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Archiv "Von schräg unten: Früher" (11.05.2007)

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[96] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 19⏐⏐11. Mai 2007

S C H L U S S P U N K T

VON SCHRÄG UNTEN

Früher

Dr. med. Thomas Böhmeke

F

rüher war alles

schlechter, so lautet das Credo aller alten Säcke, zu denen ich mich angesichts meiner gefühlten hundert Jahre im Dienst des deutschen Gesundheits- wesens bereits zählen darf. Dahinter steckt neben ei- ner gehörigen Überdosis Selbstmitleid auch der Ap- pell an die Jugend, konzentriert und jammerfrei für meine Rente zu schuften, schließlich hat man früher viel schlimmere Nebenwirkungen der ärztlichen Be- rufsausübung durchgemacht als heute. Die Jugend mag einem das nicht glauben, daher ist es umso schö- ner, wenn man jemanden trifft, mit dem man über die schlechten alten Zeiten schwadronieren kann.

„Kannst Du Dich noch dran erinnern, wie wir zwei Nachtdienste hintereinander geschoben haben?

Mensch, am Ende konnte ich im Stehen einschlafen!

Sogar die Atempause bei der Reanimation hat man für ein Nickerchen genutzt!“ Jaaa, das waren Zeiten!

Kaffee ‘reinstürzen hatte gar keinen Zweck mehr, so abgenudelt waren die Rezeptoren. Da musste man

sich schon die Paddels vom Defi zwischen die Ohren klemmen, um wach zu bleiben. „Stundenlang stand man danach noch im OP und hielt sich an den Haken fest, was ein Glück, dass die Pfleger die Patienten so ordentlich festzurrten auf dem OP-Tisch, sonst wären wir allesamt auf den Boden gerutscht!“ Jaaa, wenn ich vorher vergessen hatte, noch das WC heimzu- suchen, hatte ich spätestens nach vier Stunden mit ei- ner Hydronephrose zu kämpfen . . . dann bekam das Wort „Blasensprung“ für mich eine ganz andere Be- deutung . . . „Da war man 52 Stunden am Stück im Dienst, und dann kam der Alte vorbei und wollte noch Privatvisite machen!“ Ich kann mich genau erinnern, die Buchstaben tanzten Torsade de pointes vor der umnachteten Pupille – ganz gruselig war das. Der Un- terschied zwischen Analgesie und Analfissur war dann auch nicht mehr völlig klar. „Als man den Alten dann darauf hinwies, dass man eigentlich reanima- tionspflichtig sei und keine allgemeine Betriebser- laubnis mehr für seine Visite habe, meinte der nur: ,Schön, ich habe noch 50 Bewerbun- gen auf dem Tisch, wenn Sie müde sind, können Sie sich ger- ne ausruhen!‘“ Jaaa, und dann quetschte man das letzte bisschen Stresshormon aus sei- nem Nebennierenmark und wackelte über Stati- on, irgendwo zwischen Nar- kolepsie und Ataxie, ja, das waren Zeiten . . . Aber die Ju- gend von heute, die hat es viel besser, es gibt keine Chefärzte mehr, die 50 Bewerbungen auf dem Tisch haben. „Du, das meinst Du aber nur. Die Kollegen in den Krankenhäusern arbeiten im- mer noch 35 Stunden am Stück, hab’ ich gehört. Jeden LKW-Fahrer hätten sie längst ver- knackt.“

Oje! Trotz Ärztestreik immer noch keine besseren Zeiten. Wir schauen uns an und meinen ganz leise:

besser nicht krank werden. Nicht in unserem Krank- heitssystem.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

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