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Archiv "Reform der „Gesundheitsreform“: Krankenkassen und Pharmaindustrie schon in den Startlöchern" (25.07.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

E

ine Bereinigung des „Ge- sundheits-Reformgeset- zes" (SGB V) von mißver- ständlichen und unklaren Vorschriften und die Einführung stringenterer Regelungen hat die Ar- beitsgemeinschaft der Spitzenver- bände der Krankenkassen in einem Arbeitspapier zur Novellierung des SGB V angeregt. Die Kassenverbän- de empfehlen, die Einführung der Direktbeteiligung von 15 Prozent (maximal 15 DM) um zwei Jahre auf den 1. Januar 1994 zu verschieben, dabei die Verordnungsblattgebühr von drei DM in den alten Bundeslän- dern beizubehalten. Durch die vor- geschlagene Verschiebung des Ter- mins könnten die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversiche- rung die Möglichkeiten, weitere Festbetragsgruppen zu bilden, aus- schöpfen und eine Begrenzung der verordneten Arzneimittelmenge durch die Festlegung von Richtgrö- ßen vorsehen. Die derzeitige Zuzah- lungsregelung bliebe als Anreiz für die Hersteller, einen wirksamen Preiswettbewerb zu erhalten.

Die Krankenkassen wollen die ihrer Ansicht nach komplizierten Regelungen des GRG für die Bil- dung von Festbetragsgruppen unter den Arzneimitteln vereinfachen. Bis 1994 sollen der Marktanteil von Festbetrags-Arzneimitteln an den Arzneimittelverordnungen (zur Zeit rund 30 Prozent) deutlich gesteigert werden und dadurch zugleich die Versicherten von Verordnungsblatt- gebühren entlastet werden.

Ferner sprechen sich die Spit- zenverbände der Krankenversiche- rung dafür aus, das Bundessozialhil- fegesetz (BSHG) so zu ändern, daß Leistungen nach dem BSHG nur dann um die Hälfte gekürzt werden können, wenn zugleich von den Krankenkassen Geldleistungen für Schwerpflegebedürftige (zur Zeit 400 DM pro Monat) bezahlt werden.

Wählen Krankenversicherte, die zu- gleich BSHG-Pflegegeld erhalten, dagegen die Sachleistung der Kran- kenkassen für Schwerpflegebedürfti- ge (25 Stunden Pflege pro Monat), dann sollen keine Kürzungen mehr möglich sein.

Die Ablösung des Kranken- scheins durch eine Plastik-Kranken-

versichertenkarte soll durch eine entsprechende Novelle zum „Ge- sundheits-Reformgesetz" von den Krankenkassen bis Mitte 1995 voll- zogen werden können.

Bei der Standortplanung für me- dizinisch-technische Großgeräte und den darauf abgestellten Großgeräte- Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen for- dern die Kassenspitzenverbände ei- ne klare Regelung der Kompetenzen des Großgeräte-Ausschusses, des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und der Kassenärzt- lichen Vereinigung. Nach dem Än- derungsvorschlag soll künftig der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen eine Liste der medi- zinisch-technischen Großgeräte fest- legen und diese regelmäßig überprü- fen. Leistungen, die mit nicht in die Standortplanung einbezogenen Großgeräten erbracht werden, kön- nen nicht mehr vergütet werden, so die Kassenforderung.

Leichtere Kündigung von Versorgungsverträgen

Die Verbände der Krankenkass- ne sollen Versorgungsverträge mit Krankenhäusern gemäß § 110 SGB V leichter kündigen können. Bislang ist die Kündigung nur mit Genehmi- gung der zuständigen Landesbehör- de wirksam (§ 110 Abs. 2 SGB V).

Die Kündigung soll dann wirksam sein, wenn die zuständige Landesbe- hörde nicht innerhalb von sechs Wo- chen nach Zugang des Kündigungs- antrags entschieden hat.

Künftig sollen die Regelungen nach § 112 Abs. V SGB V (zweiseiti- ge Verträge) schiedsstellenfähig werden. Begründung: Bisher sei es nur zu Rahmenempfehlungen auf ei-

nem kleinen gemeinsamen Nenner gekommen, weil es auf Bundesebene keine Konfliktlösung gebe.

Künftig sollen Richtlinien über die Krankenhausverweildauer, die eine Arbeitsgemeinschaft erarbeitet, auch bei Wirtschaftlichkeitsprüfun- gen gemäß § 113 SGB V herangezo- gen werden.

Die Apotheken sollen verpflich- tet werden, in jedem Fall preisgün- stigere importierte Arzneimittel ab- zugeben.

Ein „Änderungsbedarf" wird auch im Bereich der Heil- und Hilfs- mittel gesehen. Nach dem Vorschlag der Kassen (§ 73 Abs. 5 SGB V) muß der Arzt das „Hilfsmittelverzeichnis"

bei der Verordnung beachten und den Versicherten darauf hinweisen, wenn für ein Hilfsmittel eine Festbe- tragsregelung gilt. Die Krankenkas- sen sollen darüber hinaus berechtigt sein, Leistungserbringer, die die Höchstpreise unterschreiten bezie- hungsweise Leistungen zum oder un- ter dem Festbetrag anbieten, ihren Versicherten zu empfehlen. Nur sol- che Leistungserbringer sollen von den Krankenkassen eine Zulassung erhalten, die sich verpflichten, zum Festbetrag zu liefern.

• Den Streit über die Über- mittlung der Daten abgerechneter ärztlicher Leistungen wollen die Krankenkassen in ihrem Sinne ge- setzlich geregelt wissen. Die Kran- kenkassen drängen darauf, alle Da- ten von Leistungen zu übermitteln, wohingegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung das GRG so in- terpretiert, daß nur abgerechnete Leistungen für den Einzelfall zu übermitteln sind.

Die gesetzlich vorgeschriebene differenzierte Zuschußregelung für Zahnersatz zwischen 40 und 60 Pro- zent — je nach Art der Versorgung —

AKTUELLE POLITIK

Reform der „Gesundheitsreform"

Krankenkassen und

Pharmaindustrie schon in den Startlöchern

Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991 (17) A-2537

(2)

Selbst- medikation')

Zuzahlung') Selbst- beteiligung

(Selbst- medikation +

Zuzahlung)

Selbst- beteiligung2)

Quote

Belgien Deutschland Frankreich Großbritannien Italien

Niederlande Dänemark Spanien Portugal Griechenland Luxemburg Österreich Schweden Schweiz

11,0 17,3 26,1 30,3 24,3 30,0

20,0 29,0 36,6

n. v.

4,6 8,9 7,0 12,2 7,0

11,0 9,0 11,5

n. v.

21,9 35,0 37,3 36,5 37,0

31,0 38,0 48,1

29 7 34 24 18 8 47 32 23 20 14 Tabelle: Selbstbeteiligung bei Arzneimittelausgaben (in Prozent)

1) Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich, Herausgeber: Bundesarbeitsmi- nisterium, 1989, Basis: 1985

2) Drug Prices and Drug Legislation in Europe; BEUC (europäische Verbraucherorga- nisation), 1989; Basis: 1987/88; ohne Selbstmedikation, nur GKV-Arzneimittelumsatz

soll gestrichen werden. Der Zuschuß soll grundsätzlich 50 Prozent betra- gen.

Pharma-Industrie:

Für gestaffelte Zuzahlung

I Schon im Vorfeld einer Nach- besserung des GRG hat die Medizi- nisch Pharmazeutische Studienge- sellschaft e. V. (MPS), die Vereini- gung von sieben forschenden Phar- makonzernen in der Bundesrepu- blik, einen Vorstoß unternommen, um für ein flexibles Modell zur Ein- führung einer gestaffelten Direktbe- teiligung der Versicherten an den Medikamentenkosten zu werben.

Die MPS geht davon aus, daß Bun- desgesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) in der zweiten Augusthälfte einen Diskussionsent- wurf für eine punktuelle Novellie- rung des „Gesundheits-Reformge- setzes" (SGB V) vorlegen wird. Der Absprache der Koalitionsparteien CDU/CSU und F.D.P. zufolge soll- ten dabei die Auswirkungen der Ge- sundheitsreform vom 1. Januar 1989 überprüft werden. Das Gesetz soll insbesondere im Hinblick auf die So- zialverträglichkeit der Lösungen überprüft und gegebenenfalls geän- dert werden. Die Bundesregierung wird voraussichtlich § 31 Abs. 3 SGB V ändern, der einen Selbstbehalt von 15 Prozent bis maximal 15 DM je Arzneimittelverordnung für solche Arzneimittel vorschreibt, die nicht in die Festbetragsregelung einbezogen sind. Zur Zeit sind von den Kranken- kassen nur für rund 30 Prozent der Arzneimittel Festbeträge festgelegt worden.

Die Medizinisch Pharmazeuti- sche Studiengesellschaft knüpft an die anstehende GRG-Novellierung im wesentlichen drei Forderungen:

• Rasche Novellierung des

§31 SGB V;

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Beseitigung der wirtschaftli- chen Diskriminierung von innovati- ven Arzneimitteln, die den therapeu- tischen Fortschritt sichern;

• Einführung einer „einheitli- chen, gerechten und transparenten Selbstbeteiligung" (Zuzahlung/Di- rektbeteiligung), und zwar in gestaf- felter Form, die sich an der Indikati-

an orientiert. Vorweg soll allerdings zur Abfederung sozialer Härtefälle eine Sozialklausel eingebaut werden, damit das Postulat der Sozialverträg- lichkeit der Maßnahmen eingehalten werden kann.

Direktbeteiligungsmodell

Das MPS-Direktbeteiligungsmo- dell, das auch vom Geschäftsfüh- rer des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Wolfgang Schmeinck, Essen, in die Diskussion eingebracht worden ist, sieht folgen- de Regelungen vor:

1. Für Medikamente werden die drei Kategorien: Vollerstattung, Ausgrenzung (hundertprozentige Direktbeteiligung) und gestaffelte Zuzahlungen eingeführt.

2. Nach der Kategorie „Voller- stattung" durch die Krankenkassen sollten „Leistungen für lebensbedro- hende Erkrankungen" weiterhin von den gesetzlichen Krankenkassen voll erstattet werden. Die Zuzahlungs- freiheit werde dadurch von der zufäl- ligen Festlegung der Festbeträge ge- löst und an die Schwere der Krank- heit gebunden.

3. Die Kategorie „Ausgren- zung" sollte vor allem für jene Arz- neimittel gelten, die der Patient oh- ne Gefährdung allein anwenden

könne oder deren Bezahlung keine unzumutbare Eigenbelastung dar- stelle. Diese Arzneimittel sollten überhaupt nicht mehr erstattet wer- den. Um Substitutionseffekte und Wettbewerbsverzerrungen zu ver- meiden, sollte die „Ausgrenzungs- Liste" anders als die Arzneimittel- Negativliste auf der Basis einheit- licher Indikationsstellungen gebildet werden.

4. Beim verbleibenden Teil des GKV-Arzneimittelmarktes könnte die im „Gesundheits-Reformgesetz"

vorgesehene Regelung zum Zuge kommen.

Auf diese Weise würden „sozi- alpolitische Ungereimtheiten" be- seitigt werden. Zugleich würden

„innovative Arzneimittel" nicht mehr diskriminiert. Es könne nicht Sinn des Gesetzes sein, daß Patien- ten beispielsweise für Zytostatika zuzahlen müssen, wohingegen ein- fache Schmerzmittel voll erstattet werden, so der Sprecher des Vor- standes der MPS, Dr. Thorlef Spickschen, Vorsitzender der Ge- schäftsführung von Boehringer Mannheim GmbH, vor der Presse in Bonn. Im übrigen rangiere die Bundesrepublik, was die Zuzahlun- gen bei Arzneimitteln betrifft, mit rund 7 Prozent am unteren Ende im europäischen Vergleich (Ta-

belle). Dr. Harald Clade

A-2538 (18) Dt. Ärztebl. 88, Heft 30, 25. Juli 1991

Referenzen

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