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Archiv "Ketorolac-Trometamol-haltige Arzneimittel" (09.07.1993)

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BUNDESÄRZTEKAMMER

Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Ketorolac-Trometamol-haltige Arzneimittel

Bundesgesundheitsamt: Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II

BEKANNTGABEN

Das Bundesgesundheitsamt (BGA) hat im Rahmen einer schriftlichen Anhö- rung nach dem Stufenplan dem betroffe- nen pharmazeutischen Unternehmer Ge- legenheit gegeben, zu folgendem Sach- verhalt und den vom BGA für erforder- lich gehaltenen Maßnahmen Stellung zu nehmen.

"Auf der Basis der vorliegenden Un- terlagen und Erkenntnisse hält es das BGA nicht für vertretbar, daß die oben genannten Arzneimittel weiterhin in den Verkehr gebracht werden, da der begrün- dete Verdacht besteht, daß sie bei be- stimmungsgemäßem Gebrauch schädli- che Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausge- hen. Das BGA beabsichtigt daher, die Zulassungen für diese Arzneimittel zu widerrufen.

Begründung:

Ketorolac gehört zur Gruppe der pe- ripher wirkenden Analgetika. Es zeichnet sich in den empfohlenen Dosierungen durch eine stark ausgeprägte analgeti- sche Wirkung bei gleichzeitig geringer antiphlogistischer Wirkung aus.

Ketorolac hemmt die Prostaglandin- synthese durch Hemmung der Cyclooxy- genase. Außerdem hemmt es die Throm- bozytenaggregation. Im Gegensatz zu Acetylsalicylsäure läßt sich die thrombo- zytenaggregationshemmende Wirkung nach Elimination von Ketorolac nicht mehr nachweisen. Vom Wirkprinzip her sind also vergleichbare Einflüsse auf die Nierenfunktion, die gastrointestinale Mucosa und die Haemostase zu erwar- ten, wie bei anderen Stoffen aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheu- matika.

Die oben genannten Arzneimittel sind in erster Linie für die postoperative Akut-Schmerztherapie zugelassen. Die zu erwartenden Nebenwirkungen sind aber gerade in der postoperativen Phase besonders risikoreich.

Der Patient befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Postaggressionsstoffwech- sel und ist ohnehin schon durch gastroin- testinale Blutungen und Nierenfunkti- onsstörungen gefährdet, die das Resultat eines Zusammenwirkens von Streß, Nah- rungskarenz und Arzneimittelgabe im

Zusammenhang mit der Narkose sind.

Somit ist die postoperative Situation selbst von erfahrenen Ärzten nur sehr schwer einschätzbar und zum Beispiel ei- ne mögliche Nierenfunktionsstörung als Kontraindikation kaum erkennbar.

Die genannten Risiken einer Ketoro- lac-Therapie, die bereits zum Zeitpunkt der Zulassung qualitativ bekannt waren, sind nach nunmehr vorgelegten Untersu- chungsergebnissen mit unvertretbar ho- her Häufigkeit und Schwere aufgetreten.

So erbrachte die Auswertung des vom pharmazeutischen Unternehmer über- mittelten Safety Update Summary eine Bilanz von 73 Todesfällen in Zusammen- hang mit der Anwendung von Ketorolac seit Beginn der weltweiten Vermarktung am 1. März 1990 bis zum 4. Dezember 1992 und insgesamt 923 Berichte mit zum Teil schweren Nebenwirkungen.

In dieser Zeit sind weltweit nach der vorgelegten Schätzung 16 062 573 Patien- ten mit Ketorolac behandelt worden, da- von 10 478 695 parenteral und 5 581 154 oral.

Der Zusammenhang zwischen letalem Ausgang und Gabe des Arzneimittels wird in vielen Fällen mit wahrscheinlich bis möglich angegeben, dies gilt vor allem für die Nebenwirkungen im gastrointesti- nalen Bereich.

Von den 73 aufgelisteten Todesfällen sind 34 auf gastrointestinale Komplika- tionen zurückzuführen. Von diesen 34 Patienten erhielten 21 die Medikation parenteral, in 50 Prozent dieser Fälle in der Tageshöchstdosis von 120 mg.

Drei Todesfälle traten nach einer Ein- zeldosis, drei nach einem Tag, zehn nach Therapie bis zu fünf Tagen auf.

Zwei Todesfälle werden hinsichtlich ihres Kausalzusammenhanges mit Keto- rolac mit definitiv, 20 mit wahrscheinlich, acht mit möglich bewertet.

Als zweite größere Gruppe von To- desursachen sind die renalen Komplika- tionen zu nennen. Es werden 22 Fälle aufgeführt, davon sind vier in den oben genannten mit gastrointestinalen Kom- plikationen enthalten. Von den verblei- benden 18 Patienten handelt es sich in zwei Fällen um ein Multiorganversagen.

16 wurden parenteral behandelt. Die Er- eignisse traten zumeist bis zum fünften Tag, einmal schon nach einer Einzeldo- sis, einmal nach zwei Dosen auf. Drei

Fälle werden mit wahrscheinlich, vier mit möglich beurteilt.

Aus den Spontanmeldungen aus Deutschland ergeben sich mittlerweile drei Todesfälle, die in Zusammenhang mit Ketorolac gesehen werden müssen (Blutungskomplikationen: Nachblutung, gastrointestinale Blutungen).

Als Analgetikum für die postoperative Phase und wegen seiner Wirkstärke ist Ketorolac in erster Linie mit den Opioi- den als therapeutischen Alternativen in dieser Indikation zu vergleichen.

Unerwünschte Wirkungen der Opioidanalgetika wie Atemdepression oder Gefahr der Abhängigkeit wurden bei Ketorolac zum Zeitpunkt der Zulas- sung nicht erwartet.

Aufgrund der besonderen Relevanz von Opioiden als therapeutische Alterna- tive war als Auflage zur Zulassung für Ketorolac unter anderem eine Kohorten- studie gefordert worden, die Ketorolac mit parenteral applizierbaren Opioiden vergleicht. Der Umfang der Studie be- trägt jeweils 10 000 Patienten pro Be- handlungsgruppe.

Diese Studie wurde zur Beschaffung weiterer wichtiger Erkenntnisse für eine umfassende Beurteilung der Arzneimittel hinsichtlich des Nutzens und der mit der Anwendung verbundenen Risiken für er- forderlich gehalten. Dies galt insbesonde- re für das nierenschädigende Potential und das Risiko gastrointestinaler Neben- wirkungen zum Abschätzen von Ausmaß und Inzidenz bei breiter therapeutischer Anwendung.

Ein Zwischenbericht zu dieser Kohor- tenstudie, die in Pennsylvenia, USA, durchgeführt wird, liegt nun vor.

Es lassen sich bereits jetzt höhere Ri- siken in der Ketorolac-Gruppe erkennen.

Mit Stand vom 10. 2. 1993 sind 4808 Pa- tienten mit Ketorolac behandelt worden, 2095 als Kontrollgruppe mit verschiede- nen Opioiden (74 Prozent Pethidin, 21 Prozent Morphin, Rest andere).

Auch wenn derzeit wegen der unter- schiedlichen Patientenzahlen in den Be- handlungsgruppen die Vergleichbarkeit der vorliegenden Ergebnisse nur einge- schränkt gegeben ist, geben diese den- noch hinreichende Veranlassung für eine Neubewertung.

Die dokumentierten Risiken sind im ein- zelnen:

1) GI-Trakt: Ketorolac Opioid Auftreten von

GI-Blutungen 4,6% 3,0%

Perforationen 0,4% 0,2%

2) Blutungen:

Nasenblutungen 0,5% 0,1%

Hämaturie 3,7% 2,4%

OP-Blutung 23,6% 21,0%

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 27, 9. Juli 1993 (49) A1-1953

(2)

BEKANNT BE N

3) Infektionen: 10,8% 8,5%

4) Niere:

erhöhte Harn-

Retentions-Werte 4,1% 4,0%

andere 8,8% 7,6%

5) ZNS:

Ketorolac verursachte ZNS-Nebenwir- kungen in vergleichbarer Höhe wie die Opioide, obwohl gerade auf diesem Ge- biet ein Vorteil für den Einsatz von Nicht-Opioiden zu erwarten gewesen wäre.

6) Herz/Kreislauf

Ketorolac löste häufiger Angina pectoris und Synkopen aus, seltener Arrhythmien und Herzinfarkte.

7) Lunge:

Es traten unter Ketorolac häufiger Atem- depressionen und Pneumonien inklusive Aspirationspneumonien auf.

8) Todesfälle: 43 37

Fast alle Todesfälle sind in Zusammen- hang mit der Grundkrankheit zu sehen.

Als Resultat bleibt bei drei Todesfällen ein Zusammenhang mit Ketorolac.

Bereits aus der Zwischenauswertung dieser Studie ergeben sich größere Risi- ken für Ketorolac wie zum Beispiel GI- Blutung, renale Komplikationen, andere Blutungskomplikationen.

Außerdem wurde erkennbar, daß äl- tere Patienten, für die man sich gerade einen Vorteil gegenüber Opioiden ver- sprochen hatte, eine Risikogruppe dar- stellen.

Auch eine längere Anwendungsdauer ist offensichtlich ein Risikofaktor. Über eine Abhängigkeitsentwicklung, die theo- retisch bei Opioiden eher als bei Ketoro- lac hätte befürchtet werden können, war bei der kurzen postoperativen Anwen- dung nicht berichtet worden.

Ein möglicher zusätzlicher, die gestei- gerten Risiken kompensierender Nutzen, wie bessere Analgesie, Opioidspareffekte oder geringere Beeinträchtigung der At- mung, läßt sich aus den Unterlagen nicht erkennen.

Zusammenfassend läßt sich feststel- len, daß nach derzeitigem Erkenntnis- stand — ein Studienplan für die „Strom"- Studie und die Originaldaten zur bisher vorgelegten Auswertung liegen nicht vor

— und unter Einbeziehung der vorgeleg- ten Zwischenauswertung — eine weitere (Stand 31. 3. 1993) wurde nicht übermit- telt — der im Zusammenhang mit der Zu- lassung angeordneten Studie

— ein Wirkmechanismus vorliegt, der besonders im Behandlungszeitraum, der durch den zugelassenen Indikationsbe- reich beschrieben ist, mit Risiken behaf- tet ist,

—eine nicht vertretbar hohe Anzahl von Nebenwirkungen, zum Teil mit To- desfolge im Zusammenhang mit der An- wendung von Ketorolac gesehen werden muß,

—therapeutische Alternativen vor- handen sind, bei denen offenbar einige Risikoarten mit geringerer Häufigkeit vorkommen,

—eine bessere Analgesie gegenüber den therapeutischen Alternativen nicht gegeben ist.

Somit besteht der begründete Ver- dacht auf medizinisch unvertretbare Risi- ken, denen keine gegenüber den risikoär- meren therapeutischen Alternativen her- ausragende Wirksamkeit gegenübersteht.

Die vom pharmazeutischen Unterneh- mer im Mai 1993 eingereichten Vorschlä- ge zur Änderung der deutschen Ge- brauchs- und Fachinformationen erschei- nen nicht ausreichend, den genannten Risiken wirksam zu begegnen. Bezüglich der vorgesehenen Reduzierung der Ta- gesdosis und der Dauer der Anwendung bei verschiedenen Patientengruppen ist nicht belegt, daß ein wesentlicher Teil der bekanntgewordenen Nebenwirkun-

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft gibt nachfolgend einen Rote-Hand-Brief der Syntex Arz- neimittel GmbH wieder, der am 15. Juni 1993 an alle Ärzte, Apotheken und Kran- kenhäuser versandt wurde:

„Syntex wurde am 10. Juni dieses Jah- res vom Bundesgesundheitsamt unter- richtet, daß die Behörde beabsichtigt, die Zulassungen für Ketorolac-Trometamol (,TORATEX®') zu widerrufen. Dabei wurde der Firma eine Frist zur Stellung- nahme im Rahmen einer schriftlichen Anhörung eingeräumt.

Auf der Basis der nach der Zulassung vorgelegten Unterlagen und der daraus abgeleiteten Erkenntnisse hält es das Bundesgesundheitsamt nicht mehr für vertretbar, daß die genannten Arzneimit- tel weiterhin in den Verkehr gebracht werden, da der begründete Verdacht be- stehe, daß sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben könnten, die über ein nach den Erkennt- nissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Die Ansicht des Bundesgesundheits- amtes basiert auf der Analyse folgender Daten:

gen unter den Bedingungen aufgetreten ist, die von den Einschränkungen betrof- fen sein sollen, so daß nach Änderung ei- ne Risikominimierung hinreichend ist.

Aus diesen Gründen ist beabsichtigt, die Zulassungen für die betroffenen Arz- neimittel zu widerufen."

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft bittet alle Kolle- ginnen und Kollegen, im Zusammenhang mit dieser Maßnahme ihre Erfahrungen und Beobachtungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Gabe von Ketorolac-Trometamol-haltigen Arznei- mitteln (auch Verdachtsfälle) auf dem im Deutschen Ärzteblatt abgedruckten Be- richtsbogen oder auch formlos mitzutei- len.

Handelspräparate:

Toratex 30, Ampullen Toratex, Filmtabletten

(Quelle: ABDA-Datenbank, Lauer-Taxe, Stand 15. 6. 1993)

Arzneimittelkommission der Deut- schen Ärzteschaft, Aachener Straße 233-237, 50931 Köln, Tel: 02 21/

40 04-5 20, Fax: 02 21/40 04-5 39.

—Einer von Syntex zur Verfügung ge- stellten „Safety Update Summary", die Einzelheiten über alle Nebenwirkungs- verdachtsmeldungen enthält, die weltweit im Zeitraum vom 1. März 1990 bis zum 4.

Dezember 1992 bei der Firma eingegan- gen waren. Diese Berichte stammen aus den 27 Ländern, in denen Ketorolac ver- trieben wird. Es wird geschätzt, daß in dem genannten Zeitraum 16 Millionen Patienten mit Ketorolac behandelt wur- den. Die Zusammenfassung dieser Be- richte beschreibt Einzelheiten von 923 Nebenwirkungen, die zum Teil schwer waren. Insgesamt wurde über 73 Todes- fälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Medikation berichtet.

—Dem Zwischenbericht einer Kohor- ten-Studie, die vom Bundesgesundheits- amt als Auflage für die Zulassung von TORATEX® 30 verlangt wurde. [Nach Abschluß wird diese in den USA durch- geführte Studie Nebenwirkungsdaten von 10 000 Patienten berichten, die mit dem Produkt behandelt wurden, und einer vergleichbaren Anzahl von Patienten, die mit Opioiden behandelt wurden.] Der vorgelegte Zwischenbericht bezieht sich auf 4808 Patienten, die Ketorolac, und

Rote-Hand-Brief der Syntex Arzneimittel GmbH

Vorläufige Einstellung des Vertriebs von Toratex, Filmtabletten und Toratex 30, Injektionslösung

A1-1954 (50) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 27, 9. Juli 1993

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