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Archiv "Verbrauchsprognosen: Mehr Arzneimittel und noch mehr Selbstmedikation" (22.08.1987)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT es warm al■eale rar

Verbrauchsprognosen:

Mehr Arzneimittel und

noch mehr Selbstmedikation

„Tiefgreifende Veränderungen" im Arzneimittelsektor haben sowohl das Kieler Institut für Gesundheits-System- Forschung (IGSF; Institutsdirektor: Prof. Dr. med. Fritz Beske) als auch das Sozialforschungsinstitut Infratest Gesundheitsforschung GmbH, München, prognostiziert.

Die Apothekerschaft und die Arzneimittel-Hersteller in der Bundesrepublik müßten sich rechtzeitig auf den geänderten Datenkranz einstellen. Anläßlich einer Fort- bildungsveranstaltung der Apothekerkammer Schles- wig-Holstein in Malente wies IGSF-Direktor Professor Beske auf bereits prognostizierbare Trends hin, die tiefe Spuren auf dem Arzneimittelmarkt hinterlassen dürften.

B\AT esentlich werden der Arzneimittel- konsum und das In- anspruchnahmever- halten der Bevölke- rung durch die demographische Ent- wicklung und die überproportionale Zunahme berufstätiger Ärzte ge- prägt werden. Nach den Prognosen des Kieler Instituts wird der Anteil der Altersgruppe der 60- und über 60jährigen von heute 21 Prozent auf 38 bis 40 Prozent im Jahr 2030 stei- gen. Wegen der verlängerten Le- benserwartung, der Multimorbidität und der weiter verbesserten Ein- kommensverhältnisse werden gera- de ältere Menschen — ungeachtet der Auswirkungen von Arzneimittelli- sten oder erhöhter Selbstbeteiligun- gen — beim Arzneimittelkonsum kräftig zulegen.

Hinzu kommt: Die Zahl der be- rufstätigen Ärzte in der Bundesre- publik wird von derzeit rund 165 000 (31. Dezember 1986) auf voraus- sichtlich 216 000 im Jahr 2000 wach- sen. Professor Beske meint, der zu- nehmende „Konkurrenzdruck" und die sektorale wie gebietsärztliche Überbesetzung im niedergelassenen Bereich könnten möglicherweise da-

zu führen, „daß Patientenwünsche nach Arzneimitteln häufiger als bis- her erfüllt werden".

Druck auf die Ärzte

Eine Untersuchung des Instituts für Gesundheits-System-Forschung ergab, daß zwei Drittel aller befrag- ten Patienten (Grundgesamtheit:

8000) vom Arzt eine Verordnung ei- nes Medikamentes „erwarten". Na- hezu jeder zweite Befragte denke an einen Arztwechsel, falls der Arzt seinem Wunsch nicht nachkomme.

„Die Angst des Arztes, bei Nichter- füllung eines Wunsches den Patien- ten an einen Kollegen zu verlieren, scheint also nicht unbegründet", so Beskes Interpretation.

Auf der anderen Seite wächst der Anteil der Bevölkerung, der kri- tischer und „aufgeklärter" tradier- ten „chemischen" Präparaten ge- genübersteht. Ein immer größerer Anteil werde, und dies bestätigt auch Infratest, zur „sanfteren Medi- zin" tendieren, mit der Folge,

daß

auch die Selbstmedikation und die Nachfrage nach Naturheilmitteln und der ganzheitlichen Medizin stei-

gen werde. Zudem wachse die nach- rückende kritische, ökologisch orientierte Bevölkerung immer mehr in das „Patientenalter", so daß auch hieraus Verschiebungen im Nachfragevolumen auf dem GKV- Arzneimittelmarkt resultieren dürf- ten.

Erhebliche Verschiebungen prognostiziert das Beske-Institut auch infolge der vermehrt verordne- ten Generika, der Billigimporte und der nachgefragten Reimporte. Die Krankenkassen warnte Beske aller- dings davor, die scheinbar preiswer- teren Medikamente des Auslandes undifferenziert mit denen im Inland zu vergleichen. Vielfach seien die ausländischen Präparate ganz oder teilweise von der Mehrwertsteuer befreit und unterlägen staatlichen Markteingriffen (wie etwa admini- strierten Preisen oder maximalen Gewinnspannen).

Das Umsatzvolumen der bun- desdeutschen Apotheken (rund 17 000) für die Selbstmedikation er- reichte im Jahr 1986 bereits einen Wert von 4,1 Milliarden DM (nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., Frankfurt). Insgesamt setzte die gesetzliche Krankenversicherung im vergangenen Jahr zu Apotheken- abgabepreisen 16,35 Milliarden DM für Arzneimittel um, deren Kosten von der gesetzlichen Krankenversi- cherung übernommen werden.

In Zukunft dürfte der Selbstme- dikationsmarkt noch mehr zulegen, falls die Prognosen der Experten zu- treffen. So wird unterstellt, daß im Zuge der Strukturreform im Ge- sundheitswesen weitere Restriktio- nen gerade auf dem GKV-Arneimit- telmarkt, insbesondere auch auf

dem Apothekenmarkt, erfolgen

werden. Die Umschaltung der pau- schalen Rezeptblattgebühr auf eine prozentuale Direktbeteiligung (10

1

Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987 (17) A-2221 Dt.

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bis 15 Prozent) steht im Raum, und die Ersatzkassen propagieren die ge- setzliche Verankerung einer "Arz- neimittel-Positivliste' '. Da zwei Drittel des Apothekenumsatzes auf Leistungen der gesetzlichen Kran- kenversicherung entfallen, wird der Arzneimittelsektor durch die Struk- turreform erheblich betroffen.

Die Ortskrankenkassen stehen einer Ausweitung der Selbstmedika- tion "aufgeschlossen" gegenüber, falls dies nicht durch fehlindizierte Selbstmedikationen letztlich zu La- sten der Krankenversicherung geht.

So hat der Geschäftsführer des AOK-Bundesverbandes, Dr. Franz Josef Oldiges, Bonn, erst kürzlich darauf hingewiesen, daß die hohen Umsätze mit rezeptfreien Abführ- mitteln in keinem gesunden Verhält- nis zu den außerordentlich seltenen medizinischen Indikationen für sol- che Mittel stehen. Die Folgekosten für dadurch hervorgerufene Ge- sundheitsschäden habe die Solidar- gemeinschaft zu tragen.

I Hersteller

sind optimistisch

Indes ist der Bundesfachver- band der Arzneimittelhersteller (BAH), Bonn, davon überzeugt, daß die Bevölkerung ebenso wie die Krankenkassen sehr sorgsam mit der ambivalenten Selbstmedikation han- tieren werden. Gestützt auf eine In- fratest-Untersuchung konstatiert das Vorstandsmitglied des BAH, Dr.

Eckhard Weber, Vorstandsvorsit- zender der Prof. Dr. med. Much AG: ,·,Die Bevölkerung wendet grundsätzlich rezeptfreie Arznei- mittel sehr verantwortungsbewußt an. Die Bundesbürger wissen sehr wohl, wann sie Selbstmedikation be- treiben können, unter welchen Vor- aussetzungen, wie lange und wann ein Arzt aufzusuchen ist. Art und Umfang der Selbstmedikation hän- gen vom jeweiligen Wissensstand desjenigen ab, der die Selbstmedika- tion betreibt. Die Vertrautheit mit einer Beschwerde und die Einschät- zung ihrer Ernsthaftigkeit bestim- men das Verhalten der Bevölke- rung. Je ernster die Beschwerden

Wer Selbstmedikation betreibt (nach Gruppen)

Der Unbeschwerte

Der übersensible Arztorientierte

Der Arzneimittel- Skeptiker

Der gesundheitsbewußte Arztbesucher

Der erfahrene Selbstmedlkations·

Typ

Der intellektuelle Selbstmedikations-Typ

Quelle: Infratest Gesundheitsforschung GmbH, München; Bundesfachverband der Arzneimittelhersteller e. V. (BAH), Bonn 1987

beurteilt werden und/oder je weni- ger die Betroffenen mit der Be- schwerde vertraut sind, desto eher wird der Arzt aufgesucht.''

Wie sieht es nun an der Selbst- medikations-"Front" aus?

~ Nach Infratest hatten im ver- gangeneo Jahr 17,4 Millionen Bun- desbürger über 16 Jahren "in den letzten vier Wochen" Selbstmedika- tion betrieben. Wer sich jedoch aus- gesprochen krank und arbeitsunfä- hig fühlt, geht mehrheitlich (89 Pro- zent der Befragten) auch zum Arzt.

Neun Prozent der Befragten gaben an, auch bei "geringfügigen Befin- densstörungen", bei denen die Lei- stungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, zum Arzt zu gehen. Dreiviertel der Befragten - 2127 Bundesbürger wurden in die Repräsentativbefra- gung einbezogen - haben in solchen Situationen überhaupt nichts unter- nommen, wohingegen 15 Prozent ein rezeptfreies Arzneimittel ein- nahmen. Unwohlsein wie Kopf- schmerzen oder grippale Infekte kurierten die meisten Bundesbürger selbst; erst bei fiebrigen Infekten konsultierten sie - in 63 Prozent der Fälle -einen Arzt. Von denjenigen Befragten, die auf die regelmäßige Selbstmedikation schwören, gaben zwei Drittel bis zu 90 Prozent an, das Präparat habe , ,sehr gut oder gut'' geholfen.

Laut Infratest sind 21 Prozent der Erwachsenen dem , ,intellektuel- len Selbstmedikationstyp" zuzu-

rechnen. Dieser Typus befürwortet die rezeptfreie Medikation, da sie für kostensparend und zielgerecht eingeschätzt wird.

Beim "erfahrenen Selbstmedi- kationstyp'' liegt der Anteil derer, die für die Selbstmedikation eintre- ten, bei etwa einem Drittel der Ge- samtbevölkerung. Nahezu gleich groß ist die Gruppe der "arztorien- tierten" Bundesbürger, die nicht viel von der Selbstmedikation hal- ten.

15 Prozent der Bevölkerung ge- hören zu jenen arztorientierten Ty-

pen, die nur "über eine eher niedri-

ge Schulbildung'' verfügen. Zwi- schen den Pro- und Kontra-Gruppen liegen 20 Prozent, die generell Arz- neimittel-Skeptiker sind, sowie die

"Unbeschwerten" (12 Prozent), die

noch relativ jung und gesund sind und sich daher weder über ihre Ge- sundheit noch über Arzneimittel ernstlich Gedanken machen.

~ Durchweg unzufrieden sind die Befragten mit den Beipackzet- teln. 79 Prozent der Befragten kla- gen darüber, daß sie wichtige Teile der "Packungsbeilage" nicht verste- hen. Die Mehrzahl der Patienten plädiert daher für eine leicht ver- ständliche Kurzfassung der Arznei- mittelinformationen statt der gesetz- lich vorgeschriebenen Langfassung.

Auch die Arzneimittelinteraktionen und Gegenindikationen sollten ver- ständlich erläutert werden.

Dr. Harald Clade A-2222 (18) Dt. Ärztebl. 84, Heft 34/35, 22. August 1987

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