Kondome zu benutzen und weiterhin wechselnde Sexualpartner zu haben.
Durch die intensive Beratung und Vor- bereitung auf die antiretrovirale Thera- pie stellte sich bei vielen Männern eine neue Einsicht in notwendige Verhal- tensänderungen ein.
Sowohl die Entstigmatisierung als auch die Vermittlung von sexuellem Ver- antwortungsbewusstsein kristallisierten sich zu einem neuen Präventionsansatz heraus, der jedoch nur mit der antiretro- viralen Therapie erreicht werden kann.
Aus der Hoffnung der Betroffenen, die an die antiretrovirale Therapie geknüpft ist, ergibt sich eine neue Motivation, sich der HIV-Infektion zu stellen und sich und andere zu schützen. Trotz der schwierigen Lebensumstände vieler Pa- tienten und der Verständigungsschwie- rigkeiten (90 Prozent der Patienten
sprechen nur Oshikwanyama) haben wir den größten Wert auf die bestmögli- che Therapietreue gelegt, um Resistenz- entwicklungen zu vermeiden. Maßgeb- lich hierfür ist eine individuell zuge- schnittene medizinische und soziale Be- treuung der Patienten.
Hilfe kommt für viele zu spät
Wegen der hohen HIV-Prävalenz und der sinkenden Zugangsschwelle wer- den in Zukunft enorme personelle Res- sourcen zur Bewältigung dieser Auf- gabe notwendig sein. Die Einführung der antiretroviralen Therapie unter den Bedingungen eines Entwicklungslandes muss sehr sorgsam, kritisch und mit aus- reichender Geduld erfolgen. Beobach- tet man, wie sich die Patientinnen und
Patienten unter HAART verändern – von Dahinsiechenden zu wieder sozial integrierten lebenstüchtigen Mitmen- schen –, beantwortet sich die viel disku- tierte Frage von allein, ob man den Menschen im südlichen Afrika diese Therapie unter den dort gegebenen einfachen medizinischen und sozialen Bedingungen zugänglich machen kann und soll. Leider hilft HAART nicht allen, und für viele kommt die Option bereits zu spät. Dr. med. Daniela Wunderlich Ulrich Wunderlich E-Mail: du.wunderlich@web.de
Literatur
1. Ministry of Health and Social Services, Republic of Na- mibia: Guidelines for Anti-Retroviral Therapy; First Edi- tion April 2003; 5–7.
2. Ministry of Health and Social Services, Republic of Na- mibia: HIV/AIDS Sentinel Sero Survey Results 2004.
3. www.namibian.com.na/2004/december/national/
047F4496F.html.
T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 49⏐⏐9. Dezember 2005 AA3405
E
ine antiretrovirale Therapie ist bisher noch nicht möglich.“ So endete ein Bericht über die Arbeit der Hilfsorganisation „Komitee Ärz- te für die Dritte Welt“ in einem Slum von Nairobi, der 2003 im Deutschen Ärzteblatt er- schien (Heft 12). Seither hat sich vieles zum Guten gewandelt.Das HIV-Programm des Komitees im Baraka Medical Centre im Mathare Valley in Nairobi startete 2001 und umfasste zunächst die frei- willige Beratung und einen HIV-Test. Ziel war es, weitere HIV-Infektionen zu verhindern und bereits Infizierte zu betreuen. In der Folge wurde das Angebot stetig erweitert. Es umfasst nun im Rahmen der medizinischen Betreu- ung ein Gewichtsmonitoring, Tuberkulose- screening sowie die Prophylaxe opportu- nistischer Infektionen mit Cotrimoxazol. Pati- enten mit einem Bodymass-Index von weni- ger als 17 oder sehr schlechtem Sozialstatus werden in ein Ernährungsprogramm aufge- nommen. Es gibt eine Selbsthilfegruppe für HIV-Infizierte sowie eine häusliche Betreuung von Schwerstkranken.
Seit Februar 2005 wird eine antiretrovirale Therapie (ART) angeboten, und zwar als Triple- Therapie ab Stadium III oder IV oder ab einer CD4-Zellzahl von unter 200. Für die meist ver- wendeten Medikamente Lamivudin, Stavudin
und Nevirapin liegen Fixkombinationen vor, sodass sich die Einnahme für die meisten Pati- enten auf zweimal eine Tablette beschränkt.
Kriterien für die Aufnahme in das Therapie- programm sind ein naher Wohnort, die bishe- rige Compliance sowie die Bereitschaft zur Teilnahme an einer ART-Selbsthilfegruppe. Vor Behandlungsbeginn findet eine wiederholte intensive Beratung über die Notwendigkeit der regelmäßigen Medikamenteneinnahme, mögliche Nebenwirkungen und Resistenz- entwicklungen statt. Opportunistische Infek- tionen werden vor Beginn behandelt. Jeder Patient soll darüber hinaus einen so genann- ten Behandlungsbegleiter (Treatment-Buddy) angeben, der eine Mitverantwortung für die regelmäßige Medikamenteneinnahme über- nimmt. Außerdem wird jedem Patienten ein Community Health Worker als Ansprech- partner zugeordnet.
Im ersten Monat kommen die Patienten al- le zwei Wochen in die Sprechstunde, danach monatlich. In regelmäßigen Abständen wer- den Blutbild und Leberwerte kontrolliert, alle sechs Monate werden die CD4-Zahlen be- stimmt. Die Therapie wird von nichtärzt- lichem Personal durchgeführt; die keniani- schen Richtlinien sind kochbuchartig: Medi- kamentenregime, Dosierung, Vorgehen bei
Nebenwirkungen werden anhand von Fluss- diagrammen vorgegeben.
Derzeit werden im Baraka Medical Centre etwa 1 000 HIV-positive Patienten betreut.
Gut ein Drittel von ihnen erfüllt die WHO-Kri- terien für eine antiretrovirale Therapie. Auf- grund personeller und finanzieller Engpässe erhalten derzeit allerdings nur 90 Patienten eine antiretrovirale Therapie. Bei den Behan- delten ist die durchschnittliche CD4-Zahl von 175 vor Therapiebeginn auf 295 nach sechs Monaten gestiegen. Bei den meisten hat sich der klinische Zustand entscheidend, zum Teil erheblich verbessert.
Seit Beginn der medikamentösen Aids-Be- handlung sind die Teilnehmerzahlen im HIV- Programm des Komitees „Ärzte für die Dritte Welt“ in die Höhe geschnellt. Die monatlichen Beratungen stiegen von etwa 300 auf jetzt durchschnittlich 460. Waren ehemals 57 Pro- zent der Beratenen bereit, sich einem HIV-Test zu unterziehen, sind es jetzt 97 Prozent – ein Ausdruck der Hoffnung, denn es lohnt sich in- zwischen, sich testen zu lassen. Selbst ein po- sitives Testergebnis ist kein Todesurteil mehr.
Eine antiretrovirale Therapie verlängert Le- ben und steigert die Lebensqualität. Sie dient der Erhaltung der Arbeitskraft für Familie und Gesellschaft, reduziert die Zahl der Aids-Wai- sen, verringert die Transmissionsrate durch die gesenkte Viruslast, steigert die Bereitschaft, sich testen zu lassen, und dient damit auch der Primärprävention.Aids wird allmählich entstig- matisiert. Barbara Hünten-Kirsch Eike Uhlich