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Archiv "Holzweg" (23.10.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR Ortskrankenkassen

Zu den weiteren, über das ge- schriebene Pflegesatzrecht hin- ausgehenden Vorstellungen des AOK-Verbandes gehört auch ei- ne Festschreibung der Liste der Sonderentgelte. Laut Bundes- pflegesatzverordnung können Krankenhäuser außerhalb des Budgets und unter Anwendung des reinen Gewinn-Verlust-Prin- zips besonders teure diagnosti- sche Verfahren gesondert be- rechnen — vorausgesetzt, sie werden sich mit den Kassen über die Bezahlung einig. Unter den 16 vom Gesetzgeber bei- spielhaft aufgeführten Positio- nen sind zum Beispiel Herzope- rationen, Nierentransplantatio- nen, Bluterbehandlung, Litho- tripter zu finden. Laut Oldiges will man fürs erste nur über die- se 16 Positionen verhandeln.

Was davon ist aktuell?

Oldiges gestand zu, daß die von ihm vorgetragenen Vorstellun- gen bisher mit den Kranken- hausträgern nicht abgestimmt sind. Ja, nicht einmal die einzel- nen Ortskrankenkassen wollten sich bei den anstehenden Pfle- gesatzverhandlungen „ins kalte Wasser" stürzen; sie wollten vielmehr die Übergangsrege- lung nutzen, um die Pflegesätze noch einmal nach altem Recht festzulegen.

Auch die von Balzer und Heitzer erläuterte „strukturelle Budge- tierung" dürfte so schnell nicht kommen. Denn sie dürfte ohne Gesetzgeber nicht zu machen sein. Politische Widerstände ge- gen solche, im Grunde sehr star- ren Verfahren sind zu erwarten;

Budgetierung verführt allzu leicht dazu, die einmal festge- legten Strukturen zu konservie- ren. In die nächste Runde der Honorarverhandlungen mit den Kassenärzten ginge man wohl am liebsten mit der Forderung, die für 1985 getroffenen Verein- barungen zunächst mal fortzu- schreiben. NJ

E

ine bekannte, aber neu aufge- machte Parole hat in der ge- sundheitspolitischen Reform- diskussion wieder einmal Hoch- konjunktur: Die amtliche Kosten- dämpfungspolitik im Gesund- heitswesen, die staatsdirigierte Globalsteuerung müsse durch ei- ne wie auch immer geartete Bud- getierung sämtlicher Ausgaben- kategorien der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) ergänzt werden. Einige „Musterländer"

eines verstaatlichten Gesund- heitsdienstes, Großbritannien und Kanada, haben einen solchen

Holzweg

Weg beschritten, ohne daß bereits jetzt absehbar wäre, ob die Bud- getierung tatsächlich zur Kosten- dämpfung führt oder ob sie nur palliativ hilft.

Die gesetzlichen Krankenkassen propagieren dennoch die Budge- tierung — sei es durch gesetzliche Vorgaben, sei es durch Beschlüs- se der Selbstverwaltung (dazu auch Seite 3153 ff.). Dabei sind die Vorstellungen, die um das facet- tenreiche Modewort ranken, noch nicht fest gefügt. Soll unter der Budgetierung etwa eine Quotie- rung in Form vorgegebener Aus- gabenhöchstbeträge, eine Fest- schreibung von Beitragssätzen per ordre du mufti, eine strikte Orientierung der GKV-Ausgaben an der Grundlohnsumme oder gar eine feste Quotierung sämtlicher Ausgabenblöcke innerhalb der GKV bedeuten? Oder sollen etwa limitierte Jahres- oder Mehrjah- resbudgets auf bestimmte, nach einer Prioritätenskala ausgerich- tete Verwendungszwecke vorge- geben und mit Hilfe einer zentra- len Investitionsplanung und -len- kung gesteuert werden? Ist eine Budgetierung und Ausgabendek- kelung überhaupt gleichmäßig in allen Sektoren erzielbar? All diese

Spekulationen stehen im Raum, hat doch der AOK-Bundesverband soeben in Maria Laach ein „flexi- bles, zielorientiertes" Budgetie- rungssystem öffentlich vorge- schlagen. Als der Geschäftsführer des Verbandes, Dr. Franz Josef Oldiges anläßlich einer Experten- tagung über Gesundheitsökono- mie und Strukturreform anläßlich der Jahrestagung 1985 des Ver- eins für Socialpolitik in Saarbrük- ken gleichsam „vorab" von die- sem Instrument sprach, stand er unter den Ökonomen freilich noch ziemlich allein da. Mit Recht wurde ihm vorgehalten, daß die Budgetierung in seiner letzten Konsequenz genau das Gegenteil dessen bedeuten würde, was in Bonn unter Stärkung der Selbst- verwaltung, Liberalisierung der Märkte für Krankenversicherun- gen und einer marktwirtschaft- lichen Steuerung der Angebots- vielfalt für die für 1987 angesagte Strukturreform in der Krankenver- sicherung propagiert wird. Zudem müßte eine — auch flexible — Quo- tierung oder Budgetierung ziem- lich im luftleeren Raum operieren.

Eine Gesundheitsberichterstat- tung und eine operationalisierbare Bedarfsforschung, wie sie zu den Aufgaben der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen und der dar- in engagierten Spitzenverbände zählen, gibt es in der Bundesrepu- blik erst in ersten Ansätzen.

Vorschnelle Reformalternative Auch mit wissenschaftlichem Sachverstand und einem noch zu etablierenden Sachverständigen- rat will man in einem Kraftakt das empirische Vakuum der Gesund- heitspolitik auffüllen: Prioritäre Gesundheitsziele sollen mit Hilfe von Experten formuliert werden;

die erst in den Ansätzen stecken- den Morbiditäts- und Mortalitäts- statistiken sollen verbessert und erst als Orientierungsgröße für Grundsatzentscheidungen dienst- bar gemacht werden.

Die bisherigen Aktivitäten litten doch daran, daß ausschließlich fi- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 43 vom 23. Oktober 1985 (19) 3155

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

nanzielle und wirtschaftspolitisch orientierte Orientierungsdaten den Kurs der Gesundheitspolitik, nicht aber medizinische und orga- nisatorische Daten und Fakten den Ziel- und Maßnahmenkatalog bestimmten.

Die Ortskrankenkassen, sollten sie sich vorschnell auf das Quotie- rungs- und Budgetierungskonzept als Reformalternative versteifen, müssen sich vorwerfen lassen, den zweiten vor dem ersten Schritt zu tun. Zudem müssen sich die Kran- kenkassen im klaren darüber sein, daß eine sektorale Budgetierung in einem System von mehr als 1200 selbständigen Krankenkassen ein Mehr an planerischem Handeln er- fordert. Dadurch würden die Kran- kenkassen „entmachtet", die Fi- nanzierungs- und Entscheidungs-

N

och ist die bundesdeutsche Pharmaindustrie der Welt größter Exporteur. Das si- chert Arbeitsplätze und hilft unse- rer Außenhandelsbilanz. Daran dürfte sich kurzfristig auch nichts ändern, weil die Ausreifungszeit der durch Forschung entdeckten neuen Wirksubstanzen inzwi- schen bei zehn bis zwölf Jahren liegt. Die Folgen innovationsfeind- licher staatlicher Interventionen werden erst spürbar, lange nach- dem der Strom neuer therapeuti- scher Produkte abgerissen ist.

Und das ist dann nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des medizinischen Fortschrittes.

Wachsende Kosten auf der einen, zunehmender politischer Druck auf der anderen Seite, das sind die zwei Backen eines Schraub- stockes, in dem die Pharmain- dustrie derzeit eingespannt ist.

Das Ergebnis des Schraubstock- tests ist aufgrund ähnlicher Versu- che, die vor Jahren in Frankreich, Großbritannien und Italien von der Regierung durchgeführt wurden, im voraus erkennbar. Die Ergeb- nisse der drei Länder sind hin- länglich bekannt: Dort führten die Vorschriften der Krankenkassen

zentralität durch den Anonymus Staat gleichzeitig erhöht werden.

Die Budgetierung würde auch grundlos die Weichen für eine durchgreifende Strukturreform verstellen. Denn jedwede Budge- tierung schreibt den einmal er- reichten Versorgungszustand und die tradierte Ausgabenstruktur fest, ohne zu prüfen, ob die einmal gegebene Ressourcenverteilung medizinisch und moralisch tat- sächlich gerechtfertigt ist. Zudem könnten die „Leistungserbringer"

dann jeglichen Anreiz verlieren, über Rationalisierungsnotwendig- keiten nachzudenken, neue, dem Patienten nützende Technologien zu entwickeln und die im eigenen Bereich sich stellenden Aufgaben selbstverantwortlich zu lösen, oh- ne immer auf den (abgeschotteten) Nachbarsektor zu schielen. HC

Opferlämmer der Politik

für die Arzneimittel-Herstellung und -Preiskalkulation zu einer

„Kolonialisierung" der Arzneimit- telmärkte durch ausländische Un- ternehmen. Diese konnten den Preisdruck erheblich besser ertra- gen als die einheimische Indu- strie, weil sie den notwendigen Kostenausgleich auf anderen Märkten erwirtschaftet hatten. Ge- nau das könnte bei uns dem- nächst passieren.

„Die Situation des Haustieres", so stellte Ernst Jünger mit Blick auf den Sozialstaat fest, „hat konse- quenterweise die des Schlachttie- res zur Folge." In diese Rolle fühlt sich — nach den anderen „Anbie- tern" von Gesundheitsleistungen

— zur Zeit die pharmazeutische In- dustrie gedrängt. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgend ein Politiker die Preispolitik dieser

bislang unbeschädigten Wachs- tumsbranche geißelt. Und das un- geachtet der Tatsache, daß in Bonn seit nunmehr gut zweiein- halb Jahren ja nicht gerade markt- wirtschaftsfeindliche Bilderstür- mer die Politik bestimmen. Doch wird — um in Jüngers Bild zu blei- ben — die Idylle des aus dem vol- len schöpfenden Sozialstaates durch immer knapper werdende Ressourcen getrübt, zeigt er sein anderes Gesicht. Wer Leistung qua Gesetz verordnet, bestimmt auch, wie was verteilt wird. Das Haustier wird geschlachtet.

Kurzum: die private Wirtschaft ba- siert immer weniger auf dem Markt und seinen Signalen, son- dern auf öffentlichem Druck, auf Appellen und Eingriffen des Staa- tes. Alles in allem sind wir von der Leistungsgesellschaft über den Versorgungs- und Umverteilungs- staat an der Schwelle der

„Schutzgesellschaft" angelangt.

Der Staat wird zu einem allmächti- gen Versicherungsunternehmen, das uns die Null-Risiko-Gesell- schaft zu garantieren versucht.

Der politische Auftrag des Souve- räns lautet, einerseits für mehr Si- cherheit zu sorgen, andererseits die Belastungen durch Steuern, Sozialabgaben und einschränken- de Regulierungen abzubauen.

Der einzige politische Ausweg be- steht hierbei in der Verschleie- rung der Höhe und Verteilung der Kosten. Wenn der Staat die Risi- ken einzelner oder bestimmter Gruppen reduziert, erhöht er die Risiken anderer, häufig aber so- gar der zu Schützenden selbst.

Die deutsche Pharmaindustrie hat seit Ende des letzten Krieges Er- staunliches geleistet. Und doch — wie in kaum einem anderen Wirt- schaftssektor müssen die Phar- mahersteller um die Preise kämp- fen. Nicht allein die Marktkräfte regulieren im Gesundheitssektor den Preis, nicht die „unsichtbare Hand" des Ökonomen, wie der Ökonom Adam Smith sie nannte, sondern die „drohende Faust"

der Regierungen. Rolf Combach

3156 (20) Heft 43 vom 23. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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