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Archiv "Roman: Anhaltende Spannung über das Ende hinaus" (09.03.2007)

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A666 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 10⏐⏐9. März 2007

K U LT U R

MFS DER DDR

Selektiver Antifaschismus

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR recherchierte schon früh und auch gründlich zu NS-Ver- brechen und -tätern und nutzte das Material gezielt zu Kampagnen, zur Anwerbung williger Helfer und als Druckmittel. 1991, als Journalisten und Historiker verblüfft feststellten, dass das MfS riesige Dokumenten- bestände gehortet hatte, kam alsbald der Verdacht auf, das Material habe der Erpressung und der Propaganda gedient. Die Untersuchung von Henry Leide erhärtet den Verdacht.

Zugleich erschüttert Leide die in Ost und West weit verbreitete Über- zeugung, die DDR habe konsequent antifaschistische Vergangenheits- politik betrieben.

Selbst in den Waldheimer Prozes- sen – in denen Tausende von den sowjetischen Truppen internierte Nazi- und Kriegsverbrecher durch

„Ausnahmegerichte“ abgeurteilt wur- den – ging es nach Leide um „den politischen Abschluss einer willkür- lichen Verfolgung, nicht um Sühne für konkrete NS-Verbrechen“. Die Entnazifizierung sei für die Festi- gung der KPD/SED-Herrschaft ge- nutzt worden, im Gewand des Anti- faschismus.

Eng verbunden mit der Entnazi- fizierung war der Aufbau der ge- heimen politischen Polizei, der späteren Stasi. Das MfS benutzte die alten NS-Kämpen zum Aufbau der neuen Kader. Es nutzte die ihm bekannten Informationen über Ak- tivitäten in der Nazizeit, um Spitzel (später: IM) anzuwerben und bei der Stange zu halten. Für Prozes- se gegen Naziverbrecher, mit de- nen der Westen vorgeführt werden konnte, lieferte das MfS Material.

Sache des MfS war es aber auch, Material zu- rückzuhalten, sofern pro- minente DDR-Bürger in Gefahr waren, als Na- ziverbrecher verdächtigt zu werden.

Das Buch beschreibt in der ersten Hälfte den Aufbau der MfS-Struk- turen und die Vergan- genheitspolitik der DDR.

Die andere Hälfte ent- hält Fallstudien, kurze politische Biografien von

Tätern, die es unter beiden Dikta- turen zu etwas gebracht haben.

Eine spannende Lektüre. Leide, der bei der Birthler-Behörde in Rostock arbeitet, leistet Auf- klärung im besten Sinn: kühl ana- lysierend, faktenbezogen, Ankla- gen vermeidend – und gerade des- halb überzeugend. Norbert Jachertz

ROMAN

Anhaltende Spannung über das Ende hinaus

„Die Habenichtse“ erhielt 2006 den Deutschen Buchpreis für den besten Roman des Jahres. Es ist ein an- spruchsvolles, fein beobachtetes und komponiertes Porträt der Generation der Mitt- bis Enddreißiger mit durch- aus bedrückenden Anteilen.

Im Vordergrund eines Netzes aus Freunden und Bekannten stehen Isabelle und Jakob. Am 11. Septem- ber 2001 treffen sie sich nach Jahren auf einer Party in Berlin wieder. Die beiden werden ein Paar und heiraten wenig später. Sie ziehen nach Lon- don, wo Jakob in einer Anwalts- kanzlei arbeitet, die damit befasst ist, enteigneten jüdischen Besitz in Ostdeutschland zurückzugewinnen.

Isabelle arbeitet weiter für ihre Berliner Grafikagentur. Das Leben plätschert dahin, und es zerrinnt den beiden, die eigentlich alles haben, zwischen den Fingern. Geschlagen mit „unerbittlicher Ziellosigkeit“

sind sie nicht unglücklich; doch der Satz „Ich bin glücklich“ will Jakob nicht über die Lippen: Er erscheint ihm „wie ein Holzpüppchen, das man behutsam aufstellte und das sich doch nur einen Augenblick hielt, bevor es umkippte“.

Wie Isabelle bei einem Abendes- sen Fahrt aufnimmt „wie ein kleines Schulsegelboot“, nimmt auch der Roman Fahrt auf. Der Binnenraum des streit- und leidenschaftslosen Ehelebens der beiden Helden sieht sich zunehmender Entfremdung ausgesetzt. Im Kontrast dazu zeigt sich der Außenraum mehr und mehr bedrohlich: Isabelle fühlt sich von einem gewalttätigen Dealer aus der Nachbarschaft erotisch angezogen, und nach dem 11. September ist je- derzeit mit weiteren terroristischen Anschlägen zu rechnen. Mit präzi- sen Vergleichen und eindringlichen Bildern erzeugt die Autorin eine an- haltende Spannung, die über das En- de des Textes hinauswirkt.

Christof Goddemeier

Katharina Hacker: Die Habenichtse. Roman.

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2006, 309 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag, 17,80 A ALMANACH

Ärzte und ihre Kreativität

Dass Ärztinnen und Ärzte kreativ sind und gerne schreiben, zeigt der jährlich er- scheinende Almanach deutschsprachiger Schriftsteller-Ärzte immer

wieder aufs Neue.

Die aktuelle Ausgabe des 29. Jahrgangs enthält eine Sammlung verschiedenster Geschichten, Berichte und Gedichte, alle von Ärztinnen und Ärzten geschrieben.

Literarische Beiträge von mehr als 50 Autoren wurden von Herausgeber Dr. Ste- phan Tobolt für dieses Jahr- buch ausgewählt, das in ei- ner Vielzahl ärztlicher War-

tezimmer und Bibliotheken zu finden ist und als handliches Paperback-Buch auch auf Buchmessen einem breiten Publikum präsentiert wird.

Im nächsten Jahr wird der Jubiläums- Almanach, 30. Jahrgang, erscheinen. Ärzt- liche Autorinnen und Auto- ren, die sich beteiligen möch- ten, werden gebeten, bis zum 30. März eine selbstkritische Auswahl eigener literarischer Beiträge an den Herausgeber, Dr. Stephan Tobolt, Schuh- straße 41, 29525 Uelzen, zu senden. Andrea Klabuhn

Dr. Stephan Tobolt: Almanach deutsch- sprachiger Schriftsteller-Ärzte 2007, 29. Jahrgang, Linus Wittich Verlag, Mar- quartstein, 600 Seiten, kartoniert, 20,50

Henry Leide: NS- Verbrecher und Staatssicherheit.

Die geheime Vergan- genheitspolitik der DDR. Vandenhoeck &

Ruprecht, Göttingen, 2006, 448 Seiten, 23,2 × 15,5 cm, gebunden, 29,90 A

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