• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "1947/1997 – Bundesärztekammer im Wandel (XII): Die Weiterbildungsordnung - Von der Schilderordnung zum integralen Bestandteil der Bildung im Arztberuf" (26.09.1997)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "1947/1997 – Bundesärztekammer im Wandel (XII): Die Weiterbildungsordnung - Von der Schilderordnung zum integralen Bestandteil der Bildung im Arztberuf" (26.09.1997)"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Neben der Berufsordnung (einer Art Disziplinarordnung) der deut- schen Ärzteschaft ist die Weiterbil- dungsordnung (früher: Facharztord- nung) das sowohl für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für die gesamte Be- völkerung bedeutendste Instrument der ärztlichen Selbstverwaltung.

Die Weiterbildungsordnung re- gelt die Spezialisierung im ärztlichen Beruf und den Erwerb einer entspre- chenden Anerkennung einer erfolgrei- chen Spezialisierung durch die Ärzte- kammer. Die Facharzt-Urkunden be- scheinigen den Inhabern Fachkompe- tenz. Die Ärztekammern übernehmen damit für die Patienten die Verantwor- tung, daß sie auf entsprechend qualifi- zierte Ärztinnen und Ärzte treffen, daß deren Kompetenz auch der An- kündigung auf dem Praxisschild und auf Briefbögen et cetera entspricht.

Die Ärztekammern erteilen langjährig erfahrenen Spezialisten die Befugnis (früher Ermächtigung), ent- sprechend weiterbildungswillige Ärz- tinnen und Ärzte in ihrem Fach zu bil- den. Die Ärztekammern gestalten die Weiterbildungsordnung, nehmen Einfluß auf die Durchführung der Weiterbildung und überprüfen den Weiterbildungserfolg. Sie bescheini- gen diesen Erfolg durch die Ausstel- lung entsprechender Urkunden, wel- che die Inhaber berechtigen, Gebiets- bezeichnungen (sogenannte Fach- arzttitel), Schwerpunktbezeichnun- gen (Subspezialisierungen in be- stimmten Gebieten) und Zusatzbe- zeichnungen (mehreren Fächern zu- zuordnende besondere Spezialisie- rungen wie zum Beispiel Allergolo- gie, Sportmedizin) zu führen. Außer- dem können auch Beurkundungen von Qualifikationen beziehungsweise Weiterbildungsgängen erworben wer- den, die nicht ankündigungsfähig sind

(fakultative Weiterbildungen und Fachkunden).

Heute ist eine abgeschlossene Weiterbildung nach dem Erwerb der staatlichen ärztlichen Approbation für die meisten Ärztinnen und Ärzte unabdingbar, weil sie gesetzlich oder durch die Rechtsprechung integraler Bestandteil der Bildung im Arztberuf geworden ist. Ausbildung und Weiter- bildung sind damit zugleich Elemente der Qualitätssicherung der ärztlichen Versorgung unserer Bevölkerung.

Ungeregelte Spezialisierung im 19. Jahrhundert

Die Spezialisierung der Ärzte entwickelte sich zunächst ungeregelt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Keimzelle waren verständlicherweise die medizinischen Fakultäten, da ein wesentlicher Antrieb des wissen- schaftlichen Fortschritts die Speziali- sierung wurde. Von den Hochschulen

ausgehend, breitete sich das Speziali- stentum Ende der 80er Jahre des 19.

Jahrhunderts auch in den ärztlichen Praxen aus, eigentlich entgegen gel- tendem Standesrecht, waren doch die Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, ihren Patienten rund um die Uhr (so- genannte 168-Stunden-Woche) um- fassend zur Verfügung zu stehen.

Als erste kehrten sich die Au- genärzte von einer Tätigkeit als „Voll- arzt“ ab, dann folgten die Ohrenärzte, die Frauenärzte, die Hautärzte und die Chirurgen, nach der Jahrhundert- wende die Nervenärzte, Kinderärzte, die Urologen und die Orthopäden.

Die Folge war eine heftige in- nerärztliche Diskussion um die Fol- gen dieser Entwicklung, welche sich über die Jahrzehnte bis in unsere Tage fortgesetzt hat. Der Anerkennung der Erfolge der Spezialisierung tritt die Warnung vor einer Zersplitterung des Arztberufes gegenüber. Entsprechen- de Zitate der Auseinandersetzung aus der damaligen Zeit finden sich in Se- werings Artikel „Von der Bremer Richtlinie zur Weiterbildungsord- nung“ (1).

Die damaligen Hausärzte, wel- che sich als „Vollärzte“ empfanden, hatten sich mit der Entwicklung der Spezialisierung und der Führung von Facharzttiteln abgefunden, aber nach aller Erkenntnis aus heutiger Sicht wohl zu dem Preis, daß die damaligen Spezialisten verpflichtet wurden, sich auf ihr Spezialgebiet zu beschränken,

A-2483 Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 39, 26. September 1997 (39)

1947/1997: Bundesärztekammer im Wandel (XII)

Die Weiterbildungsordnung

Von der Schilderordnung

zum integralen Bestandteil der Bildung im Arztberuf

Jörg-Dietrich Hoppe

Bisher sind in dieser Serie erschienen:

Thomas Gerst: Föderal oder zentral? – Der kurze Traum von einer bundeseinheitlichen ärztlichen Selbst- verwaltung (Heft 38/1996)

Gerhard Vogt: Arzt im Krankenhaus (Heft 45/1996)

Hedda Heuser-Schreiber: Ärztinnen in Deutschland – Fakten, Beobachtungen, Perspektiven (Heft 1–2/1997) J. F. Volrad Deneke: Körperschaften und Verbände – streitbare Verwandte (Heft 4/1997)

Klaus-Ditmar Bachmann, Brigitte Heerklotz: Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (Heft 10/1997)

Marilene Schleicher: Die ärztliche Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland (Heft 14/1997) Jürgen W. Bösche: Die Reichsärztekammer im Lichte von Gesetzgebung und Rechtsprechung der Bundes- republik Deutschland (Heft 21/1997)

Horst Dieter Schirmer: Ärzte und Sozialversicherung (I) – Der Weg zum Kassenarztrecht (Heft 26/1997) Horst Dieter Schirmer: Ärzte und Sozialversicherung (II) – Der Weg zum Kassenarztrecht (Heft 27/1997) Franz Carl Loch, P. Erwin Odenbach: Fortbildung in Freiheit – Gestern und heute: Eine Hauptaufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung (Heft 33/1997)

Franz Carl Loch, Wolfgang Loris: Der saarländische Sonderweg (Heft 38/1997)

(2)

dieses anzukündigen und sich hausärztlicher Tätigkeit zu enthalten.

So wurde es in den „Leitsätzen zur Facharztfrage“ (als „ Richtlinien“ be- schlossen vom 43. Deutschen Ärzte- tag in Bremen am 21. Juni 1924) im

„Ärztlichen Vereinsblatt für Deutsch- land“ am 11. August 1924 publiziert.

Als Facharztbezeichnungen wur- den aufgeführt: Chirurgie, Frauen- krankheiten und Geburtshilfe, Or- thopädie, Augenkrankheiten, Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Erkran- kungen der Harnorgane (Urologie), Nerven- und Geisteskrankheiten, Röntgen- und Lichtheilkunde, Zahn-, Kiefer- und Mundkrankheiten (dazu Approbation als Zahnarzt nötig), In- nere Medizin (einschließlich Nerven- krankheiten), Magen-Darm- und Stoffwechselkrankheiten, Lungen- krankheiten (Erkrankungen der Luft- wege), Kinderkrankheiten (nur bis zum vollendeten 13. Lebensjahre. Be- ratung und Behandlung erwachsener Angehöriger ist grundsätzlich verbo- ten!).

Daß mit diesen Leitsätzen schon 1924 eine Arbeitsteilung innerhalb besonders der niedergelassenen Ärz- teschaft gemeint war, ist aus den nach- folgenden Regelungen zu schließen, wenn es heißt: „Von den Vertretern dieser Sonderfächer (ganz besonders aber von den unter Nr. 11 bis 14 ge- nannten) ist zu fordern, daß ihnen die zur fachgemäßen Ausübung ihrer Tätigkeit notwendige ,besondere‘

Einrichtung zur Verfügung steht, daß sie sich im ,wesentlichen‘ auf ihr Son- derfach, sowie auf konsultative Sprechstunden- und Anstaltstätigkeit beschränken, das heißt Hausbesuche nur in notwendigen Fällen machen, dagegen jede Art der üblichen ,hausärztlichen‘ Tätigkeit des prakti- schen Arztes unterlassen.“ (3)

Aus den Gesamtzusammenhän- gen der damaligen Diskussionen kann abgeleitet werden, daß sich die hausärztlich tätigen praktischen Ärz- te von dieser Regelung erhofften, den vermeintlich oder tatsächlich erlitte- nen Ansehensverlust in der Öffent- lichkeit durch diese Regelung aufzu- halten oder sogar umzukehren, indem sie als „Vollärzte“, die Spezialisten aber als eingeschränkt tätige Ärzte angesehen würden (Stobrawa, 5).

Die Bremer Richtlinie war aber nur vorübergehend geeignet, den In- teressenkonflikt zwischen den spezia- lisierten und den nicht spezialisierten Ärzten zu lösen, zumal die Bevölke- rung zunehmend den Anspruch er- hob, fachkompetente Ärzte für ihre speziellen Krankheiten und Be- schwerden auch aufsuchen zu können.

Folglich änderten sich die Relationen dieser Arztgruppierungen zuneh- mend zugunsten der Spezialisten: 1909 waren es knapp 23 Prozent aller in Deutschland niedergelassenen Ärzte, heute sind es deutlich über 60 Prozent.

Als Ursachen für die Einführung unserer heutigen Weiterbildungsord-

nung können somit drei Wurzeln aus- gemacht werden – nach Vogt (6):

¿ die zunehmende Bedeutung der Naturwissenschaften in der Medi- zin und immer spezieller werdende Erkenntnisse und Erfahrungen auch mittels der Medizintechnik mit der Folge zunehmender Arbeitsteilung

À das Verlangen der Patienten nach speziell kompetenten Ärzten für ihre Krankheiten und Beschwerden

Á die Meinungsbildung in den ärztlichen Standesorganisationen, daß die entwickelten ärztlichen Spe- zialitäten berufsrechtlich definiert und die Spezialisten untereinander und gegen den als Praktischer Arzt (Hausarzt) tätigen Arzt abgegrenzt werden müssen.

Dabei soll die Einheit des Arztbe- rufes erhalten bleiben. Fachärztliche Tätigkeit ist keine besondere berufli- che Tätigkeitsform. Seit Beginn des Facharztwesens wird Weiterbildung

als von Weiterbildern überwachtes so- genanntes Nebenprodukt ärztlicher Tätigkeit in einem hauptamtlichen Arbeitsverhältnis verstanden, so daß einmal ein bürgerlich-rechtliches Ar- beitsverhältnis des Arbeitnehmers Ärztin/Arzt mit seinem Arbeitgeber (in der Regel einem Krankenhausträ- ger) und zum anderen ein öffentlich- rechtlich geregeltes Weiterbildungs- verhältnis zwischen dem weiterbilden- den Arzt und dem weiterbildungswil- ligen Arzt besteht. Diese Rechtsform des Weiterbildungsverhältnisses konn- te über Jahrzehnte aufrechterhalten werden, weil bis zum Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts Weiterbil-

dung eine freiwillige Angelegenheit war und zumindest bis Mitte der 80er Jahre die Zahl der Arbeitsplätze, wel- che für ärztliche Weiterbildung ge- nutzt werden konnten, größer war als die Zahl der arbeitsuchenden Ärztin- nen und Ärzte.

Jetzt, gegen Ende des 20. Jahr- hunderts, haben sich durch Gesetzge- bung und Rechtsprechung (siehe 7, 8, 9) bereits Entwicklungen abgezeich- net, welche darauf hindeuten, daß ne- ben der arbeitsplatzbezogenen Wei- terbildung ergänzende Weiterbil- dungsmaßnahmen erforderlich sein werden, um ärztliche Spezialisierung auf hohem Niveau auch in der Zu- kunft sicherzustellen. Besonders wird diskutiert, ob für die ärztliche Fortbil- dung durchgeführte Lehrveranstal- tungen nicht auch für die Weiterbil- dung genutzt werden können.

Schließlich betreiben schon lange mehrere Ärztekammern Akademien Für jedes Fachgebiet mindestens ein Leitzordner: Der „Papierkrieg“, der hinter jeder Revision der Weiterbil- dungsordnung steckt (hier 1976 beim 79. Deutschen Ärztetag in Düsseldorf) Foto: Neusch

(3)

für ärztliche Fort- und Weiterbildung.

Auch neue Lehr- und Lernmethoden, wie das Mittel der Telekommunikati- on, das Lernen an Simulationsmodel- len etc., sollen für die Weiterbildung genutzt werden können, um die zu- nehmend defizitäre arbeitsplatzbezo- gene Weiterbildung zu kompensieren.

Wie oben dargestellt, entwickelte sich das Weiterbildungswesen zu- nächst aus einer Schilderordnung in eine Art Arbeitsteilungsordnung und in mitigierter Form auch als Bildungs- ordnung. Diese Bildung bestand jah- relang lediglich darin, daß der Fach- arzt mindestens eine bestimmte Zeit bei einem berufserfahrenen derarti- gen Facharzt tätig gewesen sein muß- te. Die ärztliche Standesorganisation erkannte dann eine derartige Tätig- keit als erfolgreich und damit die Führung der entsprechenden Fach- arztbezeichnung an.

In der Zeit des Nationalsozialis- mus sind wesentliche strukturelle und inhaltliche Änderungen der Bremer Richtlinie von 1924 nicht vorgekom- men. Noch vorher beschloß der Deut- sche Ärztetag 1933 (siehe 3): „Die Bezeichnung Spezialarzt schließt grundsätzlich die berufsmäßige Aus- übung einer allgemeinen ärztlichen Tätigkeit aus.“

1935 geriet der Vollzug des Facharztwesens in die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen Deutschlands, auch für solche Ärztin- nen und Ärzte, welche in dieser gar nicht Mitglieder waren beziehungswei- se gar nicht sein konnten. In diesem Jahre wurde auch eine neue Reichs- ärzteordnung erlassen. Zum 1. April 1936 wurde die Reichsärztekammer gegründet, welche dann im Jahre 1937 eine neue Berufs- und Facharztord- nung erließ. Diese enthielt lediglich et- was detaillierter im wesentlichen die Vorschriften des Ärztevereinsbundes aus der Bremer Richtlinie von 1924.

1940 wurde zusätzlich der Facharzt für Pathologische Anatomie eingeführt.

Vorher waren erstmals Zusatzbezeich- nungen, nämlich Geburtshelfer, Na- turheilverfahren und Badearzt, Homöopathie, Tropenkrankheiten und Serologische Blutuntersuchun- gen, zugelassen (nach 6).

Nach dem Zweiten Weltkrieg än- derte sich in den neu gegründeten Ärztekammern, welche für die Fach-

arztfragen zuständig blieben, weil das Facharztwesen Bestandteil der ärztli- chen Berufsordnungen war, zunächst nichts. 1949 wurden der Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechsel- krankheiten gestrichen und die Zu- satzbezeichnung Psychotherapeut aufgenommen. 1953 wurde die Anästhesie eingeführt, 1956 die Ge- biete Neurochirurgie und Laboratori- umsmedizin, so daß ab diesem Jahre 15 Facharztbezeichnungen erworben werden konnten.

Wie oben schon angedeutet, war angesichts des im Jahre 1949 verab- schiedeten Grundgesetzes der Bun- desrepublik Deutschland die Rege- lung der Berufsausübung der Heilbe- rufe Angelegenheit der Länder und damit auch die Frage der Berufs- und Facharztordnung. Die Ärztekam- mern in Deutschland waren sich je- doch einig, daß eine Ungleichheit des Facharztwesens der verschiedenen Kammerbereiche einmal nicht nütz- lich sei, zum anderen sowohl für die Ärztinnen und Ärzte als auch für die Bevölkerung zu ungleichen Lebens- verhältnissen führen könnte. Deshalb bestand Konsens, daß die Deutschen Ärztetage Empfehlungen für Inhalt und Form einer Muster-Facharztord- nung geben sollten, die von den Lan- desärztekammern übernommen und in geltendes Recht überführt werden müßten. Dieses Verfahren ist bis heu- te beibehalten worden. Politische In- itiativen, das Facharztwesen landes- gesetzlich oder gar durch ein Bundes- gesetz zu regeln, sind Anfang der 50er Jahre unter anderem auch an der feh- lenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gescheitert.

1968: Bedeutsame Neuerungen beschlossen

Einen bedeutsamen Einschnitt im deutschen Facharztwesen bedeu- teten die Beschlüsse des 71. Deut- schen Ärztetages 1968 in Wiesbaden, deren Entstehung detailliert beschrie- ben wurde vom damaligen Vorsitzen- den der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Dr.

h. c. Hans J. Sewering (1).

Herausragende Neuerungen wa- ren die Einführung neuer Gebiete, wie die Kinder- und Jugendpsychia-

trie, die Wiedereinführung der Pa- thologischen Anatomie, die Pharma- kologie und nicht zuletzt die lange umstrittene Allgemeinmedizin. Neu- rologie und Psychiatrie wurden als selbständige Gebiete eingeführt, her- vorgegangen aus dem alten Gebiet Nerven- und Gemütskrankheiten.

Außerdem wurde das Prinzip der Subspezialisierung ersonnen, also die weitere Spezialisierung im spezialisti- schen Fach, im wesentlichen, um ein Auseinanderbrechen der großen Fächer Innere Medizin und Chirurgie in zahlreiche Einzelgebiete zu verhin- dern, also anders, als es zum Beispiel in Frankreich geschehen war. Die subspezialistischen Gebiete wurden Teilgebiete genannt, so daß das In- strumentarium des Weiterbildungs- wesens (Facharztwesen) nunmehr die Möglichkeiten der Verleihung von Facharzturkunden, Teilgebiets- urkunden und Zusatzbezeichnungs- Urkunden enthielt.

Die Weiterbildungsordnung wur- de in einen Abschnitt über die allge- meinen Vorschriften, wie zum Bei- spiel die Regelung der Ermächtigung zur Weiterbildung, zur Zeugnisertei- lung oder der Anerkennung abwei- chender Weiterbildungsgänge gefaßt.

Im zweiten Abschnitt wurden dann die einzelnen Fachgebiete, die Teilge- biete und die Zusatzbezeichnungen aufgeführt mit genauer Definition, mit Angaben über die Mindestweiter- bildungszeiten, anrechenbaren Wei- terbildungszeiten in anderen Gebie- ten und einer kurzen Beschreibung des Inhaltes der Weiterbildung.

Zusätzlich wurden – jedoch nicht als Vorlage für ein Satzungsrecht – er- gänzende Richtlinien zum Inhalt der Weiterbildung veröffentlicht, welche Angaben über das Wissen und Kön- nen enthielten, welches während der Weiterbildung vermittelt und erlernt werden sollte. Diese Richtlinien soll- ten eine Handreichung sein für die Weiterbilder, für die Weiterzubilden- den und für die Administrationen der Ärztekammern.

Somit wurde 1968 eine Muster- weiterbildungsordnung verabschie- det, welche noch deutlicher als vorher eine Änderung des Charakters dieser Weiterbildungsordnung im Sinn einer Bildungsordnung und einer Gebiets- abgrenzungsordnung gegenüber der A-2486 (42) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 39, 26. September 1997

(4)

früher vorherrschenden Schilderord- nung bedeutete.

Schon Anfang der 60er Jahre ent- zündeten sich innerärztliche Streitig- keiten über die Zuständigkeit für die Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen. Mit der Einführung der Einzelleistungsvergütung im kas- senärztlichen Bereich bedeuteten die- se Zuständigkeiten natürlich auch ökonomische Folgewirkungen, für die sich nicht nur die betroffenen Ärztin- nen und Ärzte selbst, sondern auch die Kassenärztlichen Vereinigungen und besonders auch die gesetzlichen Krankenkassen interessierten. Eine derartige Gebietsabgrenzungsstrei- tigkeit, verbunden mit der Forderung, mehrere Facharztbezeichnungen gleichzeitig führen zu dürfen, war es dann, die Anfang der 60er Jahre eine durch alle Instanzen unserer Ge- richtsbarkeit weitergereichte Ausein- andersetzung um die Zuständigkeit der Erbringung einer bestimmten Leistung zum Inhalt hatte, welche nach neun Jahren im Jahre 1972 zu ei- nem Beschluß des Bundesverfas- sungsgerichtes führte, der zum Inhalt hatte, daß es sich bei der ärztlichen Weiterbildung um eine Berufsaus- übungsregelung handele.

Damit wurde die Einheit des Arztberufes bestätigt.

Der Beschluß des Verfassungsge- richtes enthielt aber auch die Feststel- lung, daß die bis dahin gültige Rege- lung über das Weiterbildungswesen in den Heilberufs- und Kammergeset- zen, wonach die Landesärztekam- mern berechtigt seien, eine Berufs- und Facharztordnung zu erlassen, un- zureichend sei. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, selbstdie „status- bildenden Bestimmungen“ gesetzlich zu regeln, also gesetzliche Vorgaben zum Berufszugang, zur Art der Quali- fikationen, zu den allgemeinen Er- werbsbedingungen, gegebenenfalls zum Prüfungswesen und zu Fragen der Gebietsbeschränkungspflicht et cetera zu treffen. Begründet hat das Bundesverfassungsgericht seinen Be- schluß mit der Auffassung, der Staat habe die Aufgabe, auch in dieser schwerwiegenden Frage das Gemein- wohl gegenüber möglichen Gruppen- interessen zu hüten (9).

Als Konsequenz aus diesem Facharztbeschluß des BVG bildeten

die Bundesländer eine Arbeitsgrup- pe, welche sich die Aufgabe vornahm, die Entscheidung koordiniert in gel- tendes Recht umzusetzen. Die Ar- beitsgruppe bildete einen Musterent- wurf für Heilberufs- beziehungsweise Kammergesetze der Länder, welcher 1974 fertiggestellt wurde. Bundesärz- tekammer und Landesärztekammern waren während dieser Arbeiten stän- dige Gesprächspartner der Arbeits- gruppe und der Gesundheitsministe- rien der Länder. Gemeinsam wurde ein allseits tolerierbarer Kompromiß erreicht.

Natürlich wurden die Landesge- setze auch um andere Berufspflichten des Arztes ergänzt, wie zum Beispiel die Fortbildung, die Teilnahme am Notfalldienst, die Aufzeichnungs- pflicht, die Generalpflichtenklausel überhaupt et cetera. Bezüglich des

Weiterbildungswesens wurden die Vorgaben des Bundesverfassungsge- richtes, aber auch noch weitere Vor- schriften gesetzlich normiert, wie zum Beispiel die Einführung einer mündli- chen Abschlußprüfung bei der Ärzte- kammer vor der Verleihung einer Ge- bietsbezeichnung oder die Pflicht zum Wechsel der Weiterbildungsstätte während der Weiterbildung. Bezüg- lich der Spezialisierungswege hat der Gesetzgeber in den meisten Länder- gesetzen die Gebietsbezeichnungen Allgemeinmedizin und Öffentliches Gesundheitswesen selbst festgelegt.

Ansonsten hat er lediglich Vorschrif- ten über die Implementierung von konservativen, operativen, nerven-

heilkundlichen, theoretischen und methodisch-technischen medizini- schen Fächern sowie Ökologie und die Verbindungen dieser Fachrichtun- gen normiert.

1976: Neue Muster- Weiterbildungsordnung

Als Folge der neuen Gesetzge- bung hat dann der 79. Deutsche Ärz- tetag im Jahre 1976 in Düsseldorf eine entsprechend ergänzte Muster-Wei- terbildungsordnung verabschiedet, in der die gesetzlichen Vorgaben in das Weiterbildungsrecht aufgenommen, zusätzlich aber auch entsprechend dem wissenschaftlichen Fortschritt der Medizin und den Versorgungsbe- dürfnissen der Bevölkerung neue Be- zeichnungen eingeführt wurden. Es gab nunmehr 27 Gebiete, 14 Teilge- biete und 15 Zusatzbezeichnungen.

Der Wechsel der Weiterbildungsstät- te wurde in Chirurgie und Innerer Medizin vorgeschrieben. Ärztinnen und Ärzte, welche eine Gebietsbe- zeichnung führten, sollten sich

„grundsätzlich“ auf ihr Gebiet be- schränken, bei Führung einer Teilge- bietsbezeichnung „im wesentlichen“

auf das Teilgebiet. Es wurde ein Kata- log verabschiedet von verwandten Gebieten, welche nebeneinander ge- führt werden dürften. Facharztprü- fungen wurden für Gebiete und Teil- gebiete eingeführt, und es wurden verpflichtende Vorschriften über den Inhalt der Weiterbildung in die Wei- terbildungsordnung aufgenommen.

Der 90. Deutsche Ärztetag 1987 beschäftigte sich wiederum grundle- gend mit der Weiterbildungordnung, allerdings nicht so sehr in strukturel- len Fragen, sondern in Fragen der Adaptation des mittlerweile weiter fortgeschrittenen Spezialisierungs- grades in der Medizin und der sich daraus ergebenden Ankündigungs- möglichkeiten. Es wurden die Gebie- te Klinische Pharmakologie, Neuro- pathologie, nunmehr Radiodiagno- stik und Strahlentherapie und weitere Gebiete sowie Teilgebiete eingeführt.

Schon vorher war im Jahre 1985 Rücksicht genommen worden auf die bevorstehende Einführung der Aus- bildungsphase „Arzt im Praktikum“.

Es wurde eine Regelung gefunden, Fürsprecher des Allgemeinarztes (beim 75. Deut-

schen Ärztetag in Westerland 1972) Foto: Neusch

(5)

welche Zeiten und Inhalte dieser Bil- dungsphase für die Anerkennung ei- ner Weiterbildung nutzbar machten.

Mit der Einführung der Gebiets- bezeichnung „Arzt für Allgemeinme- dizin“ war vom 75. Deutschen Ärzte- tag 1972 in Westerland, bestätigt vom 76. Deutschen Ärztetag 1973 in Mün- chen und durch die Beschlußfassung der Muster-Weiterbildungsordnung von 1976 in Düsseldorf, festgelegt worden, daß es nicht mehr Fachärzte für . . .,sondern nur noch Ärzte für. . . in Zukunft geben solle.

Die Abschaffung des Facharztti- tels sorgte für große Unruhe und gerichtliche Auseinandersetzungen, welche bis weit in die 80er Jahre an- dauerten. 1991 beschloß der 94. Deut- sche Ärztetag in Hamburg, die Be- zeichnung Facharzt optional einzu- führen, für alle Ärztinnen und Ärzte, welche eine Gebietsbezeichnung zu führen berechtigt seien, auch für All- gemeinmedizin.

Ein weiterer Markstein in der Entwicklung des Weiterbildungswe- sens ergab sich natürlich aus der Wie- dervereinigung Deutschlands im Jahr 1990.

Die DDR ging andere Weiterbildungswege

In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik galten an- dere gesetzliche Grundlagen für das Weiterbildungswesen. Die Weiterbil- dung wurde zentralstaatlich geregelt.

Es gab eine Pflichtweiterbildung für alle Ärztinnen und Ärzte, so daß nach Abschluß des Studiums lediglich eine Teilapprobation erteilt wurde, welche eine ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsvertrages möglich machte. Das Fach Allgemeinmedizin war seit langem eingeführt und ein verpflichtender Weiterbildungsgang.

Im großen und ganzen unter- schieden sich die anerkannten Gebie- te von denen in der alten Bundesrepu- blik Deutschland aber nicht oder nicht wesentlich, so daß sich eine Ar- beitsgruppe von Kolleginnen und Kollegen aus den wieder gegründeten Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen und aus Ber- lin, anfangs noch unter Beteiligung

des noch bestehenden DDR-Gesund- heitsministeriums, an die Erarbeitung einer Übergangsweiterbildungsord- nung machte, um sich vorzubereiten auf die Verhältnisse, welche nach dem vollzogenen Beitritt dieser Länder in den Geltungsbereich des Grundgeset- zes der Bundesrepublik Deutschland sich ergeben würden. Experten aus den alten Bundesländern halfen unter der Führung des damaligen Vorsit- zenden der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer, Prof. Dr.

Dr. h. c. Sewering (2), mit.

Da schon in den Jahren der Spal- tung Deutschlands aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland ge- wechselte Ärztinnen und Ärzte mit ihren Facharzturkunden aus der DDR im allgemeinen die Anerken- nung zur Führung der entsprechen- den Bezeichnung in den Ärztekam- mern der alten Bundesrepublik er- hielten, war das Unterfangen der Zu- sammenführung prinzipiell möglich.

Es verlief auch anschließend weitge- hend reibungslos.

Arztbezeichnungen nach frühe- rem DDR-Recht wurden somit in den alten Bundesländern anerkannt, so- fern die Bezeichnung dort auch einge- führt war. Eingeführte Bezeichnun- gen in den neuen Bundesländern, die es nur dort gab, wurden als anerkann- te Bezeichnungen dort weitergeführt.

Vorübergehend gab es den Zu- stand, daß in den Ländern der neuen Bundesrepublik Deutschland Ge- bietsbezeichnungen unterschiedli- cher Art vorkamen, mit denen man nicht von einer in die andere Ärzte- kammer wechseln konnte. Zum Bei- spiel gab es die Gebietsbezeichnung Arzt für Psychotherapie in den neuen Bundesländern, in den alten Bundes- ländern jedoch nicht, dort gab es diese lediglich als Bereichsbezeichnung.

Lange hielt dieser Zustand aber nicht an.

Der 94. Deutsche Ärztetag in Hamburg beschäftigte sich auf dem Boden eines ausführlichen Referats des Vorsitzenden der Weiterbildungs- gremien der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Dr. h. c. Sewering (2), inten- siv mit den beiden Weiterbildungs- ordnungen in Ost und West und mit den bis dahin entwickelten Ideen zu einer Novellierung der Weiterbil- dungsordnung, die sich auch für die

alte Bundesrepublik Deutschland an- gesichts des wissenschaftlichen Fort- schritts der Medizin und der Versor- gungsbedürfnisse der Bevölkerung ergeben hatten. Dieser Ärztetag dis- kutierte die Thematik zunächst an- hand von Grundsatzbeschlußentwür- fen, insbesondere die Überlegungen zur Neustrukturierung von Gebieten.

Zunehmende Forderung nach Deregulierung

Das bisherige Instrumentarium von Gebieten, Teilgebieten und Zu- satzbezeichnungen (Bereichsbezeich- nungen) hatte sich als zu eng, zu infle- xibel erwiesen. Insbesondere wurde die Forderung nach einer „Deregulie- rung“ in den Weiterbildungsgängen mit operativen Anteilen laut. Wie schon vor über 100 Jahren waren auch jetzt die Augenärzte wieder Mei- nungsführer. Besonders sie forderten eine Neustrukturierung des Weiter- bildungsganges ihres Faches unter Berücksichtigung des Umstandes, daß 75 Prozent aller berufstätigen Augenärzte eine Praxis ohne operati- ve oder belegärztliche Tätigkeiten ausübten, vorher aber während ihrer Weiterbildung umfangreiche operati- ve Tätigkeiten zum Teil mit hochspe- zialisierten und risikoreichen Opera- tionen erlernt haben mußten.

Die Meinungen waren geteilt, ob es sinnvoll und für den Arztberuf nicht doch schädlich sei, zum Beispiel operierende und nicht operierende Augenärzte weiterzubilden und da- mit einer weiteren „Atomisierung“

des Arztberufes Vorschub zu leisten oder gar Fachärzte erster und zweiter Klasse einzuführen. Dementgegen stand aber die Realität mit allen Schwierigkeiten, die sich insbesonde- re für die Weiterbilder und die Wei- terzubildenden ergaben. Angesichts einer nach wie vor arbeitsplatzbezo- genen Weiterbildung mit learning by doing in der Patientenversorgung er- gab sich sogar die Frage, ob insbeson- dere bei hochspezialisierten ärztli- chen Eingriffen die Qualität ärztli- cher Arbeit im Sinn der Prozeßqua- lität gewährleistet sei.

Ein zweiter Themenkomplex be- faßte sich mit der Neueinführung von Gebieten einschließlich der Ein- A-2488 (44) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 39, 26. September 1997

(6)

führung neuer Gebiete aus großen Gebieten heraus. Der 94. Deutsche Ärztetag faßte richtungweisende Be- schlüsse, die dem Vorstand der Bun- desärztekammer und den Weiterbil- dungsgremien an die Hand gegeben wurden, um eine ausformulierte Vor- lage für eine Änderung der Weiterbil- dungsordnung für den 95. Deutschen Ärztetag im Jahre 1992 vorzuberei- ten. Diese Arbeiten für den 95. Deut- schen Ärztetag 1992 forderten die Zu- sammenfassung aller Kräfte von der Politik, hier insbesondere die Ge- sundheitsministerien der Länder über die Landesärztekammern, die Wis- senschaftlichen Gesellschaften und die Berufsverbände der deutschen Ärzteschaft, um eine konsentierte, diskussionsfähige und auch entschei- dungsfähige Vorlage für den 95. Deut- schen Ärztetag 1992 in Köln zu errei- chen.

Maximale Transparenz der Ent- scheidungsabläufe, sichergestellt durch regelmäßige schriftliche Infor- mationen und zahlreiche Gespräche, hat die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen Delegierten des 92.

Deutschen Ärztetages gefördert, sich mit diesem umfassenden Reform- werk auseinanderzusetzen. Der Ent- wurf hatte in Struktur und Ausdiffe- renzierung natürlich keine Ähnlich- keit mehr mit den Bremer Leitsätzen von 1924 oder der Berufsordnung von 1937. Gleichwohl ist die kontinuierli- che historische Ableitung dieses Wei- terbildungsentwurfes aus den Bremer Leitsätzen von 1924 möglich.

Erweitertes

Instrumentarium der Weiterbildungsordnung

Zunächst wurde das Instrumen- tarium der Weiterbildungsordnung erweitert:

Die Gebietsbezeichnungen (Facharztbezeichnungen) erfuhren von der Definition her keine Ände- rungen. Die tradierte Idee vom Teilge- biet als Subspezialisierung im Gebiet ohne Erweiterung der Gebietsgren- zen mußte jedoch aufgegeben werden.

Deshalb wurde die Umbenennung von Teilgebiet in Schwerpunkt be- schlossen, um zu dokumentieren, daß der Schwerpunkt eines Gebietes über

das Mutterfach mehr oder weniger hinausgehende Tätigkeits- und damit Bildungsinhalte aufweist.

Unverändert blieb der Charakter der Zusatzbezeichnungen (Bereiche).

Neu eingeführt wurde das Instru- ment der fakultativen Weiterbildung, ebenfalls mit Bildungsinhalten, wel- che über die Gebietsweiterbildung hinausgehen und zu einer zertifizier-

ten, nicht ankündigungsfähigen, An- erkennung durch die Ärztekammer führen. Mit diesem Beschluß trug der 95. Deutsche Ärztetage der Tatsache Rechnung, daß es Tätigkeitsfelder und Bildungsinhalte in Gebieten gibt, die nicht von allen Facharztanwärtern dieser Gebiete erlernt werden müs- sen, wie im oben genannten Beispiel der Augenheilkunde dargestellt.

Schließlich wurde noch das In- strument der Fachkunden implemen- tiert, mit denen in sehr flexibler Form die Anerkennung zur Durchführung von speziellen ärztlichen Tätigkeiten durch die Ärztekammer dokumen- tiert werden soll, zum Beispiel neu eingeführte Methoden, die während der Gebietsweiterbildung noch nicht bekannt waren. Diese Fachkunden im ärztlichen Berufsrecht sollten und sol- len Fachkunden im Sozialrecht über- flüssig machen, eine Regelung, wel- che mittlerweile durch das zweite Ge- sundheitsneuordnungsgesetz im Jah- re 1997 sogar Eingang in das Sozialge- setzbuch V gefunden hat.

Insbesondere durch die Heraus- lösung von Gebieten aus der Chirur- gie (Einführung der Herzchirurgie, der Plastischen Chirurgie und der Kinderchirurgie) und aus der Über- nahme von den in der ehemaligen Facharztordnung der Deutschen De- mokratischen Republik etablierten Gebieten Anatomie, Biochemie, Phy- siologie und Psychotherapeutische

Medizin ist die Zahl der Gebietsbe- zeichnungen auf 41 angestiegen, während die Zahl der Schwerpunkte auf 17 angewachsen ist. Ferner gibt es ebenfalls 17 fakultative Weiterbildun- gen und 22 Bereiche.

Vertrauensbildende Maßnahme gegenüber der Bevölkerung

Dem Charakter einer Berufs- ausübungsregelungsordnung (Ar- beitsteilungsordnung) entsprechend, wurde der Qualifikationsinhalt der Weiterbildung so formuliert, daß nur Ärztinnen und Ärzte, die entspre- chende Qualifikationen erworben ha- ben, die entsprechenden Verrichtun- gen bei der ärztlichen Patientenbe- treuung durchführen sollen. Durch diese Regelung ist die Ärztekammer in besonderem Maße imstande, die Verantwortung dafür übernehmen zu können, daß von ihr anerkannte und durch Urkunden zertifizierte Kennt- Eine Fülle von (detaillierten) Änderungsanträgen (95. Deutscher Ärztetag in Köln 1992) Foto: Eifrig

(7)

nisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten von den Ärztinnen und Ärzten auch beherrscht werden, ein wesentlicher Beitrag, der über die Strukturqualität hinaus Prozeßqualität sicherstellen soll und damit als kaum zu überschät- zende vertrauensbildende Maßnah- me gegenüber der Bevölkerung anzu- sehen ist.

Die 1992er Weiterbildungsord- nung hat Neuland betreten. Neben dem Sinn, die Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft und die Versorgungsbedürfnisse der Bevölke- rung zu berücksichtigen und die Ärz- tinnen und Ärzte aus den alten und den neuen Bundesländern unter ein

„Weiterbildungs-Dach“ zu bringen, hatte sie auch die Absicht, zu deregu- lieren, das heißt hier, die Absolvie- rung von Weiterbildungsgängen für viele Ärztinnen und Ärzte zu erleich- tern. Durch die Herausnahme von schwer zu erfüllenden Bildungsinhal- ten und deren Überführung in fakul- tative Weiterbildungen oder Fach- kunden wurde die Möglichkeit, eine Gebietsbezeichnung zu erreichen, er- leichtert, allerdings auch der Ge- bietsinhalt reduziert.

Durch die Einführung von neuen Zertifizierungen durch die Ärztekam- mern wurden viele „wilde Zertifika- te“, welche von Weiter- und Fortbil- dungsanbietern aller Art in der Regel kommerziell feilgeboten werden, be- rufsrechtlich jedoch ohne Relevanz sind, überfüssig gemacht.

Die besondere Geschichte des Fachs Allgemeinmedizin

Eine besondere Geschichte hat das Fach Allgemeinmedizin durchge- macht, welches ja in der ehemaligen DDR schon lange ein Pflichtweiter- bildungsfach gewesen ist, wie oben beschrieben.

Die Bremer Richtlinie von 1924 hatte zum Ziel, die nach heutiger Ter- minologie Allgemeinmedizin betrei- benden „Vollärzte“ und die einen Teilbereich der Medizin betreibenden Ärzte unterscheidbar zu machen.

Nachdem aber in den folgenden Jah- ren, insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die Speziali- sierung immer schneller voranschritt und die Bevölkerung daraus den

Schluß zog, daß die Spezialisten doch die kompetenteren Ärztinnen und Ärzte seien, erhob sich die Forde- rung, auch die Allgemeinmedizin als Fachgebiet in die Weiterbildungsord- nung einzufügen, damals mit dem Versprechen, niemals eine Pflicht zur Weiterbildung in der Allgemeinmedi- zin zu fordern.

Zunächst Doppelexistenz von praktischen Ärzten und Allgemeinärzten

1968 war es soweit: die Allge- meinmedizin wurde wie alle anderen Fächer auch als freiwilliger Weiterbil- dungsgang in die Weiterbildungsord- nung aufgenommen. Inhaltlich war jedoch eine Beschränkung auf Teil- bereiche der ärztlichen Berufsaus- übung nicht vorgesehen. Wie schon nach der Approbation, welche nach bis heute geltendem Recht die Ge- nehmigung zur umfassenden Aus- übung der Heilkunde am Menschen unter der Berufsbezeichnung Ärztin oder Arzt bedeutet, war auch die De- finition des Gebietes Allgemeinme- dizin so formuliert, daß eine Be- schränkung aus berufsrechtlicher Sicht nicht zu erkennen war. So exi- stierten Ärztinnen und Ärzte für All- gemeinmedizin neben Praktischen Ärztinnen und Ärzten und solchen ohne irgendein Epitheton mit dersel- ben Berechtigung, ärztlich berufs- tätig zu sein.

Diese Doppelexistenz von Prak- tischen Ärzten und Allgemeinärzten führte bei den Vertretern der Allge- meinmedizin jahrelang zur Unzufrie- denheit, weshalb sie Ende der 70er Jahre forderten, die ärztliche Appro- bation nach Beendigung der Ausbil- dung zum Arzt abzuwerten und eine eigenverantwortliche und selbständi- ge ärztliche Berufsausübung erst nach einer abgeschlossenen Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zu anderen Gebietsbezeichnungen zu erlauben. Dies hätte bedeutet, daß nur den weitergebildeten Ärztinnen und Ärzten für Allgemeinmedizin die umfassende Ausübung der Heilkunde am Menschen gestattet gewesen wä- re, während die anderen Ärztinnen und Ärzte sich hätten beschränken müssen. Dieses wurde vom 82. Deut-

schen Ärztetag 1979 in Nürnberg nicht akzeptiert.

Gleichwohl haben die Allge- meinärzte ihr Ziel nicht aus den Au- gen verloren. Der Weg wurde nun über die Europäische Union gesucht.

Schon im Jahre 1979 empfahl der Be- ratende Ausschuß der Ärzte für die ärztliche Ausbildung bei der Eu- ropäischen Kommission, in allen Mit- gliedsländern der Europäischen Uni- on eine spezielle Ausbildung in der Allgemeinmedizin einzuführen und die ärztliche Approbation nur noch als Zulassung zu der dem Studium nachfolgenden Weiterbildung anzu- sehen. 1986 wurden diese Ideen teil- weise in eine Richtlinie umgesetzt, in- dem den Mitgliedsländern der Eu- ropäischen Union vorgeschrieben wurde, eine spezielle Ausbildung in der Allgemeinmedizin von minde- stens zwei Jahren Dauer einzuführen, was in Deutschland auch geschah, je- doch ohne hierfür die Regelungen zur Weiterbildung zum Allgemein- arzt zu verwenden. Es wurde eine ge- sonderte Zertifizierungs-Regelung auf landesgesetzlicher Ebene be- schlossen.

93. Deutscher Ärztetag:

Entscheidende Wende

Eine Wende in der Behandlung des Themas Weiterbildung in der All- gemeinmedizin beschloß der 93.

Deutsche Ärztetag 1990 in Würzburg, indem er für die ärztliche Tätigkeit im vertragsärztlichen System der Bun- desrepublik Deutschland für den nicht spezialisierten Bereich eine mindestens dreijährige Weiterbildung in der Allgemeinmedizin forderte.

Dieser Beschluß wurde von der Poli- tik in Bund und Ländern als Signal verstanden für die Einführung einer hausärztlichen Tätigkeit, was auf Bundesebene durch das Gesundheits- strukturgesetz in Form des Gliede- rungsauftrages im § 73 des Sozialge- setzbuches V normiert wurde. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder forderte alsbald eine ärztliche Versorgung im ambulanten Sektor mit stärkerer Berücksichtigung der hausärztlichen Komponente derge- stalt, daß circa 60 Prozent der Ärztin- nen und Ärzte im ambulanten ver- A-2490 (46) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 39, 26. September 1997

(8)

tragsärztlichen Bereich Hausärzte und nur circa 40 Prozent Spezialisten sein sollten.

Allgemeinmedizin – auf die Inhalte

des Gebietes beschränkt

Der 99. Deutsche Ärztetag 1996 in Köln legte nach eingehender Dis- kussion fest, das Fach Allgemeinme- dizin solle so gestaltet werden, daß al- lein hierin die hausärztliche Versor- gung (neben der Hausarztfunktion der Kinderärzte und partiell auch ei- niger anderer Facharztgruppen) defi- niert sein solle. Entsprechend be- schloß nach umfangreichen Vorbera- tungen der 100. Deutsche Ärztetag 1997 in Eisenach eine auf die hausärztliche Tätigkeit zugeschnitte- ne Definition des Gebietes Allge- meinmedizin.

Durch diese Definition ist sicher- gestellt, daß Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin, genauso wie alle anderen Fachärztinnen und Fachärz- te, nicht mehr die umfassende Aus- übung der Heilkunde am Menschen durchführen, sondern sich auf die In- halte ihres Gebietes beschränken müssen. Dies ist, materiell gesehen, eine gewichtige Änderung gegenüber der ursprünglichen Forderung der Vertreter der Allgemeinmedizin aus den 70er Jahren.

Die Dauer der Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin wur- de schon 1996, bestätigt 1997, auf min- destens fünf Jahre festgelegt.

Status quo und

Perspektiven in der EU

In der Europäischen Union gibt es nach wie vor die spezifische Ausbil- dung für Allgemeinmedizin nach Beendigung der Berufsausbildung gemäß der früheren Richtlinie EWG 86/457, heute eingefügt in die moder- nisierte Richtlinie EWG 93/16 mit der zweijährigen Mindest-Weiterbil- dungsdauer. Im übrigen enthält diese Richtlinie Bestimmungen für die ge- genseitige Anerkennung der Diplo- me, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichte-

rung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr in Europa sowie eine Liste der Facharzt- bezeichnungen, die in allen Mitglieds- ländern der Europäischen Union eta- bliert sein müssen, und eine zweite Li- ste der Facharztbezeichnungen, die in mindestens zwei Mitgliedsländern der Europäischen Union vorkommen.

Ärztinnen und Ärzte der Mit- gliedsländer der Europäischen Union sind schon seit 1975 berechtigt, mit die- sen Dokumenten in jedem Mitglieds- land der EU ärztlich tätig zu werden, vorausgesetzt, daß sie die jeweilige Landessprache beherrschen. Die

„Aufnahmeländer“ sind nicht berech- tigt, den Wert der Diplome und Prü- fungszeugnisse sowie der weiteren Be- fähigungsnachweise anzuzweifeln (1).

Zur Zeit überprüft die Europäi- sche Kommission, ob sie dem Vor- schlag des Beratenden Ausschusses für die Fragen der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung folgen soll, die Zahl der in allen Ländern (heute 15) der Europäischen Union vorkom- menden Facharztbezeichnungen (Ar- tikel 5 der Richtlinie 93/16 EWG) von 14 auf 21 und die Zahl der in wenig- stens zwei Mitgliedsländern vorkom- menden Facharztbezeichnungen (Ar- tikel 7) von 36 auf 53 zu erweitern.

Außerdem wird diskutiert, ob über die Aufführung dieser Bezeich- nungen und die festgelegten EU- Mindestzeiten, die zum Erwerb der Bezeichnungen erforderlich sind, hinaus auch das Unterfangen begon- nen werden soll, inhaltliche Vorga- ben für die entsprechenden Gebiete in Richtlinien festzuschreiben. Meh- rere auf europäischer Ebene organi- sierte wissenschaftliche Gesellschaf- ten und Berufsverbände arbeiten für ihre Fächer bereits an einem derarti- gen Projekt, einige führen heute schon zentral für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union Prüfungen durch, welche mit der Zertifizierung eines positiven Prüfungsergebnisses einhergehen. Von nicht wenigen Ver- tretern dieser wissenschaftlichen Ge- sellschaften werden diese Prüfungen als die eigentlichen „höheren Wei- hen“ für die Facharztanerkennung empfunden, obwohl sie nicht als Facharztprüfungen im eigentlichen rechtlichen Sinne, sondern als Über-

prüfungen erfolgreich abgelegter Fortbildungsaktivitäten definiert werden.

Gleichwohl ist angesichts des zu- sammenwachsenden Europas abzuse- hen, wann nicht mehr nur die unge- prüfte Anerkennung von Diplomen, sondern eine Europäische Zertifizie- rung für eine fachärztliche Tätigkeit in den Mitgliedsländern der Europäi- schen Union gefordert wird.

Konsequenzen für die deutschen Ärzte

Für die Ärzteschaft der Bundes- republik Deutschland bedeutet dies, dafür zu sorgen, daß der hohe Stand der medizinischen Wissenschaft und die hohe Qualität unseres Gesund- heitssystems, aber auch eine hohe Qualität der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung und damit wiederum eine moderne, vorbildliche Weiterbil- dungsordnung wegweisend und mei- nungsbildend im Europäischen Raum plaziert sind. Dies ist mit der zur Zeit gültigen Weiterbildungsordnung der Bundesrepublik Deutschland unbe- stritten der Fall. Sie dient anderen Mitgliedsländern der EU als Vorbild.

Der Charakter ärztlicher Weiter- bildung hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Weiterbil- dung ist faktisch integraler Bestand- teil der Bildung im Arztberuf, so daß von einer Freiwilligkeit bei der Ablei- stung von Weiterbildung und der Führung von Bezeichnungen nur noch sehr eingeschränkt die Rede sein kann. Entsprechende Folgen für die Gestaltung des Weiterbildungs- wesens werden unvermeidlich sein.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-2483–2491 [Heft 39]

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe Vizepräsident der Bundesärztekam- mer

Krankenanstalten Düren, Abteilung für Pathologie, Roonstraße 30 52351 Düren

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

D ie Idee der gemeinschaftlichen Absicherung gegen die Risi- ken Invalidität, Alter und die Sorge für die Hinterbliebenen, wie sie im ärztlichen Berufsstand durch die

wurde die gesamte Ärzteschaft aufge- fordert, UAW an ihre Arzneimittel- kommission zu berichten, um sie da- mit auch ihren Kollegen durch Veröf- fentlichung im Deutschen

Ein inhaltlicher Vergleich bei- der Texte zeigt eine starke Anlehnung der Verordnung von 1945 an das ältere Reichsgesetz, unter anderem die Zusammenfassung der Ärzte, Zahnärzte

Neben dem Deutschen Senat für ärztliche Fortbildung hat der Vor- stand der Bundesärztekammer 1978 die Bildung einer Ständigen Konfe- renz „Ärztliche Fortbildung“ be- schlossen,

Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar, hob in seinem Beitrag die Bedeutung der im Genfer Gelöbnis kodifizierten ethi- schen Normen als Grundlage ärztli-

Damit spricht das Gesetz nicht von einer Zuweisung einer unmittel- baren staatlichen Aufgabe für die Be- völkerung oder die versicherte Bevöl- kerung, sondern es handelt sich um

Oktober 1973 auf; es enthält sowohl eine Abwicklungsregelung für die Reichsärztekammer als auch eine Regelung über die endgültige Verteilung der Versorgungslast nach dem Gesetz 131

Die auf wissenschaftlicher Grund- lage erfolgende ärztliche Ausbildung soll auch künftig ein sechsjähriges Me- dizinstudium (einschließlich „Prakti- sches Jahr“ von 48 Wochen