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Archiv "Ärzte und Psychologen als Psychotherapeuten: Besinnen auf gemeinsame Ziele" (08.02.2002)

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as am 1. Januar 1999 in Kraft getre- tene „Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeu- ten und des Kinder- und Jugendlichen- psychotherapeuten“ (PsychThG) bringt für Psychologen und Ärzte eine Reihe von Herausforderungen mit sich, denen man sich stellen muss. Grundsätzlich ist zu hoffen, dass die vom Gesetz intendier- te Verbesserung der psychotherapeuti- schen Versorgung der Bevölkerung eintritt. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass mittel- bis langfri- stig auch eine Ausgabenredukti- on in der Behandlung psychisch Kranker erreicht werden kann.

Der Markt und womöglich auch die Berufspolitik werden das ihrige tun, um die Ko- sten weiter in die Höhe zu treiben. Denn ärztliche Psychotherapeuten, Psy- chologische Psychothera- peuten und Kinder- und Jugendlichenpsychothera-

peuten konkurrieren um dasselbe ge- deckelte Budget, und die berufspoliti- schen Auseinandersetzungen, die seit ge- raumer Zeit bestehen, haben noch kein Ende erreicht. In dieser Situation ist es sinnvoll, sich auf die gemeinsamen über- geordneten Ziele zu besinnen, in der Hoffnung, dass die anstehenden Heraus- forderungen zusammen bewältigt wer- den können.

Seit es psychische Störungen gibt, gibt es Psychotherapie, und mit den Wand- lungen des Störungsbegriffs wandelten sich auch die Behandlungsformen. Es gab Zeiten, in denen psychische Auffäl- ligkeiten mit heroischen körperlichen Maßnahmen behandelt wurden. Die Auffassung psychischer Störungen als

„Besessenheit“ liegt ebenfalls noch nicht

lange zurück. Immerhin waren bereits in der Antike behandlungsbedürftige psy- chische Zustände bekannt, wenn Platon schreibt: „Dies ist der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten, dass es Ärzte für den Körper und für die See- le gibt, wo beides doch nicht getrennt werden kann.“

Nicht nur aus diesem Zitat wird er- sichtlich, dass die Behandlung seelischer Störungen zunächst in den Hän- den von Ärzten lag. Dies ist da- durch zu erklären, dass sie die einzige etablierte Profession waren, der die Behandlung von Kranken anvertraut war.

Daher haben Ärzte wesent-

lich zur Entwicklung psychotherapeuti- scher Methoden beigetragen. Um nur ei- nige wenige zu nennen: Psychoanalyse und ihre Varianten, Hypnose sowie auto- genes Training wurden primär von Ärz- ten entwickelt und fanden Eingang in Behandlungsprogramme, die heute auch von anderen Berufsgruppen ausgeführt werden. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Psychotherapie in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialis- mus einen erheblichen Aderlass durch die Emigration führender Psychiater und Psychotherapeuten nach England, den USA und Südamerika erfahren hat (Pe- ters 1996, 1999).

Auch die Psychologen haben, seit sie eine eigene Berufsgruppe gebildet haben (zunächst klinische Psychologie, dann

klinische Psychologie und Psychothera- pie), erheblich nachgezogen und nicht nur die Verhaltenstherapie und ihre Wei- terungen entwickelt, sondern vor allem den experimentellen Ansatz und damit die empirische Basis in die Psychothera- pie gebracht, die lange Zeit verloren zu gehen drohte.

Es soll hier jedoch nicht aufgerechnet werden: Beide Professionen haben gro- ßen Anteil am heutigen Kenntnisstand auf dem Gebiet der psychotherapeuti- schen Methoden und ihrer Anwendung.

Beide Professionen arbeiten an ihrer Weiterentwicklung; beide Professionen behandeln kranke Menschen und sind als sich ergänzende Disziplinen in vielfäl- tiger Weise aufeinander angewiesen. Sie sollten sich daher im Hinblick auf folgen- de Grundsätze einig sein (Remschmidt und Mattejat 2001):

Klare Indikationsstellung für die Anwendung psychotherapeutischer Maß- nahmen: Psychotherapie ist Krankenbe- handlung. Sie ist nur dort indiziert, wo Störungen von Krankheitswert vorlie- gen. Diese Aussage wird durch § 1 Ab- satz 3 des PsychThG gedeckt: „Zur Aus- übung von Psychotherapie gehören nicht psychologische Tätigkeiten, die die Auf- arbeitung und Überwindung sozialer

Konflikte oder sonstiger Zwecke außer- halb der Heilkunde zum Gegenstand ha- ben.“ Diese für alle Psychotherapeuten gleichermaßen gültige Maxime darf nicht verwässert werden.

Wissenschaftlichkeit der Verfahren:

Diese Forderung klingt auf den ersten Blick einleuchtend, ist aber schwer zu realisieren. Vorerst versucht der im Ge- setz vorgesehene, interdisziplinär zusam- mengesetzte Wissenschaftliche Beirat bei der Bundesärztekammer festzulegen, welche Verfahren als wissenschaftlich begründet gelten können und welche nicht. An Protesten gegen solche Festle- gungen des Ausschusses und die von ihm angewandten Kriterien hat es nicht ge- fehlt. So sehr Begrenzung notwendig ist, so sehr muss auch die Möglichkeit für In- P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 6½½½½8. Februar 2002 AA337

Ärzte und Psychologen als Psychotherapeuten

Besinnen auf

gemeinsame Ziele

Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Psychologen sollten zum

Wohle der Patienten beigelegt werden.

Es muss auch die Möglichkeit für Innovationen geschaffen werden und eine Öffnung für

Verfahren stattfinden, die für bestimmte Alters- und Diagnosegruppen unerlässlich sind.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt, Dipl-Psych.

Foto: privat

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novationen geschaffen werden und eine Öffnung für Verfahren stattfinden, die für bestimmte Alters- und Diagnose- gruppen unerlässlich sind. Es wäre denk- bar, dass für Verfahren, deren Wirksam- keit bereits in mehreren Studien unter- sucht ist und die nicht den festgelegten Kriterien genügen, eine zeitlich begrenz- te Zulassung im Rahmen von Pilotstudi- en ermöglicht wird, um eine fundierte Evaluation zu beschleunigen.

Geregelte Aus- und Weiterbil- dung: Im PsychThG und in den jeweili- gen Ausbildungs- und Prüfungsordnun- gen ist die Ausbildung für nicht-ärztli- che Psychotherapeuten zwar festgelegt, aber die Realisierung stößt auf große Schwierigkeiten. Diese liegen haupt- sächlich in der Realisierung der erfor- derlichen praktischen Tätigkeit und de- ren fehlender Finanzierung. Dabei ist auch der Betreuungs- und Supervisions- aufwand für die Mitarbeiter der Ausbildungsstätte, der neben ih- rer sonstigen beruflichen Tä- tigkeit geleistet werden muss, er- heblich. Hier muss Abhilfe ge- schaffen werden, indem die prak- tische Ausbildung der Psycholo- gischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeuten finanziell unterstützt wird.

Gemeinsame Aus- und Weiterbil- dung: Psychotherapie ist für Diplom- Psychologen und angehende Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Ausbildung, für Ärzte dagegen Weiter- bildung. Da diese Berufsgruppen weit- gehend für dieselben Patientengruppen zuständig sind und in ihrer gesamten Laufbahn miteinander eng kooperieren müssen, erscheint es nicht nur sinnvoll, sondern notwendig, dass die Aus- beziehungsweise Weiterbildungsgänge zusammengeführt werden, das heißt, dass eine gemeinsame Aus- und Weiter- bildung angestrebt wird. Dies ist sowohl für die tiefenpsychologische Richtung als auch für die verhaltenstherapeuti- sche Richtung möglich und notwendig.

Die unterschiedlichen Berufsgruppen bringen unterschiedliche Voraussetzun- gen mit. Der Verfasser und einige seiner langjährigen Mitarbeiter können nach über 20-jähriger Erfahrung einer ge- meinsamen Ausbildung von Ärzten und Psychologen im Marburger Weiter- bildungsseminar für Kinder-, Jugendli-

chen- und Familientherapie gut begrün- den, dass eine derartige gemeinsame Aus- und Weiterbildung sich bewährt hat und zu einer Verbesserung der Zu- sammenarbeit führt. Ob ein solches Konzept ohne Probleme auch auf an- gehende Kinder- und Jugendlichen- psychotherapeuten mit pädagogischer Grundausbildung erweitert werden kann, muss die Zukunft zeigen.

Gleichberechtigung der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und der Erwachsenenpsychotherapie: Drin- gend notwendig ist, dass die Psychothe- rapie mit Kindern und Jugendlichen den gleichen Stellenwert erhält wie die mit Erwachsenen. Derzeit lassen die Psy- chotherapie-Richtlinien nahezu aller Ärztekammern zu, dass ein für die Psy- chotherapie Erwachsener weitergebil- deter Arzt mit geringer Zusatz-Weiter- bildung auch psychisch kranke Kinder

und Jugendliche behandeln darf. Hinge- gen ist die Behandlung Erwachsener, beispielsweise durch einen in der Psy- chotherapie von Kindern und Jugendli- chen gut ausgebildeten „Kinder- und Ju- gendpsychiater“, nicht ohne weiteres möglich. Dabei hat dieser im Rahmen seiner Weiterbildung weit mehr mit Er- wachsenen gearbeitet – unter anderem durch den ständigen Kontakt mit Eltern und Bezugspersonen und durch das ob- ligatorische Jahr in der Erwachsenen- psychiatrie – als beispielsweise ein Er- wachsenenpsychiater und -psychothera- peut mit psychisch kranken Kindern und Jugendlichen, die er während seiner gesamten Weiterbildung nie oder selten gesehen hat. In diesen bislang immer noch gültigen Richtlinien spiegelt sich eine Minderbewertung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wider, die in der Gesellschaft auch sonst weit ver- breitet ist. Eine Gleichstellung der Kin- der- und Jugendlichenpsychotherapie mit Erwachsenentherapie und eine voll- ständige Gleichwertigkeit der Ausbil- dungsgänge ist daher dringend anzu- streben.

Bedarfsgerechte Aus- und Weiter- bildung: Diese Forderung ist nicht leicht zu erfüllen, weil fundierte Erhebungen nicht existieren und nur sehr schwer zu erstellen sind. Mit epidemiologischen Prävalenzraten allein ist dies nicht getan.

Auch der Schweregrad der Störung, ihre Prognose, ihr Verlauf und auch subjekti- ve Faktoren wie Leidensdruck und Be- reitschaft, sich behandeln zu lassen, müs- sten berücksichtigt werden. Dennoch muss sich die Planung der psy- chotherapeutischen Versorgung an Be- darfszahlen orientieren, und die Anzahl der Aus- und Weiterbildungsplätze sollte in einem angemessenen Verhältnis ste- hen. Die empirische Grundlage für eine bedarfsgerechte Aus- und Weiterbildung sollte schrittweise ergänzt werden.

Als Fortschritt muss betrachtet wer- den, dass die Aus- und Weiterbildung in der Psychotherapie nicht mehr privaten Instituten überlassen bleibt, son- dern staatlich anerkannten Ein- richtungen anvertraut wird, die über die notwendigen Vorausset- zungen verfügen (§ 6 PsychThG).

Darüber hinaus sind alle Bestre- bungen positiv zu bewerten, psy- chotherapeutische Behandlungs- methoden zu evaluieren und ihre wis- senschaftliche Begründung zu unter- mauern. Auch wenn dies noch recht un- vollkommen gelingt, so ist doch der ein- geschlagene Weg richtig.

Über diesen gemeinsamen Zielen, die es zu erreichen gilt, sollten Streit und Auseinandersetzungen zugunsten ge- meinsamer Vorgehensweisen beigelegt werden. Denn wenn ärztliche und Psy- chologische Psychotherapeuten sich streiten, so leidet ein Dritter: Dies ist der Patient.

Literatur

Peters UH: Ein Jahrhundert der deutschen Psychiatrie (1899–1999). Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 1999; 67: 540–557.

Peters UH: Emigration deutscher Psychiater nach England.

Teil I: England als Exilland für Psychiatrie. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 1996; 64: 161–167.

Remschmidt H, Mattejat F: Psychotherapeutengesetz: Her- ausforderung für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Zeitschrift für Kinder- und Jugend- psychiatrie und Psychotherapie 2001; 29: 3–5.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Helmut Remschmidt, Dipl-Psych.

Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Hans-Sachs-Straße 6

35039 Marburg P O L I T I K

A

A338 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 6½½½½8. Februar 2002

Eine Gleichstellung der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie mit Erwachsenentherapie und eine vollständige

Gleichwertigkeit der Ausbildungsgänge

ist dringend anzustreben.

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