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Archiv "Selbstmedikation" (17.01.1992)

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Academic year: 2022

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(1)

Tabelle: Anzahl der eigenverantwortlich eingenommenen Arzneimit- tel unterteilt nach Patientengruppen

Von 82 Patienten im Al- ter von 56-75 Jahren

nahmen ein: 57% 2% 70% 7% 4% 39%

1. Von insgesamt 150 Pa- tienten nahmen ein:

Medikamente 1-5 6-10 > 10

61% 3% 2%©

Pflanzenprodukte Stärkungsmittel 1-3 4-6 > 6 1-2 3-4

68% 7% 2% 32% 4%

Von 50 Patienten eines Krankenhauses nahmen ein:

Von 50 Patienten einer Universitätsklinik nah- men ein:

60% 6% 6%

68% 2% 0%

56% 2% 0%

78% 6% 6%

68% 6%

56% 10% 0%

28% 4%

56% 4

22% 4%

3. Von 87 weiblichen Pa-

tienten nahmen ein: 62% 3% 3% 69% 8% 3% 37%

Von 63 männlichen Pa-

tienten nahmen ein: 60% 1% 0% 67% 6% 0% 25% 8%

4. Von 19 Patienten im Al- ter von 16-35 Jahren

nahmen ein: 63% 58% 0% 0% 5% 0%

Von 49 Patienten im Al- ter von 36-55 Jahren

nahmen ein: 67% 6% 2% 69% 8% 0% 31% 4%

5. Von 83 befragten Pa- tienten mit kardiologi- schen bzw. angiologi- sehen Beschwerden nah-

men ein: 63% 2% 2% 69% 7% 1% 40% 4%

Von 67 befragten Pa- tienten mit gastro- enterolischen Beschwer-

den nahmen ein: 60% 4% 1% 67% 7% 3% 22% 4%

Selbstmedikation:

Anzahl

2. Von 50 Patienten einer Praxis nahmen ein:

DEUTSCHES

ARZTEBLATT

KURZBERICHT

Selbstmedikation

Susanne Möhlen und Klaus Opitz

D

ie Selbstmedikation wird wegen ihrer Vorteile geschätzt: Für die Patienten bietet sie die Chance einer sehnellen und unkomplizierten medikamentösen Selbsthilfe bei ge- ringfügigen Gesundheitsstörungen oder zur Vorbeugung gegen Erkran- kungen. Selbstmedikation erfordert aktives eigenverantwortliches Han- deln und trägt dadurch zu einem ak- tiven Gesundheitsverhalten bei.

Für die Apotheker bietet die Selbstmedikation die Möglichkeit zu einer verbesserten Gesundheitsauf- klärung und Erziehung ihrer Kun- den. Durch Selbstmedikation be- dingte Eigenverantwortung im Ge- sundheitsverhalten kann zu einem verstärkten Interesse der Bürger an Gesundheits- und Arzneimittelfra- gen führen. Für den Arzt bedeutet die Selbstmedikation, daß er den ernsthaft erkrankten, hilfsbedürfti- gen Patienten mehr Zeit widmen kann. Für die Krankenversicherung und deren Mitglieder ist die Selbst- medikation eine finanzielle Entla- stung. Im Schrifttum werden diese Vorteile der Selbstmedikation im- mer wieder betont (vgl. 1, 4). Wegen ihrer großen Verbreitung drängt sich die Frage nach möglichen Risiken der eigenverantwortlichen Einnah- me von Arzneimitteln auf.

Patienten und Methodik In den Jahren 1986 bis 1988 wur- de eine Befragung von 150 Patienten zum Thema „Selbstmedikation"

durchgeführt (6). Grundlage war ein umfangreicher Fragebogen, der In- formationen über den Gesundheits- zustand der befragten Patienten so- wie Art, Ausmaß, Dauer und mögli-

che Hintergründe ihrer Selbstmedi- kation erfaßte. Ferner wurden etwa- iges Fehlverhalten bei der Selbstme- dikation, und das daraus folgende Ri- siko einer Gesundheitsgefährdung dokumentiert.

Die Befragung wurde auf zwei Patientenkollektive beschränkt. Um eine repräsentative Aussage für ei- nen größeren Patientenkreis treffen zu können, wurden nur Patienten in die Studie aufgenommen, die sich

mit Symptomen einer kardiovaskulä- ren oder einer gastro-enterologi- schen Erkrankung bei einem Arzt für Allgemeinmedizin oder einem Internisten vorstellten. Je 50 Patien- ten im Alter von 16 bis 75 Jahren wurden in einer Praxis, einem Kran- kenhaus und einer Universitätsklinik befragt (6).

Im Anschluß an die Befragung wurden die Patienten um eine Harn- probe gebeten. Diese wurde von den Krankenhaus-Patienten am Aufnah- metag noch vor der ersten ärztlichen Medikation abgegeben. Die Unter- suchung der Harne mit Hilfe des TDx®-Assays der Firma Abbott um- faßte die Bestimmung von Benzodia- zepinen und Barbituraten. Gegebe- nenfalls im Harn ausgeschiedene Salicylsäure wurde photometrisch nachgewiesen.

A1-122 (62) Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992

(2)

Auftreten von unerwünschten Wirkungen bei der Selbstmedikation mit:

KI Medikamenten Pflanzenprodukten gl Stärkungsmitteln

Praxis Krankenhaus Universitätsklinik

Selbstmedikation mit Benzodiazepinen

Benzodiapezin-positive Hamproben,

die nur durch anonyme Selbstmedikation zu erklären sind Benzodiazepin-positive Harnproben, die durch eine vom Patienten angegebene Selbstmedikation zu erklären sind

Benzodiazepin-positive Harnproben, die Folge einer ärztlichen Medikation sind 100°

90%

80%

70%_

so%

50%

40%,

30%

20%

10%.

0%

Abbildung 1: Risiko einer Gesundheitsschädigung durch das Auf- treten von unerwünschten Wirkungen infolge Selbstmedikation

Abbildung 2: Umfang der anonymen Selbstmedikation mit Benzo- diazepinen bei Patienten einer Praxis, eines Krankenhauses und ei- ner Universitätsklinik

Die Analyse der Harnproben sollte

• das Ergebnis der Patienten- befragung zum Thema Selbstmedi- kation bestätigen

• und/oder einen Eindruck von dem Ausmaß der ungenannten Selbstmedikation vermitteln.

Die Möglichkeit einer Gesund- heitsschädigung durch Selbstmedika- tion besteht besonders dann, wenn Patienten Arzneimittel eigenverant- wortlich einnehmen, ohne dies dem behandelnden Arzt mitzuteilen.

Ergebnisse und Diskussion Bei der vorliegenden Studie ga- ben rund 73 Prozent der 150 Befrag- ten an, auftretende Beschwerden erst einmal durch Selbgtmedikation zu behandeln.

Im einzelnen führte die Befra- gung zu folgenden Ergebnissen:

Insgesamt wurden in 321 Fällen Medikamente eigenverantwortlich eingenommen, und zwar

• 143 Analgetika, davon 137mal Präparate mit chemisch definierten Wirkstoffen (in 84 Fäl- len waren es „Kombinationsprä- parate"),

• 49mal Laxantien, davon 32mal Sennesblätter beziehungswei- se Sennesschoten enthaltende Prä- parate,

• 36mal Hypnotika und Seda- tiva,

• 29mal sogenannte Grippe- mittel,

• 17mal Mund- und Rachen- therapeutika,

• 13mal Antitussiva und Ex- pektorantien,

• 13mal Magen- und Darmmit- tel,

• 4mal Kardiaka,

• 4mal Rhinologika und

• 13mal andere Medikamente.

Daß die Schmerzmittel unter den „eigenverantwortlich" einge- nommenen Arzneimitteln an erster Stelle stehen, ist nicht überraschend:

zu dem gleichen Ergebnis hatte ei- ne Repräsentativerhebung in der Schweiz geführt (5).

Nicht weniger als 41 der 150 be- fragten Patienten gaben zu, ein ver- schreibungspflichtiges Präparat ei- genverantwortlich eingenommen zu haben. Von weiteren 31 Patienten muß aufgrund der Harnanalysen ver- mutet werden, daß sie Benzodiaze- pin- oder Barbiturat-haltige Arznei- mittel ohne Konsultation eines Arz- tes eingenommen haben, ohne dies bei der Befragung zu erwähnen.

Insgesamt wurden 20 verschie- dene verschreibungspflichtige Medi- kamente „eigenverantwortlich" ein- genommen; 27 Prozent der Befrag- ten gaben zu, ein verschreibungs- pflichtiges Präparat zur Selbstmedi- kation verwendet zu haben. In 55 A1-124 (64) Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992

(3)

Prozent der Selbstmedikationsfälle wurden abhängigmachende Substan- zen konsumiert. Insgesamt nahmen die Patienten nach eigenen Angaben 34 verschiedene Medikamente mit Mißbrauchspotential (DHS, 2) ei- genverantwortlich ein. Zudem wur- den ohne Befragung des Arztes ver- schiedene Abführmittel angewendet, die zwar keine psychische Abhängig- keit auslösen, aber zu Störungen der Darmfunktion führen können, die den Mißbrauch unterhalten (3).

Ebenso wie Cranz (1) und Jork (4) verstehen die meisten Autoren unter Selbstmedikation die eigenverant- wortliche Anwendung von nicht ver- schreibungspflichtigen Arzneimit- teln. Diese Definition entspricht nicht der Realität (6). Bei Beurteilungen der Selbstmedikation sollte deshalb berücksichtigt werden, daß die eigen- verantwortliche Anwendung von Arz- neimitteln auch die Einnahme ver- schreibungspflichtiger Präparate um- faßt (vgl. 5). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Medika- mente von Verwandten und Bekann- ten oder um früher einmal ärztlich verordnete Arzneimittel aus der eige- nen Hausapotheke handelt, die ohne Befragen und ohne Wissen des Arztes eingenommen werden.

Mehr Beachtung als bisher sollte der Selbstmedikation mit Pflanzen- produkten und Stärkungsmitteln ge- schenkt werden. Nicht nur Medika- mente, sondern auch pflanzliche Er- zeugnisse sowie Roborantia und To- nika sind nach § 2, Absatz 1 des Arz- neimittelgesetzes als Arzneimittel zu bezeichnen, sofern sie zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder Leiden angewen- det werden. Deshalb handelt es sich auch bei der eigenverantwortlichen Einnahme von Pflanzenprodukten und Stärkungsmitteln um Selbstme- dikation; ihre Bedeutung ist groß (Tabelle und Abbildung 1).

Bei der Selbstmedikation mit Pflanzenprodukten wurden in neun Prozent der Fälle Pflanzen mit toxi- schen Inhaltsstoffen verwendet (vgl.

7). Mit der steigenden Nachfrage nach Pflanzenprodukten und Stär- kungsmitteln sollten auch Kenntnis- se über die Gefährdung durch die Selbstmedikation mit diesen Mitteln zunehmen.

Von insgesamt 123 untersuchten Harnproben von befragten Patienten waren rund 25 Prozent infolge Selbstmedikation Benzodiazepin-po- sitiv. Der Großteil dieser Patienten wird die Benzodiazepin-haltigen Präparate nicht regelmäßig einge- nommen haben. Dennoch ist zu be- denken, daß bei rund fünf Prozent eines (zweifellos selektierten) Pa- tientenguts Mißbrauch oder Abhän- gigkeit von Benzodiazepinen festge- stellt worden ist (8). Die eigenen Un- tersuchungen zeigten ferner, daß der Nachweis von Benzodiazepinen im Harn in 72 Prozent der Fälle nur mit heimlicher Selbstmedikation erklärt werden kann (Abbildung 2). Von den 63 Salicylsäure-positiven der insge- samt untersuchten 117 Harnproben lassen 56 Prozent eine ungenannte Selbstmedikation erkennen.

Bedenklich ist, daß knapp 30 Prozent der Patienten, die unter Be- einträchtigungen organischer Funk- tionen litten und ärztlich verordnete Medikamente einnahmen, ihre Ge- sundheit durch zusätzliche anonyme Selbstmedikation mit Benzodiazepi- nen gefährdeten.

Zusammenfassend ist festzustel- len: Bei 89 von 100 Patienten, die ei- genverantwortlich Medikamente ein- nahmen, waren grundsätzlich uner- wünschte Arzneimittelwirkungen zu befürchten. 51 von 100 Patienten, die Pflanzenprodukte zur Selbstmedika- tion verwendeten, und 31 Prozent derjenigen, die Stärkungsmittel ohne Befragung des Arztes zu sich nah- men, mußten mit unerwünschten Wirkungen rechnen (vgl. 7).

In den bisher zum Thema

„Selbstmedikation" erschienenen Veröffentlichungen zu wenig be- rücksichtigt wurde die eigenverant- wortliche Einnahme von verschrei- bungspflichtigen Medikamenten, insbesondere solchen mit Miß- brauchspotential. Auch Hypnotika und Sedativa werden vielfach ohne Konsultation und ohne Wissen des Arztes angewendet.

Schlußfolgerungen

Die Gefahr einer Gesundheits- schädigung durch Selbstmedikation besteht. Im Interesse einer rationel-

len Selbstmedikation ist es wenig sinnvoll, diese Tatsache zu negieren oder zu bagatellisieren. Vielmehr sind Forschung, Aufklärung und Be- ratung zu verstärken, um die Selbst- medikation möglichst sicher zu ma- chen.

Die anonyme Selbstmedikation spielt eine nicht unbedeutende Rolle bei der eigenverantwortlichen Ein- nahme von Arzneimitteln. Ärzte sollten daher bei der Arzneimittel- Anamnese stets an die Möglichkeit einer ungenannten Selbstmedikation denken.

Literatur

1. Cranz, H.: Selbstmedikation — Analysen und Perspektiven. Wissenschaftliche Verlagsge- sellschaft mbH — Stuttgart 1987

2. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefah- ren: Medikamentenabhängigkeit — eine In- formation für Ärzte. Achenbach-Druck, Hamm 1984

3. Forth, W.; Riemann, J.; Schmidt, H.: Abführ- mittel — unbedenklich für die Selbstbehand- lung? Dt. Ärztebl. 76, Heft 38 (1979), 2391-2396

4. Jork, K.: Selbstmedikation und Entschei- dungsfindung des Patienten. Münch. med.

Wschr. 130 (1988), 431-434

5. May, U.: Selbstmedikation II. Schweiz.

Apoth. Ztg. 123 (1985), 205-212

6. Mühlen, S.: Selbstmedikation — Chance ohne Risiko? Inaugural-Dissertation. Med. Fakul- tät Münster, 1990

7. Röder, E.: Nebenwirkungen von Heilpflan- zen. Dt. Apoth. Ztg. 122 (1982), 2081-2087 8. Schmidt, L. G.; Grohmann, R.: Zur Häufig- keit primärer Benzodiazepin-Abhängigkeit.

Dt. Ärztebl. 85, Heft 38 (1988)

Anschriften der Verfasser:

Dr. med. Susanne Möhlen Stadtkrankenhaus Soest,

Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät der Universität Münster Senator-Schwartz-Ring 6

W-4770 Soest

Prof. Dr. med. Klaus Opitz Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Domagkstraße 12

W-4400 Münster A1 -126 (66) Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992

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