aussagekraft der Information kritisch hinterfra- gen können. Das setzt natürlich ein entsprechendes Problem- bewusstsein voraus. Solch kriti- sches Wissen kann auch von bereits im Berufsleben Stehen- den noch leicht akquiriert wer- den, zum Beispiel im Rahmen praxisorientierter Kurse in evi- denzbasierter Medizin, wie sie verschiedene Institutionen des EbM-Netzwerkes in Deutsch- land anbieten . . .
Monica Steinbach,Kompetenzzentrum für Klinische Studien Bremen, Universität Bremen, Am Fallturm 1, 28359 Bremen
Absolute Risikoreduktion ist problematischer
Man wundert sich immer wie- der, mit welch missionarischem Eifer und erhobenem morali- schem Stinkefinger die „relati- ve Risikoreduktion“ verteufelt wird. Dabei ist die „absolute Risikoreduktion“ beziehungs- weise die „number needed to treat“ (NNT) in ihrer Interpre- tation wesentlich problemati- scher; sie ist weniger eine Kenn- größe der Intervention als des untersuchten Kollektivs. Ich erinnere nur an die unredliche Vermarktung der Kopernikus- Studie.Was macht der praktisch tätige Kollege mit einer Aussa- ge, dass beispielsweise 60 Pati- enten über vier Jahre und sechs Monate behandelt werden müssen, um ein definiertes Er- eignis zu verhindern? Abgese- hen davon, dass mein aktueller A
A1736 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005
B R I E F E
Foto: Caro
Beim Marketing für Medikamente wird die „relative Risikoreduktion“
gerne als wichtigste Botschaft präsentiert.
Foto:Superbild
Patient nahtlos in das unter- suchte Kollektiv hereinpassen muss, würde mich vielmehr in- teressieren, wie der Gewinn hinsichtlich der Überlebens- zeit für den Patienten bei le- benslanger Therapie ausfallen würde. Liegt es mir hingegen daran, Interventionen unter- einander zu vergleichen, wie zum Beispiel Betablocker bei Herzinsuffizienz, dann komme ich um die relative Risiko- reduktion nicht herum . . . Dr. Michael Patten,Bülberg 1, 34431 Marsberg
Das Wörtchen „relativ“
wird oft überlesen
Dem Kollegen Meyer ist in sei- ner Aussage zuzustimmen. Die Angaben zum relativen Risiko verzerren die Realität erheb- lich, zumal die meisten Kolle- gen das Wörtchen relativ ein- fach überlesen. Die Publikati- on von Ergebnissen klinischer Studien hat sich seit der Verab- schiedung des Consort State- ments sehr verbessert, aber lei- der fand die Angabe der abso- luten Risikodifferenz bislang dort keinen Eingang in die Publikationsempfehlungen . . . Andererseits wird das relative Risiko auch zur Beschreibung von Risiken bei der Arzneimit- teleinnahme verwendet. Diese Praxis ist nicht weniger frag- würdig, weil es hier zu einer Überbewertung von Risiken kommen kann, die unter Um- ständen eine sinnvolle Thera- pie unnötig ins Zwielicht set- zen . . . Wie wäre Ihre Risiko- wahrnehmung hinsichtlich der Verschreibung einer Therapie, wenn Sie damit konfrontiert würden, dass durch die Thera- pie das Risiko einer schwerwie- genden Erkrankung/Kompli- kation um 26 Prozent anstiege (relatives Risiko)? Wie würden Sie jedoch reagieren, wenn Ih- nen gesagt würde, dass die ab- solute Risikoerhöhung für das gleiche Geschehen tatsächlich 0,4 Prozent betrüge? Würde das nicht auch die Verschrei- bungsempfehlung ähnlich ver- ändern, wie in dem Beispiel mit den therapeutischen Effekten?
Dr. med. C. Hoffmann, Feldstraße 10, 85445 Oberding
Und zu dem Beitrag „Statine: Nur wenige profitieren von einer intensi- ven Therapie“ von Klaus Koch in Heft 13/2005:
Große Anerkennung
Ganz große Anerkennung für die beiden Artikel von Klaus Koch. Warum: In einfacher und damit guter Sprache, die sich nicht fehldeuten lässt, wird die übliche Täuschung und Irre- führung durch „korrekte“ Sta- tistik berichtet und belegt. Da- mit hängt zusammen, wie die Meinungsführer und Vertrei- ber bisher (meist) die Anwen- der mit Taschenspielertricks zur Folgsamkeit genötigt ha- ben – was eben nicht nur bei Statinen so ist und war . . . Horst Peters,Kielstraße 34, 44145 Dortmund
Arzt – Patient
Zu dem Beitrag „Arzt-Patienten-Ver- hältnis: Zwischen Individualisierung und Standardisierung“ von Prof. em.
Dr. med. Hanfried Helmchen in Heft 13/2005:
Wissenschaft ist ein Prozess
Hanfried Helmchen erhebt vor dem Hintergrund des von ihm in den Vordergrund gestellten individuellen Arzt-Patienten- Verhältnisses Bedenken gegen eine zu weit gehende Standar- disierung der Therapie durch Leitlinien, deren Verbindlich- keit er bezweifelt.Wie Sawicki im selben Heft darlegt, soll durch Leitlinien ein notwendi- ger und gerechtfertigter Ermes- sensspielraum des Arztes nicht eingeschränkt werden. Sie sind in den Worten des ehemaligen
Präsidenten der Bundesärzte- kammer, Prof.Vilmar, ein „Kor- ridor der ärztlichen Vernunft“.
Dass die Standardisierung und Zertifizierung ihrer Qualität (z. B. durch ÄZQ bzw. IQWiG) und damit ihres Verbindlich- keitsgrades ebenso notwendig ist wie ihre ständige Aktualisie- rung, erscheint selbstverständ- lich; denn Wissenschaft ist ein Prozess, ein nie endender Dis- kurs.Wenn freilich Helmchen schreibt, dass der Arzt seinen Ermessensspielraum durch ra- tional begründbare Entschei- dung ständig verteidigen müsse, so scheint er sich in einen Wi- derspruch zu seiner vorange- henden Argumentation zu be- geben: Denn was anderes als Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen oder nach- prüfbar dokumentierter ärztli- cher Erfahrung könnten solche rationalen Entscheidungsgrün- de sein, abgesehen vom indivi- duellen Willen des Patienten und der ärztlichen Beurteilung seiner individuellen Dispositi- on? Diese Information in der notwendigen Vollständigkeit sich zu besorgen und sie kri- tisch zu bewerten, dürfte jedoch für den einzelnen Arzt unter Praxisbedingungen sehr schwie- rig, wenn nicht unmöglich sein.
(Klaus Koch weist im selben Heft des DÄ beispielsweise auf die intendierte Desinformation durch Angabe der relativen Ri- sikoreduktion in der Darstel- lung von Studienergebnissen hin.) Genau dazu aber hilft ihm eine seriöse und nach EbM- Kriterien erstellte unabhängige Leitlinie, wie sie etwa die AkdÄ laufend publiziert. Er mag nachvollziehbare Gründe ha- ben, von ihren Primärempfeh- lungen abzuweichen und zum Beispiel ein Medikament außer-
halb seiner bislang zugelasse- nen Indikation oder ein ho- möopathisches Heilmittel ein- zusetzen. Rational kann aber seine Entscheidung nur ge- nannt werden (und so dürften in Zukunft auch zunehmend Gerichte – zu Recht, wie ich meine – entscheiden), wenn er zuvor den Inhalt der Leitlinie als die komprimierte Darstel- lung des aktuellen Stands der Wissenschaft zur Kenntnis ge- nommen hat. Hierin liegt ihre berechtigte Verbindlichkeit.
Gerade in der praktischen Pharmakotherapie resultieren durch Verordnungsfehler eine erschreckend große Anzahl von Schäden und jährlich Zehntau- sende von Toten in Deutsch- land. Um diese beklagenswerte und auch ökonomisch zu Buche schlagende Situation zu ändern, wird die Therapiestandardisie- rung durch Leitlinien nur ein erster notwendiger Schritt sein, der gefolgt sein muss von der möglichst baldigen Einführung geeigneter, potenzielle Fehler erkennender und damit ver- meidender computerassistier- ter Arzneiverordnungs-Syste- me (vgl. DÄ, Heft 8/2005: „Arz- neitherapie(un)sicherheit“ von Priv.-Doz. Dr. med. Daniel Grandt et al.).
Prof. Dr. med. Bruno Müller- Oerlinghausen,Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Jebensstraße 3, 10623 Berlin
Modernisierung
Zu der Berichterstattung über den 108. Deutschen Ärztetag zum Thema
„TOP VI: Transparenz für Patienten, Rechtssicherheit für Ärzte: ,Moderni- sierung der GOÄ‘“ von Dr. rer. pol.
Harald Clade in Heft 19/2005:
Ostzuschlag
Ich fordere von den Vorsitzen- den Hoppe und Jonitz einen dreitägigen Streik der niederge- lassenen Ärzte in ganz Deutsch- land, da ohne diesen Ulla Schmidt nicht einlenken wird.
Zusätzlich wäre die Forderung nach einem zehnprozentigen Zuschlag Ost für fünf Jahre zu erwägen, um Ärzte anzulocken.
Dr. med. Ch. Höver,Am Danewend 7, 13125 Berlin
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005 AA1737
B R I E F E
Foto:Ute Grabowsky