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Archiv "1947/1997 – Bundesärztekammer im Wandel (XV): Die Auslandsbeziehungen der Bundesärztekammer" (17.10.1997)

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wei Dinge standen am Anfang der Auslandsarbeit der damali- gen Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Ärztekammern:

der Wunsch vieler, vor allem jüngerer Ärzte nach einer zeitlich begrenzten oder dauernden Tätigkeit im Ausland und die Nürnberger Ärzteprozesse.

Mit der Auswanderung war es allerdings zunächst nicht weit her.

Kaum irgendwo in der Welt wurden deutsche Examina oder akademische Grade anerkannt – in manchen Län- dern hätte ein deutsch approbierter Arzt sogar noch einmal das Abitur machen müssen. Ein einziger Staat zeigte Interesse an deutschen Ärzten:

das (damalige) Kaiserreich Iran. En- de 1949 reisten dann auch die ersten 13 deutschen Ärzte dorthin, um in Ambulatorien tätig zu werden. Und infolgedessen begann die Existenz des Auslandsdienstes der Bundesärz- tekammer in Stuttgart; dort befand sich nämlich das Konsulat des Iran, und der dortige Kammergeschäfts- führer Dr. med. Werner Röken wurde der erste (nebenamtliche) Leiter des Auslandsdienstes.

Ein Jahr später wurde am Kaspi- schen Meer auch ein Krankenhaus mit deutschen Ärzten eröffnet. Und noch ein Jahr später finden wir deut- sche Ärzte auch in Saudi-Arabien, in Indonesien, in Kanada. Noch ein Jahr später, 1953, gab es den ersten organi- sierten „Auslandseinsatz“ mit einem unter der Flagge des Roten Kreuzes

eingerichteten Feldlazarett im kriegs- geschüttelten Korea in der Hafen- stadt Pusan. Dieses Lazarett war nur für Zivilisten zuständig. Sein Chef- arzt, Prof. Dr. med. Günther Huwer

(von 1954 bis 1958), wurde bereits 1957 mit der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft ausgezeichnet.

Weltärztebund nimmt die deutschen Ärzte auf

Die Nürnberger Prozesse, insbe- sondere der Nürnberger Ärztepro- zeß, waren der wesentliche Diskus- sionspunktbei den Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft, in den 1947 (wieder-)gegründeten Weltärztebund (WÄB) aufgenommen zu werden.

Dessen Vorstand hatte zunächst eine

Anerkennung deutsch-ärztlicher Kol- lektivschuld verlangt, die aber die Arbeitsgemeinschaft nicht zu geben bereit war: schwere Schuld einzel- ner – ja, aber von einer Kollektiv- verurteilung der deutschen Ärzte- schaft könne keine Rede sein. Die von der Arbeitsgemeinschaft veran- laßten Bücher von Mitscherlich und Mielke* waren Gegenstand langer Verhandlungen; eine gemeinsame Er- klärung von WÄB und Arbeitsge- meinschaft, die weitgehend auf dem Standpunkt der westdeutschen Ärzte beruhte, sowie der Beschluß des Ärz- tetages in Hannover 1949, das „Gen- fer Gelöbnis“ des Weltärztebundes in die Berufsordnung aufzunehmen, brachten 1950 den Beschluß des Weltärztebundes, die Deutschen auf- zunehmen. 1951 waren sie in Stock- holm zum ersten Mal in der General- versammlung vertreten.

Übrigens: Ebenfalls 1950 konnte der Staat Bundesrepublik Deutsch- land der Weltgesundheitsorganisation beitreten. Was es damals aber auch gab – man kann es sich heute kaum mehr vorstellen: Das Präsidium des Deutschen Ärztetages übernahm von anderen Organisationen, zum Bei- spiel dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD), die „Devi- senbefürwortung“ für Auslands-, bei- spielsweise Kongreßreisen, von Ärz- ten. Darunter war auch die zum ersten Mal von Weltärztebund und Weltgesundheitsorganisation gemein- sam veranstaltete „Weltkonferenz A-2724 (44) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997

1947/1997: Bundesärztekammer im Wandel (XV)

Die Auslandsbeziehungen der Bundesärztekammer

Walter Burkart

Der Autor hat lange Jahre als Redakteur des Deutschen Ärzteblattes und des World Medical Journal die Beziehungen der Bundesärztekammer mit aus- ländischen Kollegen, Ärzteverbänden und Institutionen begleitet. Sein Bericht ist deshalb eher subjektiv-erzählender als historisch-wissenschaftlicher Art.

* Mitscherlich, Alexander und Mielke, Fred (Hrsg.): Medizin ohne Menschlichkeit. Do- kumente des Nürnberger Ärzteprozesses.

Fischer TB 2003, Frankfurt, 13. Auflage 1995.

1960: Zehn Jahre nach der Aufnahme in den Weltärztebund (WÄB) war die deutsche Ärzteschaft Gastgeber der Generalversammlung. Schauplatz in Berlin: Die damals hochmoderne Kongreßhalle, die „Schwangere Auster“.

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über ärztliche Ausbildung“, die seit- her alle fünf Jahre stattfindet.

Bleiben wir noch beim Weltärzte- bund: 1954 begann bei der General- versammlung in Rom die Ausarbei- tung eines Dokuments über Experi- mente am lebenden Menschen – die Arbeiten erforderten zehn Jahre, bis 1964 die „Deklaration von Helsinki“

verabschiedet wurde, seither auch Be-

standteil der deutschen Berufsord- nung. Im Jahre 1955 beschloß die Ge- neralversammlung in Wien, neben Englisch, Französisch und Spanisch auch Deutsch als Konferenzsprache aufzunehmen, allerdings nur in der Generalversammlung, nicht im Vor- stand. (Was nicht in der Satzung steht, ist die japanische Simultanüberset- zung. Die bezahlen die Japaner selbst.) Ein Jahr später wurde (in Ha- vanna) Prof. Dr. Ernst Fromm zum Schatzmeister des Weltärztebundes gewählt, ein Amt, das seitdem fest deutscher Hand anvertraut ist (später Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Joachim Se- wering, Dr. Karsten Vilmar).

Geldfragen – international

Die Schatzmeister wurden jeweils schnell zu Währungsexperten. Da die gewählten Vorstandsmitglieder häufig wechselten, mußten sie bei jedem Fi- nanzbericht von neuem erklärt be- kommen, daß a) die Beiträge in

Schweizer Franken gezahlt werden, daß b) die Bilanz in US-Dollar aufge- stellt werden muß, weil der Weltärzte- bund ein bei einem Gericht in New York eingetragener Verein ist, daß c) die Konten zum Teil in Deutscher Mark geführt werden, daß d) seit 1974 wegen der Sitzverlegung des Sekre- tariats die Verwaltungsausgaben in französischen Francs getätigt werden und daß e) zwei Mitgliedsor- ganisationen ihre Beiträge aus devisenrechtlichen Gründen ihrer Länder auf Konten des WÄB in eigener Währung zu Hause einzahlen (Indonesien, Philippinen).

Generalversammlung in Deutschland

Zum ersten Mal tagte 1955 ein WÄB-Gremium in Deutschland – der Vorstand in Köln. Und fünf Jahre spä- ter gab es eine Generalver- sammlung in Berlin; Prof. Dr.

Paul Eckel war für ein Jahr lang Präsident. Die Versamm- lung fand in der damaligen Kongreßhalle, der „Schwan- geren Auster“, statt. Vor Be- ginn der Eröffnungssitzung hatten sich viele Berliner vor der Halle ver- sammelt, um den Bundespräsidenten zu bejubeln (Lübke). Einer Frau in der Menge wurde schlecht, sie stürzte.

Ein Saaldiener fragte daraufhin laut in die Halle hinein, wo die Delegier- ten des Weltärztebundes warteten:

„Is velleecht ’n Arzt hier?“ Viele halfen . . .

Noch zweimal kam der Weltärz- tebund nach Deutschland: 1973 tagte die Generalversammlung in Mün- chen; Prof. Fromm wurde für ein Jahr Präsident. Hauptthema war die Da- tenverarbeitung in der Medizin. Ge- radezu leidenschaftliche Appelle des Hauptgeschäftsführers der Bundes- ärztekammer, Prof. Stockhausen, ver- hinderten, daß der Weltärztebund sich für eine weitgehende Datenver- netzung aussprach – die Gefahren für das Patientengeheimnis schienen all- zu groß. Und 1980 traf sich der Vor- stand zu seiner Frühlingssitzung ebenfalls in München – bei einem so ausgeprägten Föhn, daß die Teilneh-

mer in der Kaffeepause aufs Dach der Bayerischen Landesärztekammer ge- beten wurden, um die fast zum Grei- fen nahe Alpenkette zu bewundern.

Die Generalversammlung 1998 findet übrigens wieder in Deutsch- land statt: vom 10. bis 14. November in Hamburg.

Turbulenzen

Eine Sternstunde und ein Bei- nahe-Crash war für den Weltärzte- bund die Generalversammlung in Tokio 1975. Crash, weil sie nicht sat- zungsgemäß zusammengekommen war. Denn die japanische Regierung versagte den Delegierten aus Südafri- ka die Visa – die Satzung verlangt aber, daß die Versammlungen nur dort stattfinden dürfen, wo alleMit- glieder hinreisen können. Da die Ja- paner, als die endgültige Visaverwei- gerung zwei Monate vor Beginn aus- gesprochen worden war, bereits 400 000 $ investiert hatten, wollte man nicht mehr absagen. Das war der Beginn von jahrelangen Tubulenzen mit mehreren Austritten, die aber in- zwischen bereinigt sind. Die Stern- stunde: die „Declaration of Tokyo“

über die (Nicht-)Teilnahme von Ärz- ten an Folterungen oder anderen un- menschlichen Praktiken (man denke zum Beispiel an islamische Strafprak- tiken).

Tischgespräche

Über die Genese dieser Deklara- tion von Tokio gibt es verschiedene Erinnerungen.

Dr. André Wynen aus Belgien – 17 Jahre lang ehrenamtlicher Gene- ralsekretär des WÄB – berichtet, daß bereits 1969 die irische Delegation bei der Generalversammlung in Paris Klage über die Verhältnisse in Nordir- land geführt habe und damit die Bera- tungen über die Deklaration begon- nen hätten.

Der Autor hat eine ganz andere Erinnerung: Bei einer Tagung des

„Comité Permanent“ (siehe unten) in Rom hatte ich den deutschen Teilneh- mer, Dr. Dr. Freiherr von Gugel, der wohl ein Halb-Römer war, nach ei- nem guten Restaurant gefragt. Er Politische Prominenz bei der Eröffnung der Weltversammlung der

Ärzte und des 63. Deutschen Ärztetages: Bundespräsident Heinrich Lübke und Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt. (Nicht auf diesem Foto: Bundesinnenminister Dr. Gerhard Schröder, dem die Bundesärztekammer ihr Goldenes Ehrenzeichen verlieh.)

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empfahl eines in der tiefsten Altstadt, ein einfaches Lokal mit Campagna- Küche. Als ich ins Gastzimmer kam, sah ich in der einen Ecke die britische Delegation, in der anderen die irische – die hatten sich wohl auch beim Ba- ron Gugel erkundigt. Ich setzte mich in eine dritte Ecke. Als alle gegessen hatten, beschlossen die Briten und Iren, ihre Tische zusammenzurücken, und man lud mich ein, dazuzukom- men. Und dabei entwickelte sich ein intensives Gespräch: Die Iren klagten darüber, daß britische Miliärärzte bei

„verschärften Verhören“ anwesend zu sein und die Vernehmungsfähig- keit der Verhörten zu beaufsichtigen hätten – also eine indirekte ärztliche Teilnahme an solchen, in Nordirland damals wohl üblichen Praktiken. Die Briten erklärten, daß Militärärzte in Großbritannien Offiziere seien, die der militärischen Hierarchie unter- stünden – sie führen auch militäri- sche, nicht – wie in Deutschland – sanitätsdienstliche Titel und Dienst- ränge. Also könnten sie sich Befehlen ihrer militärischen Vorgesetzten nicht entziehen. Allerdings empfanden die britischen Ärzte diese Situation als ungut (wobei ich mit Erläuterungen über unser System mitargumentieren konnte). Und man einigte sich, ge- meinsam das Problem anzugehen und

für die nächste Ge- neralversammlung an einer Vorlage zu arbeiten. Dies war nicht das Ende des Abends: Der Wirt spendierte mehrere Flaschen Grappa, was zu gemeinsa- mem Gesang führte.

– Vielleicht haben beide recht . . .

Die Deklaration des Weltärztebundes hatte noch ein Nach- spiel: Die Gene- ralversammlung der Vereinten Nationen (UNO) sollte über einen Parallelantrag entscheiden, der aber eine entscheidende Einschränkung ent- hielt: „. . . soweit die Gesetze eines Lan- des dem nicht entge- genstehen.“ Das hätte beispielsweise die Mitwirkung von Ärzten bei Sharia-Urteilen erlaubt. Dr. André Wynen hat zwei Jahre lang bei der UNO interveniert, bis diese Ver- wässerung der ärztlichen Deklaration

in der UN-Menschenrechtskonven- tion beseitigt war.

Überwundene Krise

Im Jahre 1973 hatte die Ameri- can Medical Association den Weltärz- tebund verlassen, zwar vorüberge- hend, aber damit war die finanzielle Grundlage des WÄB gefährdet. Erste Konsequenz war der Auszug des Se- kretariats aus dem teuren New York (Columbus Circle, neben der Met – teure Adresse!) nach Ferney-Voltaire in Frankreich, an der Grenze zur Schweiz gelegen. Zuerst wurden Räu- me in einer Baracke bezogen, die bil- lig waren, weil sie einer Konkursmas- se entstammten: der des verkrachten Finanziers Bernie Cornfield. Später konnte der WÄB eine Villa kaufen, deren östliche Grundstücksgrenze auch die Grenze zur Schweiz und zum Genfer Flughafen war. Der Vorbesit- zer war des Fluglärms wegen ausge- zogen; er betrieb eine Kinderkrippe, was zu mancherlei Scherzen führte:

Crèche statt Crash? Und auch der Deutsche Ärzte-Verlag sprang ein: Er übernahm Druck und Vertrieb des World Medical Journal; seitdem ist

A-2728 (48) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997

1973: Eine „große Koalition“ von Ehrengästen bei der Eröffnung der Generalversammlung des Weltärzteta- ges am 15. Oktober in München, in der ersten Reihe (von links, neben dem Festredner, Prof. Dr. Hans Schadewaldt): Der Bayerische Sozialminister Dr. Fritz Pirkl (CSU), Bayerns Ministerpräsident Dr. Alfons Goppel (CSU), Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), dessen Gesundheitsministerin Dr. Katharina Focke (SPD), WÄB-Präsident Prof. Dr. Ernst Fromm, Münchens Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD), Prinz Hubertus zu Sayn-Wittgenstein, MdB (CDU), Prof. Dr. Horst Bourmer Fotos (6): Archiv

1973: Ein Dokument der Geschichte der deutschen Ärzteschaft wie der Bun- desrepublik Deutschland (von links): Willy Brandt, bei der Generalversamm- lung des Weltärztebundes 1960 Regierender Bürgermeister von Berlin, war mittlerweile Bundeskanzler der damaligen SPD/FDP-Regierung; neben ihm der langjährige Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Josef Stockhausen; Prof. Dr. Ernst Fromm, Präsident des WÄB 1973, als Präsident der Bundesärztekammer bereits zurückgetreten; Prof. Dr. Hans-Joachim Sewering, als Fromms Nachfolger soeben zum Präsidenten der BÄK gewählt

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ein Redakteur des Deutschen Ärzte- blattes Co-Editor und damit kooptier- tes Vorstandsmitglied (heute: Prof.

Dr. Elmar Doppelfeld).

Der Einsatz eines deutschen Feldlazaretts in Korea hatte übrigens Nachfolge: Während des Vietnam- Krieges lag ab 1965 ein deutsches La- zarettschiff unter Rotkreuz-Flagge vor Da Nang. Und 1967 ereignete sich ein tragischer Vorfall: Vier deutsche Ärzte, die im Rahmen der Entwick- lungshilfe in der Universität von Huê tätig waren, wurden von Vietkong- Kämpfern ermordet.

Das Kapitel Weltärztebund sei beendet mit dem Hinweis, daß 1988 der erste Kontakt zu einer Ostblock- Ärzteorganisation zustande kam: Die Ungarn traten ein. Inzwischen ist auch im Weltärztebund die Spaltung der Welt überwunden. Zeitweise gab es sogar drei chinesische Organisationen als Mitglieder; jetzt sind es noch Tai- wan und Hongkong – auch nach dem Ende der Kronkolonie.

Deutschsprachige unter sich

Eine andere Institution, an der sich die Bundesärztekammer – zusam- men mit vielen der unterschiedlichen Ärzteverbände der Bundesrepublik – seit 1952 beteiligte, war die „Konsulta- tivtagung der deutschsprachigen Ärz- teverbände“ – eigentlich keine feste Organisation, sondern ein regelmäßi- ges Zusammentreffen. Am Anfang waren es die deutsche und die Öster- reichische Ärztekammer, die Schwei- zerische Föderation und – die Kam- mer des Saarlandes. Diese ver- schwand, aber es kamen die Ärzte aus Liechtenstein (das waren im Schnitt 14), Luxemburg und Südtirol dazu. In dieser Tagung wird frei und ungebun- den über gemeinsam interessierende Fragen diskutiert – Beschlüsse gibt es nicht, man informiert sich. Und es war reine Selbstironie, als der Vorsitzende der schweizerischen FMH (Federatio Medicorum Helvetica), Dr. König, bei der Abfahrt der Busse zu einem Abendessen im Berner Oberland in schönstem Schweizerdeutsch bemerk- te: „Eigentlich ist dies ja eine touristi- sche Veranstaltung . . .“ Es könnte sein, daß sich diese Konsultativtagung

jetzt zu einer etwas festeren Verbin- dung entwickelt oder verfestigt: man hat beschlossen, Ausschüsse zu bilden.

Europa – ein weites Feld

Im Jahre 1960 kam eine neue, viel Einsatz erfordernde Organisation zur Auslandsarbeit der Bundesärztekam- mer hinzu. Mit der Gründung der Eu- ropäischen Wirtschaftsgemeinschaft stellte sich den Ärzteorganisationen der (damals) sechs Mitgliedsländer die

Aufgabe, der Kommission Vorschläge für die Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten zu machen. Dies be- deutete: gegenseitige Akzeptanz der Diplome und der Facharztanerken- nungen. Dazu mußte erst einmal fest- gestellt oder vereinbart werden, was zwischen den Staaten als gleichwertig anzuerkennen war.

Das war eine der ersten Aufga- ben eines Ständigen Ausschusses der Ärzteschaften der EG, später von In- sidern nur noch „Comité permanent“

genannt.

In endlosen Beratungen und Sit- zungen, an denen auch die europäi- schen Vereinigungen der Allge- meinärzte (UEMO) und Fachärzte (UEMS) sowie viele wissenschaftli- che Fachgesellschaften beteiligt wa- ren, wurden die Grundlagen für die entsprechenden Richtlinien der Brüs- seler Kommission erarbeitet. Man war sich schnell einig über das „End- produkt“ des Medizinstudiums nach sechs Jahren an der Universität: der Arzt, aus dem noch alles werden kann, der aber zur eigenverantwortli- chen Tätigkeit befähigt ist.

Aber dann mußten die Mindest- weiterbildungszeiten für die einzelnen Fachgebiete vereinheitlicht werden – und dabei sind nicht einmal in allen EG-Ländern die gleichen Fachgebiete bekannt. Endgültig möglich war das nicht: es gibt Ärzte, die mit ihrer heimi- schen Facharztanerkennung in Län- dern, die diese Fach- arztbezeichnung nicht kennen, einfach nicht tätig werden können.

Ein besonders schwieriges Problem war, daß die anderen EG-Verbände die da- mals in Deutschland vor der Kassenzulas- sung verlangte „An- passungszeit“ von 18 Monaten nicht akzep- tieren wollten. Ne- benbei bemerkt: Für manche deutschen Mitglieder dieses

„Comité permanent“

war es immer wieder lästig, daß es außer in Deutschland die sprachliche Unter- 1986: Kopfhörer sind typisch für die Vielsprachen-

Versammlungen der Europäischen Gemeinschaft.

Hier im Vordergrund die belgische Ärztedelegation bei einer Tagung des Ständigen Ausschusses der Ärzteschaft der EG („Comité Permanent“ genannt).

Links: Dr. André Wynen, langjähriger General- sekretär des Weltärztebundes

1986: Ein „Gespann“ mit hohem Ansehen in der europäischen Ärztegemein- schaft: Im Bilde links neben BÄK-Präsident Dr. Karsten Vilmar, der hier einer Tagung des von ihm damals präsidierten „Comité Permanent“ vorsitzt, der unvergessene Dr. Heinz-Peter Brauer, langjähriger Generalsekretär dieses

„CP“. Dr. Brauer hat als Leiter des Auslandsdienstes der Bundesärzte- kammer nicht nur mit Blickrichtung Westen gewirkt, sondern der Ärzteschaft Mittel- und Osteuropas behutsam Tore geöffnet und Wege gebahnt – lange bevor die Mauer fiel, von seinem in aller Stille erfolgten, erfolg- reichen Einsatz für viele Ärzte der ehemaligen DDR ganz zu schweigen

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scheidung zwischen Aus- und Weiter- bildung nicht gab und gibt – auch nicht in der Schweiz und in Österreich. In- zwischen hat man sich wohl daran ge- wöhnt, daß die Dolmetscher „Fach- arzt-Ausbildung“ sagen – wir wissen eh, was gemeint ist.

Übrigens scheinen sich die Pro- bleme inzwischen teilweise entschärft zu haben: Als die Richtlinien-Emp- fehlungen beschlossen wurden, gab es in Deutschland den AiP noch nicht.

Er hätte damals zu großen Problemen und Diskussionen, ja Katastrophen geführt. Inzwischen finden sich im DÄ Stellenangebote für AiP aus Frankreich und der Schweiz.

Immerhin: Die Verhandlungen im „CP“ hatten einen gewissen Anteil daran, daß es in Deutschland zu einer Weiterbildung zum praktischen Arzt, später zum Allgemeinarzt kam. Über die Frage, ob Weiterbildung auch in Teilzeit geleistet werden kann, ging es im Lauf der Zeit hin und her – erst re- striktiv, dann wieder großzügiger. Die ständige Erweiterung der Sechser- EWG zur heutigen EG erleichterte die Arbeit auch nicht.

Als aber die Richtlinien 1974 von der Brüsseler Kommission verab- schiedet wurden, mußte sich das Co- mité permanent noch stärker institu-

tionalisieren. Es richtete ein eigenes Büro in Brüssel ein – und die Bundes- ärztekammer tat bald darauf das glei- che. Zur Durchführung der Richtlini- en wurde eine neue Institution ge- gründet: die Konferenz der Ärzte- kammern oder entsprechender Orga- nisationen in der EG. Sie befaßt sich unter anderem mit der praktischen Handhabung der Migration von Ärz- ten im europäischen Raum.

Neues kam auf: Das CP mußte heftig dagegen kämpfen, daß auch die Ärzte in die gewerblichen Haftungs- bestimmungen einbezogen wurden – bei ärztlicher Behandlung ist eine Pro- dukt- oder Gefährdungshaftung nicht möglich, weil der Patient ja nicht ein

„Produkt“ ist. Es war schwierig, das der EG-Bürokratie klarzumachen.

Auslandsdienst im Wandel

Die Aufgaben des Auslandsdien- stes der Bundesärztekammer erfuhren im Laufe eines halben Jahrhunderts immer wieder Verschiebungen, in de- nen sich gesellschaftliche und wirt- schaftliche Veränderungen widerspie- geln. Ging es zum Beispiel am Anfang um die Hilfe zur Auswanderung oder

Auslandsbeschäftigung, so ließ dies et- wa 1962/1963 nach. Statt dessen tauch- te das Problem auf, daß Ärzte aus Ent- wicklungsländern, die in Deutschland studiert hatten, nach dem Studium und gegebenfalls der Facharztweiter- bildung nicht mehr bereit waren, in ih- re Heimatländer zurückzukehren. Ein anderes Thema verlor im Laufe der Zeit seine Bedeutung: der Ferienaus- tausch von Arztkindern.

Das Erfreulichste an der Tätigkeit des Auslandsdienstes, aber auch vieler einzelner Ärzte und Kammerbedien- steten in den letzten Jahren aber waren die Hilfen, die den Ärzteorganisatio- nen und Regierungen der zur Demo- kratie kommenden Länder Osteuro- pas geleistet werden konnten. Es gab unzählige Besucher aus verschiedenen osteuropäischen Ländern; in vielen Fällen wurden sie von der Bundesärz- tekammer beraten. Es zeigte sich, daß häufig das Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik Deutschland als Anregung, wenn nicht gar als Vorbild genommen wurde.

Die Regionalorganisation Euro- pa der Weltgesundheitsorganisation schätzt das zwar nicht – sie empfiehlt vornehmlich das „Beveridge-Modell“

Großbritanniens. Aber es gibt doch ei- nige mittel- und osteuropäische Län- der, die sich gern nach Deutschland orientieren möchten. Tschechien und Rumänien seien als Beispiel genannt.

Der Rat der Bundesärztekammer (und natürlich auch der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung) wird noch ei- nige Zeit gefragt sein, dies auch bei der Hilfe zur Gründung einer demokrati- schen Organisation der verschiedenen Ärzteschaften. In Ungarn, der Tsche- choslowakei und Polen gab es schon vor 1990 vielversprechende Ansätze.

Die erste ganz konkrete Hilfelei- stung der Bundesärztekammer an ein ehemaliges Ostblockland war übri- gens die Lieferung der „Arzneiver- ordnungen“ der Arzneimittelkom- mission – nach Lettland.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1997; 94: A-2724–2730 [Heft 42]

Anschrift des Verfassers Walter Burkart Löherstraße 8 53359 Rheinbach

A-2730 (50) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997 Bisher sind in dieser Serie erschienen:

Thomas Gerst: Föderal oder zentral? – Der kurze Traum von einer bundeseinheitlichen ärztlichen Selbst- verwaltung (Heft 38/1996)

Gerhard Vogt: Arzt im Krankenhaus (Heft 45/1996)

Hedda Heuser-Schreiber: Ärztinnen in Deutschland – Fakten, Beobachtungen, Perspektiven (Heft 1–2/1997) J. F. Volrad Deneke: Körperschaften und Verbände – streitbare Verwandte (Heft 4/1997)

Klaus-Ditmar Bachmann, Brigitte Heerklotz: Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (Heft 10/1997)

Marilene Schleicher: Die ärztliche Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland (Heft 14/1997) Jürgen W. Bösche: Die Reichsärztekammer im Lichte von Gesetzgebung und Rechtsprechung der Bundes- republik Deutschland (Heft 21/1997)

Horst Dieter Schirmer: Ärzte und Sozialversicherung (I) – Der Weg zum Kassenarztrecht (Heft 26/1997) Horst Dieter Schirmer: Ärzte und Sozialversicherung (II) – Der Weg zum Kassenarztrecht (Heft 27/1997) Franz Carl Loch, P. Erwin Odenbach: Fortbildung in Freiheit – Gestern und heute: Eine Hauptaufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung (Heft 33/1997)

Franz Carl Loch, Wolfgang Loris: Der saarländische Sonderweg (Heft 38/1997)

Jörg-Dietrich Hoppe: Die Weiterbildungsordnung – Von der Schilderordnung zum integralen Bestandteil der Bildung im Arztberuf (Heft 39/1997)

Bruno Müller-Oerlinghausen, Karl-Heinz Munter: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – Qualitätssicherung in der Arzneitherapie (Heft 40/1997)

Rolf Bialas, Michael Jung: Alterssicherung in eigener Verantwortung – Ärztliche Versorgungswerke (Heft 41/1997)

Referenzen

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