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Archiv "Therapie der HIV-Infektion" (19.07.2010)

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Therapie der HIV-Infektion

Martin Vogel, Carolynne Schwarze-Zander, Jan-Christian Wasmuth, Ulrich Spengler, Tilman Sauerbruch, Jürgen Kurt Rockstroh

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Die Infektion mit dem Humanen Immundefi- zienz Virus (HIV) stellt nach wie vor eine bedeutende medi- zinische Herausforderung dar.

Methoden: Selektive Literaturübersicht unter Einbeziehung der aktuellen Deutsch/Österreichischen, Europäischen, und US-Amerikanischen Leitlinien zur Behandlung der HIV-Infektion von Erwachsenen.

Ergebnisse: In Deutschland infizieren sich jährlich 3 000 Menschen mit HIV, 2009 waren 67 000 mit HIV infiziert. Mit einem rechtzeitigen Einsatz hochaktiver antiretroviraler Therapie (HAART) lässt sich eine fast normale Lebenser- wartung erreichen. Dennoch werden auch in Deutschland 30 Prozent aller Diagnosen erst im Stadium des Acquired Immune Deficiency Syndrom (AIDS) oder bei einem fortge- schrittenen Immundefekt gestellt. Eine HAART sollte spä- testens bei einem Abfall der CD4-positiven Helferzellen unter 350/µL begonnen werden. Die Auswahl der antire- troviralen Medikamente muss dabei Primärresistenzen, Begleiterkrankungen und persönliche Lebensumstände des Patienten berücksichtigen. Therapieziel ist eine dauer- hafte Suppression der HIV-RNA unterhalb von 50 Kopien/

mL-Plasma.

Schlussfolgerungen: Patienten mit erhöhtem Risiko für ei- ne HIV-Infektion oder Neudiagnose einer sexuell übertrag- baren Erkrankung sollte ein HIV-Test angeboten werden.

Mit dem Älterwerden HIV-infizierter Menschen verkompli- ziert sich die Behandlung durch zusätzliche Komorbiditä- ten und erfordert erhöhte Wachsamkeit aufgrund mögli- cher Arzneimittelinteraktionen.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(28–29): 507–16 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0507

S

eit Bekanntwerden erster Fälle erworbener Im- munschwäche (Acquired Immunodeficiency Syndrome [AIDS]) in den 1980er-Jahren in den USA und der Entdeckung des hierfür verantwortlichen Vi- rus HIV („Human Immunodeficiency Virus“) ist es zu einer Verbreitung der Infektion mit einer ge- schätzten weltweiten Prävalenz von 33 Millionen In- fektionen gekommen (e1–e4). In Deutschland waren im Jahr 2009 etwa 67 000 Menschen mit HIV infi- ziert. Kam es nach dem Jahr 2000 zunächst zu einem Anstieg der Neuinfektionen, so hat sich die Situation seit 2007 erfreulicherweise wieder stabilisiert mit aktuell etwa 3 000 Neuinfektionen pro Jahr (1).

Bereits zehn Jahre nach Entdeckung des HI-Virus wurde 1996 das Behandlungskonzept einer hochakti- ven antiretroviralen Therapie (HAART) eingeführt (e5). Mit der HAART wird durch die Kombination verschiedener antiretroviraler Medikamente das HIV dauerhaft in seiner Vermehrung gehemmt und so die Folgen einer unkontrollierten HIV-Infektion unter- bunden (insbesondere Verlust der CD4-Zell-vermit- telten Immunität). Theoretische Überlegungen und bisherige klinische Erfahrung sprechen dafür, dass HAART ein lebenslang erfolgreiches Therapiekon- zept für den einzelnen Patienten darstellen kann.

Wird eine antiretrovirale Therapie vor Auftreten kli- nischer Manifestationen einer HIV-Infektion begon- nen (Stadium B oder C), zeigt sich in mathemati- schen Modellen eine fast normale Lebenserwartung.

So wird zum Beispiel die Lebenserwartung eines heute 25-jährigen, HIV-positiven, nicht drogenab- hängigen, jungen Mannes auf 77,7 Jahre geschätzt;

im Vergleich zu einem HIV-negativen 25-jährigen Mann mit einer Lebenserwartung von 78,1 Jahren (2). Allerdings reduziert sich die Lebenserwartung mit späterem Beginn der HAART deutlich. Wird die Lebenserwartung eines 20-jährigen HIV-positiven Mannes in einer anderen Studie bei Beginn einer HAART oberhalb von 200 Helferzellen/µL auf 70 Jah-

Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn: Dr. med. Vogel, Dr. med. Schwarze-Zander, PD Dr. med. Wasmuth, Prof. Dr. med. Sprengler, Prof. Dr. med. Sauerbruch, Prof. Dr. med. Rockstroh

Punkte 3

cme

Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

Prävalenz

In Deutschland sind 67 000 Menschen mit HIV

infiziert. Etwa 30 Prozent aller Patienten erfahren

die Diagnose HIV erst im Stadium AIDS oder einer

Helferzellzahl < 200/µL.

(2)

re geschätzt, so sinkt diese bei Beginn zwischen 100 bis 199 Helferzellen/µL auf 62 Jahre und bei Beginn unter 100 Helferzellen/µL auf 52 Jahre. (3). Trotz gu- ter Behandlungsmöglichkeiten und vieler Aufklä- rungskampagnen wird immer noch ein großer Teil der HIV-Infektionen zu spät erkannt, mit für den Einzelnen zum Teil dramatischen Folgen, zum Bei- spiel wenn die Diagnose erst im Stadium AIDS er- folgt (1). Personengruppen mit erhöhtem Risiko ei- ner HIV-Infektion sollte daher routinemäßig ein HIV-Test angeboten werden. Das Wissen um HIV-as- soziierte Erkrankungen kann dabei helfen, die Dia - gnose zu stellen und rechtzeitig eine HAART einzu- leiten.

Methoden

Der folgende Beitrag stellt die aktuellen Aspekte zur Epidemiologie und Behandlung anhand einer selekti- ven Literaturübersicht dar. Dabei wurden die aktuel- len deutsch/österreichischen, europäischen, und US- amerikanischen Leitlinien zur Behandlung der HIV- Infektion Erwachsener berücksichtigt. Die Suche er- folgte mit den Stichwörtern: HIV-, ART-, HAART- guidelines.

Lernziele

Die Ziele dieses Beitrags sind:

die Epidemiologie der HIV-Infektion kennen- zulernen

den natürlichen Verlauf der HIV-Infektion zu verinnerlichen

einen Überblick über die Behandlung der HIV- Infektion zu erlangen.

Früherkennung der HIV-Infektion

In Deutschland schätzt man, dass die Hälfte aller HIV-Infektionen zu spät erkannt wird, also zu einem Zeitpunkt, bei dem eine antiretrovirale Therapie schon hätte begonnen werden sollen (1). Immerhin ein Drittel aller Patienten weisen zum Zeitpunkt der Diagnose ein AIDS-definierendes Ereignis oder aber einen weit fortgeschrittenen Immundefekt mit einer CD4-Zellzahl unter 200/µL auf. Die Früherkennung der HIV-Infektion ist aber nicht nur für den Betroffe- nen von Bedeutung, der in der Zeit bis zur Diagnose- stellung ein nicht kalkulierbares Risiko für zum Teil schwere gesundheitliche Folgen trägt. Auch aus der Sicht der Gesamtbevölkerung ist eine frühe Diagno- se der HIV-Infektion hilfreich, da durch das Wissen

Anamnese

Eine frühe Diagnosestellung der HIV-Infektion ist wichtig, da so die Übertragung von HIV auf Mitmenschen deutlich reduziert werden kann.

Früherkennung

Für Deutschland schätzt man, dass die Hälfte aller HIV-Infektionen zu spät erkannt werden, also zu einem Zeitpunkt, bei dem eine antiretrovirale The- rapie schon hätte begonnen werden sollen.

KASTEN 1

Klinische Kategorien (A–C) zur Einteilung des natürlichen Verlaufs der HIV-Infektion*

1

Kategorie A – asymptomatisches Stadium – akute, symptomatische (primäre) HIV-Infektion – persistierende generalisierte Lymphadenopathie (LAS).

Kategorie B – Krankheitssymptome oder Erkrankungen, die nicht dem AIDS-Stadium zuzuordnen sind, aber auf eine Störung der zellulären Im- munabwehr hinweisen und ursächlich einer HIV-Infektion zuzuordnen sind – bazilläre Angiomatose

– Entzündungen des kleinen Beckens, besonders bei Komplikationen eines Tuben- oder Ovarialabszesses

– Herpes zoster bei Befall mehrerer Dermatome oder nach Rezidiven in einem Dermatom

– idiopathische thrombozytopenische Purpura

– konstitutionelle Symptome wie Fieber > 38,5 °C oder eine mehr als 1 Monat andauernde Diarrhö

– Listeriose

– orale Haarleukoplakie (OHL)

– oropharyngeale Candidose, vulvovaginale Candidose, die entweder chronisch (> 1 Monat) oder schlecht behandelbar ist

– zervikale Dysplasien oder Carcinoma-in-situ – periphere Neuropathie.

Kategorie C – AIDS-definierende Erkrankungen

– Candidose von Bronchien, Trachea oder Lungen, Candidose des Ösophagus – CMV-Infektionen (Ausnahme Leber, Milz, Lymphknoten)

– HIV-assoziierte Enzephalopathie

– Herpes-simplex-Infektionen (> 1 Monat bestehend; Bronchitis, Pneumonie, Ösophagitis)

– Histoplasmose (disseminiert oder extrapulmonal) – Isosporiasis, chronisch, intestinal, > 1 Monat bestehend – Kaposi-Sarkom

– Kokzidiomykose, disseminiert oder extrapulmonal – Kryptokokkose, extrapulmonal

– Kryptosporidiose, chronisch (> 1 Monat), intestinal – Burkitt-Lymphom

– immunoblastisches Lymphom – primär zerebrales Lymphom – atypische Mykobakteriose – Tuberkulose

– Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie (PCP) – rezidivierende bakterielle Pneumonie (> 2 pro Jahr) – progressive multifokale Leukenzephalopathie – Salmonellen-Septikämie, rezidivierend – Toxoplasmose, zerebral

– Wasting-Syndrom – invasives Zervixkarzinom.

*1 nach dem Center for Disease Control and Prevention USA (CDC) (24)

(3)

um die Infektion und entsprechende Vorsichtsmaß- nahmen die Übertragung von HIV auf Mitmenschen deutlich reduziert werden kann (4). Vorsichtsmaß- nahmen sind:

geschützter Geschlechtsverkehr

Benutzung von Einmalspritzen und -bestecken

eine effektive Therapie der HIV-Infektion.

Von einer späten Diagnose sind in Deutschland besonders Menschen höheren Alters, ohne erkennba- res/eruierbares Übertragungsrisiko, aus Hochpräva- lenzgebieten stammend oder mit heterosexueller Orientierung betroffen (1). Häufig finden sich im Rückblick Arztkontakte, im Rahmen derer die HIV- Infektion hätte festgestellt werden können. In einer kürzlich vorgestellten nordamerikanischen Untersu- chung bei Menschen mit spät diagnostizierter HIV- Infektion zeigte sich retrospektiv bei knapp 20 Pro- zent aller Patienten ein Symptom oder Symptom- komplex, der an eine HIV-Infektion hätte denken lassen können (5).

Klassische AIDS-definierende Erkrankungen wie die Pneumocystis jiroveci Pneumonie (PCP), die ze- rebrale Toxoplasmose oder das Kaposi-Sarkom sind meist bekannt (Kasten 1, Abbildung). Aber auch HIV-assoziierte Erkrankungen wie Herpes zoster, orale Haarleukoplakie und oraler Soor und schließ- lich das Vorliegen anderer sexuell übertragbarer Er- krankungen sollten zum Angebot eines HIV-Testes führen (Kasten 1, Kasten 2). Dabei gilt in Deutsch- land weiterhin, dass ein Test nur mit Einverständnis des Patienten durchgeführt werden darf (6).

Therapiebeginn

Der optimale Zeitpunkt für den Beginn einer Be- handlung ist nach wie vor ungeklärt. Dabei sind die sich stetig erneuernden Empfehlungen der Fachge- sellschaften Ausdruck der insgesamt deutlich verbes- serten Verträglichkeit und Einnahmemodalitäten heutiger HIV-Medikamente einerseits und neuer Er- kenntnisse über die negativen Auswirkungen einer unkontrollierten HIV-Infektion auch bei höheren Helferzellen andererseits. So hat sich in den letzten Jahren die Empfehlung hin zu einem früheren Thera- piebeginn verschoben (Tabelle 1). Unumstritten ist, dass alle Patienten im symptomatischen Stadium ih- rer HIV-Erkrankung (CDC-Klassifikation Katego- rien B und C, [Kasten 1]) unabhängig von ihrer Vi- ruskonzentration und CD4-Zellzahl behandelt wer- den sollten.

Eine unkontrollierte HIV-Infektion stellt aber auch bei höheren CD4-Zellzahlen oberhalb von 200 Zellen/µL, die nur noch mit einem geringen Risiko für AIDS oder HIV-assoziierte Erkrankungen assozi- iert sind, ein Gesundheitsrisiko dar. Patienten, die ih- re HAART früher begannen (in dieser Studie ober- halb von 350 Helferzellen/µL), erlitten zum Beispiel seltener Herzinfarkte als Patienten, die ihre HAART später (unterhalb von 250 Helferzellen/µL) began- nen (9 Fälle versus 0 Fälle, kombinierte Hazard-Ra- tio für alle nicht-AIDS-assoziierten Erkrankungen 7.0) (7). Eine chronische Hepatitis-C-Infektion ver- läuft bei gleichzeitiger HIV-Infektion deutlich un- günstiger. Durch den Einsatz von HAART konnte die Mortalität und die Leberfibroseprogression deutlich verringert werden (8). Ein gut erhaltener Immunsta- tus mit hohen Helferzellzahlen war dabei in ver- schiedenen Studien mit einer geringeren Progression der Leberfibrose assoziiert (9), so dass bei Hepatitis- koinfizierten Patienten allgemein ein früherer

Angebot eines HIV-Tests bei

• häufig wechselnden Sexualpartnern

• Drogenabhängigen

• professionellen Sexarbeitern

• Migranten aus Hochprävalenzländern

• Männern, die Sex mit Männern haben

Zusätzliches Angebot eines HIV-Tests bei • Neudiagnose einer sexuell übertragbaren

Erkrankung

KASTEN 2

Anbieten eines HIV-Testes bei

erhöhtem Risiko einer HIV-Infektion – Männer, die Sex mit Männern haben – professionelle Sexarbeiter/innen

– häufig wechselnde Partner (> 5 Partner pro Jahr mit anal/vaginal penetrierendem Sex)

– Drogenabhängige

– Migranten aus Hochprävalenzgebieten zum Beispiel Ländern des sub-saharischen Afrikas

Neudiagnose einer sexuell übertragbaren Erkrankung

– Syphilis – Gonorrhö

– Lymphogranuloma venereum – Ulcus molle

– Chlamydien – Hepatitis B

– humanes Papilloma Virus – Herpes simplex II – Trichomonaden – Filzläuse

– Granuloma inguinale

– gegebenenfalls auch Hepatitis A und Hepatitis C

(4)

HAART-Beginn empfohlen wird. Neuere Daten zur Krebsepidemiologie zeigen darüber hinaus, dass auch das Risiko für Malignome für einige Tumore bereits unterhalb einer CD4-Zellzahl von 500/µL an- steigt (10).

Uneinigkeit herrscht derzeit unter Experten, wann bei Patienten mit einer hohen CD4-Zellzahl > 350/µL

mit einer HIV-Therapie begonnen werden sollte.

Während ein Teil der amerikanischen Experten sogar jedem HIV-Patienten eine Therapie empfehlen wür- den (11), bleiben europäische (12) und deutsche (13) Experten konservativer und empfehlen nur in Son- derfällen einen Therapiebeginn oberhalb einer CD4-Zellzahl von 350/µL (Tabelle 1). Dabei hat sich

Indikation für die medikamentöse Therapie Eine HAART sollte bei einem Abfall der CD4-Hel- ferzellen unter 350/µL begonnen werden.

Cave

Bei der Auswahl antiretroviraler Medikamente ist Kinderwunsch ebenso zu berücksichtigen wie Be- gleiterkrankungen.

TABELLE 1

Aktuelle Therapieempfehlungen der deutsch-österreichischen*1, europäischen*2 und US-amerikanischen*3 HIV-Fachgesellschaften

*1 www.daignet.de

*2 www.europeanaidsclinicalsociety.org

*3 www.aidsinfo.nih.gov

*4 die Experten votierten zu 50 % eine HAART zu beginnen, 50 % votierten für einen optionalen Therapiebeginn *5 55 % der Experten votierten für eine starke Empfehlung, 45 % für eine moderate Empfehlung zum Therapiebeginn

*6 50 % der Experten stimmten für die Aufnahme dieses Kriteriums deutsch-österreichische Empfehlungen

symptomatische HIV-Infektion Behandlung angezeigt unabhängig von CD4-Zellzahl und HIV-RNA

asymptomatische HIV-Infektion – CD4-Zellzahl ≥ 500/μL, Vorliegen von Zu-

satzkriterien Einzelfallentscheidung – HIV-RNA > 100 000 Kopien/mL engmaschige Kontrollen CD4

– CD4-Zellzahl > 350–500/μL und ein oder mehrere Zusatzkriterien

Behandlungsempfehlung

Zusatzkriterien für die Therapieeinleitung:

– HIV-RNA > 100 000 Kopien/mL, Schwan- gerschaft, Alter > 50 Jahre, HCV- oder hochreplikative HBV-Koinfektion, hohes kardiovaskuläres Risiko (Framingham- Risiko > 20 % /10 Jahre), Absinken der CD4-Zellzahl, Plasmavirämie > 100 000 Kopien/mL, Reduktion der Infektiosität*6 – CD4-Zellzahl < 350/μL

Behandlungsindikation

europäische Empfehlungen

Behandlung angezeigt unabhängig von CD4-Zellzahl und HIV-RNA

– CD4-Zellzahl ≥ 500/μL und Komorbidität

Behandlung anbieten – HIV-RNA > 100 000 Kopien/mL engmaschige Kontrollen CD4 – individuelle Gründe Behandlung anbieten – CD4-Zellzahl 350–500/μL

– HCV-Koinfektion, HBV-Infektion mit Be- handlungsindikation, HIV-Nephropathie oder anderer Endorganschaden Behandlungsempfehlung

– rascher Abfall CD4, HIV-RNA > 100 000 Kopien/mL, Alter > 50 Jahre, Schwan- gerschaft, hohes kardiovaskuläres Risi- ko, Malignom

Behandlung erwägen – CD4-Zellzahl 200–350/μL Behandlungsindikation – CD4-Zellzahl < 200/μL sofortiger Behandlungsbeginn

US-amerikanische Empfehlungen

Behandlung angezeigt unabhängig von CD4-Zellzahl und HIV-RNA

– CD4-Zellzahl ≥ 500/μL und Schwangerschaft, HIV-Nephropathie, HBV-Infektion mit Behandlungsindikation Behandlungsindikation

– unabhängig von Begleiterkrankung Behandlung empfehlen/erwägen*4

– CD4-Zellzahl 350–500/μL

moderate bis starke Behandlungsemp- fehlung*5

– CD4-Zellzahl < 350/μL Behandlungsindikation

(5)

eine zunehmende Individualisierung der Leitlinien durchgesetzt, das heißt in Abhängigkeit von Begleit- erkrankungen oder besonderen Risiken für eine Krankheitsprogression der HIV-Infektion wird für besonders gefährdete Patientengruppen zu einem frü- heren Therapiebeginn geraten (zum Beispiel Hepati- tiskoinfektion, höheres Lebensalter).

Im Falle einer akuten HIV-Infektion zeigen bishe- rige Studien widersprüchliche Ergebnisse, so dass vorerst die Behandlung solcher Fälle im Rahmen kontrollierter Studien erfolgen sollte. Aufgrund der raschen Veränderungen der Behandlungsmöglichkei- ten empfiehlt es sich, eine HIV-spezifische Behand- lung an primär spezialisierten Zentren (HIV-Schwer- punktpraxen oder universitäre Ambulanzen) durch- führen zu lassen (siehe www.dagnae.de oder www.

daignet.de).

Therapieziel

HIV stellt besondere Herausforderungen an die Be- handlung, da das Virus sich sehr rasch vermehrt (die tägliche Virusproduktion wird auf mindestens 1010 Viren geschätzt) und während seiner Vermehrung stark mutiert (etwa 1 neue Mutation pro Virusrepli- kationszyklus), ohne dass die Mehrheit seiner Protei- ne dabei einen wesentlichen Funktionsverlust erlei- den. Um eine langfristig wirksame HIV-Behandlung gewährleisten zu können und eine Vermehrung und insbesondere eine Resistenzentwicklung gegenüber den eingesetzten antiretroviralen Medikamenten un- terbinden zu können, ist eine dauerhafte maximale Suppression der HI-Viruslast nötig. In der Praxis hat sich gezeigt, dass hierzu eine dauerhafte Suppression der HIV-RNA unterhalb der Nachweisgrenze der gängigen quantitativen Nachweisverfahren (20 bis 50 Kopien/mL) ausreichend ist (13, 15).

Wird die Viruslast unzureichend (> 400 HIV-RNA Kopien/mL) abgesenkt, ist die Wahrscheinlichkeit er- höht, therapieresistente Virusmutanten zu selektieren, die mittelfristig die Therapierbarkeit verschlechtern (16). Besonders wichtig für den langfristigen Thera- pieerfolg ist eine gute Therapieadhärenz des Patien- ten. Weniger als 5 Prozent aller Patienten, die erst- mals eine HAART beginnen, erleiden innerhalb des ersten Jahres ein virologisches Versagen. Eine regel- mäßige und kontinuierliche Einnahme der HAART kann das Auftreten von Resistenzen wirksam unter- binden. Dabei erhöhte zum Beispiel das Vergessen von mehr als zwei Tabletten-Einnahmen im letzten

Monat das Risiko für ein virologisches Therapiever- sagen um den Faktor 2,8 im Vergleich zu Patienten, die keine einzige Dosis vergaßen (14). Grundlegend hierfür sind eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Bezie- hung und eine ausführliche Aufklärung über Art und Eigenschaften der Präparate, deren spezifisches Ne- benwirkungsprofil und über den zu erwartenden The- rapieerfolg. Zusammengefasst sollte also, nachdem die Entscheidung für eine antiretrovirale Therapie zu- sammen mit dem informierten Patienten getroffen worden ist, eine maximale Suppression der HIV-Ver- mehrung erreicht werden, da dies für einen Langzeit- erfolg von entscheidender Bedeutung ist.

Therapiekontrolle

Zu Beginn einer HAART sollte auf Nebenwirkun- gen geachtet und der Erfolg nach vier Wochen kontrolliert werden.

Therapieziel

Eine dauerhafte Suppression der HIV-RNA unter- halb der Nachweisgrenze der gängigen quantitati- ven Nachweisverfahren (20 bis 50 Kopien/mL)

Abbildung: HIV/AIDS-assoziierte Krankheiten

a) in etwa 20 bis 50 Prozent der Fälle eines akuten retroviralen Syndroms entwickelt sich ein charakteristischer makulopapulöser, stammbetonter Hautausschlag; b) thorakaler Herpes Zoster; c) Petechien und Hämatome bei HIV-assoziierter Thrombozytopenie; d) EBV-assoziier- te orale Haarleukoplakie; e) HIV-assoziierter oraler Soor; f) aktiver (weicher) Kaposi-Sarkom- Herd auf dem Rücken

a d

b

c

e

f

(6)

Auswahl antiretroviraler Medikamente

Da die Gabe von Einzelsubstanzen (Monotherapie) rasch zur Resistenzbildung führt, wird eine antiretrovi- rale Therapie in der Regel nur als Kombinationsthera- pie verabreicht, wobei sich die Wahl der Präparate an beruflichen und sozialen Voraussetzungen des Patien- ten und bestehenden Begleiterkrankungen orientieren sollte. Grundsätzlich wird in der Behandlung therapie- naiver Patienten eine Kombinationstherapie aus zwei nukleosidischen (nukleotidischen) Reverse Transkrip- tase Hemmern (N(t)RTI) und entweder einem nicht- nukleosidalen Reverse Transkriptase Hemmer (NNRTI), einem mit Ritonavir geboosteten Protease Hemmer (PI) oder einem Integrasehemmer (INI) em-pfohlen.

Die wesentlichen derzeit empfohlenen Kombinationen der deutsch-österreichischen AIDS-Gesellschaft zur antiretroviralen Behandlung therapienaiver, erwachse- ner Patienten sind in Tabelle 2 aufgeführt.

Vor Beginn einer antiretroviralen Therapie sollte in jedem Fall eine genotypische HIV-Resistenztestung durchgeführt werden, um Primärresistenzen entspre- chend zu erfassen. Auch in Deutschland sind Primärre- sistenzen verbreitet, so ließ sich zum Beispiel in Nord- rhein-Westfalen im Jahr 2005 bei etwa 9 Prozent aller neu diagnostizierten HIV-Infektionen mindestens eine Mutation nachweisen, die mit einer Resistenz gegen- über einem HIV-Medikament assoziiert war (17).

Vorliegende Begleiterkrankungen und Kinder- wunsch sollten bei der Auswahl der HIV-Medikamen- te berücksichtigt werden. Im Falle eines Kinderwun- sches sollte der behandelnde Arzt Efavirenz vermei- den, da Neuralrohrdefekte bei Neugeborenen be- schrieben sind (23). Auch sollte Efavirenz bei Patien- ten mit psychiatrischen Grunderkrankungen nur unter Vorsicht eingesetzt werden, da für dieses Patienten- kollektiv ein erhöhtes Risiko psychiatrischer Neben- wirkungen beschrieben ist (19). Alternativ zu Efavi- renz kann als NNRTI Nevirapin eingesetzt werden;

hier ist allerdings zu beachten, dass bei Patienten mit höheren CD4-Zellzahlen vermehrt starke allergische Hautreaktionen und Hepatotoxizität auftreten, so dass ein Einsatz bei Frauen nur im Falle einer CD4-Zell- zahl < 250/ µL und bei Männern < 400/ µL empfohlen wird.

Patienten mit einer chronischen Hepatitis sollten nach Beginn einer HAART engmaschig hinsichtlich der Leberfunktionsparameter überwacht werden, da ein erhöhtes Risiko für Transaminaseerhöhungen be- steht. Bei Vorliegen einer chronischen Hepatitis- B-Infektion muss die Behandlungsindikation der He- patitis B geprüft werden. Liegt hier eine replikative HBV-Infektion (> 2000 IU/mL) mit erhöhten Trans- aminasen oder aber eine fortgeschrittene Leberfibro- se vor, so sollten antiretrovirale Substanzen mit gleichzeitiger antiviraler Hemmung der HBV-Poly- merase (zum Beispiel Tenofovir in Kombination mit Emtricitabin oder Lamivudin) eingesetzt werden. Pa- tienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion, die eine pegylierte Interferon/Ribavirin-Therapie pla- nen, sollten aufgrund der vermehrten Toxizität bei gleichzeitiger Gabe von Ribavirin kein Didanosin, Stavudin oder Zidovudin erhalten.

Eine bestehende Einschränkung der Nierenfunktion sollte eine Überprüfung der Dosierungen der N(t)RTIs nach sich ziehen, da diese überwiegend renal elimi- niert werden und entsprechende Dosisanpassungen notwendig werden können. Schließlich sollte die be-

Therapiekorrektur

Ist es unter HAART zu einem Absinken der HIV- RNA unterhalb von 50 Kopien/mL Plasma gekom- men, sollten drei bis sechs monatliche Kontrollen zur weiteren Überwachung der Therapie erfolgen.

Hepatotoxisches Risiko

Patienten mit einer chronischen Hepatitis sollten nach Beginn einer HAART engmaschig hinsichtlich der Leberfunktionsparameter überwacht werden, da einige der HIV-Medikamente mit erhöhtem he- patotoxischen Risiko vergesellschaftet sind.

TABELLE 2

Empfohlene Erstlinientherapie der deutsch-österreichischen HIV-Fachgesell- schaft zur Behandlung der HIV-Infektion bei Erwachsenen*1

*1 Zur Therapie der HIV-Infektion wird jeweils ein Kombinationspartner 1 mit einem Kombinationspartner 2 angewendet. Die Auswahl der Medikamente richtet sich nach bestehenden Resistenzen, Begleiterkrankungen und persönlichen Umständen, modifiziert nach (11)

*2 Kein Einsatz bei Schwangerschaft und bei Frauen mit Schwangerschaftswunsch

*3 Einsatz mit Vorsicht bei bestehender Lebererkrankung, Männern mit mehr als 400 CD4+ T-Zellen/µL beziehungsweise bei Frauen mit mehr als 250 CD4+ T-Zellen/µL. Alle Empfehlungen bis auf Saquinavir/r Evidenzgrad AII; auf der Basis von Surrogatmarkerstudien oder Kohortendaten eindeutige Empfehlung;

*4 in der Erstlinientherapie wird bei allen Proteasehemmern die zusätzliche Gabe von niedrig-dosiertem Ritonavir (/r) zur Verbesserung des pharmakokinetischen Profils empfohlen

*5 Einsatz von Abacavir nach negativem Screening auf HLAB* 5701, Einsatz mit Vorsicht bei Plasmavirämie

> 105 Kopien/mL und hohem kardiovaskulärem Risiko (Framingham-Score > 20 % /10 Jahre) BII, auf der Basis von Surrogatmarkerstudien oder Kohortendaten im Allgemeinen ratsam N(t)RTI: nukleosidale/nukleotidale reverse Transkriptasehemmer;

NNRTI: nicht-nukleosidale reverse Transkritpasehemmer;

Kombinationspartner 1 N(t)RTI

Nukleosid-/Nukleotidkombinationen – Tenofovir/Emtricitabin

– Abacavir*5/Lamivudin

+

Kombinationspartner 2 NNRTI

– Efavirenz*2 – Nevirapin*3 Proteasehemmer*4 – Atazanavir/r – Darunavir/r – Fosamprenavir/r – Lopinavir/r – Saquinavir/r

(Alternative, BII) Integrasehemmer – Raltegravir

(7)

stehende Medikation des Patienten sorgfältig hinsicht- lich möglicher Arzneimittelinteraktionen überprüft werden. NNRTI und PI werden größtenteils über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt, was so- wohl für die HAART als auch für gleichzeitig verab- reichte andere Medikamente weitreichende Auswir- kungen haben kann. So ist bei gleichzeitiger Einnah- me von zum Beispiel Ergotamin, Statinen, Protonen- pumpenhemmern, Antihypertensiva oder Antiarrhyth- mika, aber auch bei der Einnahme von Johanniskraut je nach Kombination mit subtherapeutischen (man- gelnde Wirksamkeit und erhöhte Gefahr der Resis- tenzbildung), aber auch toxischen Medikamentenspie- geln zu rechnen. Auch Protonenpumpeninhibitoren (PPI) können über eine veränderte Löslichkeit zum Beispiel von Atazanavir zu klinisch relevanten Medi- kamenten-Interaktionen führen. Mittlerweile stehen verschiedene Internet-basierte Dienste zur Verfügung, um Interaktionen zu überprüfen (www.ifi-interakti ons-hotline.de) (20, 21).

Überwachung der Therapie

Vier Wochen nach Beginn der Therapie sollte eine erste Erfolgskontrolle vorgenommen werden. Zu die- sem Zeitpunkt sollte die HI-Viruslast mindestens um zwei Zehnerpotenzen abgenommen haben, andern- falls muss an Resistenzen, Absorptionsprobleme der Medikamente oder Schwierigkeiten in der Patienten- Adhärenz bezüglich Medikamenteneinnahme gedacht werden. Sprechen die virologischen Parameter initial auf die Therapie gut an, kann der weitere Therapieer- folg in dreimonatigen Abständen kontrolliert werden.

Eine Suppression der Viruskonzentration unter die Nachweisgrenze (< 50 Kopien/mL) sollte bei guter Einstellung innerhalb von sechs Monaten nach Thera- piebeginn erreicht werden.

Bei Patienten mit besonders rascher Immun - rekonstitution oder solchen, die bei sehr niedri - gen CD4-Helferzahlen eine HAART begonnen haben (< 50 CD4-Zellen/µL), wird gehäuft ein Immunrekon- stitutions-Inflammatorisches Syndrom (IRIS) beob- achtet. Hier kommt es paradoxerweise trotz steigender Helferzellen zu einer vorübergehenden Verschlechte- rung eines zugrunde liegenden und bis dahin nicht evidenten Krankheitsbildes oder erneuter klinischer Manifestation opportunistischer Infektionen. Dieses Syndrom wird als überschießende Immunantwort auf einen klinischen oder subklinischen Antigenstimulus im Rahmen des reagibler werdenden Immunsystems

gesehen. So kann beispielsweise bei bestehender He- patitis-C-Infektion ein Anstieg der Transaminasen nach Beginn der HAART Ausdruck eines IRIS sein;

auch kann bei niedriger CD4-Zellzahl aber asympto- matischer HIV-Infektion unter steigenden CD4-Zell- zahlen eine Tuberkulose erstmalig klinisch apparent werden.

Therapiewechsel und Therapiepausen

Änderungen einer antiretroviralen Therapie können notwendig werden, wenn die Therapie wirkungslos ist, Nebenwirkungen auftreten oder neuere Medika- mente mit einfacheren Einnahmeschemata, günstige- rem Nebenwirkungsprofil oder besserer Wirksamkeit erhältlich werden.

Von einem virologischen Versagen der Therapie ist auszugehen, wenn die Plasmaviruslast nach Suppres- sion unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien/mL wiederholt auf Werte oberhalb der Nachweisgrenze ansteigt. In der neu zu wählenden HAART sollten möglichst viele noch wirksame Substanzen eingesetzt werden und die antiretroviralen Medikamente sollten auf der Basis einer genotypischen Resistenzbestim- mung ausgewählt werden. Darüber hinaus sollten Schwierigkeiten in der Adhärenz als mögliche Ursa- che eines virologischen Versagens ausgeschlossen und gegebenenfalls angegangen werden.

Während in Europa virologisches Versagen in we- niger als zehn Prozent der Fälle der Grund für eine Therapieumstellung darstellt, sind Nebenwirkungen und Patientenwünsche in mehr als 50 Prozent der Fäl- le verantwortlich für eine Änderung der HAART (22). Da die Adhärenz des Patienten im Sinne einer kontinuierlichen Einnahme der HAART die wichtigs- te Voraussetzung für den Erfolg einer Therapie dar- stellt, sollte den Beschwerden und Wünschen des Pa- tienten in besonderem Maße Rechnung getragen wer- den. Therapieunterbrechungen können durch Neben- wirkungen oder besondere Umstände unumgänglich sein. Hier sollte auf die unterschiedlichen Halbwerts- zeiten der Medikamente nach Möglichkeit Rücksicht genommen werden, um funktionelle Monotherapien mit erhöhtem Risiko der Resistenzbildung zu vermei- den (NNRTIs).

Viele Patienten verspüren im Verlauf der Therapie den Wunsch, eine Therapiepause einzulegen. Ein dis- kutiertes Konzept ist es zum Beispiel, die Einnahme von HAART nach der CD4-Zellzahl zu steuern. Wenn die CD4-Zellen größer 350/µL sind, macht der Pa-

Immunrekonstitutions-Inflammatorisches Syndrom (IRIS)

Bei Patienten mit besonders rascher Immunre- konstitution oder solchen, die bei sehr niedrigen CD4-Helferzahlen eine HAART begonnen haben, wird gehäuft ein IRIS beobachtet.

Therapieunterbrechung

Eine Unterbrechung der HAART hat sich

als nachteilig für die HIV-assoziierte, aber auch

für die Gesamt-Mortalität gezeigt und sollte

vermieden werden.

(8)

tient eine Pause; wenn die CD4-Zellen kleiner 250/µL sind, beginnt der Patient wieder mit der HAART. In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass die durch HAART „gewonnenen“ CD4-Zellen jedoch in den meisten Fällen innerhalb kurzer Zeit wieder auf den zurückliegenden Tiefpunkt oder Nadir absinken. Zuletzt wurde eine große internationale Studie zur Erforschung der CD4-Zell-gesteuerten Therapie abgebrochen, da sich in dem Studienarm mit der CD4-Zell-gesteuerten Therapie signifikant mehr AIDS-definierende Ereignisse und auch non-AIDS- definierende Ereignisse (kardiovaskulär, renal oder hepatisch) sowie Todesfälle fanden als in der Gruppe von Patienten, die ihre HAART kontinuierlich ein- nahmen (23). Ein Absetzen der HAART ist daher im Einzelfall mit nicht unerheblichen Risiken behaftet und wird daher im Allgemeinen nicht empfohlen.

Fazit für die Praxis

Die HIV-Infektion ist heutzutage in westlichen Indus- trienationen sehr gut behandelbar. Anhand der Surro- gatmarker HIV-RNA, CD4-Zellzahl und dem klini- schen Stadium der HIV-Infektion sollte individuell auf der Basis von Patientencharakteristika und Be- gleiterkrankungen entschieden werden, wann der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer antiretrovira- len Kombinationsbehandlung gegeben ist. Vor Be- handlungsbeginn sollte der behandelnde Arzt in je- dem Fall eine genotypische HIV-Resistenztestung vornehmen, um Primärresistenzen auszuschließen.

Eine HIV-Therapie sollte aufgrund ihrer Komplexität immer in Absprache mit einem in der Behandlung er- fahrenen HIV-Schwerpunktzentrum erfolgen.

Interessenkonflikt

Dr. Vogel erhielt Vortragshonorare und finanzielle Unterstützung für Kongressreisen von Abbott, Tibotec, Gilead, BMS, ViiV Healthcare, Roche, Boehringer-Ingelheim und Merck.

Dr. Schwarze-Zander erhielt Vortragshonorare und finanzielle Unterstüt- zung für Kongresse und Reisen von Roche, Gilead, BMS, ViiV Healthcare, Pfizer und Abbott.

Prof. Rockstroh erhielt Vortragshonorare, finanzielle Unterstützung für Kon- gressreisen und Honorare für Beratertätigkeit in den Advisory-Boards von Abbott, Tibotec, Gilead, BMS, ViiV Healthcare, Roche, Boehringer-Ingelheim und MSD

Prof. Sprengler erhielt Honorare für Beratertätigkeiten für Gilead, BMS, Ro- che und Novartis

PD Wasmuth bekam finanzielle Zuwendungen für Vortragshonorare, Teil- nahme an Advisory Boards, Forschungsförderung und Reiskosten von Ab- bott, BMS, Pfizer, ViiV Healthcare, Roche, Gilead.

Prof. Sauerbruch erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtli- nien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 22. 3. 2010, revidierte Fassung angenommen: 15. 6. 2010

LITERATUR

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Praxistipp

Eine HIV-Therapie sollte aufgrund ihrer Komplexi-

tät immer in Absprache mit einem in der Behand-

lung erfahrenen HIV-Schwerpunktzentrum erfol-

gen.

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Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Jürgen K. Rockstroh Medizinische Klinik und Poliklinik I Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn E-Mail: juergen.rockstroh@ukb.uni-bonn.de

SUMMARY

The Treatment of Patients With HIV

Background: Infection with the human immunodeficiency virus (HIV) re- mains a major medical challenge.

Methods: Selective literature review, including the current German/Austri- an, European, and American guidelines on the treatment of HIV infection in adults.

Results: In Germany, 3000 persons become infected with HIV each year; in 2009, 67 000 persons in Germany were living with HIV. When highly active antiretroviral therapy (HAART) is initiated in time, patients can achieve a nearly normal life expectancy. Nonetheless, in Germany as elsewhere, 30%

of patients receive the diagnosis of HIV infection only when they have reached the AIDS stage of the disease or are suffering from advanced immunodeficiency. HAART should be started, at the latest, when the CD4-positive helper cell count drops below 350/µL. Primary drug resis- tances, accompanying illnesses, and the patient’s living circumstances must all be taken into account in the selection of antiretroviral drugs. The goal of treatment is lasting suppression of HIV-RNA to below 50 copies per milliliter of plasma.

Conclusions: HIV testing should be offered to all patients at high risk for HIV infection and all persons newly diagnosed with a sexually transmitted disease. As persons with HIV grow older, their treatment is complicated by increasing comorbidity and requires increased vigilance for possible drug interactions.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(28–29): 507–16 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0507

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit2810

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de eKasuistik unter:

www.aerzteblatt.de/10m0507

Weitere Informationen zu cme

Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung zertifiziert.

Die erworbenen Fortbildungspunkte können mithilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet wer- den.

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Wichtiger Hinweis

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Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.

Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 37/2010 an dieser Stelle veröffentlicht.

Die cme-Einheit „Endometriose“ (Heft 25/2010) kann noch bis zum 6. 8. 2010 bearbeitet werden.

Für Heft 33/2010 ist das Thema „Die ärztliche Leichen- schau“ vorgesehen.

Lösungen zur cme-Einheit in Heft 21/2010:

Anders et al.: Dekubitalgeschwüre – Pathophysiologie und Primärprävention

Lösungen: 1b, 2d, 3e, 4b, 5b, 6d, 7e, 8a, 9c, 10c

(10)

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.

Frage Nr. 1

Wie viele Menschen sind in Deutschland mit HIV infiziert?

a) etwa 35 000 b) etwa 70 000 c) etwa 150 000 d) etwa 300 000 e) etwa 500 000

Frage Nr. 2

Wie hoch liegt der Anteil der Patienten in Deutschland, die erst im Stadium AIDS oder bei bereits deutlich erniedrigten CD4-Helferzel- len (< 200/µL) die Diagnose einer HIV-Infektion gestellt bekom- men?

a) 1/2 b) 1/3 c) 1/4 d) 1/5 e) 1/6

Frage Nr. 3

Mit welchem indirekten Krankheitsrisiko geht eine unkontrollierte (nicht behandelte) HIV-Infektion einher?

a) Arthrose b) Bluthochdruck c) Diabetes d) Herzinfarkt

e) keine der oben genannten

Frage Nr. 4

Bei welchem Sachverhalt der Anamnese sollten Sie ihrer/ihrem Patientin/Patienten einen HIV-Test empfehlen?

a) häufig wechselnde Geschlechtspartner b) Neu-Diagnose einer Syphilis

c) orale Haarleukoplakie

d) Immigration aus sub-saharisch Afrika e) alle sind richtig

Frage Nr. 5

Unterhalb welcher CD4-Helferzellzahl bzw. bei welchem Kriterium wird laut deutsch/österreichischen Leitlinien eine HIV-Therapie empfohlen?

a) unterhalb von 600 Zellen/µL b) unterhalb von 500 Zellen/µL c) unterhalb von 350 Zellen/µL d) unterhalb von 200 Zellen/µL

e) nur bei AIDS oder HIV-assoziierten Erkrankungen

Frage Nr. 6

Welche nachfolgende Erkrankung ist AIDS-definierend?

a) Listeriose

b) zerebrale Toxoplasmose c) periphere Neuropathie d) bazilliäre Angiomatose e) Pruritus

Frage Nr. 7

Vor vier Wochen haben Sie einen Patienten mit Verdacht auf Pneumocystis jiroveci Pneumonie (PCP) stationär ein- gewiesen. Nach Erstdiagnose der HIV-Infektion und Be- handlung der PCP wurde vor einer Woche die HAART ein- geleitet. Der Patient kommt nun zu Ihnen und fragt, wann eine erste Kontrolle der HI-Viruslast sinnvoll ist?

a) eine Woche nach HAART-Beginn b) zwei Wochen nach HAART-Beginn c) vier Wochen nach HAART-Beginn d) acht Wochen nach HAART-Beginn e) zwölf Wochen nach HAART-Beginn

Frage Nr. 8

Eine 32-jährige-HIV-positive Frau kommt zu Ihnen in die Praxis. Gestern hat sie zu Hause einen Schwangerschafts- test durchgeführt, der positiv war. Der nächste Termin in der HIV-Schwerpunktpraxis ist in fünf Wochen. Welches HIV-Medikament ist bei Schwangerschaft aufgrund des Risikos für die Entwicklung eines Neuralrohrdefektes des Embryos kontraindiziert?

a) Efavirenz b) Nevirapin c) Tenofovir d) Lamivudin e) Lopinavir/Ritonavir

Frage Nr. 9

Einer ihrer HIV-positiven Patienten hat vor sechs Monaten mit einer HAART begonnen. Die HI-Viruslast im Plasma be- trägt 1230 Kopien/mL. Nach sechs Monaten HAART sollte die HIV-RNA im Plasma unter welchen Schwellenwert ab- gesunken sein?

a) < 8000 Kopien/mL b) < 4000 Kopien/mL c) < 400 Kopien/mL d) < 50 Kopien/mL e) < 5 Kopien/mL

Frage Nr. 10

Ein 53-jähriger HIV-positiver Patient wird mit akutem Nie- renversagen in ihre Klinik verlegt. Die HIV-Infektion wird seit Jahren mit HAART behandelt. Die Creatinkinase (CK) liegt bei > 20 000 IU/L. Der Patient hatte vor sechs Wochen einen Herzinfarkt erlitten und ist seither unter anderem mit einem Statin zur besseren Einstellung des Choleste- rins behandelt worden. Was ist nun die wichtigste Diffe- renzialdiagnose?

a) Rhabdomyolyse bei Arzneimittelinteraktion Statin und HAART

b) nach Herzkatheter kontrastmittelinduzierte Niereninsuffizienz c) HIV-assoziierte Myopathie

d) autoimmun-assoziierte Myositis e) HIV-assoziierte Nephropathie

(11)

Therapie der HIV-Infektion

Martin Vogel, Carolynne Schwarze-Zander, Jan-Christian Wasmuth, Ulrich Spengler, Tilman Sauerbruch, Jürgen Kurt Rockstroh

eLITERATUR

e1. Gottlieb MS, Schroff R, Schanker HM, et al:. Pneumocystis carinii pneumonia and mucosal candidiasis in previously healthy homo- sexual men: evidence of a new acquired cellular immunodeficien- cy. N Engl J Med 1981; 305(24): 1425–31.

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Punkte 3

cme

Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

(12)

Therapie der HIV-Infektion

Martin Vogel, Carolynne Schwarze-Zander, Jan-Christian Wasmuth, Ulrich Spengler, Tilman Sauerbruch, Jürgen Kurt Rockstroh

Die Kasuistik

Eine 28-jährige Patientin stellt sich mit Fieber und Husten vor. Sie sei nie ernsthaft krank gewesen. Vor drei Wochen habe sie eine Mandelentzündung und eine Gürtelrose erlitten. In den letzten drei Monaten habe sie 10 Prozent ihres Körpergewichtes verloren.

Bei der körperlichen Untersuchung fallen eine Soor- stomatitis und Haarleukoplakie auf. Die Lungen sind auskultatorisch unauffällig. Die Lymphknoten sind in Axilla und Leiste leicht vergrößert tastbar. Das Röntgenbild des Thorax ist unauffällig, im Labor fin- den sich eine Erhöhung der Lactatdehydrogenase, ei- ne Anämie und eine beschleunigte Blutsenkung. Die arterielle Blutgasanalyse zeigt eine Sauerstoffsätti- gung von 95 Prozent.

Die auffällige Infektanamnese (Gürtelrose im Al- ter von 28 Jahren) und körperlicher Untersuchungs- befund müssen an einen Immundefekt denken lassen.

Die Erstmanifestation eines primären Immundefek- tes im Alter von 28 Jahren ist selten, unter den erwor-

benen Immundefekten bleibt bei fehlender Einnahme einer zytotoxischen Chemotherapie oder aber im- munsuppressiven Behandlung die HIV-Infektion als wichtigste Differenzialdiagnose übrig. Die Patientin präsentierte sich mit HIV-assoziiertem Wasting-Syn- drom und einer Pneumocystis jiroveci Pneumonie (PCP) im Stadium AIDS, die CD4-Helferzellzahl war auf 60 Zellen/µL abgefallen.

Nach Behandlung der PCP und Einleitung einer hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) geht es der Patientin gut, sie klagt über keinerlei Be- schwerden. Unter HAART sind die Helferzellen über einen Zeitraum von 3,5 Jahren auf 304/µL angestie- gen.

Zitierweise: Dtsch Arztebl Int 2010; 107(28–29): 507–16 DOI: 10.3238/arztebl.2010.0507

Punkte 3

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Teilnahme nur im Internet möglich:

aerzteblatt.de/cme

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