Metaanalyse zu Cholesterin
Viele Bestimmungen sind überflüssig
ennen Sie Ihren Cholesterinwert?“ Mit diesem und anderen Slogans rief das „US National Cho- lesterol Education Program“ 1993 alle erwachse- nen Amerikaner dazu auf, sich ab dem 20. Lebensjahr al- le fünf Jahre den Cholesterinspiegel bestimmen zu lassen;
die Hersteller von Lipidsenkern haben sich daraufhin al- le Mühe gegeben, diese Botschaft auch in andere Absatz- länder zu tragen. Jetzt versucht das American College of Physicians, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Der Wis- senschaftler A. M. Garber kommt nach einer Metaanaly- se aller wesentlichen Lipidstudien zu dem Ergebnis, daß eine regelmäßige Kontrolle des Cholesterinspiegels bei gesunden Männern ohne kardiale Risikofaktoren nur zwischen dem 35. und 65. Lebensjahr, bei Frauen nur zwi- schen dem 45. und 85. Lebensjahr sinnvoll ist. Hier sei ein Test „angemessen, aber nicht obligatorisch“ (Ann Intern Med 1996; 124: 515-517). Mit anderen Worten: Choleste- rin kann, muß aber nicht gescreent werden.
ei den älteren gesunden Menschen gibt es laut Garber keinen Hinweis darauf, daß ein erhöhter Cholesterinspiegel noch mit einem erhöhten Herzkreislaufrisiko verbunden ist. Hinzu kommt, daß der Effekt einer cholesterinsenkenden Therapie frühestens nach drei bis fünf Jahren eintritt. Bei jüngeren gesunden Menschen soll ein Screening nur bei einer positiven Fa- milienanamnese durchgeführt werden oder wenn wenig- stens zwei der folgenden koronaren Risikofaktoren vor- liegen: männliches Geschlecht, hoher Blutdruck, Rau- chen und Diabetes. Die Experten halten beim Screening die Bestimmung des Gesamtcholesterins für vollkommen ausreichend. LDL und HDL seien bei der ersten Testung überflüssig. Ein niedriger Gesamtcholesterinwert müsse auch nicht regelmäßig kontrolliert werden, weil sich die- ser Wert in der Regel über längere Zeit nur wenig verän- dert.
ie Kritik an den neuen Richtlinien ließ nicht lan- ge auf sich warten. Ein Sprecher der American Heart Association erklärte, die neuen Richtlini- en gingen am eigentlichen Problem vorbei. Dies bestehe darin, daß nur ein Drittel der Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) angemessen mit Lipidsenkern be- handelt werde. Niemandem sollte in der Arztpraxis der Cholesterintest verweigert werden. Die Patienten wür- den das Screening sonst selbst in die Hand nehmen. Ent- sprechende Test-Kits sind in den USA überall frei erhält- lich. Auch deutsche Ärzte sprechen sich für ein selektives Screening von Fettstoffwechselstörungen aus. Insbeson- dere Personen mit einer symptomatischen KHK oder multiplen anderen Risikofaktoren sollten regelmäßig ihren Lipidstatus kontrollieren lassen. Rüdiger Meyer
A-1220
S P E K T R U M AKUT
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(4) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 19, 10. Mai 1996