Spektrum der Woche Aufsätze .Notizen
BRIEFE AN DIE REDAKTIONmanche Laienorganisationen be- treiben, kann man ein derartiges umfassendes Gesundheitstraining ebensowenig erwarten wie bei den oft angepriesenen Kneipp-Kurzku- ren am Wochenende. Man hört im Gegenteil danach oft die Klagen, daß diese „Kneippkur" nicht be- kommen ist bzw. nicht angehalten hat. Bei ihnen steht oft das Amüse- ment im Vordergrund.
Dr. med. habil. Kurt Franke Prof. für. Arbeitsmedizin und Gesundheitspflege im Beruf an der
Technischen Universität Clausthal 3422 Bad Lauterberg im Harz Kirchberg 15
Nützliche Heilverfahren
0 Wenn Prof. Dr. med. Hermann Arnold sich mit dem Thema „Kur- erfolg" befaßt, muß die Frage erho- ben werden, wann und wo Herr Ar- nold Kuren durchgeführt hat. Mir ist nicht bekannt, daß in Landau/
Pfalz Kuren durchgeführt werden.
Hat Prof. Arnold nicht langjährig als Kurarzt gearbeitet, dann erin- nert mich dies an einen Hautarzt, der sich über die Technik einer Magenresektion äußert.
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Der Ausdruck „meßbar" zeigt Unverständnis. Nicht alle Dinge sind „meßbar". Ist der Erfolg der katholischen oder der evangeli- schen Religion „meßbar" oder der positive Erfolg des blauen Himmels auf die Stimmung der Menschen, oder ist der Erfolg eines Jahresur- laubes „meßbar". Nach Prof. Ar- nold müßte der Jahresurlaub als Geldverschwendung abgeschafft werden, da sein Erfolg nicht „meß- bar" ist. Trotzdem stellt niemand den Segen des Urlaubes in Frage.0 Man braucht nicht Medizin stu- diert zu haben, um zu begreifen, was es bedeutet, wenn man einen operierten oder genesenden Pa- tienten, der jahrelang im Arbeits- prozeß geschunden und überfor- dert wurde, zwischen Krankenhaus und Arbeitsaufnahme noch 4 bis 6 Wochen die Möglichkeit gibt, Kräf-
te zu schöpfen. Eine Klinik ist dazu nicht nötig, denn aus einer Klinik kommt der Patient. Die Kur füllt eine Lücke zwischen Krankheit und Arbeitsplatz. Sie ermöglicht einem Patienten, wieder festen Boden un- ter die Füße zu bekommen. Will Prof. Arnold nicht, daß man diesen bedürftigen Menschen eine Kur ge- nehmigt? Sollen sie früher ster- ben?
0 Das Zugangsalter der Renten- empfänger hat mit Kuren nur in- direkt zu tun. Die Anforderungen an den Werktätigen steigen so schnell, daß der Verschleiß unge- heuer ist. Wenn man heute das Rentenalter von 65 auf 60 Jahre herabsetzen will, so deshalb, weil auch ein ganz gesunder Mensch heute einfach nicht bis zum 65. Le- bensjahr mithalten kann. Eine Kur von vier Wochen ist dagegen eine Hilfe mit Grenzen. Sie ermöglicht es, daß der kranke Mensch wenig- stens eine geraume Zeit wieder mitarbeiten kann. Das Zugangsal- ter wird nach meiner Meinung wei- ter sinken. Die Kuren aber haben eine bremsende Wirkung. Hat Ar- nold einmal eine Fabrik gesehen mit stickiger Luft, Raumtemperatu- ren von 30 ° C und unerträglichem Lärm, mit Wechselschicht und Ak- kord? Diesen Menschen hilft keine Klinik, sie brauchen wenigstens einmal eine Oase der Ruhe, mit milder Forderung der körperlichen Leistung.
0 Prof. Arnold sagt, die ganzen Heilverfahren der Landesversiche- rungsgesellschaften und der BfA sind unnütz und hinausgeworfenes Geld. Sollte es wirklich möglich sein, daß die vielen Abteilungen der LVA und der BfA 20 Jahre blind sind und nur Fehler machen, und nur Prof. Arnold ist im Besitz der reinen Wahrheit? Das ist doch un- wahrscheinlich!
0 Noch eine Bemerkung zum Zu- gangsalter: Kranke Menschen wer- den primär von der Standard-Medi- zin behandelt, dem Arzt oder dem Krankenhaus. Da das Zugangsalter sinkt, müßte sich die gesamte Medi- zin nach rückwärts entwickeln.
0 Zu meiner Person: Ich bin kein Angestellter einer LVA oder BfA, besitze keinen Vertrag mit einer LVA oder BfA und verdiene mein Geld überwiegend durch eine Kas- sen-Allgemeinpraxis.
Dr. med. Norbert Gröbner Arzt für Allgemeinmedizin und Badearzt
874 Bad Neustadt/Saale Otto-Hahn-Straße 16
EUPHORIE
Zu einem Kommentar „Primus inter Pa- rias", DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 13/1974, Seite 917; der das Kranken- hausstrukturmodell Neustadt am Rü- benberge kritisch unter die Lupe nahm:
Der Urheber dieses Artikels hat, von der Euphorie seiner eigenen Argumentationskette fortgerissen, rätedemokratische Absichten hin- ter der Wahl des ärztlichen Direk- tors vermutet. Offensichtlich er- kennbar steht aber für diese Wahl das Hochschulmodell Pate. Daraus wird auch erkennbar, daß die Wahl in den Zweigen Wirtschaft, Versor- gung und Pflegedienst schwieriger ist als im ärztlichen Bereich, weil allein bei der Ärzteschaft, ähnlich wie an der Hochschule, wissen- schaftlich hochqualifizierte und als gleichberechtigt anzusehende Per- sonen für kürzere Zeiträume einen Koordinator gemeinsamer Interes- sen bestellen. Ich bin versucht, die Gegenfrage zu stellen, nämlich, ob bei einem solchen Sachverhalt die Bestellung des ärztlichen Direktors durch den Krankenhausträger für die Ärzteschaft erstrebenswerter ist als das Hochschulmodell. Im übrigen müßte man jetzt dem Ge- danken nachgehen, ob die seit dem 13. Jahrhundert an den euro- päischen Hochschulen praktizierte Lösung vielleicht doch räte-demo- kratisch ist. Es erscheint mir je- doch des Nachdenkens wert, ob längere Wahlperioden, wie in dem Artikel angedeutet, sinnvoller sind.
Wolfgang Kunze
Kreisdirektor des Landkreises Hannover
3 Hannover, Höltstraße 17