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Archiv "„Fit for fun„ durch Selbstmedikation" (07.06.1996)

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Bis heute gibt es kein spezielles Medikament, das für die häufigste Kopfschmerzform überhaupt, den Spannungskopfschmerz, entwickelt wurde. An der Kieler Universitätskli- nik für Neurologie wurde nun erst- mals systematisch die Anwendung von Pfefferminzöl untersucht. Die Pfefferminze ist als Heilpflanze seit dem Altertum bekannt. Plinius der Ältere empfahl, bei Kopfschmerzen frische Pfefferminzblätter auf die Schläfen aufzulegen. Die genaue Wir- kungsweise wurde aber nie wissen- schaftlich geklärt. Bislang lagen auch keine wissenschaftlichen Untersu- chungen zur Wirksamkeit vor.

Hauptbestandteile (50 bis 86 Pro- zent) des Öls der Pflanze Mentha pi- perita sind Menthol und Menthon.

Bei lokaler Anwendung von Pfeffer- minzöl auf der Haut werden, selbst in geringen Mengen, Kälte- und Druckrezeptoren erregt, in hohen Konzentrationen auch Wärme- und Schmerzrezeptoren stimuliert. Men- thol bewirkt eine Änderung der Zell- membran mit einer vermehrten elek- trischen Aktivität. Hohe Konzentra- tionen von Menthol entfalten eine lo- kal anästhesierende Wirkung. Pfef- ferminzöl kann außerdem die Wir- kungen der Schmerz-Nerven-Boten- stoffe Serotonin und Substanz-P hem- men. Beide Substanzen spielen bei der Entstehung von Kopfschmerzen eine entscheidende Rolle. In den Un- tersuchungsreihen zeigte zehnpro- zentiges Pfefferminzöl in alkoholi- scher Lösung die ausgeprägtesten Wirkungen.

Erstmals liegen nun auch, wie Dr.

Hartmut Göbel (Universität Kiel) auf einer Pressekonferenz der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesell- schaft in Bonn berichtete, neue Er- gebnisse zur Wirksamkeit von Pfef- ferminzöl aus einer streng kontrollier- ten klinischen Studie vor. Die Unter- suchung wurde mit Mitteln des Bun- desforschungsministeriums gefördert.

Die Prüfung erfolgte bei 164 einzel- nen Kopfschmerzepisoden gegen das Schmerzmittel Paracetamol sowie ge- gen Placebo. Die Anwendung des Öls erfolgte großflächig auf Stirn und Schläfen, und zwar zweimal nach 15 und 30 Minuten.

Signifikante Reduktion

Im Vergleich zu Placebo konnte mit Pfefferminzöl bereits nach 15 Mi- nuten eine signifikante Reduktion der Kopfschmerzen erzielt werden. Die Schmerzintensität reduziert sich im Verlauf einer Stunde weiter. Auch Paracetamol erwies sich als signifi- kant wirksam gegenüber Placebo.

Zwischen der Wirksamkeit von 1 g Paracetamol und zehnprozentigem Pfefferminzöl bestand kein Unter- schied.

Kopfschmerzen vom Span- nungstyp sind mit Abstand die häu- figste Kopfschmerzform und zählen zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt. Nach neuen Studien lei- den 54 Prozent unter Kopfschmerzen vom Spannungstyp, 38 Prozent unter Migräne, und nur acht Prozent der Kopfschmerzen haben andere Ursa- chen. Der Spannungskopfschmerz, der oft nach längerem Sitzen am Computer oder Autofahrten auftritt, kann 30 Minuten bis zu sieben Tage andauern.

Episodisch auftretend ist dieser

„Kopfschmerz pur“ häufig ohne Krankheitswert, seine chronische Form kann jedoch derartig gravie- rend für die Betroffenen sein, daß sie zur Aufgabe des Berufes und zu einer drastischen Einschränkung der allge- meinen Tätigkeit führt. „Diese Kopf- schmerzform kann das berufliche und soziale Leben komplett zerstören“, so Göbel. Dr. med. Cornelia Herberhold

A-1522 (30) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 23, 7. Juni 1996

A 1 5 2 0 MEDIZINREPORT

Spannungskopfschmerz

Pfefferminzöl ist anderen Analgetika ebenbürtig

„Fit for fun“ durch Selbstmedikation

Viele Patienten versuchen, die Kopfschmerzen durch häufige Einnah- me von Schmerzmitteln zu mindern. Damit wächst die Gefahr, daß durch Medikamente ausgelöste Dauerkopfschmerzen das primäre Kopf- schmerzproblem zusätzlich verschlechtern.

Analgetika sind die meistverkauften Arzneimittel in Deutschland.

Bei den Apotheken führten 1995 mit knapp 194 Millionen verkauften Packungen die Analgetika mit weitem Abstand vor den Husten- und Er- kältungsmitteln mit 140 Millionen Packungen. Insgesamt werden 75 Pro- zent aller Schmerzmittelpackungen ohne Rezept in der Apotheke ver- kauft. Schmerztherapie ist eine Therapie der Selbstmedikation, nach dem Motto „fit for fun“.

Arzneimittel werden gern genommen, um Probleme hinwegzu- schlucken, und reihen sich damit mit Alkohol und Nikotin in die chemisch gebundenen Bewältigungsstrategien ein. Kopfschmerzen können auch ein wesentlicher Grund für die Entstehung von Suchtverhalten sein. Eine Un- tersuchung des Instituts für Suchtprävention und angewandte Psychologie in Schleswig-Holstein ergab, daß je nach Schultyp schon 20 bis 40 Prozent der Schüler Kopfschmerzen als ihr wichtigstes und hartnäckigstes Gesund- heitsproblem angeben.

80 Prozent der Kopfschmerzpatienten gehen nicht zum Arzt. Ihr In- formationsdefizit ist besonders gravierend: Fast die Hälfte der Betroffe- nen hat keine speziellen Informationen. Das Thema ist allerdings auch an der wissenschaftlichen Medizin vorbeigegangen, denn dieser Kopf- schmerztyp liegt laut Dr. Hartmut Göbel (Universität Kiel) in einem un- klar definierten interdisziplinären Niemandsland. CH

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