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Archiv "1947/1997 – Bundesärztekammer im Wandel (VII): Die Reichsärztekammer im Lichte von Gesetzgebung und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland" (23.05.1997)

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rechtigkeit. Unsere Rechtsordnung, unsere soziale Marktwirtschaft haben sich andere Länder als „Modell Deutschland“ zum Vorbild genom- men. Und vor allem: Überall in der Welt – nur nicht bei uns selbst – ist man überzeugt, daß „die Deutschen“

es schaffen werden.

John F. Kennedy hat einmal ge- sagt: Unsere Probleme sind von Men- schen gemacht, darum können sie auch von Menschen gelöst werden.

Ich sage: Das gilt auch für uns Deut- sche. Und ich glaube daran, daß die Deutschen ihre Probleme werden lö- sen können. Ich glaube an ihre Tat- kraft, ihren Gemeinschaftsgeist, ihre Fähigkeit, Visionen zu verwirklichen.

Wir haben es in unserer Geschichte immer wieder gesehen: Die Deut-

schen haben die Kraft und den Lei- stungswillen, sich am eigenen Schopf aus der Krise herauszuziehen – wenn sie es sich nur zutrauen.

Und wieder glaube ich an die jungen Leute. Natürlich kenne auch ich die Umfragen, die uns sagen, daß Teile unserer Jugend beginnen, an der Lebens- und Reformfähigkeit un- seres „Systems“ zu zweifeln. Ich sage ihnen aber: wenn ihr schon „dem Sy- stem“ nicht mehr traut, dann traut euch doch wenigstens selbst etwas zu!

Ich bin überzeugt: Wir können wieder eine Spitzenposition einneh- men, in Wissenschaft und Technik, bei der Erschließung neuer Märkte.

Wir können eine Welle neuen Wachs- tums auslösen, das neue Arbeitsplät- ze schafft.

Das Ergebnis dieser Anstren- gung wird eine Gesellschaft im Auf- bruch sein, voller Zuversicht und Le- bensfreude, eine Gesellschaft der To- leranz und des Engagements. Wenn wir alle Fesseln abstreifen, wenn wir unser Potential voll zum Einsatz brin- gen, dann können wir am Ende nicht nur die Arbeitslosigkeit halbieren, dann können wir sogar die Vollbe- schäftigung zurückgewinnen. Warum sollte bei uns nicht möglich sein, was in Amerika und anderswo längst ge- lungen ist? Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen. Ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich setze auf er- neuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Glauben wir wieder an uns selber. Die besten Jah- re liegen noch vor uns. N Die Reichsärztekammer wurde

aufgrund der Reichsärzteordnung vom 13. Dezember 1935 als Körper- schaft des öffentlichen Rechts errich- tet. Aufsichtsbehörde war der Reichs- minister des Innern. Die Reichsärzte- kammer hatte ihren Sitz in München und Berlin. Durch die Reichsärzte- ordnung wurden zugleich die landes- rechtlichen ärztlichen Standesvertre- tungen aufgelöst, und die Reichsärz- tekammer wurde zu deren Rechts- nachfolgerin bestimmt.

Wenn auch die Reichsärzteord- nung als Normenkomplex und die Reichsärztekammer als reichsunitari- sche Körperschaft nach der Machter- greifung der Nationalsozialisten insti- tuiert worden sind, so gehen die For- derungen der Ärzteschaft im Deut- schen Reich der Weimarer Republik weit in die 20er Jahre dahingehend

zurück: Der Gesetzgeber möge eine Reichsärzteordnung erlassen und ei- ne Reichsärztekammer schaffen!

So haben sich insbesondere die Deutschen Ärztetage von 1925, 1926 und letztlich 1931 mit der Erarbei- tung einer Reichsärzteordnung und der Errichtung einer Reichsärzte- kammer befaßt. Die verworrene Lage der Gesetzgebung, insbesondere ge- gen Ende der Weimarer Republik, und die erheblichen anderen Sorgen in tiefster wirtschaftlicher Not dieses Staates haben eine Reichsärzteord- nung nicht mehr gesetzgeberisch er- möglicht. Demgegenüber konnte der Gesetzgeber des Dritten Reiches oh- ne weitere parlamentarische Verfah- ren und größere Hürden die Reichs- ärzteordnung 1935 in der nach dem damals geltenden Führerprinzip überarbeiteten Fassung erlassen („Schubladengesetz“).

Nach dem Zusammenbruch hör- te die Reichsärztekammer faktisch zu

1947/1997: Bundesärztekammer im Wandel (VII)

Die Reichsärztekammer im Lichte

von Gesetzgebung und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland

Jürgen W. Bösche

* Bisher sind in dieser Serie erschienen:

Thomas Gerst: Föderal oder zentral? – Der kurze Traum von einer bundeseinheitlichen ärztlichen Selbstverwaltung (Heft 38/1996) Gerhard Vogt: Arzt im Krankenhaus (Heft 45/1996)

Hedda Heuser-Schreiber: Ärztinnen in Deutsch- land – Fakten, Beobachtungen, Perspektiven (Heft 1–2/1997)

J. F. Volrad Deneke: Körperschaften und Ver- bände – streitbare Verwandte (Heft 4/1997) Klaus-Ditmar Bachmann, Brigitte Heerklotz:

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärzte- kammer (Heft 10/1997)

Marilene Schleicher: Die ärztliche Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland (Heft 14/1997)

!

*Der Verfasser war über viele Jahre Leiter der ge- meinsamen Rechtsabteilung von Bundesärzte- kammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung

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bestehen auf. In der amerikanischen Besatzungszone und in Berlin wurde sie als nationalsozialistische Einrich- tung im Sinne des Gesetzes Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates vom 10. Ok- tober 1945 behandelt und galt daher auch rechtlich als aufgelöst. In der britischen und französischen Besat- zungszone fand lediglich eine Vermö- gensbeschlagnahme statt. Dasselbe vollzog sich in der sowjetischen Be- satzungszone. Hier erließ der Chef der Verwaltung der sowjetischen mi- litärischen Administration und Ober- befehlshaber der sowjetischen Besat- zungstruppen in Deutschland am 31. Oktober 1945 einen Vollzugsbe- fehl (Nr. 126) zum Kontrollratsgesetz Nr. 2, durch welchen die national- sozialistischen Organisationen, die kraft Gesetzes aufgelöst worden sind, im einzelnen aufgeführt wurden. Die Reichsärztekammer befand sich dar- unter sowenig wie die Kassenärztli- che Vereinigung Deutschlands; ledig- lich der NS-Ärztebund wurde als na- tionalsozialistische Organisation aus- drücklich aufgeführt und für aufge- löst erklärt.

Das Rechtsschicksal der Reichsärztekammer

Das Rechtsschicksal der Reichs- ärztekammer ist danach uneinheit- lich beurteilt worden. Anläßlich der Entscheidung von währungsrechtli- chen Fragen im Hinblick auf das Ver- mögen der Reichsärztekammer ha- ben z. B. das Landgericht München 1952 und die Bundesschuldenverwal- tung 1966 die Auffassung vertreten, die Reichsärztekammer sei als natio- nalsozialistische Einrichtung im Sin- ne des Kontrollratsgesetzes Nr. 2 auf- gelöst worden. Im Gegensatz hierzu haben das Landgericht Kaiserslau- tern 1952, das Oberlandesgericht Düsseldorf 1956 und das Berliner Kammergericht 1965 sowie das Land- gericht Düsseldorf 1968 die Auflö- sung der Reichsärztekammer nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 ver- neint. Das Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialisti- scher Einrichtungen und der Rechts- verhältnisse an deren Vermögen aus dem Jahre 1965 ist auf die Reichsärz- tekammer nicht angewendet worden.

Eine Auflösung nach § 2 dieses Ge- setzes ist daher hinsichtlich der Reichsärztekammer auch nicht ein- getreten.

Die unterschiedliche rechtliche Beurteilung der Reichsärztekammer im Lichte des Kontrollratsgesetzes Nr. 2 spiegelt sich in den gegensätzli- chen Gerichtsentscheidungen hierzu mit Deutlichkeit wider. So hat das Landgericht München, wenn es im wesentlichen auch der Auffassung der Militärregierung der Vereinigten Staaten in der amerikanischen Besat- zungszone folgt, darauf hingewiesen, daß zwar die Reichsärztekammer ih- rer gesetzlichen Zweckbestimmung gemäß in erster Linie eine berufs- ständische Interessenvertretung der Ärzteschaft gewesen sei, jedoch auf der anderen Seite nicht geleugnet werden könnte, daß sie durch ihre Organisation aufgrund einer vom Reichsinnenminister festgestellten Satzung insbesondere durch die enge Bindung an den nationalsozialisti- schen deutschen Ärztebund über die Person des Reichsärzteführers von der Partei als Mittel ihrer Herrschaft benutzt worden ist. Hieraus ergebe sich insbesondere, daß die Auflösung der Reichsärztekammer nicht nur auf das Gebiet der US-Besatzungszone beschränkt sei, sondern im gesamten Geltungsbereich des Kontrollratsge- setzes erfolgt ist. Diese Betrachtungs- weise konnte darum nicht stimmen, weil die Militärregierungen der französischen und britischen Besat- zungszone und auch der Oberbe- fehlshaber der sowjetischen Truppen in Deutschland die Reichsärztekam- mer ausdrücklich nicht als unter das Kontrollratsgesetz Nr. 2 fallend be- trachtet haben. Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung, in der es den Ausführungen des Landgerichts Berlin gefolgt ist, trotz einer entge- gengesetzten Auffassung der Besat- zungsbehörden in West-Berlin, wel- che von einer Auflösung der Reichs- ärztekammer ausgegangen sind, fest- gestellt, daß die Reichsärztekammer keine Einrichtung gewesen sei, die von der NSDAP als Werkzeug ihrer Herrschaft geschaffen worden sei, und daß daher die Reichsärztekam- mer nicht aufgrund des Kontrollge- setzes Nr. 2 aufgelöst worden ist.

Ebenso haben sich das Oberlandes-

gericht Düsseldorf und das Landge- richt Kaiserslautern dazu bekannt, daß die Reichsärztekammer keine aufgelöste nationalsozialistische Or- ganisation gewesen sei, sondern daß sie wegen des Zusammenbruchs 1945 und des Wegfalls der Reichsorgane nur faktisch aufgehört hat zu beste- hen.

Reichsärzteordnung galt grundsätzlich fort

Sehr eindeutig hat sich das Bun- desverfassungsgericht in einem Be- schluß aus dem Jahre 1954, welcher die Errichtung eines Berufsgerichts für das neue Land Niedersachsen betraf, zur Reichsärzteordnung ge- äußert. Hier heißt es wörtlich:

„Daß die Reichsärzteordnung nach dem Zusammenbruch in Nieder- sachsen grundsätzlich fortgalt, bedarf keiner Erörterung.“

Mit der Reichsärzteordnung blieb auch die darin begründete Be- rufsgerichtsbarkeit als Institution er- halten. Es wurden nur Berufsgerichte geschlossen, nicht die Berufsgerichts- barkeit abgeschafft. Die Berufsge- richte durften bei entsprechender schriftlicher Genehmigung durch die Militärregierung wieder eröffnet werden! Zum Wegfall der durch den Zusammenbruch handlungsunfähi- gen Reichsorgane und der an ihre Stelle getretenen rangniederen vor- handenen örtlichen Funktionsstellen hat sich das Bundesverfassungsge- richt wie folgt geäußert:

„Die Zuständigkeitsregeln in Verfassungen und Gesetzen sind grundsätzlich auf normale Situatio- nen abgestellt. Sie reichen beim tat- sächlichen Zusammenbruch eines Staa- tes und des ihn tragenden Systems, der mit der Handlungsunfähigkeit aller- höchst global verbunden ist, nicht aus.

In einer solchen Lage haben die etwa noch vorhandenen Organe nicht nur die Berechtigung, sondern grundsätz- lich auch die Verpflichtung zu Hand- lungen, die über ihre normale Kompe- tenzen hinausgehen. Sie haben alles, was in ihrer tatsächlichen Macht steht, zu tun, um die Handlungsunfähigkeit der höchsten Organe zu beheben. So- weit das nicht möglich ist, haben sie selbst anstelle jener Organe zu han-

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deln. Im Falle einer Besetzung bedür- fen sie einer Delegation von Besat- zungsgewalt hierfür nicht. Diese Grundsätze gelten auch für diejenigen Teile deutscher Ämter, die nach dem Zusammenbruch der nationalsoziali- stischen Herrschaft bestellt worden sind.“

Aus dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich unmittelbar herleiten, daß von Ver- fassung wegen kein Zweifel daran be- steht, daß die Reichsärzteordnung als Gesamtnormenkomplex kein natio- nalsozialistisches Recht war, sondern nach der Verfassung der Bundesrepu- blik Deutschland und deren neuer Kompetenzordnung teilweise zu Bun- des- und im übrigen zu Landesrecht geworden ist. Damit dürfte auch mit- telbar die Frage entschieden worden sein, daß die durch die Reichs- ärzteordnung errichtete Reichsärzte- kammer nicht schlechthin nationalso- zialistisches Organisationsgefüge ge- wesen ist, sondern differenziert zu be- trachten war, je nachdem, welche Aufgaben die Reichsärztekammer wahrgenommen hat.

Die Auflösung der Reichsärztekammer

Angesichts dieser vielfältigen Betrachtungsweise der Institution

„Reichsärztekammer“ bedurfte es für den Bundesgesetzgeber einer kla- ren Regelung, insbesondere auch darum, die Vermögensverhältnisse der Reichsärztekammer zu klären.

Eine erste Vorklärung fand dadurch statt, daß in der Anlage A zu § 2 des Regelungsgesetzes für unter Artikel 131 GG fallende Personen unter Nr.

51 die Reichsärztekammer als eine Reichskörperschaft verzeichnet war, deren Dienstangehörige einen An- spruch auf Versorgung gegen den vorläufig verpflichteten Bund gel- tend machen konnten. Diese nur die personale Seite der Reichsärztekam- mer vorläufig klärende Rechtsset- zung konnte jedoch nicht den Rege- lungskomplex für den Gesamtbe- reich der Reichsärztekammer erset- zen. Hierzu bedurfte es einer beson- deren gesetzlichen Regelung, wie für alle nach dem Zusammenbruch fak- tisch nicht mehr tätigen Körperschaf-

ten des öffentlichen Rechts, für wel- che Artikel 135 Abs. 5 GG den ver- fassungsrechtlichen Auftrag enthält.

Eine Abwicklung der Reichsärz- tekammer war bereits im Regierungs- entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse nicht mehr be- stehender Rechtsträger (Rechtsträ- gerabwicklungsgesetz) 1965 vorgese- hen. Die Reichsärztekammer war dar- in in der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 unter Buchst. c. Nr. 2 aufgeführt. §30 dieses Entwurfs enthielt außerdem eine Re- gelung der Rechtsverhältnisse der ehemaligen Dienstangehörigen der Reichsärztekammer nach dem Gesetz 131. Danach sollen die Ärztekammern im Bundesgebiet in Ausführung des

§ 61 Abs. 1 des Gesetzes 131 insoweit zur Versorgung der ehemaligen Dienst- angehörigen der Reichsärztekammer und deren Hinterbliebenen herange- zogen werden, als diese Personen nicht überwiegend für außerhalb der Reichs- ärztekammer vorhandene Einrichtun- gen tätig waren. Die Versorgung des ausgeschlossenen Personenkreises sollte endgültig der Bund überneh- men, allerdings mit der Möglichkeit des Rückgriffs in das Vermögen der Reichsärztekammer in Höhe der für die Versorgung gemachten Aufwen- dungen des Bundes. Dadurch wäre die mittelbare Heranziehung der Ärzte- kammern zum Tragen der Versor- gungslast möglich gewesen.

Der Rechtsausschuß des Deut- schen Bundestages hat bei der Bera- tung des Entwurfs die Auffassung vertreten, daß die für die Reichsärz- tekammer vorgesehene Regelung der Ärzteschaft nicht zugemutet werden könne. Er hat deshalb empfohlen,

§ 30 und Buchst. c. Nr. 2 in der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 des Entwurfs zu streichen. Der Bundestag ist dieser Empfehlung gefolgt.

Damit blieb jedoch die Frage der Ordnung der Rechtsverhältnisse der faktisch aufgelösten, jedoch rechtlich weiterbestehenden Reichsärztekam- mer ungelöst. Aus diesem Grunde hat sich der Bundesgesetzgeber ent- schlossen, ein eigenes Reichsärzte- kammerabwicklungsgesetz zu erlas- sen. Dieses Gesetz ist erst in der 7. Wahlperiode der Bundesrepublik Deutschland 1973 erlassen worden.

Da eine Auflösung der Reichs- ärztekammer bis dahin rechtlich

nicht erfolgte, bedurfte es in erster Linie der Feststellung der Auflösung der Reichsärztekammer und die hier- aus zu ziehenden Folgerungen. Dies war die Voraussetzung auch für die vermögensrechtliche Abwicklung der Reichsärztekammer. Dies wurde ein- deutig durch das besagte Reichs- ärztekammerabwicklungsgesetz er- möglicht.

Schwierige Regelung der Vermögensverhältnisse

Die Vermögensverhältnisse der Reichsärztekammer waren insoweit regelungsbedürftig, als es eine Rechts- nachfolge für die Reichsärztekammer nach anderweitigem Recht nicht gege- ben hat. Ein Teil des Vermögens ist nach Kriegsende aufgrund besatzungs- rechtlicher Vorschriften auf andere Rechtsträger übertragen worden. Das Verwaltungsvermögen ist nach Artikel 135 Abs. 2 GG auf diejenigen öffent- lich-rechtlichen ärztlichen Berufsver- tretungen übergegangen, die im Zeit- punkt des Inkrafttretens des Grundge- setzes die berufsständischen Aufgaben der Reichsärztekammer wahrgenom- men haben. Im übrigen blieben die Vermögensverhältnisse der Reichsärz- tekammer ungeregelt. Eine Stelle, die zu ihrer Vertretung insgesamt befugt war, hat es nicht gegeben. Die nach Kriegsende neu entstandenen Ärzte- kammern wurden nicht als Rechts- und Teilrechtsnachfolger der Reichs- ärztekammer anerkannt.

Aufteilung der Versorgungslast

Da einerseits Vermögenswerte der Reichsärztekammer vorhanden waren, andererseits Forderungen ge- gen das Vermögen angemeldet wur- den, bestellte der Bundesminister des Innern mit Erlaß vom 31. Oktober 1959 einen Vermögensverwalter zur Feststellung und Verwaltung des Ak- tivvermögens der Reichsärztekam- mer. Er wurde zwischenzeitlich von der mit der Vermögensverwaltung betrauten Lastenausgleichsbank ab- gelöst.

Schließlich war es erforderlich, eine endgültige Regelung über die

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Aufteilung der Versorgungslast für die ehemaligen Dienstangehörigen der Reichsärztekammer zu treffen.

Da die Reichsärztekammer unter Nr.

51 der Anlage A zu § 2 Abs. 1 des Ge- setzes zur Regelung der Rechtsver- hältnisse der unter Artikel 131 des GG fallenden Personen aufgeführt ist, haben die ehemaligen Dienstan- gehörigen zwar Ansprüche auf Ver- sorgung nach Maßgabe des Gesetzes, die Versorgungsleistungen wurden aber vom Bund aufgrund § 61 Abs. 4 des Gesetzes 131 lediglich vorschuß- weise erbracht. Es galt auch hier, eine endgültige Regelung zu treffen, weil das allgemeine Rechtsträgerabwick- lungsgesetz hierfür nicht in Betracht kam, nachdem, wie ausgeführt, auf Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, der Bundestag die Reichsärztekammer aus diesem Ge- setzentwurf wieder entfernt hat.

Das „Reichsärztekammer- abwicklungsgesetz“

Das nunmehr spezielle Reichs- ärztekammerabwicklungsgesetz löst die Reichsärztekammer mit Wirkung vom 9. Oktober 1973 auf; es enthält sowohl eine Abwicklungsregelung für die Reichsärztekammer als auch eine Regelung über die endgültige Verteilung der Versorgungslast nach dem Gesetz 131 für die ehemaligen Dienstangehörigen der Reichsärzte- kammer. Für die Abwicklung der Reichsärztekammer werden weitge- hend die Vorschriften des Rechtsträ- gerabwicklungsgesetzes in der Struk- tur angewendet, jedoch mit den Be- sonderheiten, welche für die Reichs- ärztekammer gelten. Die Vorschrif- ten des Rechtsträgerabwicklungsge- setzes über die Verteilung des Vermö- gens und die Tilgung der Verbindlich- keiten waren eine geeignete Grund- lage für die Abwicklung der Reichs- ärztekammer. Das dort geregelte An- meldeverfahren, die Bestimmung zur Feststellung des noch vorhandenen Aktivvermögens boten die Gewähr für eine rasche Übersicht über die Vermögensverhältnisse der Reichs- ärztekammer. Sie waren die Voraus- setzung für eine zügige Abwicklung.

Eine Regelung des Pauschal- überganges des Vermögens der

Reichsärztekammer auf die Ärzte- kammern kam nicht in Frage. Für ei- ne so weitgehende Abweichung von den für die anderen öffentlichen Rechtsträger maßgebenden Vor- schriften des Rechtsträgerabwick- lungsrechts bestand kein Anlaß. Ein Pauschalübergang mußte aber auch deswegen ausfallen, weil eine solche Lösung nur schwer durchführbar war und eine zügige Abwicklung keines- falls ermöglicht hätte. Frühere An- sprüche gegen die Ärztekammer wären in diesem Fall gegen die Ärzte- kammern geltend gemacht worden, und die Ärztekammern wären Gläu- biger aller früheren Ansprüche der Reichsärztekammer geworden. Dies würde unter anderem Vorschriften über die Aktiv- und Passivlegitimati- on der Ärztekammern, die Haftung im Innenverhältnis, den Gerichts- stand sowie zahlreiche sonstige Ein- zelregelungen voraussetzen.

Angesichts der Vielgestaltigkeit der Probleme und der fehlenden Ge- samtübersicht über die tatsächlich vorhandenen Vermögenswerte er- schien es fraglich, ob insoweit befrie- digende Regelungen überhaupt ge- troffen werden konnten. Schließlich bestanden rechtliche Zweifel, ob bei der gegebenen verfassungsrechtli- chen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in diesem Falle ei- ne Regelung über die Einsetzung und den Aufgabenbereich eines vom Bund zu berufenden und zu beauf- sichtigenden Abwicklers erfolgen konnte.

Rechtsnatur der Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer als Ar- beitsgemeinschaft der Ärztekam- mern der Länder schied von vornher- ein aus kompetenzrechtlichen Grün- den als Rechtsnachfolger für die Reichsärztekammer aus. Im Unter- schied zu den landesgesetzlich errich- teten Ärztekammern als Körper- schaften des öffentlichen Rechts ist die Bundesärztekammer ein Zusam- menschluß auf freiwilliger Grundla- ge. In ihr sind alle Landesärztekam- mern in einer Arbeitsgemeinschaft vereint, was bedeutet, daß Mitglieder der Bundesärztekammer nur Körper-

schaften des öffentlichen Rechts sind, nicht die einzelnen Ärzte, welche ei- ne Mitgliedschaft lediglich zu ihrer Landesärztekammer unterhalten. Die Bundesärztekammer ist ein Bundes- dachverband ohne eigene Rechtsper- sönlichkeit. Sie ist auch kein einge- tragener Verein, im Unterschied zu anderen Bundeszusammenschlüssen von Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Bundesärztekammer ist daher als nicht rechtsfähiger Verein des bürgerlichen Rechts zu beurtei- len, welcher seinerseits den Vor- schriften über die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts folgt. An dieser rechtlichen Charakterisierung ändert sich auch dann nichts, wenn man die Bundesärztekammer als Vereinigung von nur Körperschaften des öffentli- chen Rechts als öffentlich-rechtli- chen Zweckverband charakterisiert, wie es das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung aus dem Jahre 1974 anklingen ließ.

Diese Beschreibung der Bundes- ärztekammer ergibt sich aus vor- rangigem Verfassungsrecht, hier der Kompetenzordnung des Grundgeset- zes. Gemäß Artikel 74 Nr. 19 GG steht dem Bund die Gesetzgebungs- befugnis nur für die Zulassung zum ärztlichen Beruf zu, nicht jedoch auch das Recht zur Regelung der Berufs- ausübung. Letztere Aufgabe ist in die Zuständigkeit der Länder verwiesen.

Da das Ärztekammerwesen der Be- rufsausübungsregelung zuzurechnen ist, können allein die Bundesländer Ärztekammergesetze, welche die Er- richtung von Körperschaften des öf- fentlichen Rechts mit Pflichtmitglied- schaft regeln, im weiteren Sinne auch Heilberufsgesetze genannt, erlassen.

Dem Bund ist die Errichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß Artikel 87 Abs. 3 GG mangels Kompetenz für eine inhaltliche Ge- setzgebung versagt.

Eine Bundesärztekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf der schmalen Kompetenzbasis des Artikel 74 Nr. 19 GG zu errichten ist zu Beginn der 60er Jahre versucht, aber zu Recht wieder aufgegeben worden. Aus diesem Grunde hat sich auch eine Rechtsnachfolge für die frühere Reichsärztekammer nicht re- geln lassen. Deren Abwicklung ist le-

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diglich in dem beschriebenen Gesetz nach Artikel 135 Abs. 5 GG erfolgt.

Gliederung des Personenkreises nach jeweiliger Funktion

Eine Besonderheit des Reichs- ärztekammerabwicklungsgesetzes liegt darin, daß in Unterscheidung zu allen übrigen aufgelösten Einrichtun- gen, deren frühere Dienstangehörige Ansprüche auf Versorgung inneha- ben, eine Gliederung dieses Perso- nenkreises nach seiner Funktion vor- genommen ist, welche er bis 1945 innerhalb der Körperschaft ausgeübt hat. Diese Gliederung der Funktio- nen der Dienstangehörigen der Reichsärztekammer läßt auf den po- litischen Charakter der Reichsärzte- kammer in einer differenzierten Be- trachtungsweise schließen. So heißt es in § 5 des Abwicklungsgesetzes, daß die Ärztekammern Aufnahme- einrichtungen für die früheren Be- diensteten der Reichsärztekammer hinsichtlich ihrer Versorgungsan- sprüche sind, dies jedoch nicht für solche Dienstangehörigen gilt, die nicht überwiegend Aufgaben von ärztlichen Standesvertretungen wahr- genommen haben. Diesen Dienstan- gehörigen sind nun nicht etwa die Ansprüche aberkannt worden, son- dern nach Absatz 3 der angezogenen Vorschrift hat der Bund diese Versor- gungslast endgültig als Träger über- nommen.

Daraus ergibt sich die besondere Situation bei der Betrachtung der Reichsärztekammer in ihrer Wir- kungszeit von 1935 bis 1945. Es gab sowohl diejenigen früheren leitenden Angestellten der Reichsärztekam- mer, welche klassische berufsständi- sche Aufgaben wahrgenommen ha- ben, so wie sie auch heute von den Ärztekammern wahrgenommen wer- den, als auch diejenigen, welche viel- mehr staatliche Aufgaben erfüllten.

Im Rahmen ihres Dienstes bei der Reichsärztekammer sind sie ebenfalls Inhaber ihrer vollen Versorgungsan- sprüche geblieben. Lediglich eine kleine Gruppe früherer leitender Funktionäre der Reichsärztekammer ist vom Versorgungsanspruch ausge- schlossen worden. Dies sind diejeni-

gen, die unter § 7 des Regelungsgeset- zes 131 fallen, wonach Ansprüche nicht von einer Aufnahmeeinrichtung zu befriedigen sind, wenn die Stel- lung, die der Betroffene eingenom- men hat, ausschließlich oder überwie- gend auf seiner engen Verbindung zum Nationalsozialismus beruht.

Insoweit spiegelt sich die Reichs- ärztekammer auch in der höchstrich- terlichen Rechtsprechung zum Ver- sorgungsrecht wider. So hat das Bun- desarbeitsgericht 1957 im Hinblick auf den Versorgungsanspruch des Leiters einer Ärztekammer (unselb- ständiger Gliederung der Reichsärz- tekammer) die überwiegend berufs- ständische Tätigkeit dieses Arztes auch angenommen und ihm seine Versorgungsansprüche zuerkannt, obwohl er hoher Funktionär in der NSDAP und einer ihrer Gliederun- gen gewesen ist. Bei Abwägung aller Umstände, insbesondere der ärztli- chen Vorbildung und der Tätigkeit dieses Arztes schon vor der Machter- greifung des Nationalsozialismus in ärztlichen Organisationen, hat man die enge Verbindung für die Amtsin- haberschaft in der Reichsärztekam- mer zum Nationalsozialismus und da- mit die Kausalität zwischen der Amtsausübung und der politischen Beziehung verneint.

Im Unterschied hierzu hat das Bundesarbeitsgericht 1962 und 1967 in zwei weiteren Entscheidungen zu hohen Amtsinhabern der Reichsärz- tekammer gerade die politische Ver- knüpfung der Amtsinhaberschaft, der Amtsausübung mit der festen Bindung im nationalsozialistischen Staat zum Anlaß genommen, sie von allen Versorgungsansprüchen auszu- schließen.

Während im ersteren Falle der Leiter einer örtlichen Ärztekammer durchaus als mit berufsständischen Aufgaben befaßt beurteilt wurde, hat man den Leiter des Amtes für Volks- gesundheit bei der Gauleitung der NSDAP, den Gaubeauftragten des rassenpolitischen Amtes der NSDAP und den Gauobmann des NS-Ärzte- bundes für so eng mit dem National- sozialismus für verknüpft gehalten, daß eine hieraus folgende Anstellung bei der Reichsärztekammer für ihre Versorgungsansprüche ausscheiden mußte.

Aus dem Gesamtbild der Recht- sprechung zum Vermögen der Reichs- ärztekammer, zu ihrer Organisations- struktur und zu ihren personalen Ver- hältnissen ergab sich für den Bundes- gesetzgeber das richtige Bild der dif- ferenzierten Betrachtungsweise. Ge- nauso wie die Reichsärzteordnung von 1935 kein nationalsozialistisches Gesetz gewesen ist, war auch die in ihr verwurzelte Reichsärztekammer kei- ne typische nationalsozialistische Or- ganisation. Dem Zeitgeist entspre- chend war jedoch die Einbindung in den nationalsozialistischen Macht- staat unverkennbar. Dennoch verblie- ben durch das Dritte Reich hindurch für die Reichsärztekammer typische berufsständische Aufgaben, gemischt mit staatlichen Aufgaben neben einer rein politischen Struktur in einer klei- nen Gruppierung, welche der Reichs- ärztekammer zugeordnet gewesen ist.

Der Bund übernahm einen Teil der Last

Genau dieser Gliederung folgt das rechtliche Schicksal der Reichs- ärztekammer. Sie war keine aufge- löste NS-Organisation, ihr Vermögen wurde abgewickelt in eine Richtung, die den Ärztekammern keine höhe- ren Lasten auferlegte als diejenigen, die sich aus der berufsständischen Struktur der Reichsärztekammer her- leitete. Der Bund übernahm die Last für diejenigen, welche eher staatliche Aufgaben wahrnahmen, und die nationalsozialistischen Funktionäre wurden von ihren Ansprüchen ausge- schlossen.

Das Abwicklungsgesetz über die Reichsärztekammer ist ausdrücklich gemäß Kapitel 10 Sachgebiet D Abschn. 1 Nr. 1 im Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundes- republik Deutschland vom Inkrafttre- ten in den neuen Bundesländern aus- genommen worden.

Anschrift des Verfassers Dr. jur. Jürgen W. Bösche

Robert-Blum-Straße 13, 50935 Köln Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-1406–1410 [Heft 21]

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