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Archiv "Apotheker und Kassen setzen auf Selbstmedikation" (07.05.1987)

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Academic year: 2022

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Tabelle: Demoskopie zur Selbstmedikation Indikationen der Selbstmedikation (Angaben in Prozent: „Da kann man sich auch ohne Arzt helfen")

Kopfschmerzen 84

Magenverstimmung 77

Verstopfung 74

Ermüdung, Erschöpfung 71 Appetitlosigkeit 69

Nervosität 62

Schlaflosigkeit 60

Grippe 45

Rheuma 12

Blutdruckprobleme 10

Blutarmut 8

Zuckerkrankheit 2

Quelle: Institut für Demoskopie, Allensbach

DEUTSCHES

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ÄRZTEBLATT

Apotheker und Kassen setzen auf Selbstmedikation

Die Ausweitung der Selbstmedi- kation wird wieder einmal als proba- tes Mittel zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen und als ein Re- zept zu mehr Selbstverantwortung und Selbstentscheidung mündiger Sozialbürger propagiert. Von neoli- beralen Gesundheitsökonomen wird die Selbstmedikation als eine Art Inkarnation der Selbstregulation und der „Basisaktoren"-Kompe- tenz empfohlen. Auch im Zuge der geplanten Strukturreform in der Krankenversicherung werde die Selbstmedikation in den nächsten Jahren „zunehmend an Bedeutung gewinnen". Es müsse dem „mündi- gen Bürger entsprechender Frei- raum für eigene Entscheidungen über seine Gesundheit gegeben wer- den, für Selbsthilfe in Eigenverant- wortung." So eine zentrale These ei- nes Expertenforums über „Selbst- medikation — Gesundheit oder Krankheit Over The Counter?", veranstaltet von der von der Apo- thekerschaft getragenen Firma Sta- da Arzneimittel AG in Frankfurt.

Auch Sprecher der Spitzenver- bände der Krankenkassen freunden sich immer mehr mit dem früher eher ausweichend oder gar abschlä- gig goutierten Thema der Selbstme- dikation an. Erst kürzlich hat der Geschäftsführer des Bundesverban- des der Ortskrankenkasse, Dr. jur.

Franz Josef Oldiges, auf der Jahres- hauptversammlung des Bundesfach- verbandes der Arzneimittelherstel- ler (BAH) in Würzburg die von den Kassen gewünschten Rahmenbedin- gungen für die Selbstmedikation umrissen. Prämisse und für die Krankenkassen unverzichtbar blei- be, daß die Beratung des Patienten verstärkt und damit die Arzneimit- telsicherheit nicht gefährdet werde.

Der Verkauf von Arzneimitteln, von denen keine gesundheitliche Ge- fährdung ausgehe, sollte nach Mei- nung von Oldiges nicht nur auf Apo- theken beschränkt bleiben. Jeden- falls hätten die gesetzlichen Kran- kenkassen heute keinesfalls mehr

den Ehrgeiz, alles das, „was sich aufgrund des sehr weit gefaßten Arzneimittelbegriffs Arzneimittel nennt", auch zu finanzieren. Für die Krankenkassen sei eine weitere Ausdehnung des Selbstmedikations- Marktes „durchaus vorstellbar" und im Sinne der angestrebten Kosten- dämpfung auch wünschenswert. Al- lerdings könne es sich die Industrie, die überwiegend solche Präparate produziert, nicht leisten, die Frage nach den Nebenwirkungen ihrer Medikamente nicht ernsthaft oder weniger sorgfältig zu prüfen als an- dere Arzneimittel, sagte Oldiges.

Dies gelte insbesondere für Appetit- zügler mit hohem Nebenwirkungs- potential sowie auf Geriatrika.

BdO-Oldiges: „Es darf nicht sein, daß Schäden durch Selbstmedika- tionsmittel letztlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen. Insofern muß eine Marktbe- reinigung stattfinden."

Das Frankfurter Fachforum be- leuchtete schlaglichtartig die Ent-

wicklung auf dem Selbstmedika- tionssektor. So ist in den letzten Jah- ren ein spürbarer Strukturwandel im Verordnungsverhalten der Ärzte, aber auch in der Einstellung der Be- völkerung zu rezeptpflichtigen und frei verkäuflichen Arzneimitteln festzustellen. Und der Wandel auf dem Pharmamarkt wird in den kom- menden Jahren noch gravierender sein, prognostiziert die Industrie.

Während der Markt für frei verkäuf- liche, nicht rezeptpflichtige Arznei- mittel (sogenannter OTC-Markt) vor der Kostendämpfungsdiskussion von 1970 bis 1977 relativ konstant blieb und auch bis zur Einführung der (ersten) Negativ-Arzneimittelli- ste (1. April 1983) nur geringe Wachstumsraten aufwies, stieg die Selbstmedikation innerhalb von vier Jahren (1980 bis 1984) um knapp ei- ne Milliarde DM von 3 auf 3,9 Mil- liarden DM.

50 Prozent

vom Arzt verordnet

Der Arzneimittelverbrauch (re- zeptpflichtige und rezeptfreie Medi- kamente im weitesten Sinne) in der Bundesrepublik Deutschland belief sich 1986 auf rund 23 Milliarden DM. Allein im Bereich der Selbst- medikation wurden 4,7 Milliarden DM aufgewendet (1985: 4,5 Milliar- den DM).

Im Bereich der Selbstmedika- tions-Präparate werden rund 50 Pro- zent vom Arzt verordnet, die rest- lichen 50 Prozent werden direkt vom Apotheker ohne Rezept abgegeben.

Schätzungen zufolge werden zehn Prozent des Selbstmedikationsum- satzes außerhalb von Apotheken er- zielt, also in Drogeriemärkten, Kaufhäusern und zum Teil auch im Versandhandel. Demnach entfallen 20 Prozent des Arzneimittel-Umsat- zes ohne Verschreibung auf öffent- liche Apotheken und andere Abga- bestellen.

Der prozentual größte Anteil des OTC-Marktes entfällt auf Grip- pe- und Erkältungspräparate sowie auf Schmerzmittel. Auf diese beiden Gruppen entfielen 1986 insgesamt 591 Millionen DM bzw. 529 Millio- nen DM Umsatz.

A-1284 (46) Dt. Ärztebl. 84, Heft 19, 7. Mai 1987

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Die Verordnungsmärkte neh- men infolge auch der Restriktionen des Gesetzgebers und der Kranken- kassen langfristig ab, die Selbstme- dikation entsprechend zu. Eine Stu- die von Frost & Sullivan prognosti- ziert eine Steigerung des OTC- Marktes in Europa bis 1990 um 17 Prozent. Eine Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Emnid, Bielefeld (1985/86), bestätigt den allgemeinen Trend zur verstärkten Selbstmedikation: Mindestens 40 Prozent der Befragten gaben an, zu- mindest gelegentlich zu rezeptfreien Präparaten zu greifen und/oder Hausmittel anzuwenden.

75 bis 80 Prozent aller Gesund- heitsbeschwerden und Befindlich- keitsstörungen werden der gleichen Untersuchung zufolge überhaupt nicht oder selbst kuriert. Nur 20 Pro- zent führen zu einem Arzbesuch.

Dabei ist nach Meinung von Stada das Selbstmedikationsreservoir noch längst nicht voll ausgeschöpft. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt jedenfalls mit 18 Prozent Selbstme- dikationsanteil am Gesamtpharma- markt erst den vierten Platz ein, hin- ter den USA mit 37 Prozent, der Schweiz mit 30 Prozent und Schwe- den mit 20 Prozent.

Ob auf dem Selbstmedikations- markt eine „goldene Nase" zu ver- dienen ist und die Krankenkassen gut beraten sind, hier einen Ausweg bei der Kostendämpfung zu finden, wird die Zukunft erweisen. Jeden- falls schrieb der (neoliberale) Ge- sundheitsökonom Prof. Dr. rer. pol.

Peter Oberender, Universität Bay- reuth, den grenzenlosen Selbstmedi- kationsoptimisten ins Stammbuch:

„Selbstmedikation ist keine Alterna- tive zur ärztlichen Behandlung, viel- mehr dient sie dazu, den einzelnen in die Lage zu versetzen, Befindlich- keitsstörungen unmittelbar selbst . . . zu beheben. Risiken der Selbst- medikation bestehen in der falschen Einschätzung der Erkrankung durch den Patienten, durch toxische Wir- kung der Arzneimittel sowie durch falschen oder nachlässigen Umgang mit Arzneimitteln. " Grenzen der Selbstmedikation würden aber auch durch die mangelnde Sachkenntnis (Kompetenz) der Patienten be- stimmt. Eine Begrenzung der Selbst-

medikation diene dem Schutz des einzelnen und der Gesellschaft vor den Gefahren sowie den uner- wünschten Folgen einer Selbstmedi- kation. „Es muß ein Kompromiß zwischen Freiheit (Souveränität) und damit Mündigkeit des einzelnen Bürgers einerseits und der Sicher- heit bezüglich der Anwendung von Arzneimitteln andererseits gefunden werden. Der Akzent muß hierbei in einer freien Gesellschaft auf der Souveränität des einzelnen liegen.

Folglich muß für die Selbstmedika- tion die Devise ,Selbstmedikation soweit wie möglich, Verschreibungs- pflicht soweit wie nötig' gelten.

Hierzu bedarf es einer verstärkten Gesundheitserziehung, Gesund- heitsaufklärung sowie Gesundheits- beratung." Dr. Harald Clade

Petitionsausschuß des Bundestages

Von Rentennachzahlung bis AIDS-Forschungsmittel

Kürzlich legte der Petitionsaus- schuß des Deutschen Bundestages seinen Tätigkeitsbericht für 1986 vor. Interessantes findet sich darin auch zu Themen aus dem gesund- heits- und sozialpolitischen Bereich.

Durch Intervention des Aus- schusses erhielt ein 76jähriger Rent- ner von der Bundesversicherungsan- stalt für Angestellte (BfA) auf dem Wege des Schadenersatzes eine Rentennachzahlung in Höhe von über 18 000 DM. Die Rente war jah- relang auf der Grundlage einer fal- schen Beitragsklasse berechnet wor- den (der Betroffene hatte 1974 frei- willige Beiträge zur Rentenversiche- rung nachgezahlt). Die falsche Ein- stufung hatte der Rentner auf dem komplizierten Rentenbescheid nicht bemerkt. Als sie dann doch auffiel, verweigerte die BfA auch vor dem Sozialgericht die Nachzahlung er- folgreich, und zwar mit der Begrün- dung, dem Rentner sei ein Mitver- schulden vorzuwerfen, weil er die falsche Einstufung nicht gerügt ha- be. Der Petitionsausschuß hielt je- doch einen Anspruch auf Schaden- ersatz für begründet, da der Renten- bescheid unverständlich war. Dies sah schließlich auch die BfA ein und

zahlte. Jetzt, so heißt es, seien die Bescheide allgemein klarer und ver- ständlicher erläutert.

Aufgrund mehrerer Petitionen erreichte der Ausschuß, daß zur Lin- derung schwerer Hautkrankheiten wie etwa Psoriasis die Betroffenen künftig mit Beihilfe für Kuren am Toten Meer rechnen können, sofern nach amtsärztlicher Bestätigung Heilbehandlungen im Inland keine hinreichende Besserung erwarten lassen. Der Petitionsausschuß unter- stützte auch die Bitte von Eltern, bei der Sanatoriumsbehandlung ihres an einer schweren Krankheit (z. B.

Krebs) leidenden Kindes für die Ko- sten der Anwesenheit eines Eltern- teiles Beihilfe zu erhalten. Die Bei- hilfevorschriften sind inzwischen entsprechend geändert worden. So können nachteilige Auswirkungen einer Trennung des Kindes von sei- nen Eltern weitgehend vermieden werden. Noch nicht abgeschlossen waren hingegen die weitergehenden Bemühungen des Ausschusses, die Einbeziehung der Eltern und Ge- schwister in eine begleitende sozial- therapeutische Behandlung der er- krankten Kinder beihilferechtlich zu ermöglichen.

Die Einwände eines Berufssol- daten gegenüber der Strahlenbela- stung, der Soldaten durch die jähr- lichen Röntgenreihenuntersuchun- gen zur Erkennung einer Lungentu- berkulose ausgesetzt seien, konnte der Ausschuß nicht unterstützen.

Eine Prüfung ergab, daß die Strahlenbelastung nur in einem sehr geringen Bereich liegt. Darüber hin- aus seien allein 1985 bei den Unter- suchungen der Soldaten neben 170 aktiven Lungentuberkulosen 575 sonstige Lungenerkrankungen er- kannt worden.

Schließlich auch etwas zum The- ma „AIDS": ein Bürger bemängel- te, daß die Haushaltsmittel des Bun- des für Forschung und Aufklärung über AIDS nicht ausreichten. Dazu der Bericht: der Bundestag hat für das Haushaltsjahr 1987 bereits fast 20 Millionen DM bewilligt. Sollte dieser Betrag „wider Erwarten"

nicht ausreichen, bestehe die Mög- lichkeit, „durch Umschichtungen im Haushalt" zusätzliche Mittel für die AIDS-Forschung bereitzustellen. rei Dt. Ärztebl. 84, Heft 19, 7. Mai 1987 (49) A-1285

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